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Benutzername: 
Hennie
Wohnort: 
Chemnitz

Bewertungen

Insgesamt 260 Bewertungen
Bewertung vom 10.09.2021
Der Brand
Krien, Daniela

Der Brand


ausgezeichnet

Auszeit für drei Wochen
Der Brand eines Ferienhauses ist der titelgebende Auslöser für die Auseinandersetzung eines Ehepaares mit dem Zustand ihrer fast 30jährigen Ehe. Rahel und Peter wollten wegen Corona im Inland bleiben, mieteten eine Hütte in den Ammergauer Alpen. Das Domizil brennt ab. Ein weiterer trauriger Zufall bietet ihnen die Möglichkeit sich in Dorotheenfelde in der Uckermark, um Haus und Hof des befreundeten älteren Paares Ruth und Victor zu kümmern. Ruth begleitet ihren Mann nach einem Schlaganfall in die Reha an die Ostsee. Arbeitsteilig versorgen Peter und Rahel die Tiere, das Haus und den Garten. Die drei Wochen nutzen sie, um sich über ihre Beziehung Klarheit zu verschaffen...

Daniela Krien spricht hier, um Fontane zu zitieren "ein weites Feld" an. Neben der Partnerschafts- und Elternproblematik als Hauptthematik, die allein schon schwierige, komplexe, umfassende Themen sind, wird aktuelles Zeitgeschehen eingebaut in die Handlung u. a. Corona, Gendern. Die zeitliche Einordnung des Romans erfolgt durch diese Geschehnisse.

Der Schreibstil von Daniela Krien gefällt mir gut. Sie konzentriert sich auf das Wesentliche und läßt vieles zwischen den Zeilen "durchblitzen“. Nichts ist trivial! Es wird in den wenigen Seiten eine Menge zur Sprache gebracht. Der gefühlte Inhalt des Buches kam mir sehr viel mehr vor. Meine Gedanken gingen auch des Öfteren spazieren. Für mich hatte der ganze Roman etwas Selbsterklärendes. Allerdings blicke ich aus langjähriger Ehe- und Lebenserfahrung auf das Gelesene, bin ebenfalls im Osten Deutschlands sozialisiert. In ruhiger, unaufgeregter Erzählweise erfolgt die idyllische Beschreibung der Umgebung, Peters Umgang mit den Tieren, die Darstellung der Gegebenheiten in Haus und Garten. Die zwischenmenschlichen Beziehungen werden realistisch in beeindruckender Weise dargestellt. Mit guter Beobachtungsgabe verfolgt die Autorin drei Wochen lang das Leben von Rahel (49 Jahre alt, Psychologin) und Peter (55 Jahre alt, Literaturprofessor) in der wunderbaren, sommerlich leichten Atmosphäre der uckermärkischen Landschaft. Es ist eine subjektive Geschichte, da sie aus der Sicht Rahels definiert wird. Über die Art und Weise der Bewältigung der Auszeit des Ehepaars erfährt der/die Lesende in der Hauptsache von ihr. Peter erscheint in ihrer Beschreibung und in den Dialogen. Er ist sehr ruhig, feinsinnig und in sich gekehrt, während sie recht pragmatisch daherkommt, oft für ihn mit Entscheidungen trifft. Es gibt zu viele Missverständnisse, viel Schweigen, nur kurze Gespräche und damit Unausgesprochenes, was dringend einer Erklärung bedarf. Erst als auch die gemeinsame Tochter Selma mit ihren Kindern auf dem Hof eintrifft, beginnen sie sich aktiv mit deren und bald darauf auch mit ihren eigenen Problemen auseinanderzusetzen.

Es „brennt" an allen Ecken und Enden...

