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YukBook
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München

Bewertungen

Insgesamt 278 Bewertungen
Bewertung vom 14.09.2022
Ein Lied vom Ende der Welt
Ferencik, Erica

Ein Lied vom Ende der Welt


ausgezeichnet

Ein unglaublicher Fund bringt die Geschichte ins Rollen. Ein in der Arktis eingefrorenes Mädchen wurde aus dem Eis befreit und hat überlebt. Das Problem: Sie spricht eine unbekannte Sprache, was die Linguistin Valerie Chesterfield auf den Plan ruft. Die Expertin für altnordische Sprachen reist zunächst widerwillig auf die Insel Tarrarmiut vor der Nordwestküste Grönlands – nicht ganz ohne Hintergedanken. Sie erhofft sich, die Wahrheit über ihren Bruder herauszufinden, der in dieser Forschungsstation ums Leben kam.

Meine Neugier, woher das Mädchen, das auf den Namen Naaja hört, stammt und wie es überleben konnte, trieb mich rasant durch die Geschichte. Valeries Versuche, Naajas Vertrauen zu gewinnen und sich mit ihr zu verständigen, die allmähliche Annäherung und ihr Mitgefühl, obwohl sie selbst genügend Probleme mit sich schleppt, beschreibt die Autorin packend und mit großem Einfühlungsvermögen. Auch die eigenwilligen Forschungskollegen vor Ort und was sie im Leben antreibt, werden glaubhaft dargestellt.

In bildgewaltiger Sprache entführt uns Erica Ferencik in diesem actionreichen Thriller sowohl in die faszinierende Landschaft der Arktis als auch in die klaustrophobische Atmosphäre und unwirtlichen Lebensbedingungen in einer Forschungsstation.

Bewertung vom 05.09.2022
Haie in Zeiten von Erlösern
Washburn, Kawai Strong

Haie in Zeiten von Erlösern


ausgezeichnet

In diesem Roman spielt der Schauplatz Hawaii eine genauso tragende Rolle wie die Figuren. In Kalihi, einem Stadtteil von Honolulu, lebt die fünfköpfige Familie Flores und kommt finanziell kaum über die Runden. Rettung erhoffen sie sich von Sohn Nainoa, der offensichtlich über heilende Kräfte verfügt. Die besondere Gabe entpuppt sich jedoch im Laufe der Handlung als Segen und Fluch zugleich.

Der Autor wechselt mehrmals die Erzählperspektive und gibt den Familienmitgliedern eine eigene Stimme und charakteristische Sprache, so dass man die schwierigen Beziehungen untereinander immer besser begreift. Ich konnte mich vor allem in die Geschwister Dean und Kaui hinein fühlen, die darunter leiden, im Schatten des Wunderknaben zu stehen, selbst als sie schon längst die Heimat verlassen haben, um ihre eigenen Wege zu gehen.

Was die tiefe Verwurzelung und die Sehnsucht nach ihrer Heimat mit den drei Kindern macht, erzählt Kawai Strong Washburn in einprägsamen Bildern voller Magie und Demut vor der Umwelt. Es gelingt ihm sehr gut, die Zerrissenheit der Insel zwischen Tradition und Moderne anhand einer exemplarischen Familie zu vermitteln. Die beschriebenen hawaiianischen Mythen und Legenden in Kontrast zum fortschreitenden Raubbau und der Armut haben mir das beliebte Touristenziel aus einem völlig neuen Blickwinkel gezeigt.

Bewertung vom 01.09.2022
Eine Frage der Chemie
Garmus, Bonnie

Eine Frage der Chemie


ausgezeichnet

Für Chemie konnte ich mich in der Schule nur wenig begeistern, doch das liegt sicher daran, dass es keine Kochshow wie „Essen um sechs“ gab. Darum dreht sich dieser Roman – oder besser gesagt um den Star der Serie Elizabeth Zott. Die begabte Chemikerin und alleinerziehende Mutter will – sehr zum Verdruss des TV-Produzenten – die Essenszubereitung wissenschaftlich erklären, den Wissensdurst bei ihren Zuschauerinnen wecken und sie für eine Welt jenseits von Heim und Herd öffnen. Nachdem ihr die Karriere als Forscherin von ihren männlichen Kollegen verbaut wurde, ist dies die einzige Möglichkeit, ihre Liebe zur Chemie auszuleben und ihre Familie zu ernähren.

