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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Bineira
Wohnort: 
Neunkirchen

Bewertungen

Insgesamt 164 Bewertungen
Bewertung vom 19.07.2023
Luftmaschentage
Becker, Anne

Luftmaschentage


sehr gut

Matea ist extrem schüchtern. Obwohl sie sehr gut in der Schule ist, sagt sie dort kein Wort. Nur zuhause und mit sehr vertrauten Menschen spricht sie ein wenig. Sie empfindet ihre Schüchternheit als Krake, die sich auf einem Sofa in ihrem Bauch rekelt und mit ihren Tentakeln wild um sich schlägt, wenn Matea in eine für sie unangenehme Situation kommt.

Riccarda ist das genaue Gegenteil von Matea. Sie ist laut, frech und kann auch handgreiflich werden, wenn sie etwas oder jemanden verteidigen will.

Die beiden Außenseiterinnen freunden sich überraschend schnell an, planen Häkel-Guerilla-Projekte und helfen einander. Doch Riccarda hat dunkle Geheimnisse vor Matea. Und dann verschwindet sie einfach.

In dieser emotionalen Geschichte werden viele Themen angesprochen, die Kinder zwischen 10 und 12 auf der Seele brennen können. Mobbing, soziale Ungleichheit, Gewalt im Elternhaus, aber auch familiärer Zusammenhalt, engagierte Sozialarbeit, erste Verliebtheit.

Anne Becker deutet vieles nur an, und ich bin nicht sicher, ob die jungen Leser*innen alles verstehen.

Mir hat der sehr einfühlsame Schreibstil gut gefallen, ich war ganz nah an den Protagonist*innen und habe Madame Krake gefeiert. Das wunderschöne Cover und der fantasievolle Titel passen phänomenal zu dem Buch.

Bewertung vom 17.07.2023
Sylter Welle
Leßmann, Max Richard

Sylter Welle


gut

Das Cover mit dem brennenden Strandkorb vor der düsteren Kulisse der Nordsee ließ mich eine dramatische Geschichte oder einen Krimi erwarten. Beides sind nicht meine favorisierten Genres, deshalb habe ich mich erst nach dem Lesen des Klappentextes auf das Buch eingelassen.

Eine Hommage an die Großeltern, wer könnte die nicht unterschreiben? Ich habe meine jedenfalls sehr geliebt, mit allen ihren aus Traumen entstandenen Macken. Und so war ich gespannt darauf, was es mit dem letzten Sylt-Urlaub von Oma Lore, Opa Ludwig und Enkel Max auf sich hat.

Zu Beginn erzählt der Autor von der Gegenwart mit seinen Großeltern, bis ihn irgendein Detail an vergangene Erlebnisse mit seinen Eltern, seinen Onkeln und Cousins erinnert. Diese nehmen viel Raum ein und sind mal peinlich, mal lustig, mal traurig und auch mal eklig. So geht das immer weiter. Die Großeltern kommen meist nur am Rande vor, und ihre Darstellung erweckte in mir keine Sympathie. Erst ganz am Ende spielen sie eine größere, tragische Rolle.

Schreiben kann Max Richard Lehmann definitiv, die Anekdoten über seine Familie lesen sich kurzweilig. Für mich waren es aber nur einzelne Geschichten, für einen Roman fehlten mir die Struktur und eine komplexere Handlung.

Bewertung vom 13.07.2023
Tobis Städtetrip
Kämmerer, Tobi;Wurster, Tina

Tobis Städtetrip


sehr gut

HR Moderator Tobias Kämmerer reist für sein TV-Format „Tobis Städtetrip“ kreuz und quer durch Hessen. Er besucht besondere Orte, trifft außergewöhnliche Menschen und bringt einige Geheimtipps mit zurück. Nun hat er zusammen mit HR Redakteurin Tina Wurster aus seinen Erlebnissen einen Hessen-Reiseführer zusammengestellt.

Das handliche Buch ist stabil und gut verarbeitet. Wir finden darin 21 hessische Orte, von Kassel im Norden, über Limburg im Westen und Fulda im Osten bis Heppenheim im Süden. Jedes Reiseziel wird auf 8 bis 10 Seiten in kleinen Kapiteln und mit vielen Fotos des Autors vorgestellt. Dabei werden nicht immer die offensichtlichen Sehenswürdigkeiten gezeigt, sondern auch weniger bekannte Schätzchen. Im Mittelpunkt stehen kreative, engagierte Menschen, die aus ihrem Talent einen Beruf gemacht haben und diesen leidenschaftlich ausüben. Die Palette reicht vom Bierbrauer über den Kaffeeröster bis zum Schmied.

Zu jedem vorgestellten Tipp findet man Kontaktinformationen und meistens auch eine Internetadresse, so dass man aktuelle Öffnungszeiten und Preise abrufen kann.