Einige Sätze, die ich gut fand:
S. 105 Peter: „...Gefühle verändern sich. Unsere Gefühle haben sich auch verändert.“
S. 174 „Manchmal ist das wohl nicht zu verhindern, dass zwei Menschen nicht mehr im Gleichschritt gehen.“
S. 229 Peter zu Rahel: „Du paßt ins Leben, ... Du bist mit einer solchen Selbstverständlichkeit in der Welt, ...“

Das Ende des Buches stimmt mich optimistisch, dass Rahel und Peter ihren Weg weiter gemeinsam gehen und auch noch die goldene Hochzeit miteinander erleben.


Fazit:
„Der Brand“ ist eine detail- und facettenreiche, dichte Erzählung, die mich zum Nachdenken anregte und für mich ein Lesehighlight 2021 darstellt.

Eine anspruchsvolle Geschichte, die mich gut unterhalten hat! Ich vergebe gern meine Lese- und Kaufempfehlung und fünf von fünf Sternen!

Bewertung vom 15.08.2021
Systemfehler
Harlander, Wolf

Systemfehler


sehr gut

Das Internet, die Achillesferse der modernen Gesellschaft
„Systemfehler" habe ich als Hörbuch erleben dürfen. Gleich zu Beginn nahmen mich im Prolog die Worte gefangen, machten mir die Bedrohung durch das Internet mehr als deutlich. So ähnlich heißt es:
Für das Ende der Zivilisation braucht es keine Bomben. Am Anfang vom Ende steht eine Computertastatur. Mit einem Tastenklick wird der Virus auf die Reise geschickt und bringt Chaos, Tod und Zerstörung...

Wolf Harlander versteht es eindrucksvoll in seinem Werk „Systemfehler“ den immensen Einfluß des Internets auf unser Leben zu beschreiben. Mit dem Ausfall der digitalen Netzwerke ist von einem Moment zum anderen nichts mehr wie vorher. Die Lebensadern wie Verkehr, Wasser- Energieversorgung, Gesundheits- und Finanzwesen, Kommunikation – kurz die gesamte Infrastruktur, werden abrupt abgeschnitten. Es beginnt mit Stromausfall im Klinikum Hamburg Eppendorf, wenig später schalten sich alle Geräte auf der Intensivstation ab. Viele Patienten sterben.
Das gesamte Land versinkt im Chaos. Es weitet sich aus auf andere europäische Länder, vor allem Frankreich, Österreich, Italien. Anhand der Personen zeigt der Autor auf, wie die Misere im Laufe der kurzen Zeit bewältigt wird...

Ich habe „Systemfehler“ in der Hörbuchversion erlebt durch einen ausgezeichneten Sprecher. Uve Teschner gelang es hervorragend, den unterschiedlichsten Menschen (männlich, weiblich, Kind) seine Stimme zu leihen und ausdrucksstark durch das Geschehen zu führen. Er machte für mich das Hörbuch durch seine Charakterisierung der handelnden Personen zu einem Erlebnis.
Zu meinen Kritikpunkten – manches erscheint mir unlogisch, zu arglos (Claudia steigt bei Stromausfall in den Aufzug, für die Uniklinik gibt es für die Intensivstation und andere Bereiche keine Notstromaggregate?), zu schnell abgehandelt, klischeehaft, zu viele Nebenschauplätze.

Trotz allem wurde ich gut unterhalten und ich hoffe, dass das Geschehen dystopisch bleibt.

Ich bewerte mit vier von fünf Sternen und gebe meine Empfehlung.

Bewertung vom 15.08.2021
Heimatsterben
Höflich, Sarah

Heimatsterben


ausgezeichnet

Wir sind Heimat!
Der Roman beginnt mit Tilde Ahrens. Sie ist mit ihren 97 Jahren die Älteste des Familienclans, der mit seinen Nachkommen den Mittelpunkt der Geschichte bildet. Ihr schweres Schicksal, der weitere Verlauf ihres Lebens/Sterbens/Tod und ihr unmittelbare Einfluß auf die sie umgebenden Menschen werden immer wieder thematisiert und bilden das Gerüst für das aktuelle Geschehen. Die Entwicklung eines neuen Deutschlands wird hauptsächlich erzählt anhand der Familienmitglieder Ahrens und von Altdorff.

