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Fornika
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Insgesamt 381 Bewertungen
Bewertung vom 26.12.2021
Im Bann der Bilder / Der Traumpalast Bd.1
Prange, Peter

Im Bann der Bilder / Der Traumpalast Bd.1


sehr gut

Tino hätte als Bankierssohn eigentlich ausgesorgt haben können, doch ihm hat es das Kino angetan. Er will Filme machen, Hollywood nach Deutschland bringen, und so steckt er all sein Herzblut in die Ufa. An seiner Seite Erich Pommer, der seine großen Visionen auf die Leinwand werfen will. Auch Rahel hat Visionen, sie möchte als Journalistin groß rauskommen. Doch im Leben kommt es doch immer anders als man plant und so warten sehr turbulente Zeiten auf die drei.
Peter Prange lässt den Leser im ersten von zwei Bänden die Anfänge des deutschen Kinos miterleben. Es macht großen Spaß zu lesen wie hier Filme produziert werden, die sich zum Kult entwickelten, bekannte Schauspieler in ihren Anfängen zu sehen oder auch Premieren mit all ihren Pleiten und Pannen mitzuerleben. Auch Pommer bei der Arbeit zu beobachten war wirklich interessant. Das Lebensgefühl der 20er Jahre wird sehr greifbar und authentisch dargestellt. Viele genießen eine neue Freiheit, gleichzeitig wird aber auch die Bedrohung durch Inflation und die Unzufriedenheit über die Niederlage im ersten Weltkrieg spürbar. Die Mischung glaubhaft darzustellen, ohne allzu sehr nach Geschichtslehrbuch zu klingen, das alle wichtigen historischen Ereignisse abhakt, war sicherlich nicht ganz leicht, aber dem Autor ist es hervorragend gelungen. Auch die Figuren sind bis ins kleinste Detail durchdacht, sodass selbst kleine Nebenrollen doch auch ihren Charme haben. Tino gefiel mir von den beiden Hauptfiguren deutlich besser. Er ist sicherlich nicht ohne Fehler und Schwächen (ganz im Gegenteil), aber er arbeitet trotz allem an sich und macht im Roman eine Reifung durch. Rahel ist nicht unsympathisch, aber trotzdem ging sie mir mit ihrer Naivität, ihrem Dickkopf und ihrer Art über Leichen zu gehen bald auf den Keks. Sie steht sich mit ihrer Sturheit oft selbst im Weg, und es fällt mir schwer diese Eigenschaft bei einer Erwachsenen durchgehen zu lassen. Natürlich sind die beiden in Kombination spannend zu beobachten, trotzdem zögert Rahel das Geschehen oft heraus, was das Fortkommen der Handlung behindert. Insgesamt habe ich mich aber doch sehr gerne in die Roaring Twenties entführen lassen, der Roman lässt zwar einige Fragen für den zweiten Band offen, findet aber trotzdem ein für den Leser gelungenes vorläufiges Ende.

