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xyz
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Willich

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Insgesamt 80 Bewertungen
Bewertung vom 16.09.2021
Nichts als Gutes
Slupetzky, Stefan

Nichts als Gutes


ausgezeichnet

Schicht für Schicht

„Einen Menschen, der über das Leben nachgrübelt, statt es zu meistern.“ Was für ein schöner Satz, der vermittels einer fiktiven Grabrede des Bestattungsunternehmers den toten Grabredner zu charakterisieren vermag. Das Werk „Nichts als Gutes“ von Stefan Slupetzky scheint auf den ersten Blick ein Buch über den Tod zu sein, in Wahrheit ist es eines über das Leben und den Menschen.
Der Autor reiht insgesamt 26 erdachte Grabreden aneinander, jeweils begleitet von einem kurzen Einführungstext in das jeweilige Thema. Jede Geschichte endet mit einer Pointe oder einer überraschenden Wende.
Dieses feine Büchlein, gebunden und mit Lesebändchen, ist eine Ode an die kurze Textform, eine Kette kleiner literarischer Perlen, sprachlich brillant, scharfsinnig, tragikomisch, hintergründig, gesellschaftskritisch, absurd, phantasievoll, empathisch, vielschichtig, klug und immer tiefsinnig.

Schön wäre ein Inhaltsverzeichnis gewesen, damit man nicht immer so lange suchen muß, um eine bestimmte Rede erneut zu lesen.

Bewertung vom 13.09.2021
Hey, ich bin der kleine Tod ... aber du kannst auch Frida zu mir sagen
Gröger, Anne

Hey, ich bin der kleine Tod ... aber du kannst auch Frida zu mir sagen


sehr gut

Vom Tod Leben lernen

Anne Gröger erzählt in ihrem Buch „Hey, ich bin der kleine Tod - Aber du kannst auch Frida zu mir sagen“ von Samuel, der die ersten 11 Jahre seines jungen Lebens aufgrund einer Immunkrankheit vorwiegend im Krankenhaus verbracht hat.
Die eigentliche Geschichte beginnt, nachdem er nach einer erfolgreichen Stammzellentransplantation aus dem Krankenhaus entlassen werden kann.
Nun heißt es, obwohl er lieber in seinem vermeintlich sicheren Zimmer bleiben will, all das zu lernen, was für andere Kinder seines Alters selbstverständlich ist.
Mit Hilfe von Frida gelingt es ihm, mehr und mehr herauszufinden, was Leben bedeutet : Nicht nur Tod, Verzweiflung, Angst und Einsamkeit, sondern auch Mut, Versöhnung, Liebe und insbesondere Freundschaft.
Die schönen Illustrationen als Handzeichnungen in Schwarz-Weiß verstärken zudem die Intensität der Geschichte.

Bewertung vom 21.08.2021
Ich hatte nicht immer, was ich wollte, aber alles, was ich brauchte
Lindeblad, Björn Natthiko;Bankler, Caroline;Modiri, Navid

Ich hatte nicht immer, was ich wollte, aber alles, was ich brauchte


gut

Auf der Flucht oder auf der Suche ?

Das biographische Buch "Ich hatte nicht immer, was ich wollte, aber alles, was ich brauchte“ handelt von der Entwicklung des schwedischen Diplom-Kaufmannes Björn Lindeblad zu einem buddhistischen Mönch namens "Natthiko".
Wir erfahren viel über sein Leben als Waldmönch in Thailand, als Mönch in England und in anderen Regionen der Welt, bis er beschließt, sein Mönchdasein zu beenden und wieder nach Hause in Schweden zurechtzukommen. Mir gefällt die Offenheit und Ehrlichkeit des Ich-Erzählers Natthiko, dennoch konnte ich die Beweggründe nie richtig nachvollziehen, wenn er mal wieder beschlossen hatte, den Ort zu wechseln. So kam er mir vor wie ein ewig Suchender, der erst am Ende seines Lebens das findet, wonach er sich gesehnt, sich aber lange selbst verwehrt hat. Das Buch ist zwar gespickt mit buddhistischen Weisheiten, aber ich hatte das Gefühl, es sind nicht wirklich seine eigenen Gedanken.
Erst im Nachwort des Buches wird mir bewußt, daß der Ich-Erzähler Natthiko gar nicht der Autor des Buches ist, sondern Caroline Bankler, ihres Zeichens Autorin, Produzentin und Projektmanagerin, das Werk verfaßt hat. Vielleicht rührt meine Unzufriedenheit daher.