Ich bekam mit der Geschichte beunruhigende Ausblicke in die nahe Zukunft, in das Jahr 2023. Die Pandemie ist gerade vorbei. Aus der Türkei droht die nächste große Flüchtlingswelle – Hauptziel Deutschland.
Die Situationen und Handlungsabläufe werden anhand der verschiedenen Charaktere, zu denen es durchaus ähnliche Pendants zur heutigen politischen Szene gibt, sehr authentisch dargestellt.
Mit dem Slogan „Wir sind Heimat“ erhob sich eine neue Partei, die BürgerUnion, nachdem die AfD implodiert war. Felix von Altdorff ist der Spitzenkandidat der Partei. Seine Ehefrau Trixie ist die Schwester von Hanna Ahrens, der ältesten Enkelin von Tilde.

Schließlich erstarkten die nationalistischen, heimatbewussten Kräfte so sehr, dass die Machtverhältnisse zu ihren Gunsten entschieden wurden. Die rechte Partei BürgerUnion siegt mit überwiegender Mehrheit. Felix von Altdorff, „die neue deutsche Hoffnung“, wird der neue Bundeskanzler mit großer Strahlkraft. Er ist der Typ Saubermann, der die Massen schon mit seiner Erscheinung beeindrucken kann. Erst recht mit seinem Hintergrund des uralten Adels, seiner aparten Frau und den properen Kindern. Durch seine charismatische Art versteht er es auch Hanna auf seine Seite zu ziehen, obwohl sie eine andere Einstellung hat. Sie wird ihm zunächst eine große Stütze in der politischen Arbeit sein.

Sehr beeindruckend, wie Sarah Höflich es verstanden hat, in ihrem Debütroman so packende Szenen mit ungeheuerlicher Sogwirkung zu entwickeln. Die Ereignisse überstürzen sich. Die dramatische Entwicklung für die gesamte Gesellschaft wird überdeutlich. Extrem rechtsradikale Kräfte agieren mit roher Gewalt, ohne Rücksichten und ohne Verstand.

Das schlichte Cover mit dem verfaulenden Apfel kommt für mich symbolträchtig daher. Sehr stimmig zur Geschichte! Hilfreich beim Lesen und Verstehen der Zusammenhänge ist der Stammbaum der Familie im vorderen Innenteil des Buches.

Die politischen Geschehnisse sind fiktiv. NOCH! Ich verstehe das Buch als Warnung. Vieles kommt schon sehr realistisch und aktuell daher. Deshalb wehret den Anfängen. Wir müssen aufpassen.

Ich empfehle den Debütroman mit der Höchstbewertung!

Bewertung vom 14.08.2021
Unsichtbar im hellen Licht
Gardner, Sally

Unsichtbar im hellen Licht


gut

Rinnstein der Zeit
„Eins ist sicher, ..., wenn du das Spiel beendet hast, wird sich alles verändert haben." (S. 11)

Celeste, 12 Jahre alt, spielt mit einem Mann im smaragdgrünen Anzug. Bei diesem Spiel geht es um nichts geringeres als um das Leben ihrer Familie, um Vater, Mutter und Zwillingsschwester Maria. Die Beweggründe des Mannes für das seltsame Verhalten erschlossen sich mir nicht.
Zu Beginn befindet sich der Leser in der Königlichen Oper in K. Wobei ich vermute, dass K. mit Kopenhagen identisch ist. In dem sehr mysteriösen Geschehen hatte ich es nicht leicht, mich zurechtzufinden. Die zwar wenigen Schauplätze wechseln oft und es war manchmal schwer zu unterscheiden, was ist real und was verschwimmt im „Rinnstein der Zeit". Mir war die phantasiereiche Geschichte zum größten Teil etwas zu wirr erzählt. Erst am Ende wird alles schlüssig und nachvollziehbar aufgelöst. Ob bis dahin allerdings die Zielgruppe der 12 bis 17jährigen durchhält?

