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Benutzername: 
ElliP
Wohnort: 
Hessen

Bewertungen

Insgesamt 144 Bewertungen
Bewertung vom 04.11.2022
Gleich unter der Haut
Obermanns, Berthe

Gleich unter der Haut


ausgezeichnet

Und die Leute würden denken, dass wir glücklich sind…

Das Cover erinnert an Egon Schiele - der verletzliche Körper im Zentrum, die Person ohne Gesicht - namenlos? Austauschbar? Poetisch, fragil, berührend, dramatisch, intim, und genau dazu passt auch das Debüt von Berthe Obermanns. Ein faszinierender, etwas sperriger, offener, schmerzhafter und tiefgründiger Roman, der die Spuren der Vergangenheit auslotet; Traumata bilden das Zentrum, lassen keine Unbeschwertheit zu und ein Tabubruch steht der Heilung im Weg.
Nach dem Verlust der Eltern müssen sich die Geschwister Nora und Niklas um die demente Großmutter kümmern, obwohl sie doch mit ihrem eigenen Leben nicht im Einklang leben können. Die Ansprüche der Wirklichkeit sind kaum zu bewältigen, aber die Zweisamkeit schenkt ihnen immer wieder neuen Auftrieb und sie klammern sich aneinander in ihrer Trauer. Da tritt die faszinierende, unergründliche Lou mit ihrer Sprachlosigkeit, ihren Schmerzen und ihren eigenen Albträumen in Niklas Leben. Werden sie es gemeinsam schaffen, die Schatten der Vergangenheit zu überwinden? Ist Heilung möglich? Gewollt?
Können diese verstörenden Erlebnisse der Vergangenheit überwunden werden und kann die Seele gesunden? Was hält die menschliche Psyche aus? Wo beginnt die Reise in den Abgrund und kann sie aufgehalten werden?

Ein außergewöhnliches, bildgewaltiges Leseerlebnis, das in die Tiefen der menschlichen Seele führt, lange nachhallt und einen starken Eindruck hinterlässt.

Bewertung vom 15.10.2022
Die Welt durch Wörter sehen
De Cesco, Federica

Die Welt durch Wörter sehen


ausgezeichnet

Federica de Cesco, die Grande Dame der Jugendliteratur, gibt eine Kostprobe ihres Könnens in dieser liebevoll bestückten Sammlung von Romanauszügen, Geschichten, Anekdoten, Gedanken und Impressionen – eine wunderbare Art, ihre Vielfalt zu präsentieren und Lust auf weitere Werke zu entfachen.
Sie hat Mitgefühl, Wärme, Liebe für ihre Figuren, Verständnis besonders für die jungen Mädchen, die ihre Wege gehen, man kann sich in die Situation hineinversetzen, mitfiebern und neue, wunderbare Welten entdecken. Und die Erzählerin wirkt dabei so sympathisch, voller Lebensklugheit und Humor, mit ihrer Intensität und ihrer Poesie kann sie nicht nur Jugendliche in Atem halten und verzaubern – eine Leseempfehlung für Liebhaber ihrer Werke und für alle, die sich noch auf Entdeckungsreise begeben möchten. Ich bedauere es, dass ich als Jugendliche ihre Geschichten nicht kennengelernt und verschlungen habe. Diese Sammlung ist zum Schmökern, zum Vorlesen und zum Entdecken, zum Eintauchen und zum Teilen.
Ein wunderbares Geschenk für Menschen mit Sinn für das Schöne, Wahre & Poetische.

Bewertung vom 10.10.2022
Es ist zu kühl für diese Jahreszeit
Harag, Anita

Es ist zu kühl für diese Jahreszeit


ausgezeichnet

Der Alltag, das gewöhnliche Leben sind Gegenstand der Kurzgeschichten und doch wird das Besondere beschrieben. Wir lernen viele unterschiedliche Figuren kennen, die nicht alles richtig machen, und trotzdem kann man sich in sie hineinversetzen, ihre Gefühle verstehen und mit ihnen fühlen.
Mit feinen Strichen zeichnet Anita Harag die Situation, Bruder und Schwester beim Judotraining, der Beginn einer Romanze beim Spaziergang, eine Enkelin allein mit ihrer kranken Großmutter. In diesen kurzen Bildern zeigt sich das Leben, die großen Gefühle, die ohne viele Worte fast beiläufig daherkommen. Lakonisch, einfach die Sprache und doch wird so viel Unaussprechliches zwischen den Zeilen versteckt. Es handelt von der Oberfläche und dennoch blicken wir tiefer, erleben die Emotionen der Protagonistinnen, ihre Trauer, Wut, Liebe, ihr Unverständnis und ihre Fremdheit in der Welt.
Keine Actionhelden und keine reißerischen Storys, aber bewegende, fein gestochene Charakterisierungen und atmosphärische Schilderungen, die ohne große Worte das Wesentliche erfassen. Ein Kleinod der Melancholie, des Abschieds und Verlusts, aber auch die Suche nach Neuem, Aufbruch, Veränderung.
Eine Leseempfehlung für die Sammlung einer jungen Autorin, die ihr Debüt erfolgreich meistert.