Bewertung vom 01.12.2021
Gold und Ehre
Weiß, Sabine

Gold und Ehre


sehr gut

Seinen Vater hat Benjamin schwer enttäuscht und so darf er zwar weiter in dessen Namen als Architekt tätig sein, wird dafür aber von Amsterdam nach Hamburg geschickt. Auch sein Cousin Theo muss sein Glück in der Ferne suchen, denn dessen Vater sähe ihn gerne in die eigenen Seebärenfußstapfen treten. Ihr Verwandter Samuel setzt sich stattdessen selbst unter Druck: er möchte in allerhöchste politische Kreise aufsteigen.
Gold und Ehre ist bereits das zweite Buch, welches sich um die Architektenfamilie Aard aus Amsterdam dreht. Es ist nicht zwingend notwendig den Vorgänger zu kennen, auch wenn man so natürlich das ein oder andere Wiedersehen mit bekannten Figuren feiern kann. Die Handlung selbst ist aber unabhängig und auch für Neuleser absolut nachvollziehbar. Über niederländische Geschichte weiß ich recht wenig, über diese Epoche sowieso. Obwohl sehr viel verständlich erklärt wird, fiel es mir doch gerade zu Beginn schwer da den Überblick zu behalten. Das liegt aber nicht am Geschick der Autorin sondern an der Materie ; ) Schlauer bin ich nach der Lektüre allemal, denn historischen Fakten werden sehr gut aufbereitet und wie nebenbei in die fiktiven Handlung eingeflochten. Ich muss sagen, dass ich nach dem Klappentext etwas mehr Michelbau erwartet habe; der spielt natürlich eine Rolle, aber keine ganz soooo tragende. Doch auch die anderen Schauplätze machen viel Spaß und sind spannend, gerade Theos Part hat mir unerwartet gut gefallen. Die Figuren sind liebevoll ausgearbeitet, auch wenn ich z.B. Lucia überraschend anstrengend fand. Ihr Dickkopf und ihre fehlende Weitsicht konnte ich irgendwann nicht mehr nachvollziehen. Die Handlung wechselt gerade im letzten Drittel sehr kurzfristig zwischen Benjamin, Theo und Samuel; z.T. bleibt nur eine knappe Seite bevor der nächste Wechsel eintrat. Mir war das irgendwann zu abgehackt, zu kurz der Fokus auf der neuen Szene, der Lesefluss unterbrochen, weil man sich ständig neu sortieren musste. Zuvor hat mich der Erzählstil wirklich begeistert, nicht zuletzt deswegen, weil Stimmung und Bilder so gut transportiert wurden. Insgesamt mochte ich Gold und Ehre wirklich gerne, auch wenn für mich der Roman nun eben mit einem kleinen Dämpfer geendet hat. Ich empfehle ihn trotzdem gerne weiter, da ich meist wunderbar unterhalten wurde und dabei noch einiges gelernt habe. Ganz wie es bei einem guten historischen Roman sein sollte ; )

Bewertung vom 01.11.2021
Die Kampagne / Maggie Costello Bd.3
Bourne, Sam

Die Kampagne / Maggie Costello Bd.3


sehr gut

Maggie Costello hat gerade ein verlockendes Jobangebot vom (vielleicht) zukünftigen US-Präsidenten erhalten, da wird sie an anderer Stelle dringender gebraucht. Anwältin Natasha Winthrop tötet in Notwehr einen Eindringling, der sie in ihrem eigenen Haus überfallen und vergewaltigt hat. Doch schnell kommen Zweifel auf, hat sie ihn etwas absichtlich ermordet? Da Winthrop ebenfalls als Geheimtipp auf das höchste Amt gehandelt wird, muss Maggie schnell Licht ins Dunkle bringen.

Sam Bournes neuer Thriller hat es wirklich in sich, und das liegt nicht nur an seiner fiktiven Handlung, sondern am Umgang mit der Problematik an sich. Aufgeführte Statistiken und Fakten sorgen für Betroffenheit (milde ausgedrückt) oder auch eine Stinkwut (ehrlich ausgedrückt). Wenn von 100 angezeigten sexuellen Übergriffen (man denke sich die Dunkelziffer hinzu), wirklich nur 1 zu einer Verurteilung führt, ja dann folgert der Autor ganz richtig, wenn er eine Art geduldete Legalisierung anprangert. Immer wieder untermauert er das an Beispielen, und dem Leser geht dabei mindestens genauso die Hutschnur hoch wie dem Autor. Doch auch die Handlung an sich verspricht jede Menge Spannung und Unerwartetes, Spekulieren lässt sich reichlich. Natasha ist eine tolle Figur, sie birgt viele Geheimnisse und lässt sich von niemandem in die Karten schauen. Nicht einmal Maggie, die von ihr engagiert wurde und nun wahrlich nicht auf den Kopf gefallen ist, kann ihr 100%ig vertrauen. Dadurch wird enorme Spannung aufgebaut, weiß man doch nie, wann die nächste Informationsbombe platzt, Schwarz zu Weiß wird (oder umgekehrt). Natasha ist einfach unmöglich zu durchschauen. Bourne hält so die Spannung ständig auf einem hohen Niveau, seinen Erzählstil mochte ich sowieso schon in den vorherigen Bänden, und so fällt es sehr schwer das Buch aus den Händen zu legen. Die ein oder andere Kleinigkeit erschien mir nicht ganz so logisch, auch hätte ich die Zuhilfenahme des Standard USA-Feindes nicht gebraucht, doch insgesamt ist „Die Kampagne“ ein wirklich runder, mitreißender und thematisch wichtiger Thriller.