Ich musste oft schmunzeln über diese originelle Heldin, die praktische Aufgaben wissenschaftlich anpackt und alles durch die Brille einer Chemikerin erlebt, sogar die Liebe ihres Lebens. Doch gerade diese Identität wird ihr in einer Zeit, in der Wissenschaftlerinnen ausgegrenzt werden, abgesprochen. Darin liegt die Tragik ihrer Geschichte, die die Autorin mit viel Biss und Ironie und aus vielfältigen Perspektiven erzählt. Inmitten vieler emanzipierter Frauenfiguren wird mir die eigensinnige und furchtlose Fernsehköchin noch lange in Erinnerung bleiben.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.08.2022
Mademoiselle Oppenheim - Sie liebte das Leben und erfand die moderne Kunst
König, Mina

Mademoiselle Oppenheim - Sie liebte das Leben und erfand die moderne Kunst


ausgezeichnet

Mit dem Surrealismus habe ich bisher männliche Vertreter wie Salvador Dalí oder Max Ernst assoziiert. Dabei gab es weniger bekannte, aber nicht minder bedeutende Surrealistinnen wie zum Beispiel Meret Oppenheim. Einen Ausschnitt aus ihrem Leben behandelt dieser biografische Roman.

Mina König legt dabei ihr Augenmerk darauf, wie sich die Deutsch-Schweizerin immer mehr von Konventionen und Abhängigkeiten löste, um sich künstlerisch voll entfalten zu können: Statt an der Kunsthochschule zu studieren, experimentierte sie selbst, inspiriert von ihren Künstlerkollegen wie Alberto Giacometti oder Marcel Duchamp. Sie überwarf sich mit ihren konservativen Eltern und ließ sich auch in ihren Liebesbeziehungen künstlerisch nicht einengen. Ihr Lebensmotto: Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie nehmen. Der Autorin gelingt es sehr gut, den Zwiespalt herauszustellen: Einerseits Merets kreative Energie und Schaffensdrang in der Zurückgezogenheit; andererseits der Wunsch nach menschlicher Nähe und ihr Stolz, gemeinsam mit den Surrealisten auszustellen.

Nicht nur Merets Innenwelt, auch die verschiedenen Schauplätze wie ihr kleines Atelier, das Café de Flore – Treffpunkt der Surrealisten – und die Pariser Straßen beschreibt Mina König lebendig und atmosphärisch. Ihr Porträt über die freiheitsliebende Künstlerin ist nicht nur für Kunstliebhaber sehr lesenswert.

Bewertung vom 17.08.2022
Welt der Wunder
Nezhukumatathil , Aimee

Welt der Wunder


sehr gut

Jeder von uns hat Dinge, die uns in schwierigen Zeiten Kraft und Trost spenden. Bei Aimee Nezhukumatathil sind es exotische Pflanzen und Tiere, die sie uns in diesem Buch einzeln vorstellt. Von Catalpas, Tanzfröschen oder Vampirtintenfischen hatte ich bisher noch nie gehört, doch dank der plastischen Beschreibungen und farbigen Illustrationen konnte ich sie mir bildhaft vorstellen. Zärtlich und melancholisch vermittelt sie uns ihre Bewunderung für die außergewöhnlichen Kreaturen, was sie an ihnen schätzt und was sie von ihnen lernen konnte, um sich in einer Welt voller Anfeindungen zu behaupten.

Die vielen Umzüge und Diskriminierung machten der Autorin mit philippinischen und indischen Wurzeln das Leben nicht leicht. Sehr bewegt haben mich ihre Erinnerungen an eine Malaufgabe, in der sie gezwungen wurde, ihre Identität zu verleugnen. Schmerzhafte Erinnerungen dieser Art, aber auch schöne Kindheitserlebnisse verknüpft sie mit biologischem Wissen über Kaktuszaunkönige, Pfauen oder Walhaie. Diese interessante Mischung verpackt in lyrischer Sprache machen ihre Essays zu etwas Besonderem.