Bewertung vom 25.07.2021
Evie und die Macht der Tiere
Haig, Matt

Evie und die Macht der Tiere


ausgezeichnet

Die den Tieren zuhört

Das gebundene Kinderbuch von Matt Haig wurde durch und durch liebevoll gestaltet. Bereits das Titelbild gibt einen Vorgeschmack auf weitere wunderschöne Illustrationen, die im Inneren des Werkes folgen werden. Die schwarz-weißen Handzeichnungen, vielfach auch ganzseitig oder über zwei Seiten verlaufend, begleiten die Geschichte anschaulich. Vorweg tritt beim Öffnen des Buches ein überraschend dekoratives Vorsatzpapier voller Kaninchen in Erscheinung.

Matt Haig erzählt mit feinem Humor eine spannende Geschichte um Evie und ihre besondere Verbindung zu den Tieren, zu allen Tieren, nicht nur solchen mit einem weichen Fell !
Über die eigentliche Geschichte hinaus ist es ein Buch über Naturverbundenheit, über Freiheit und über Empathie, über Freundschaft und über Macht.
Leicht zu verstehen, aber mit einer Tiefe, die der Lesende selbst bestimmen kann. Ich würde das Buch nicht nur Kindern, sondern auch Jugendlichen und junggebliebenen Erwachsenen empfehlen.
Zudem können die Leserinnen und Leser ganz nebenbei allerlei Wissenswertes über die unterschiedlichsten Tierarten aufnehmen. So macht das Buch auf leise Art deutlich, wie wichtig Artenvielfalt und ein achtsamer Umgang mit unserem Planeten ist.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.06.2021
Weltraum / Wieso? Weshalb? Warum? - Erstleser Bd.4
Kessel, Carola von

Weltraum / Wieso? Weshalb? Warum? - Erstleser Bd.4


sehr gut

Sterne sind Kugeln

Im Ravensburger Erstleser-Buch „Weltraum“ werden der Weltraum, das Sonnensystem, die Geschichte der Raumfahrt sowie die Weltraumforschung verständlich und detailliert erklärt. Nach jedem der 4 Kapitel folgt ein Leserätsel zur mühelosen Überprüfung des soeben erlernten Wissens. Hierdurch trainieren die Kinder ganz nebenbei Lesen und Schreiben.

Das Buch ist anschaulich und schön illustriert mittels aquarellierter Handzeichnungen und Fotos.

Sowohl kognitive als auch handwerkliche Fähigkeiten können spielerisch geübt werden : Denn die Spielkarten eines Lottospiels, bei dem Abbildungen passenden Texterklärungen zugeordnet werden sollen, dürfen zunächst mit der Bastelschere selbst ausgeschnitten werden. Zudem können am Ende des Buches zu entnehmende Sticker bei korrekter Zuordnung und exakter Positionierung ein großes Bild einer Raumstation vervollständigen.

Bei allem Lernen kommt sogar der Humor nicht zu kurz vermittels eines kleinen Raumfahrers als Identifikationsfigur. Gewünscht hätte ich mir nicht nur Texte über „Astronauten“, „Raumfahrer“ und „Forscher“, sondern auch die Einbindung von „Astronautinnen“, „Forscherinnen“ und „Raumfahrerinnen“.

Ach, und nicht zu vergessen, die Lösungen aller Rätsel können im hinteren Teil des Buches nachgeschlagen werden.