Zunächst erscheint mir der Jugendroman wie ein Märchen. Begründen möchte ich das zum einen mit der gewählten Zeit, in der die Geschichte spielt. Es gibt Dienstmädchen, Zofen, Lakaien, einen König und als Jahreszahl wird 1870 genannt. Einige der Charaktere sind überzeichnet, so z. B. die berühmte Sängerin Madame Sabina Petrova. Mir fiel dazu noch die starke Unterscheidung zwischen gut und böse auf. Die Petrova ist ein richtig fieser Charakter und Quigley, der Clown besitzt ein ausgesprochen gutes Herz.

Erst gegen Ende des Geschehens glaubte ich zu wissen, was ich da gelesen habe. War es ein originell erzählter Traum, der sich nahe an der Realität bewegte? Ich bin mir da allerdings nicht sicher. Es war mir vieles zu diffus. Daher meine Einschätzung, dass das Buch nicht den Geschmack der Zielgruppe trifft. Auf das Urteil meiner 16jährigen Enkelin bin ich sehr gespannt.

Positiv in meine Bewertung fließt die schöne Cover- und Innengestaltung des Buches ein. Die Tatsache, dass die Autorin Sally Gardner eine schwere Legasthenie (Schreib- Leseschwäche) in der Schule hatte, erstaunte mich. Davon ist nichts mehr zu bemerken. Am Schreibstil gibt es nichts zu bemängeln.

Ich bewerte mit 3 von 5 Sternen.

Bewertung vom 12.08.2021
Ausweglos
Faber, Henri

Ausweglos


ausgezeichnet

Der inkaorangene BMW
Das Thriller-Debüt von Henri Faber war für mich von Beginn an eine angenehme Überraschung. Der Thriller liest sich äußerst spannend. Die kurzen Kapitel taten ihr Übriges. Wie in Trance musste ich Seite um Seite lesen. Hier eine dringende Warnung an diejenigen, die eigentlich keine Zeit haben. Nur mit „Ausweglos“ beginnen, wenn nichts Dringendes ansteht!

Wir erleben die Handlung aus der Ich-Perspektive von vier Protagonisten – Elias Blom, der Ermittler, das Ehepaar Noah und Linda Klingberg sowie der noch unbekannte Stalker bzw. Mörder wechseln sich ab. Interessante Konstellationen werden nach und nach preisgegeben. Dabei bleibt der Fall undurchsichtig.
Das Geschehen lt. Klappentext scheint klar und logisch zu sein, aber stimmt das so? Es beschleichen mich nach und nach Zweifel. Was weiß Noah? Welche Rolle spielt Linda? Wer sagt die Wahrheit? Wer lügt? Nach jedem Kapitel tun sich neue Fragen auf. Je mehr ich von den einzelnen Personen erfuhr, umso undurchsichtiger wurde es wiederum. Und was ist mit dem Täter, dem Ringfinger-Mörder? Der verhält sich merkwürdig. Warum fährt er so ein auffälliges Auto, diesen inkaorangefarbenen BMW?
Es geschehen Dinge, welche die Situationen in neuem Licht erscheinen lassen. Plötzlich und überraschend wendet sich wieder und wieder das Blatt. Nichts ist, wie es scheint. Verwirrung total!
Henri Faber läßt seine Charaktere so agieren, dass ich ein ums andere Mal dachte, ist hier eigentlich überhaupt jemand normal. Ganz üble Leute arbeiten bei der Mordkommission. Deren Umgangsformen sind grenzwertig. Da hatte Kommissar Blom noch zusätzliche Hürden zu überwinden.

Die unterschiedlichen Perspektiven sind intelligent verwoben, schafften für mich jedoch keinen Durchblick. Den Titel finde ich gut gewählt und das Cover wurde hervorragend gestaltet - optisch und haptisch.

„Ausweglos“ ist ein Thriller, der mich seit langem richtig neugierig auf die Auflösung machte. Meine Erwartungen waren groß und erfüllten sich in hohem Maße. Mit dem Ausgang der verrückten Geschichte war ich zufrieden.