Mir hat das Lesen dieses Reiseführers Spaß gemacht, und ich habe darin einige Ecken in Hessen gefunden, die ich noch besuchen möchte.

Bewertung vom 09.07.2023
Eleganz
Vinken, Barbara

Eleganz


gut

Das gummierte Buch fällt aus dem üblichen Rahmen, denn eine weiche Haptik ist bei einem Hardcover eher selten. Leider verströmt diese Gummierung einen ziemlich ekeligen Geruch. Auch die Farbgebung - ein sattes Rot auf dem Buchrücken, das auf der Vorder- und Rückseite zu einem kaum noch wahrnehmbaren Rosa verläuft und ein roter Farbverlauf an den Bundstegen - ist ungewöhnlich. Als elegant würde ich das jedoch nicht bezeichnen.

Die Autorin befasst sich mit dem Thema “Eleganz“ aus kulturhistorischer und literaturwissenschaftlicher Sicht. Ich hatte beim Lesen den Eindruck, ich befände mich in einer Vorlesung, für die ich nicht ausreichend qualifiziert bin. Viele mir nicht geläufige Fremdwörter und ein elitär wirkender Schreibstil machten mir die Lektüre schwer.

Mein Fazit: Eleganz ist etwas subjektives, und das macht sie gerade so einzigartig.

Bewertung vom 03.07.2023
Wieso? Weshalb? Warum?, Band 73: Komm mit zum Reiten
Erne, Andrea

Wieso? Weshalb? Warum?, Band 73: Komm mit zum Reiten


ausgezeichnet

Informativ und unterhaltsam

Der Band "Komm mit zum Reiten" aus der Reihe Wieso? Weshalb? Warum? hat ein freundliches Cover. Junge Pferdefans werden sich bestimmt von den Illustrationen angesprochen fühlen. Der Einband ist stabil, und die Innenseiten sind nicht zu dünn für Kinderhände.

Die lebendige Bildgestaltung setzt sich im Innern des Buches fort. Liebevolle detaillierte Zeichnungen erleichtern den Leser/innen das Verständnis der Texte.

Diese sind in klarer Fibelschrift gedruckt und für die Zielgruppe gut lesbar. Sie vermitteln in altersgerechter Sprache grundlegendes Wissen rund um das Thema Reiten. Die Kapitelüberschriften sind in Frageform formuliert, z. B. Was braucht man alles zum Reiten? Was lernt man in der Reitstunde? Was braucht das Pferd nach dem Reiten?

Außerdem werden Tätigkeiten rund um die Pflege der Pferde und der ideale Ablauf des Kennenlernens erklärt.

Hinter zahlreichen Klappen im Buch verstecken sich weitere spannende Details, die zu entdecken zusätzlichen Lernspaß bereitet.

Ich finde, das Buch ist gut durchdacht und schön gestaltet.

Bewertung vom 02.07.2023
Die Tage in der Buchhandlung Morisaki
Yagisawa, Satoshi

Die Tage in der Buchhandlung Morisaki


gut

Ein Cover zum Verlieben...

…und auch der Plot der Geschichte hat in mir die Hoffnung auf schöne Lesestunden geweckt. Junge Frau kriecht nach großer Enttäuschung bei ihrem Onkel unter. Dieser führt ein Antiquariat in Tokios berühmtem „Bücherviertel“. Aus der Nichtleserin wird ein begeisterter Bücherwurm, und mit Hilfe der Literatur findet sie zurück ins Leben.

Leider hat der Roman meine Erwartung nicht erfüllt. Ich musste mich im Gegenteil sogar dazu zwingen, das schmale Buch zu Ende zu lesen.

Die Geschichte wird langweilig und ohne erkennbaren Spannungsbogen erzählt. Ich fand die Protagonisten blass und konturlos, ihre Handlungsweise blieb mir fremd. Die Dialoge empfand ich als künstlich und oft nicht schlüssig. Und um Bücher geht es nur am Rand; sie bilden die Kulisse für mehrere unzusammenhängende Handlungsstränge.

An den begeisterten Rezensionen sehe ich, dass das Buch gleichwohl seine Freunde gefunden hat.

Bewertung vom 04.06.2023
Nichts kommt zweimal vor. Wislawa Szymborska.
Kijowska, Marta

Nichts kommt zweimal vor. Wislawa Szymborska.


ausgezeichnet

Als die polnische Lyrikerin Wislawa Szymborska 1996 den Literaturnobelpreis erhielt, hatte ich nie zuvor von ihr gehört. Aber ihre federleichten und doch so tiefsinnigen Gedichte sprachen mich gleich an.

Dank dieser brillant geschriebenen Biografie habe ich nun endlich mehr über die scheue Dichterin erfahren. Eng ist ihr Leben mit der Geschichte Polens im 20. Jahrhundert verwoben. Sie hat heimlichen Schulunterricht unter deutscher Besatzung, Publikations- und Reiseverbote im Sozialismus, aber auch den Zusammenhalt der Krakauer Kulturschaffenden erlebt. Und sie hat dabei nie ihren Sinn für Humor verloren.