Bewertung vom 13.10.2021
Wie schön wir waren
Mbue, Imbolo

Wie schön wir waren


sehr gut

Kosawa ist ein kleines afrikanisches Dorf, das das zweifelhafte Glück hatte, über einem großen Ölvorkommen errichtet zu sein. Der amerikanische Konzern Pexton fördert das sehr gerne, um Schutz von Land und Leuten kümmert man sich dagegen nicht so begeistert. Das Land stirbt, und mit ihm bald auch seine Bewohner; doch welche Aussichten auf Erfolg haben die Dorfbewohner für ihre Gegenwehr?

Wie ist es wohl, wenn das eigene Leben so völlig auf den Kopf gestellt wird, man selbst kaum noch darüber bestimmen kann? In Imbolo Mbues Roman kann man das anhand gleich eines ganzen Dorfes erfahren. Von dem internationalen Konzern quasi überrannt, immer wieder angelogen und besänftigt, dauert es erschreckend lange, bis sich überhaupt auch nur ein Fünkchen Widerstand hegt. Das zu lesen ist hart und sehr bedrückend. Die Stimmung des Romans dementsprechend eher düster, auch wenn es kleine Hoffnungsschimmer gibt, und gerade die Schilderungen des „normalen“ Dorflebens die Handlung sehr bereichert haben. Die Geschichte wird aus ganz unterschiedlichen Perspektiven berichtet, verschiedenste Dorfbewohner kommen zu Wort; von den jungen Heranwachsenden bis zur Oma hat jeder eine Stimme. Manches hätte ich mir etwas emotionaler gewünscht, vielleicht hat mir auch der Stil der Autorin nicht 100%ig gelegen, aber komplett mitgerissen war ich bis zum Schluss nicht. Trotzdem mochte ich diesen Roman wirklich gerne, denn er vereint Einblicke in Traditionen und Gepflogenheiten mit Kritik an Ausbeutung und Skrupellosigkeit scheinbar mühelos. Kein leichtes Thema, aber wirklich ansprechend umgesetzt.

Bewertung vom 13.10.2021
Ritchie Girl
Pflüger, Andreas

Ritchie Girl


sehr gut

Halbamerikanerin Paula Bloom floh einst aus Nazideutschland in die USA, und wurde dort in der Army im Camp Ritchie ausgebildet. Jetzt kehrt sie in das kapitulierte Deutschland zurück, soll bei der Befragung eines vermeintlichen Spions helfen. Die Identität von „Sieben“ ist unklar, hat man den großen Spion festgesetzt oder doch nur einen Hochstapler? Während in Nürnberg der große Kriegsverbrecherprozess vorbereitet wird, versucht Paula Siebens, aber auch ihre ganz persönliche Vergangenheit aufzuarbeiten.
Pflügers Roman ist kein netter, seichter Roman über die Nachkriegszeit, sondern oft auch mal schwere Kost. Die Frage, wer sich etwas zuschulden hat kommen lassen, sei es als hochrangiger Funktionär in SS oder SA, oder als ganz normaler Bürger, der über das Verschwinden der Nachbarn hinweggesehen hat, tja diese Frage treibt Bloom und damit den Leser um. Paula ist eine wahnsinnig interessante Figur. Sie ist von Schuld und Hass zerfressen, ihr innerer moralischer Kompass durcheinander. Immer wieder hinterfragt sie sich selbst, ihr Handeln jetzt und vor Jahren, das ihrer Mitmenschen. Allzu schnell ist sie manchmal mit ihrem Urteil, geradezu selbstgerecht; das macht sie zutiefst menschlich, unvorstellbar wie man selbst in der entsprechenden Situation reagiert hätte. Ich fand auch das Zusammenspiel mit ihrem Freund Sam sehr gelungen, der sie immer wieder zu norden versucht. In Paulas Umfeld finden sich neben fiktiven Figuren immer wieder bekannte Persönlichkeiten: von Marlene Dietrich über Stan Lee bis hin zu Willy Brandt. Wie man auch dem Nachwort entnehmen kann, sind einige dieser Berühmtheiten wirklich im entsprechenden Umfeld zugange gewesen, bei anderen hatte ich mehr und mehr das Gefühl das der bekannte Name nur gefallen ist, damit er halt mal gefallen war. Kuriose Zufälle gibt es immer, aber hier wirkte es auf mich übertrieben gehäuft, weil jeder, aber auch wirklich jeder aufgeführt wurde. Der Handlung selbst lässt sich nicht immer ganz leicht folgen, auch aufgrund der vielen Beteiligten. Dranbleiben lohnt sich aber auf jeden Fall, denn der Leser bekommt einen vielschichtigen, hervorragend recherchierten Roman, der sich mit den Themen Schuld und Reue auf seine ganz spezielle Art und Weise auseinander setzt. Wer zeitgeschichtlich interessiert ist, sollte hier definitiv zugreifen.