Ich fand den Thriller herausragend – erst recht für ein Debüt. Den Autor Henri Faber werde ich mir merken. So müssen für mich Thriller „gestrickt“ sein. Ich werde nach neuer Lektüre von ihm Ausschau halten.

Ich empfehle „Ausweglos“ mit der Höchstbewertung!

Bewertung vom 01.08.2021
Wir für uns
Kunrath, Barbara

Wir für uns


sehr gut

Wie das Leben so spielt...
Mit diesem Buch schenkt uns Barbara Kunrath eine Geschichte, die das Leben schreibt.

Im fiktiven, kleinen Ort Solbach in Hessen, in der Nähe des Westerwaldes und der Großstadt Frankfurt am Main finden zwei Frauen durch einen wunderbaren Zufall zueinander. Sie sind verschiedener Generationen zugehörig. Josie wird mit 41 Jahren plötzlich und ungewollt schwanger von ihrem jahrelangen Geliebten, der aber mit ihr kein Kind möchte. Seit neun Jahren unterhalten sie eine Dienstagsbeziehung. Kathi ist 70 Jahre alt und verlor plötzlich kurz vor der Goldenen Hochzeit ihren Mann. Es sind die tiefen, schmerzhaften Einschnitte ins Leben, die die Autorin recht anschaulich zu beschreiben versteht.

In fünf Teilen erfuhr ich in abwechselnden Kapiteln von Josie und Kathie, wie sie den Neubeginn nach den einschneidenden Veränderungen bewältigen. Immer wieder gibt es Rückblicke in die Vergangenheit. Unverarbeitete Konflikte in der Großeltern- und Elterngeneration der Protagonistinnen kommen zur Sprache, die sich nachhaltig auf ihr Leben auswirkten. Dazu erfolgen bei Kathi die Rückblicke auf eine lange Ehe und ihre Rolle als Mutter und die Berufstätigkeit im Dorfladen, bei Josie ist es hauptsächlich ihre lang andauernde Beziehung zum verheirateten Bengt, die sich vorwiegend im Bett abspielte.

„Wir für uns“ ist problembehaftet. Es kommen viele Themen zur Sprache, vielleicht etwas zu viele für nur einen Roman. Zumal diese dann zum Ende recht schnell gelöst und abgehandelt scheinen.
Angenehm fiel mir auf, dass keine moralische Wertung erfolgte. Das kann jeder mit seiner eigenen Lebenserfahrung abgleichen.
Den Sprachstil fand ich bereits wie bei „Töchter wie wir“, feinfühlig, ansprechend, nachvollziehbar und lebensecht.

Fazit:
Ich empfand den Roman als sympathisch geschriebene Geschichte über den Neubeginn des Lebens zweier Frauen unterschiedlicher Generationszugehörigkeit.

Meine Empfehlung mit vier von fünf Sternen!

Bewertung vom 20.07.2021
Evie und die Macht der Tiere
Haig, Matt

Evie und die Macht der Tiere


ausgezeichnet

Bis zum Wiederschnuppern!
Evie ist ein elfjähriges Mädchen mit einer einzigartigen Gabe. Sie hat von ihrer verstorbenen Mutter die wunderbare Fähigkeit vererbt bekommen, dass sie hören kann, was Tiere denken, und noch dazu vermag sie ihnen in Gedanken zu antworten. Doch die Verständigung verläuft nicht mit allen Tieren so einfach wie mit einem Hund, einem struppigen Streuner, der z. B. auf der Straße lebt. Bei einer Schnecke passiert es ihr schon mal, dass sie bei der Langsamkeit des „Gesprächs" einschläft. Die Bartagame von ihrer Oma stellt eine noch höhere Herausforderung dar. Mit Echsen zu kommunizieren, das ist die wahre Kunst!