Bewertung vom 18.05.2021
Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?
Green, John

Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?


ausgezeichnet

Das persönlichste Sachbuch der Welt

John Green beleuchtet in seinem neuen Buch das sogenannte "Anthropozän", das jetzige Erdzeitalter, in dem wir Menschen uns der Welt ermächtigen.

Der Autor streift alle Bereiche unseres Lebens und erzählt Geschichten aus Kunst, Kultur, Natur, Sport, Musik, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft. Die Streifzüge durch Geschichte und Kulturgeschichte verknüpft er mit ganz persönlichen Erlebnissen und Gedanken, sehr offenherzig, tiefgründig, klug und voller Demut.
Green beschreibt die Widersprüchlichkeit menschlichen Handelns in melancholischer Weise, mit feinem Humor, gesellschafts- und selbstkritisch, aber immer mit einem liebevollen Blick auf den Menschen.

Die 44 kurzen Kapitel könnte man sich auch als alleinstehende Essays zu Gemüte führen. Ich empfehle, dies jedoch erst nach dem ersten Lesen des Gesamtwerkes zu tun, da es in der zweiten Hälfte nochmal an Intensität zunimmt.

Es ist ein Buch, das tief berührt und tröstet !

Ich vermute, daß sich eher Lesende mit Lebenserfahrung angesprochen fühlen als die Fans seiner Jugendromane.
Ganz nebenbei eignet sich das Werk zur Erweiterung der Allgemeinbildung.

PS :
Sehr angenehm ist die Platzierung der Anmerkungen zu den vielen Zitaten direkt am unteren Rand der Buchseiten. So wird der Lesefluss nicht gestört, um wie üblich nach Hinten zu blättern, was John Green nicht daran hindert nach der Danksagung weitere Anmerkungen zu jedem Kapitel anzufügen.

Bewertung vom 18.05.2021
Viktor
Fanto, Judith

Viktor


ausgezeichnet

Jüdische Identitätssuche

Judith Fanto setzt sich in ihrem brillant erzählten autobiographischen Roman gekonnt mit ihrer jüdischen Familiengeschichte auseinander.
Der Stammbaum zu Beginn des Buches hilft dabei, die Beziehungen der Familienmitglieder einzuordnen, zumal die Geschichte stetig zwischen zwei Zeitebenen hin und her wechselt : Wir tauchen ein in die Geschehnisse zwischen 1914 bis 1942 auf der einen Seite und in die Zeitspanne von 1975 bis 1995 aus der anderen Blickrichtung.
Schon als Kind entwickelt die Ich-Erzählerin Geertje ein Gespür dafür, wie sehr die unausgesprochenen Ereignisse der NS-Zeit auf das Leben ihrer jüdischen Eltern und Großeltern bis heute einwirken. Nach und nach deckt sie mit unermüdlichem Forschergeist die Familiengeheimnisse auf und entwickelt sich zu einer selbstbewußten jungen Frau, die zu ihrer jüdischen Identität steht.
Geertje erkennt in Viktor, dem Bruder ihres Großvaters, eine Art Seelenverwandten. Durch diesen Kunstgriff gelingt es der Autorin, daß wir die Geschichte nicht wie Unbeteiligte von außen betrachten, sondern erleben, als wären wir dabei gewesen.

Bewertung vom 19.04.2021
Wenn Haie leuchten
Schnetzer, Julia

Wenn Haie leuchten


ausgezeichnet

Was das Meer mit uns zu tun hat

Mir sind zunächst einige formale Besonderheiten aufgefallen : Das gebundene Buch ohne Schutzumschlag ist deutlich kleiner und leichter als üblich und liegt schön in der Hand, was vor allem beim Lesen im Bett sehr angenehm ist. Das Vorsatzpapier greift vollflächig die leuchtend grüne Farbe des Titels „Wenn Haie leuchten“ auf.

Der Titel ist auch gleichzeitig eines der 10 Kapitel des Buches. Nach dem Inhaltsverzeichnis folgt eine handgezeichnete stilisierte Weltkarte, dort wird der Inhalt von 9 Kapiteln wie eine Reise durch die Weltmeere symbolhaft dargestellt. Weitere Illustrationen der Autorin werden nachfolgend die wissenschaftlich ausgerichteten Geschichten auch für meeresbiologische Laien veranschaulichen.

