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Benutzername: 
Luisabella
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 16.03.2023
Besser allein als in schlechter Gesellschaft
Altaras, Adriana

Besser allein als in schlechter Gesellschaft


sehr gut

»Es ist schön, wenn man Gesellschaft hat, aber es geht auch wunderbar ohne. Besser allein als in schlechter Gesellschaft. Das ist mein Credo. Ich würde sagen, die letzten fünfundzwanzig Jahre waren die schönsten meines Lebens.« so sinniert Adriana’s Tete Jele über ihr Leben ab 75 und als Witwe. (S. 114)

In ihrem neuen Buch »Besser allein als in schlechter Gesellschaft. Meine eigensinnige Tante« schreibt die Autorin, Regisseurin und Schauspielerin Adriana Altaras abwechselnd Kapitel aus ihrer Sicht und der ihrer geliebten Tante. Ihre Tante hat nicht nur die spanische Grippe, das KZ und den Holocaust überlebt, sondern jetzt auch Corona. In den Kapitel aus Sicht der Tante blickt diese selbstreflektiert und mit Humor auf ihr langes und bewegtes Leben zurück. Dabei gibt die Tante auch die ein oder andere Lebensweisheiten preis (Pasta 🍝 mache das Leben besser 🤝🏼), wobei es der Autorin mit einer vermeintlichen Leichtigkeit gelingt, die tragischen Momente ihrer beider Leben mit einer Lockerheit, Humor und Ironie zu beschreiben, dass es die Schwere nimmt. ❤️‍🩹

»Ich habe schon neunundneunzigmal Geburtstag gefeiert. Und heute zum hundertsten Mal. Vielleicht habe ich das Leben nicht gemeistert. Aber gelebt habe ich es.« (S.222)

Adriana Altaras schreibt die Kapitel jeweils aus der Ich-Perpsektive von ihrer Tante und sich selbst und erzählt so ein humorvolles, tiefgründiges und vor allem durch tiefe Liebe gekennzeichnetes Memoir über ihre Tante. Sie erzählt von einer Frau, die viel Klasse hatte, ihr Leben gelebt hat und dabei ihren eigenen Weg gegangen ist. Ich persönlich finde, dass dieses Memoir zusätzlich eindrückllich zeigt, wie sehr der Holocaust, die Lebenswege der Überlebenden gekennzeichnet hat. Unabhängig davon ist es ein sehr persönliches und liebevolles Buch, das die bekannte Autorin veröffentlicht hat und sicherlich zeigt, wie sehr wir starke Frauen in unserem Leben brauchen.

»Eine Frau braucht einen Wagen, Schmuck, erlesene Kleidung und einen Hund. Ein Mann kam in ihrer Aufzählung nicht vor.« (S.32)

Bewertung vom 16.03.2023
Wasserzeiten
Bilkau, Kristine

Wasserzeiten


gut

»Schwimmen, das ist die Einheit von Ort und Zeit, Körper und Gedanken.« Kristine Bilkau in ihrem neusten Buch »Wasserzeiten. Über das Schwimmen.«

Kristine Bilkau schreibt in ihrem neuen, schmalen, sehr persönlichem Buch »Wasserzeiten« darüber, was ihr das Schwimmen bedeutet, warum dies einen so wichtigen Stellenwert in ihrem Leben hat und sie immer mit einem Badeanzug im Gepäck verreist. Sie teilt bspw. einen Auszug aus ihrer Wunschliste von Orten, an denen sie gerne schwimmen würde und ihre Gedanken und Erlebnisse beim Schwimmen an verschiedenen Orten, wie dem lokalen Freibad oder das Schwimmen in der dänischen Ostsee.

In ihrem Buch nimmt sie darüberhinaus einige Bezüge auf andere Bücher und Filme, in denen es um das Schwimmen geht bzw. schöne Schwimm-Szenen geschildert werden und sinniert weiter über das Schwimmen. U. a. greift sie ebenfalls auf, warum Schwimmen und vor allem das Schwimmen können ein Privileg ist.