Ich erlebte mit diesem rundum schönen Kinderbuch ein einzigartiges Abenteuer. Es ist unterhaltsam, spannend und lehrreich geschrieben. Stimmige Dialoge und witzige Antworten machten mir zusätzlich Spaß.
S. 38 „Okay, bis zum Wiederschnuppern. Das Leben ist gut.“
Nachvollziehbar erfährt man, warum Evies Gabe für sie selbst so gefährlich ist, was ihrer Mutter widerfuhr, und warum der Vater sie immer wieder zur Vorsicht mahnt.

Matt Haig gibt dem Tier- und Umweltschutz in der reizvollen Geschichte eine wunderbare Hauptrolle. Aus der Perspektive der Tiere, mit Evies immer vollkommener werdenden telepathischen Fähigkeiten erfahren die kleinen Leser sehr viel Wissenswertes über die verschiedensten Lebewesen.
Mir hat die Handlung sehr zugesagt und ich hoffe, dass meine 9 jährige Enkelin auch Gefallen an „Evie und die Macht der Tiere“ findet.

Schöne Illustrationen unterstreichen das Geschehen. Das strahlende Gelb des Covers ist ein toller Eyecatcher.

Ich empfehle das Buch mit der Höchstbewertung!

Bewertung vom 17.07.2021
Der Nachlass
Winner, Jonas

Der Nachlass


sehr gut

Obskurer, irrer Racheplan
„Der Nachlass“ – Zehn Hinterbliebene, abgeschnitten auf einer Insel, 27 teils abartige Aufgaben zu lösen, ohne Strom und Telefon/Handy bei Frost, Schnee und Eis – dazu die Geistergeschichte der Pfauenkranzlady und die Folgen -

Der Tod Hedda Laurents ist vorauszusehen und deshalb versammelt sie kurz vor ihrem Ableben die Familie um sich. In ihrem Testament, das eine riesige Millionensumme enthält, wurde festgelegt, wie das Erbe verteilt werden soll. Die Erwachsenen der Familie, bestehend aus Ehemann, Bruder, den vier Kindern, deren Partner und Partnerinnen und ein volljähriges Enkelkind müssen sich einem Wettbewerb stellen und 27 Aufgaben lösen. Wer als Sieger daraus hervorgeht,soll alles erben. Es ist ein Gesamtbetrag zwischen 70 und 80 Millionen Euro.

Die gruselige, beunruhigende Atmosphäre, die fast über den gesamten Roman anhält, beginnt bereits im Prolog mit dem Tod des alten Mannes. Auch der immer wiederkehrende Auftritt der Frau mit dem Pfauenkranz in den Erzählungen der beiden jüngeren Kinder Theo und Patricia tut sein Übriges. Was geschah 1963? Was geschah 1978? Welche Dinge sind in der Villa in der Vergangenheit passiert, die so gravierend in die Gegenwart nachwirken? Was haben sie mit Heddas Tod zu tun? Und warum diese Aufgaben, um das Erbe zu erfüllen?
Der Autor erzählt in mehreren Zeitebenen. Dadurch, und sowohl durch die Technik des Rückblendens und wiederum nach vorne Schauens wird die Spannungskurve des öfteren unterbrochen. Ich musste mehrmals nachschauen, bei wem und in welcher Zeit ich mich gerade befand. Das fand ich nicht förderlich. Der Stammbaum im Vorderteil des Buches war indes absolut hilfreich. Die Kompliziertheit der Zusammenhänge der verschiedenen Ereignisse erschloß sich mir erst gegen Ende dieses Psychodramas.

Kurz nach dem Tod Heddas wird der Wettbewerb begonnen. Zuerst mit harmlos erscheinenden Aufgaben, die sich aber innerhalb dreier Tage in immer absurdere, grausamere, Ekel erregende Prüfungen steigern. Ich möchte es abartig nennen. Kann eine Mutter so voller Haß sein? Da schlichen sich bei mir leise Zweifel ein. Einige Angehörige der Familie Laurent stellten sich Fragen, aber keiner widersetzte sich diesem irren, letzten Willen. Die Situationen laufen aus dem Ruder und eskalieren.
Es war interessant zu lesen, was die Aussicht auf viel Geld aus Menschen machen kann. Seltsame Charaktere versammelten sich auf dem alten Familiensitz. Nach und nach entblätterten sich die Hintergründe, die Zusammenhänge, die Konstellationen in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Autor entwarf eine komplexe Geschichte. Das Ende ist überraschend.