Bewertung vom 25.07.2022
Fräulein Stinnes und die Reise um die Welt
Jansen, Lina

Fräulein Stinnes und die Reise um die Welt


ausgezeichnet

Was bewegt eine Rennfahrerin und Industriellentochter dazu, mit dem Auto die Welt zu umrunden? Im Fall von Clärenore Stinnes war es die gefühlskalte Mutter, der sie zeigen wollte, wozu Frauen imstande sind.

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und das ist bei Clärenore wörtlich zu nehmen. Welche Hindernisse sie und ihre Begleiter auf der Strecke von Frankfurt über zahlreiche Stationen wie Wien, Konstantinopel, Damaskus, die Wüste Gobi, Moskau, Peking, San Francisco und Lima bis nach Berlin überwinden mussten, erleben wir hautnah mit.

Mit überzeugenden Charakteren und vielen interessanten Details entfaltet Lisa Jansen die waghalsige, teils lebensgefährliche Reise vor unseren Augen. Mit an Bord sind ein Hund, ein Fotograf sowie zwei Mechaniker, die ständig die Expedition in Frage stellen und Clärenores Autorität untergraben. Diese lässt sich jedoch weder von Räuberbanden und Wölfen noch von Eis, Hitze und Schlamm abschrecken. Lediglich ihr Verantwortungsgefühl für die Crew und ihre Gefühle für den verheirateten Fotografen bringen sie in Gewissenskonflikte.

Diese spannende Romanbiografie, die uns in atemberaubende Landschaften und fremde Kulturen und Bräuche entführt, war für mich ein großartiges Leseabenteuer.

Bewertung vom 09.07.2022
Fräulein Steiff
Gottschalk, Maren

Fräulein Steiff


ausgezeichnet

An mein erstes Steiff-Tier, einen großen Collie, kann ich mich noch gut erinnern. Welch bewundernswerte Frau hinter dieser berühmten Marke steckt, konnte ich dank dieser Romanbiografie erfahren. Die Handlung setzt zu dem bedeutenden Zeitpunkt ein, als aus einem Nadelkissen in Elefantenform die Idee zu einem Kinderspielzeug reift. In einer zweiten Ebene schildert die Autorin, wie Margarete Steiff in Giengen aufwächst, Schneiderin wird und ein Filzgeschäft eröffnet.

Das Porträt liest sich wie ein Kaleidoskop, das nicht nur die Meilensteine ihrer beruflichen Karriere, sondern auch ihren Charakter in all seinen Facetten auffächert. Obwohl sie auf Grund einer Kinderlähmung nicht laufen kann, ist Zurückhaltung ein Fremdwort für sie. Als Kind ist sie vorlaut, will überall mitmischen und nutzt jede Gelegenheit, dem einengenden Elternhaus zu entfliehen. Als Unternehmerin stellt sie höchste Ansprüche an die Qualität, wägt klug Risiken ab und ist streng zu ihrem Personal, aber auch mitfühlend und nahbar.

Maren Gottschalk beschreibt mit viel Feingefühl, in welchen Situationen Margarete Steiff besonders unter ihrer Behinderung litt, sich jedoch davon nicht abhalten ließ, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und ihrer Berufung zu folgen. Sehr spannend ist auch zu lesen, welche wichtige Rolle ihr Bruder, ihre Neffen und Nichten bei der Firmengründung und Expansion spielten. Nach dieser wunderbaren Lektüre hätte ich große Lust, das Steiff-Museum in Giengen zu besuchen und mir ihr umfangreiches Schaffenswerk anzusehen.

Bewertung vom 05.07.2022
Frauen, an die ich nachts denke
Kankimäki, Mia

Frauen, an die ich nachts denke


ausgezeichnet

Ich beneide Mia Kankimäki. Statt nachts im Bett Probleme zu wälzen, denkt sie an außergewöhnliche Frauen und ihre Pioniertaten. Welche genau, verrät sie in diesem Buch.

Eine von ihnen ist Karen Blixen, deren Spuren sie bis nach Nairobi gefolgt ist. Während ihrer Reise und Recherchen kommt die Autorin mehrmals in die Lage, ihr bisheriges Bild ihrer „Heldin“ zu hinterfragen. Dieser selbstkritische Blick macht sie sympathisch. Auch bei Forschungsreisenden wie Ida Pfeiffer oder Mary Kingsley schwingen sowohl große Bewunderung für deren Mut und Willensstärke als auch Unverständnis dafür, dass sie nach der Rückkehr wieder in ihre alten Rollenmuster zurückfielen, mit.