Fürs Schwimmen benötigt mensch das Element Wasser, chemisch betrachtet: H2O - zwei Teile Wasserstoff, ein Teil Sauerstoff. Also was fasziniert so sehr Schwimmen? Was macht dieser Kontakt mit dem Wasser mit uns?

»Doch vielleicht gibt es etwas, das alle diese Erlebnisse, Eindrücke und Momente miteinander verbindet, das die Faszination und das Glück des Schwimmens grundsätzlich ausmacht. Vielleicht besteht dieses Glück darin, dass für einen Moment alles im Einklang ist, der Ort, die Zeit und man selbst. Dieser äußerst seltene Zustand.« (S. 119)

Ein feines poetisches und sinnliches Buch über Schwimmen und das Eins-Sein mit dem Element Wasser:

»Schwimmen, so viel weiß ich inzwischen, löst keine Probleme, aber es kann für Klarheit und Mut sorgen, um sich ihnen zu stellen.« (S. 18)

Leseempfehlung nicht nur für alle Schwimmer*innen 🌊💙

[3.5|5 ☆ ]

Bewertung vom 14.03.2023
Die unfassbare Vielfalt des Seins
Bridle, James

Die unfassbare Vielfalt des Seins


sehr gut

»Die unfassbare Vielfalt des Seins - Jenseits menschlicher Intelligenz« des Autors und Künstlers James Bridle beschäftigt sich intensiv mit Intelligenz - menschlicher, tierischer und künstlicher Intelligenz🧠🤖 und fordert ein Umdenken der engen Begriffsdefinition von ‚Intelligenz‘. Er unterscheidet in verschiedene Arten der Intelligenz und stellt diese intensiv und anhand von Beispielen dar. Darüber hinaus plädiert er für ein Umdenken der Menschen basierend auf der Begrenztheit des Anthopozän, der mehr-als-menschliche Welt und -Intelligenz sowie der Natur. Ein sehr interessantes und wissenschaftliches Buch, das ich allen Interessierten von Intelligenz und KI 🤖 sehr empfehlen kann.

Bewertung vom 14.03.2023
Der ultimative Guide zu absolut Allem* (*gekürzt)
Fry, Hannah;Rutherford, Adam

Der ultimative Guide zu absolut Allem* (*gekürzt)


sehr gut

»Der Ultimative Guide zu ABSOLUT ALLEM* (*gekürzt)« von den beiden Science-Autor:innen und Journalist:innen Hannah Fry & Adam Rutherford erklärt alltägliche Phänomene genauso wie Grundsatzthemen der Wissenschaft und Welt anschaulich, leicht verständlich und dabei mit einer Menge Humor! In diesem Sachbuch beantworten die beiden gemeinsam Fragen, wie bspw.:
Wie können wir uns eine 4D-Kugel 🪩 vorstellen?
Wieso ist unsere Vorstellung von Außerirdischen 🛸 so limitiert?
Was ist der IKEA-Effekt und wieso gibt es Bestätigungsfehler?
Wieso ist eine Ameise 🐜 nicht TROTZ sondern WEGEN ihrer Körpergröße so stark?

Das Autor:innen-Duo gibt sehr ausführliche und gut erklärte Antworten. Die erklärten Themen sind sehr gut aufbereitet, das Buch enthält einige zusätzliche (graue) Informations-Kästen und Visualisierungen. Einziger Kritikpunkt: Bei der Auswahl der Themen kann ich keinen wirklichen roten Faden erkennen. ... ALL IN ALL: Ein wirklich interessantes und aufschlussreiches Sachbuch, das sich auch wunderbar als Geschenk an lesebegeisterte Teenies (laut dem Autor:innen-Duo übrigens ihre Hauptzielgruppe ✌🏼) eignet.

Bewertung vom 06.03.2023
Morgen, morgen und wieder morgen
Zevin, Gabrielle

Morgen, morgen und wieder morgen


sehr gut

»Das Beste an Spiele ist, dass sie oft gerechter sind als das echte Leben. Ein gutes Spiel wie Ichigo war hart, aber fair. Das unfaire Spiel war das Leben selbst.« (S.185)

… und wie unfair das echte Leben sein kann, haben Sam und Sadie früh erlebt und erleben es im Roman immer wieder - aber auch wie glücklich das Leben sein kann.