Ich war häufig überrascht und erstaunt und habe viel Neues erfahren, deshalb möchte ich im Detail auf die vielfältigen Erkenntnisse über Haie, Delfine und Fische, über Tiefseewolken, Insekten und Viren sowie über Plastik gar nicht eingehen. Besonders gut gefällt mir, daß sie immer die historische Entwicklung der Forschungserkenntnisse, also auch die heute widerlegten Fehlannahmen, aufgreift.
Die Autorin, selbst Meeresbiologin, zeigt die aktuellen Grenzen der Wissenschaft, die Vorteile für uns Menschen als auch die Kehrseite der Erkenntnisgewinnung auf. Das Werk macht deutlich, wie sehr die Geschehnisse in den Meeren sich indirekt auf unser aller Leben auswirkt. Die Achtung vor der Schönheit und Vielfalt des Meeres und die Bewahrung der Natur als unsere Lebensgrundlage ist ein wesentliches Anliegen dieses Buches.

Das Buch gehört meines Erachtens nach nicht in die Abteilung Fachwissen, sondern stellt eine Bereicherung für die Allgemeinbildung dar.

Bewertung vom 04.04.2021
Gefangen und frei
Sheff, David

Gefangen und frei


ausgezeichnet

Äußere Spannung aus innerer Wandlung

"Gefangen und frei", ein wunderbarer Titel, wo doch viele von uns sich "frei und gefangen" fühlen. Gefangen in ihren Gewohnheiten, gefangen in ihren Vorurteilen und Denkmustern, gefangen in einem inneren Käfig. Bereits hier wird deutlich, worin der Kern des Buches liegt.
Der Autor beschreibt eine gar nicht mal ungewöhnliche Lebensgeschichte eines seit seiner Jugend im Todestrakt sitzenden Mannes in den USA. Der unschuldig zum Tode Verurteilte lernt nicht nur zu überleben mittels buddhistischer Praktiken, insbesondere der Meditation, sondern entwickelt eine ganz neue Sicht auf sein vergangenes und sein derzeitiges Leben.
Nebenbei erfahren wir viel über den Alltag und die Lebenswirklichkeit im Gefängnis.
Es ist ein ehrliches und offenes Buch, es fällt leicht, sich mit den Ängsten und Gefühlen des Mannes zu identifizieren. Mehr noch, ich kann viele Anregungen und Denkanstöße mitnehmen aus diesem Buch für mein eigenes Leben in "Freiheit".

Bewertung vom 08.03.2021
Fühlen lernen
Welding, Carlotta

Fühlen lernen


sehr gut

Schwere Kost leicht verpackt

In unserer digital bestimmten Zeit verlieren wir mehr und mehr die Verbindung zu unseren Gefühlen und es fällt uns schwer, die Vorgänge in unserem Innersten richtig zu deuten, so die Ausgangsthese der Emotionswissenschaftlerin Dr. Carlotta Welding.
Sie erklärt uns, wie Gefühle entstehen, wie wir sie wahrnehmen und deuten sowie regulieren können.
Sie belegt ihre Ausführungen durch wissenschaftliche Studien aus Pädagogik, Psychologie und Neurowissenschaft, ergänzt mit persönlichen Anekdoten und praktischen Tips.

Was zunächst wie Selbstfindungs-, Selbstoptimierungs- oder Frauenlektüre erscheinen mag, ist ein komplexes Werk, welches sprachlich ganz leicht daherkommt und für jede(n) von uns interessant ist.
Sie widmet ihrem Promotions-Thema "Gefühlsblindheit" ein ganzes Kapitel, was mich darüber nachdenken ließ, zu wieviel Prozent ich selbst gefühlsblind sein könnte.

Empfehlen würde ich das Buch Männern und Frauen jeglichen Alters und insbesondere werdenden Eltern.