Ich bewerte diesen Thriller mit vier von fünf Sternen!

Bewertung vom 04.07.2021
The Comfort Book - Gedanken, die mir Hoffnung machen
Haig, Matt

The Comfort Book - Gedanken, die mir Hoffnung machen


gut

Hoffnungsfrohe Gedanken in ungeordneter Folge
Ich kann nicht sagen, was ich mir vorgestellt habe unter diesem Buch. Vielleicht was ähnliches wie John Greens „Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?“, das ich vor kurzem erst beendet habe. Bei diesem Autor faszinierte mich, wie er seine Gedanken, seine Erlebnisse, seine persönlichen Erfahrungen in kleine Geschichten verpackt, sie sinnvoll mit der Gegenwart, der Vergangenheit, mit Personen u.s.w. in Beziehung bringt und sie verständlich formuliert. Mir gefiel bei ihm die humorvolle, geistreiche Wissensvermittlung und seine Bewertung der Faktenlage zum betreffenden Thema.

Matt Haig vermittelt vieles in seinem Buch, u. a. Mut, Hoffnung, Zuversicht, Auswege, Richtung, Wertebewußtsein, Klarheit. Er ruft auf gegen Verhaltensmuster und Routine anzugehen, den alltäglichen Trott zu durchbrechen, gegen Ängste (z. B. vor Veränderung) und Stagnation zu kämpfen und vor allem öfter mal die Komfortzone zu verlassen.
Er stellt u. a. die Erkenntnisse über sich selbst vor und läßt den Leser daran teilhaben. Darauf muss man sich aber einlassen können. Bei mir stehen mein Alter, mein Pragmatismus, mein Charakter, dem Sammelsurium von zusammengetragenen Einsichten entgegen. Ich befinde mich im letzten Drittel meines Lebens und die vielen Erfahrungen, die Erlebnisse, die Sozialisierung lehrten mich mit schwierigen Situationen fertig zu werden. Wenn es mir schlecht geht, würde ich nie zu diesem Buch greifen. Die Aneinanderreihung von wenigen Sätzen – manchmal nur ein einziger Satz - zu einem Thema, sind mir zu wenig.
Es ist alles richtig, was Matt Haig zusammengetragen hat. Sein Schreibstil ist für mich gewohnt gut.

Fazit:
„The Comfort Book“ besteht aus Erkenntnissen, Einsichten, persönlichen Lernprozessen und Schlußfolgerungen daraus, verschiedenen Zitaten und vieles von Haigs Ängsten, Panikattacken, Depressionen. Das Buch kann man beliebig lesen - aufschlagen an irgendeiner Stelle. Es hat zwar vier Teile, aber für mich war keine thematische Gliederung oder ein roter Faden ersichtlich. Darauf macht Haig selbst aufmerksam in „Eine Anmerkung zur Struktur des Buches" S. 7.

Den Hype,den das Werk bis jetzt entfachte, kann ich leider nicht nachvollziehen.

Von mir drei von fünf Sternen und die Empfehlung für diejenigen, die Mut, Hoffnung, Kraft aus den Zeilen ziehen können!