In »Morgen, morgen und wieder morgen« 🎮👾💻💜 (DER Bestseller aus 2022 aus den USA: »Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow«) erzählt die Autorin Gabrielle Zevin die Geschichte von der Freundschaft und Liebe (?!) zwischen Sam und Sadie, die sich als Kinder beim Videospielen kennengelernt haben, und Marx, die alle zusammen Großes schaffen und Gamedesigner werden.

»»Freundschaft«, erklärte Marx, »ist ein bisschen so, wie ein Tamagotchi zu pflegen.« (S.89)

Der Roman wird schon sehr gehypted - but is it worth it?

YES 🎮👾 Obwohl der Roman einige Längen hat (zumindest meines Empfinden nachs), habe ich diesen Roman sehr gerne gelesen und mich von der Autorin in die Welt von Sam & Sadie entführen lassen. Hin und wieder bin ich ein wenig verzweifelt daran, wie sehr sich Menschen missverstehen und einfach NICHT kommunizieren können. Ein Heartbreak Roman - der von der guten Sorte 👾

Eine große Leseempfehlung für diesen tollen Roman über Freundschaft und Empowerment 💜

Bewertung vom 27.02.2023
Wir hätten uns alles gesagt
Hermann, Judith

Wir hätten uns alles gesagt


weniger gut

Judith Hermann analysiert Ihr eigenes Leben, Sein und Schaffen
In ihrem neuen autobiografisch geprägten Werk »Wir hätten uns alles gesagt« analysiert und seziert die Autorin Judith Hermann ihre Gedanken, Träume, Freundschaften, (Wahl-)Verwandtschaft und Familie, über ihre Psychoanalyse, ihr schriftstellerisches Sein und Schreiben. Ich würde es daher sogar eher als Memoir einstufen.



In diesem Buch schreibt sie darüber, wie sie schreibt und warum sie schreibt: »Aber sich etwas ausdenken, hieße für mich, aus der Wirklichkeit hinaus und in eine andere Wirklichkeit hinein zu wollen - und das ist eben genau das, was ich nicht will. Ich will in diese eine unbegreifliche Wirklichkeit hinein, ich will schreiben, dass ich sie nicht begreife, und ich will darauf bestehen, dass sie, alles in allem, auch nicht zu begreifen ist.« (S.100)

Sie schreibt folglich, um die Realität zu verarbeiten, vielleicht um sie als ihre eigene zu beschreiben und sicherlich auch als eine Art Selbsttherapie. Im Buch schreibt sie ebenfalls darüber, dass all ihre Werke autofiktionale Bezüge enthalten und sie es sich zur Kunst gemacht hat, diese zu verschleiern und so zu bearbeiten, dass dies keine biografischen Erzählungen bleiben. Daher gibt es zahlreiche Verweise auf ihre anderen Werke, deren Kenntnis zum Gesamtverständnis dieses Buches sicherlich enorm beiträgt.

Das Buch gliedert sich in drei Teile, wobei die einzelnen Teile weder Kapitel noch Überschriften haben, was mir sehr gefehlt hat und mehr Struktur und Verständnis für mich erzeugt hätte. Unabhängig davon kann ich ihren Thesen, wie bspw. dieser im nachstehenden Zitat, nicht folgen und mir fehlen Erläuterungen, Beispiele, Gedankenausführungen dazu:

»Geschichten schreiben heißt misstrauisch sein. Lesen heißt, sich darauf einzulassen. Jede Geschichte erzählt von einem Gespenst. Am Ende ist das Zentrum der Geschichte ein Schwarzes Loch, aber es ist nicht schwarz, und es ist nicht finster. Es kann im besten Falle glühen.« (S.128)



Insgesamt muss ich sagen: Das war leider nichts zwischen diesem Buch und mir. Bestimmt gibt es viele Lesende, die dieses Buch sehr lieben werden, aber ich gehöre nicht dazu. Für mich waren die Gedanken manchmal zu wirr, zu sprunghaft und auch zu wenig verbunden. Vielleicht habe ich Judith Hermann einfach nicht verstanden, oder es bedarf einer Angehörigkeit einer gewissen Generation, um dies zu können. Mir bleibt nur zu sagen: Ich habe das Zentrum des Gespensts nicht als schillerndes und glitzerndes Glühen entdecken können und wünsche allen anderen Lesenden dabei viel Erfolg!