Während ich über diese Pionierinnen schon Manches gelesen habe, brachte mir Mia Kankimäki auf ihrer Reise nach Florenz drei mir noch völlig unbekannte, sehr erfolgreiche Malerinnen der Renaissance nahe.

Wie die Autorin mit all den Frauen in Dialog tritt, Parallelen und Unterschiede zu ihrem eigenen Leben oder der heutigen Zeit herausstellt und Inspirationen und praktische Ratschläge für sich und die Leser auflistet, hat mir wie schon in ihrem Vorgängerroman "Dinge, die das Herz höher schlagen lassen" besonders gut gefallen. Ich bin sowohl den Spuren ihrer Nachtfrauen als auch ihren eigenen Entdeckungsreisen und Gedanken sehr gern gefolgt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.07.2022
Revolutions: Wie Frauen auf dem Fahrrad die Welt veränderten
Ross, Hannah

Revolutions: Wie Frauen auf dem Fahrrad die Welt veränderten


ausgezeichnet

Radfahren liegt mehr denn je im Trend, und entsprechend steigt die Zahl der Bücher über die Geschichte des Radsports. Warum aber spielen Frauen oft eine untergeordnete Rolle, fragte sich Hannah Ross und setzt mit ihrem Buch einen neuen Fokus. Immerhin wird das Fahrrad in Frankreich umgangssprachlich „La Petite Reine“ – die kleine Königin – genannt. Doch was war? Radeln galt für Frauen lange Zeit (in manchen Ländern heute noch) als unschicklich. Wer es dennoch wagte, wurde beschimpft oder gar mit Steinen beworfen. Unfassbar!

Viele ließen sich das neue Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit trotzdem nicht nehmen und nutzten das Zweirad als Mittel politischen Widerstands. In einer Zeitspanne von etwa 150 Jahren begleiten wir in diesem Buch Radfahrerinnen unterschiedlichster Art: aristokratische Damen, die im Park ihre Runden drehten, niederländische Widerstandskämpferinnen, berühmte Persönlichkeiten wie Simone de Beauvoir oder Marie Curie auf ihren Radreisen und mutige Langstreckenradlerinnen, die die Welt umrundeten.

Die Freuden, Qualen und den Kampfgeist der strampelnden Frauen beschreibt Hannah Ross voller Anteilnahme und so lebendig, als säße sie auf dem Gepäckträger. Ein sehr informatives und beeindruckendes Buch über die Etappen der weiblichen Fahrradbewegung.

Bewertung vom 26.06.2022
Landpartie
Shteyngart, Gary

Landpartie


gut

Der Roman spielt in einer Zeit, an die man sich nicht so gern erinnert. Es ist März 2020, und der Protagonist Sasha Senderovsky, ein russischstämmiger Schriftsteller, hat ein multikulturelles Ensemble aus Freunden und Bekannten in seine Bungalowkolonie außerhalb von New York eingeladen, um dem Coronavirus zu entfliehen.

Einige von ihnen sind nur aus einem Grund der Einladung gefolgt: Sie wollen einen angekündigten Hollywoodstar treffen. Man verbringt die Zeit mit hochtrabenden Gesprächen, Spaziergängen und kulinarischen Genüssen. Abgesehen von neuen Freund- und Liebschaften, nicht überwundenen Kränkungen und hysterischen Ausfällen passiert wenig, weshalb ich die Lektüre in weiten Teilen als zäh empfand. Umso mehr aktuelle Themen wie Diversität, die Macht der Algorithmen und sozialen Medien hat der Autor hineingepackt.

Wie schon in seinem Vorgängerroman "Willkommen in Lake Success" haben mich sein satirischer Humor und Sprachwitz sehr unterhalten. Fantasiereiche Bilder wie "Sie rieb sich schon seit zwei Tagen das Auge. Es war, als hätte sich unter ihrem unteren Augenlid ein kleines Insekt häuslich eingerichtet und ließe sich nicht zwangsräumen", sind ganz typisch für ihn. Die abstrusen Verwicklungen werden in dieser Geschichte aber so sehr auf die Spitze getrieben, dass ich mich zum Schluss mit einer gewissen Erleichterung von der verrückten Truppe verabschiedet habe.