Bewertung vom 29.09.2021
Die Rückkehr der Zwerge 1 / Die Zwerge Bd.6
Heitz, Markus

Die Rückkehr der Zwerge 1 / Die Zwerge Bd.6


gut

Der alte Glanz der Zwergenhochkultur hat sich in den letzten hundert Zyklen etwas abgenutzt. Aber die Erinnerungen daran sich noch lebendig, ob man jetzt angeschwemmte Funde früherer Zeiten aus dem Fluss fischt, oder wie Edelsteinschnitzer Goimron in alten Aufzeichnungen wühlt. Eines Tages gelangt ihm eine ganz besondere Schrift in die Hände: Tungdil Goldhands Tagebuch. Ein unvergleichlicher Fund, der Goimrons Leben schnell völlig auf den Kopf stellt.
Was habe ich sie vermisst! Die Gemmenschnitzer, Axtschwinger, die Dritten, die Vierten, ja sogar die Schweineschnauzen… Letztere nur ein bisschen. Aber die Zwerge und ich scheinen uns auseinandergelebt zu haben. Zwar brachten sie mich ab und an zum Schmunzeln (wo ich früher eher hellauf gelacht habe), doch ihre Abenteuer haben mich diesmal ziemlich kalt gelassen. Dabei ist ihr Held Goimron zunächst erst mal erfrischend unheldenhaft, in seinem Job als Gemmenschnitzer eher untalentiert, dafür umso interessierter an allem, was an den alten Glanz von Vraccas‘ Volk erinnert. Seine Weggefährten sind recht unterschiedlich gestaltet, nicht alle Figuren (egal ob Freund oder Feind) lernt man aber so gut kennen wie man vielleicht wollte. Der Erzählstil ist dafür wie gewohnt sehr bunt und fantasievoll, schon nach kurzer Zeit ist man im Geborgenen Land angekommen. Das hat mich auch über weite Strecken bei der Stange gehalten, denn die Handlung ist dann leider doch manchmal eher zäh, gerade die Hauptschauplätze fand ich nicht ganz so interessant. Auch Ende/Cliffhanger waren eher unbefriedigend, da die Lösung mir ein wenig aus dem Zwergenhelm gezaubert schien. Der nächste Teil erscheint schon in wenigen Monaten, ich bin gerade aber ehrlich unentschlossen, ob ich dem (gar nicht so) kleinen Volk noch mal eine Chance geben will, da der Funke aus der Esse diesmal nicht überspringen wollte. Vielleicht hatte ich zu hohe Erwartungen, aber für mich kann dieser Teil nicht an die vorherigen Teile der Zwergenreihe anknüpfen, auch wenn viele altbekannte Elemente wieder vorgekommen sind.