Bewertung vom 27.02.2023
Mameleben
Bergmann, Michel

Mameleben


gut

»Sie hat sich erschaffen und mitten ins Leben gesetzt! Von vielen bewundert, von manchen gefürchtet, von einigen obsessiv begehrt, aber stets sich selbst genug. Sie liebt mich, so wie sie zu lieben vermag, besitzergreifend, mit aller Besessenheit und allen Einschränkungen, daran habe ich keinen Zweifel. Aber ich bin nicht in ihrem Sinne geraten. Ich erfülle nicht ihre übermenschlichen Erwartungen.« (S.110)

Gegenüber ihrem Sohn Michael hat die Mutter - Charlotte - viele Vorwürfe, Erwartungen und insgesamt eine sehr hohe Anspruchshaltung. Wenn sie vor anderen von ihrem Sohn spricht, lobt sie ihn in höchsten Tönen. Dieser Widerspruch zeigt sich auch in anderen Bereichen ihrer Mutter-Sohn-Beziehung, die sehr von den Erfahrungen der Mutter als Überlebende des Holocaust und eines Internierungslagers gekennzeichnet ist.

In »Mameleben« schreibt der Autor, Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Michel Bergmann über das Leben seiner Mutter, die Mutter-Sohn-Beziehung, seine Erinnerungen an das gemeinsame Leben und stückweit auch über sich. Der Autor gehört der 1. Nachkriegsgeneration an, wurde er 1945 im Internierungslager geboren.

Mit diesem Werk schreibt der Autor seiner Mutter ein literarisches Denkmal, Liebeserklärung, Abrechnung und eine facettenreiche Biografie. Michel Bergmann porträtiert eine Frau, die viel durchgemacht hat; deren Lebensweg durch die Machtergreifung der Nazis einen ganz anderen Gang genommen hat (»Ich habe mich […] verlebt.« (S.227)), als sie sich erträumt und gewünscht hat; die zu sich selbst sehr hart war, aber auch zu ihrem geliebten Sohn; die Verantwortung trägt; eine sehr gute Geschäftsfrau ist; deren Leben von Verlusten und Überlebenswillen geprägt war, wie es exemplarisch für viele Shoah-Überlebende ist.

Dieses erzählende Sachbuch zeichnet sich durch die ehrliche, persönliche, melancholische, stellenweise vorwurfsvolle und insgesamt liebevolle Erinnerung Michel Bergmanns an seine Mutter Charlotte aus. Es ist ein sehr persönliches Buch geworden, das immer wieder jüdische Wörter verwendet (es gibt am Ende einen Glossar!) und insgesamt ein sehr eindrucksvolles Porträt zweier Generationen zeichnet.


Leseempfehlung für alle Fans von Shelly Kupferbergs ‚Isidor‘ und erzählenden Biografien 🤍

Bewertung vom 22.02.2023
Young Mungo (eBook, ePUB)
Stuart, Douglas

Young Mungo (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Douglas Stuart did it again 💥 Er hat wieder einen Roman rausgehauen, der nicht gelesen werden möchte, weil er so wunderschön ist, sondern obwohl er das nicht ist. 💔 (und es dabei irgendwie doch auch wieder ist ❤️‍🩹)

[CN: Gewalt, Vergewaltigung, Alkoholsucht]

Es ist KEIN Liebesroman, auch wenn das hotte Cover ❤️‍🔥 viel verspricht. Ich würde es eher als Gesellschaftsroman einstufen, der auch die große Liebe enthält — neben vielen anderen Themen, wie Clan-Machtverhältnisse und -Gewalt, Homophobie, Familiendrama, toxische Männlichkeitsvorstellungen, psychischer und physischer Missbrauch.