Bewertung vom 27.06.2021
Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?
Green, John

Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?


ausgezeichnet

Wie bewertet man unsere Gegenwart?
“Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?” – So heißt John Greens Buch mit „Notizen zum Leben auf der Erde" für den deutschsprachigen Leser. Der Titel der Originalausgabe lautet: "The Anthropocene Reviewed. Essays on a Human-Centered Planet"

Für mich war dieses Buch meine erste Begegnung mit dem Autor. Das wundert mich nicht, sind doch seine mehrfach ausgezeichneten Werke eher für jugendliche Leser.
Da ich mit dem Begriff „Anthropozän" zunächst nichts anzufangen wußte, möchte ich gleich mit einer Definition beginnen:
„Der Begriff Anthropozän ist die vorgeschlagene Bezeichnung für das gegenwärtige geologische Zeitalter, in dem der Mensch den Planeten und seine Biodiversität grundlegend verändert hat.“ (S. 15)
Es ist faszinierend, wie Green seine Gedanken, seine Erlebnisse, seine persönlichen Erfahrungen in kleine Geschichten verpackt, sie sinnvoll mit der Gegenwart, der Vergangenheit, mit Personen u.s.w. in Beziehung bringt und sie verständlich formuliert.
Was er z. B. gleich im ersten Kapitel (insgesamt sind es 44 Kapitel) „You´ll Never Walk Alone“ alles zusammenträgt! Ich kannte nur die Geschichte, dass es der Song des Liverpool Football Club ist. So geht es immer weiter. Er leitet interessante, manchmal auch ungewöhnliche Gedanken ab von seinen Themen. Jede Überschrift ist wie eine Wundertüte! Fast jedes Mal bin ich am Ende erstaunt über seine Ableitungen! Ab und zu kommt er auch mal von „Höckchen auf Stöckchen". Ich finde dieses Buch ungewöhnlich. Es fällt aus dem Rahmen durch die besondere Herangehensweise an Themen, die den Autor bewegen.
Was und wen er zitiert, finde ich treffend. Seine Gedankenexperimente, die sich selbstverständlich aus Greens persönlichen Leben und aus seinem Umfeld ergeben, führten mich oft dazu, das meine zu reflektieren. Green äußert Gedanken von philosophischer Tiefe, die viele Menschen auch so betreffen. Im Kapitel "Academic Decathlon" schreibt er etwas über seinen Freund Todd, was mich sehr berührte – ja, auch ich habe solche Freunde.
Im nächsten Kapitel „Sonnenuntergänge" sinniert er über die Sonne...und die Frage nach Gott und wie er sie beantwortet, trifft sich fast deckungsgleich mit meinen Ansichten. Der Vergleich mit seinem Hund, wenn es um Vertrauen geht. Er zeigt seinen Bauch und macht sich schutzlos. Einfach herrlich! S. 113
Es sind keine komplizierten, aber wunderbare Gedanken, die er dann in seiner eigenen Sterne-Bewertung gipfeln läßt. Klasse!
John Green macht sich viele Gedanken über Krankheiten und Schmerzen, die sie verursachen und die uns der Sprache berauben. Insgesamt läßt er den Leser recht tief in seine persönliche Welt eintauchen. Er gibt eine Menge von sich selbst preis. Es gibt viele Abschnitte in dem Buch, über die ich länger bzw. erneut nachdenken musste. Auch aus dem Grunde ist es ein Werk, dass sich (für mich!) nicht hintereinander weglesen läßt. Ich behaupte, dass es ein Buch ist, welches sich eignet zum Wieder- und Wiederlesen.

Fazit:
Es ist ein intelligent geschriebenes, autobiographisch geprägtes Sachbuch voller sehr guter Textstellen, Metaphern, Vergleichen, wunderbaren Zitaten zum Leben, zur Schönheit der Welt, das aber auch von Ängsten und Panikattacken, das Verhältnis zur Familie, zu Freunden und von vielen persönlichen Erfahrungen erzählt...ein Buch voller Ehrlichkeit und Empathie...
Mir gefällt die humorvolle, geistreiche Wissensvermittlung und die Bewertung der Faktenlage in Rezensionsmanier, mit Sternen.
Green vermittelte mir mit seinen geistreichen Beiträgen, auch über hin und wieder sehr amerikanische Dinge, viele Denkanstöße. Er regte mich sogar zum tieferen Nachdenken an.

Ich empfehle dieses Buch mit der Höchstbewertung!