Marta Kijowska ist ausgewiesene Expertin für polnische Kultur. Sie porträtiert die Künstlerin auf sachkundige und sympathische Weise.

Wer Wislawa Szymborska und ihre außergewöhnlichen Gedichte noch nicht kennt, kann mit diesem Buch einen guten Einstieg finden.

Bewertung vom 21.05.2023
Wir hätten uns alles gesagt
Hermann, Judith

Wir hätten uns alles gesagt


gut

Das Buch „Wir hätten uns alles gesagt“ von Judith Hermann ist die Nachschrift ihrer Poetikvorlesungen aus dem Jahr 2022 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Zu einer solchen Poetikvorlesung werden Literaturschaffende eingeladen, um den Studentinnen und Studenten einen Einblick in ihren persönlichen künstlerischen Schaffensprozess zu gewähren.

Jetzt, nachdem ich das recherchiert habe, wundert es mich nicht mehr, dass die Enthüllungen und Gedankengänge der Autorin mich eher verwirrt als beeindruckt haben. Ich gehöre nicht zum inneren Zirkel der Literaturwelt, und mir fehlt auch das Hintergrundwissen aus Hermanns anderen Büchern, das sie bei den Zuhörern und Lesern dieses Werks offenbar voraussetzt.

Für mich war das kein zufrieden stellendes Leseerlebnis. ich hätte mir vom Verlag einen deutlicheren Hinweis auf dem Cover zum Charakter des Buches gewünscht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.05.2023
Die Sache mit dem Wald
Herzog, Sven

Die Sache mit dem Wald


ausgezeichnet

Im Vorwort zu seinem Buch erklärt der promovierte Mediziner und Forstwissenschaftler Prof. Dr. Dr. Sven Herzog, warum er den vielen Veröffentlichungen zum Thema „Wald“ noch eine weitere hinzugefügt hat. Seiner Einschätzung nach vertreten die meisten Autoren in Bezug auf den Wald eine bestimmte Meinung oder ein Interesse und lassen dabei andere, durchaus relevante, Gesichtspunkte außen vor. Ihm geht es deshalb vor allem darum, „die zahlreichen und widersprüchlichen Aussagen einmal kritisch zu hinterfragen, Zusammenhänge zu erkennen und festzustellen, dass die Dinge nicht ausschließlich schwarz oder weiß sind“ (Seite 10).

Zu diesem Zweck verschafft Herzog seinen Lesern einen Überblick über die Rolle des Waldes in Geschichte und Gegenwart. Er erzählt von den Mythen, die ihn umgeben, und beschreibt anschaulich sein komplexes Ökosystem, in dem Bäume, Sträucher, Pilze, Bakterien und Tiere zusammen wirken. Besonders geht er auf den seiner Meinung nach nicht belegbaren Konflikt zwischen Wald und Wild ein. Weitere thematische Schwerpunkte des Buches sind Waldschäden, Waldsterben, Klimawandel sowie die nachhaltige Nutzung des Waldes. Zahlreiche Fotos im Buch unterstreichen das Gesagte.

Prof. Dr. Dr. Herzog gelingt mit seinen Ausführungen meiner Meinung nach eine fundierte und differenzierte Darstellung des vielschichtigen Themas „Wald“. Sein Schreibstil ist wissenschaftlich geprägt, ich konnte ihm dennoch gut folgen und habe einige neue und überraschende Erkenntnisse gewonnen. Ich empfehle das Buch jedem, der tiefer in das Thema einsteigen möchte.

Bewertung vom 13.05.2023
Das Café ohne Namen
Seethaler, Robert

Das Café ohne Namen


sehr gut

Das titelgebende Café ohne Namen befindet sich in einem Arbeiterviertel in Wien. 1966, als die Stadt sich vom Kriegstrauma erholt, erfasst auch den elternlosen jungen Gelegenheitsarbeiter Robert Simon die allgemeine Aufbruchsstimmung. Er pachtet eine heruntergekommene Wirtschaft, renoviert sie und macht daraus ein einfaches Café. Dieses wird mit der Zeit zum Treffpunkt verschiedener Persönlichkeiten, und um diese teils skurrilen Charaktere geht es in den einzelnen Kapiteln des Romans.

Robert Seethaler beschreibt mit einprägsamen Bildern die Atmosphäre im Viertel, er lässt die Protagonisten lebendig werden, wir schauen ihnen bei der Suche nach dem kleinen Glück zu. Und nicht selten auch beim Scheitern.

Mir hat dieser leise, melancholische Roman ausgesprochen gut gefallen. Etwas gestört haben meinen Lesefluss lediglich die manchmal fehlenden Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kapiteln.