Mungo wächst in den 1990er Jahren im Arbeiterviertel von Glasgow mit seinen älteren Geschwistern - Hamish (HaHa) und Jodie Hamilton - und ihrer alkoholabhängigen Mutter Maureen in einer Sozialwohnung auf. Die drei Geschwister mussten schnell lernen, mit dem frühen Tod des Vaters und der Alkoholsucht und Unberechenbarkeit der Mutter (genannt Mo-Maw) zu überleben. Jeder von ihnen hat dabei seine eigene Überlebensstrategie entwickelt: Hamish hat die Clanführerschaft übernommen und kämpft religiöse Bandenkriege; Jodie kümmert sich - so gut sie kann - um Mungo und will rauskommen aus all dem und auf die Universität gehen; und Mungo ist ein einfühlsamer, liebevoller, vertrauensvoller Teenager, der immer wieder die Verantwortung für Mo-Maw übernimmt - egal, in welchem Zustand sich diese befindet und mit welchen Konsequenzen dies verbunden ist.

»Wenn einer was davon versteht, jemanden, den man liebt, in Schutz zu nehmen, dann Ihr. Könnt Ihr mir das nicht verzeihen?« (S.183)

Mungo lernt den einige Monate älteren James kennen und verliebt sich mit 15 Jahren das erste Mal. Doch Homosexualität hat im Glasgow der 90er Jahre keinen Platz, weshalb die beiden Liebenden die toxischen Männlichkeitsidealen von der Gesellschaft immer wieder zu spüren kriegen. In der Folge will Mangos Familie einen ‚echten‘ Mann aus ihm machen und so kommt eines zum anderen. …

Nach seinem preisgekrönten Roman »Shuggie Bain« schafft der Autor Douglas Stuart auch mit seinem zweiten Roman »Young Mungo« eine schroffe, graue, von einigen Hoffnungsschimmern✨ erhellten Welt zu erschaffen, mit deren Figuren Lesende mitfiebern, mitzittern, mitleiden - kurzum mitfühlen. Der Roman geht unter die Haut und verfehlt sein Ziel nicht 💘 — HEARTBREAK vorprogrammiert 💔

Ich kenne kaum einen anderen Schriftsteller, der mit seiner Erzählung so einen Sog ausübt, dass man trotz der aufwühlenden, rauen und tragischen Entwicklungen den Roman kaum aus der Hand legen kann. Seine Protagonist:innen stechen aus dieser beschriebenen kalten und herzlosen Welt heraus und genau deshalb ist Ihr Leben so hart. Liebe(n) ist hier direkt mit Schmerz verbunden.

»Gewalt ging der Zärtlichkeit immer voraus; Mungo kannte es nicht anders.« (S.273)

Große Leseempfehlung für diesen HEARTBREAKING Roman 💔

Bewertung vom 22.02.2023
Ohne mich
Schüttpelz, Esther

Ohne mich


sehr gut

Ein Roman mit viel Interpretationsspielraum und großartigem Stil!

»Ganz allgemein ging es natürlich um das Gleiche wie immer, null von zwei Personen fühlten sich WERTGESCHÄTZT, zwei von zwei Personen schmissen mit gemeinen Vorwürfen um sich, du nimmst zu häufig Drogen, und du trinkst zu viel Wein, du gibst zu viel Geld aus, und du hast keine Ambitionen, […] « (S. 189)

In knackigen, kurzen Sätzen schreibt Esther Schüttpelz in ihrem Debüt »Ohne mich« über eine namenlose Protagonistin, die Jura studiert, in Münster ihr Referendariat absolviert und sich aktuell im Scheidungsjahr ihrer Ehe befindet. Auch wenn sie vordergründig hart im Nehmen wirkt und vielleicht auch vor allem hart zu sich selbst ist - was ihr auch von anderen Personen unterstellt wird -, setzt ihr die Trennung mehr zu, als sie wahrhaben möchte. Innerhalb dieses Jahres passieren natürlich einige Dinge, die ich an dieser Stelle nicht vorwegnehmen möchte. So viel sei aber gesagt: Stellenweise erinnerte es mich an die Lektüre »HAHA HEARTBREAK« (Spoiler: Ein fulminanter Roman!💖).