Bewertung vom 26.09.2021
Im Winter Schnee, nachts Sterne. Geschichte einer Heimkehr
Geda, Fabio;Akbari, Enaiatollah

Im Winter Schnee, nachts Sterne. Geschichte einer Heimkehr


gut

Vor Jahren ist Enaiatollah als Kind aus Afghanistan geflüchtet, ohne Eltern, ohne Geschwister. In Italien fand er endlich eine neue Heimat, doch die Familie fehlt ihm. Doch das muss ja nicht so bleiben…
Ich kenne „Im Meer schwimmen Krokodile“ nicht, aber es wird ausreichend auf die Geschichte eingegangen, sodass man Enaiatollahs Weg auch ohne Vorkenntnisse nachvollziehen kann. In diesem Buch geht es nicht nur um seine Bemühungen Geschwister und Mutter ausfindig zu machen, sondern auch um die Geschichte Afghanistans selbst. Beklemmende Zustände, und leider auch hochaktuell. Wenn Enaiatollah davon berichtet, wie kleine Regionen zurück an die Taliban gefallen sind, so weiß man als Leser ja leider aus den aktuellen Nachrichten wie sich das Geschehen weiterhin entwickelt hat. Doch bei allem bleibt die Handlung eher persönlich, bezieht sich auf die engste Familie oder Freunde. Das Buch wird als Roman bezeichnet, auch wenn es eher eine Mischung aus mehreren Genres ist, z.T. fast schon einem langen Zeitungsartikel ähnelt. Ich fand es sehr leicht zu lesen, durchaus interessant, habe aber etwas Tiefgang vermisst. Insgesamt sicherlich kein schlechtes Buch, um sich dem Thema zu nähern, ohne auf hochdramatische aber fiktive Romane zurückgreifen zu müssen.

Bewertung vom 19.09.2021
Weiches Begräbnis
Fang, Fang

Weiches Begräbnis


sehr gut

Einst wurde sie ohne Erinnerung halbtot vor dem Ertrinken gerettet, jetzt fällt Ding Zitao erneut dem Vergessen anheim. Ihr Sohn Quinglin ist verzweifelt, versucht alles um seiner Mutter zu helfen. Können Nachforschungen zu ihrer Herkunft weiterhelfen, oder werden so nur unnötig alte Wunden aufgerissen?

Ein komplexer Familienroman, der vor dem Hintergrund der sogenannten Kulturrevolution spielt. Großgrundbesitzer werden enteignet, „bekämpft“, willkürlich ermordet. Tausendfach geschehen, und doch meist vertuscht und totgeschwiegen. Die Autorin wurde für diesen Roman zunächst gefeiert, inzwischen aber ist er so verpönt, dass er sich in keinem chinesischen Buchladen mehr finden lässt. Allein diese Tatsache macht einen als Leser schon betroffen, hat man ihn gelesen, kann man gut nachvollziehen warum. Denn was damals passiert ist, wird auch heute noch unter den Teppich gekehrt. Ich wusste über diese Thematik kaum etwas, aber Fang Fang erzählt nicht nur eine großartige Geschichte, sondern klärt auch auf über das Geschehen. Dabei wird nichts beschönigt, was die Lektüre nicht immer einfach macht. Ich musste mich erst in die Geschichte und den Stil einlesen, auch die vielen (für mich ungewohnten) chinesischen Namen waren anfangs verwirrend, dann war ich aber wirklich mitgerissen. „Weiches Begräbnis“ ist ein wichtiger Roman, der auf distanzierte, aber erschreckende Weise zeigt, welche Schrecken in der Vergangenheit verborgen liegen.

Bewertung vom 15.09.2021
The Stranger Times Bd.1
McDonnell, C. K.