Der Mix aus Ich-Perspektive, knackige Sätzen, fehlender Interpunktion bei wörtlicher Rede, gezielter Einsatz von Versalienschrift bei einzelnen Wörtern machen diesen Schreibstil und das Buch aus. Als lesende Person fühlt man sich so, als teile man Gedankenwelt der Protagonistin 💭

Ich habe bei einigen Passagen lachen müssen und den Sarkasmus bzw. Zynismus der Protagonistin sehr gefeiert. 🤝🏼 Was mich an der Lektüre etwas irritiert, ist dass der beschriebene Alkohol- und Drogenkonsum 🍸 nicht kritisch hinterfragt und teilweise sehr exzessiv wird … Zudem hätte ich mir noch mehr mehr Fokus auf die Innenwelt der Protagonistin bzw. Selbstreflexion gewünscht. Sie analysiert ihre ihre Mitmenschen sehr genau und ist ingesamt eine sehr intelligente und sachliche Person. Die Selbstreflexion und auch ihre Gefühlswelt lassen sich dabei aber vor allem zwischen den Zeilen herauslesen. Ob die Autorin dies bewusst so geschrieben hat, ist dabei natürlich Interpretationsspielraum - den ich hier ingesamt als sehr hoch ansehe. Ebenso, wie die Tatsache, dass es doch einige Parallelen zum Leben der Autorin selbst gibt, was mich als Lesende fragen lässt, wie autobiografisch oder wie fiktiv das Buch ist. To sum it up: A LOT OF Interpretationsspielraum.

Von mir gibt es definitiv eine LESEEMPFEHLUNG 🤍

Bewertung vom 21.02.2023
Die Kranichfrau
Hauser, CJ

Die Kranichfrau


ausgezeichnet

»Zum ersten Mal verstehst du, dass jemand, wenn er davon spricht, mit etwas abgeschlossen zu haben, nicht meint, dass man sich nicht mehr erinnern würde oder die Wunden verschwinden. Nur, dass man weitermacht und sich anderen Dingen zuwendet. Jemand anderen kennenlernt.« (S.46)

»Die Kranichfrau - Warum ich meine Hochzeit absagte und andere Liebeserklärungen« ist das Memoir der non-binären Person CJ Hauser [they/them], die in insgesamt 17 Essays in IV Teilen über Ihr Leben schreibt (»The Crane Wife«🇺🇸; übersetzt von Hanna Hesse). Sie thematisieren Ihre erlebten Liebesbeziehungen, Ihre Freundschaften, das Verstreuen der Asche der Großeltern, Ihr Arbeiten und Schreiben, Ihre Gedanken und Ihre Gefühle. Dabei werden diese Themen, wie beispielsweise die Scheidung vom Ex-Mann nicht nur geschildert, sondern seziert und mit WAS FÜR EINER Selbstreflexion, Ehrlichkeit, Selbstkritik und dabei auch Selbstliebe CJ Hauser dies macht, ist absolut therapeutisch für alle Lesenden.

»Ich werde besser darin, die Vergangenheit neben der Gegenwart existieren zu lassen, ohne sie gleich zur Seite zu schubsen und mich dadurch besser zu fühlen.« (S.214)

CJ Hauser bezeichnet sich selbst als: »CJ Hauser is a multi-genre, non-binary, queer amphibian of a person who splits time between rural Central New York and Brooklyn.« (Quelle: https://cjhauser.com/aboutcj)

Ich habe mir sehr viele Stellen in diesem erzählenden Sachbuch markiert und nicht jedes Essay hat mich auf dieselbe Weise gecatcht (Akte X aus den USA habe ich einfach nie gesehen und kann mich daher auch weniger mit den Vergleichen identifizieren) - aber zum einen würde ich sagen, dass dies Charakter von einer Essay-Sammlung ist - und zum anderen schafft es CJ Hauser, jedes Essay mit einem roten Faden zu erzählen, mit ihren Worten einen erzählerischen Sog auszuüben und befreiende, empowernde und inspirierende Botschaften mitzugeben. 🧡

Große Lesempfehlung für alle Essay-Lovers 🧡 und diejenigen, die es noch werden wollen ❤️‍🔥