The Stranger Times Bd.1


ausgezeichnet

Hannah hat sich gerade von ihrem untreuen, aber reichen Ehemann getrennt. Auf eigenen Beinen stehen bedeutet aber auch, dass man einen Broterwerb braucht. Es verschlägt sie in die Redaktion der Stranger Times, DER Wochenzeitung für die Spinner, Ufogläubigen, Hexen und andere schräge Typen. Neben wirklich besonderen Kollegen und einem cholerischen Chef merkt sie jedoch bald, dass nicht alle Nachrichten so unglaublich sind wie sie zunächst klingen.
Schräg, abgedreht und wirklich witzig ist dieser Auftaktband zur Trilogie über die Stranger Times. Die Figuren sind alles andere als von der Stange, und dieser Einfallsreichtum gefällt mir. Hannah ist eigentlich ein eher graues Mäuschen, sodass ihre Kollegen erst mal im krassen Gegensatz dazu stehen, allen voran natürlich der Chef. Seine Figur fand ich richtig gut gemacht, auch wenn er ein Ekel ist. Aber auch die Nachrichten selbst strotzen vor Witz und Fantasie, sie findet man immer mal wieder eingestreut in Form von Artikeln, welche das Geschehen auflockern. McDonnells Humor ist oft eher trocken, echt britisch eben; mir hat das sehr gut gefallen. Doch bei der Stranger Times wird es auch mal bitterernst, und dann zeigt sich was im Personal wirklich steckt. Man muss den übernatürlichen Einschlag schon mögen, bei mir hat die Idee aber ins Schwarze getroffen. Für den nächsten Band (den ich definitiv und unbedingt lesen muss) würde ich mir etwas mehr Sorgfalt im Lektorat wünschen, die ständigen Namensänderungen haben doch beim Lesen stocken lassen. Ansonsten habe ich an Hannah & Co wirklich nichts auszusetzen gehabt, und freue mich auf Neues aus der Redaktion.

Bewertung vom 29.08.2021
Der Tod und das dunkle Meer
Turton, Stuart

Der Tod und das dunkle Meer


sehr gut

An Bord der Saardam geht der Teufel um, zumindest glauben das viele von Crew und Passagieren gleichermaßen. Dabei befindet sich auf ihr nicht nur kostbare Fracht und ein hochrangiger Würdenträger, sondern auch noch Samuel Pipps, hochgelobter Detektiv, der jetzt trotzdem eingekerkert auf den Strang wartet. Er könnte das Rätsel um die höllischen Teufelsfratzen lösen, die überall auftauchen, doch er darf sein Gefängnis quasi nicht verlassen. Nun liegt es an seinem Assistent und Leibwächter Arent Hayes nicht nur Augen und Ohren offen zu halten, sondern auch das Rätsel zu lösen, bevor an Bord endgültig Panik und Chaos ausbrechen.
Turton hat einen unglaublich atmosphärischen historischen Roman geschaffen, einen Schauerroman, einen spannenden Krimi… so recht lässt sich die Geschichte in keine Schublade stecken. Ich mochte den Roman wirklich gerne, auch wenn die ganz, ganz große Begeisterung ausgeblieben ist. Turton nimmt seinen Leser mühelos mit auf sein (verfluchtes?) Schiff, bildgewaltig und sehr lebendig erzählt er vom Alltag. Man bekommt ein gutes Bild wie es wohl auf einem so großen Segelschiff zugegangen ist, inklusive sämtlicher Querelen und Machtstreitereien. Ausdrücklich weist der Autor im Nachwort darauf hin, dass er mitnichten sämtliche kleinsten Details historisch genau abbilden wollte, trotzdem bekommt man einen sehr guten Eindruck was es bedeutete monatelang und unter Einsatz seines Lebens auf den sieben Weltmeeren unterwegs zu sein.
Die Kombination von Pipps & Hayes hat vieles der typischen Holmes-Watson-Beziehung: der geniale, aber egozentrische Pipps löst mithilfe des gutmütigen Hayes knifflige Fälle, welche letzterer zur Unterhaltung der Allgemeinheit niederschreibt. Auch wenn es sich bei dieser Konstellation um ein bewährtes Rezept handelt, kann Turton den Figuren doch ein neues Gesicht geben und weiß damit zu punkten. Pipps ist keine sympathische Figur, Hayes dagegen sehr. Ich mochte seine Art von Anfang an, auch seine Entwicklung in der Geschichte ist sehr stimmig. Weitere Figuren in großen und kleinen Rollen sind vielgestaltig und interessant, viele verbergen zunächst ihr wahres Gesicht, was der Handlung zusätzlich Pepp gibt. Die ist spannend und wendungsreich, mal humorvoll, mal schaurig-brutal. Leider war ich von der Auflösung doch eher enttäuscht, was meiner Begeisterung einen Dämpfer verpasst hat. Trotzdem empfehle ich das Buch gerne weiter, da der Autor für mich vorher fast alles richtig gemacht hat.