Bewertung vom 02.10.2022
Euphorie
Cullhed, Elin

Euphorie


gut

1962, das letzte Lebensjahr der berühmten Schriftstellerin Sylvia Plath wird bestimmt durch ihre Sorgen und Nöte, ihr Gefangensein in Mutterschaft und Ehe, der große Drang zu schreiben, dem sie durch äußere Verpflichtungen nur begrenzt nachgehen kann. Ihr schillernder Schriftstellergatte Ted Hughes, egoistisch, selbstverliebt, erfolgreich, gutaussehend und charmant, nimmt sich dagegen seine Rechte und Freiheiten und lebt und schreibt selbstbestimmt. Eine schwierige Konstellation und extreme Belastung dieser zu Beginn so positiv beginnenden Liebesbeziehung. Wir lernen Sylvia näher kennen, ihre Depressionen und Unzufriedenheit, Schreibblockaden, Schmerzen, das Leiden am Leben und an der Welt, aber auch die Liebe zu ihrem Ehemann und ihren Kindern. Ein glücklicher, einfacher Weg ist ihr nicht vergönnt und die psychische Entwicklung und ihre Verstrickungen in Krankheit und Unglück mit dem abschließenden Suizid sind schmerzhaft und intensiv zu verfolgen.
Aber ist das die reale Sylvia? Ist das die Künstlerin, die hinter „The bell jar“, wunderbaren Gedichten und Kurzgeschichten steht?
Eine literarische Biografie hat diesen Anspruch auf Wahrheit nicht und die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen. Elin Cullheds Roman lotet das Innenleben einer fragilen, zerbrechlichen Frau aus, die hin- und hergerissen zwischen familiärer Verpflichtung und dem Drang nach Selbstverwirklichung ist, die an den einengenden Verhältnissen und ihrer eigenen Disposition scheitert und auf den Abgrund zusteuert. Durch die Perspektive der Ich-Erzählerin nehmen wir an ihren Gedanken, Gefühlen und Ängsten direkt teil, werden in den Sog ihrer emotionalen Wahrnehmung hineingezogen und erleben diese Welt schmerzhaft, beängstigend und intensiv – und doch bleibt mir Sylvia Plath verborgen und ich erkenne das Bild, das ich durch ihre Veröffentlichungen, poetischen Kunstwerke und Interviews bisher gewonnen habe, nicht.

Bewertung vom 18.09.2022
Lukusch
Heisenberg, Benjamin

Lukusch


sehr gut

Roman? Biographie? True Crime? Mockumentary? Fiktion? Tatsachenbericht? Deep Fake? Eine konkrete Einordnung ist schwierig und kann dem Buch nicht gerecht werden.
Die Geschichte von Anton Lukusch steht im Mittelpunkt, ein dreizehnjähriges Schachgenie, das nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl mit seinem best body und Schatten Igor nach Deutschland zur Erholung geschickt wird.
Schon bald wird deutlich, was für ein Ausnahmetalent Anton ist, der sich in der Schachwelt schnell einen großen Namen macht, gegen Helmut Kohl antritt, gewinnt, bei „Wetten dass“ mit Thomas Gottschalk und Jane Fonda auftritt und als Wunderkind bekannt wird. Die Frage steht im Raum, ob der Held vielleicht durch den Reaktorunfall seine fast übernatürlichen Fähigkeiten erhalten hat. Telepathie, Parapsychologie, eine hellseherische Gabe, Spiritualität? Er braucht seinen Freund, vielleicht auch sein Alter Ego Igor, denn Experimente zeigen, dass ohne ihn seine eigenen Körperfunktionen stark leiden und Abnomalien auftreten - eine Symbiose, die beiden das Überleben sichert?
Nach vielen Jahren der Abwesenheit und Rückkehr in die Heimat taucht Igor unter neuem Namen wieder in Deutschland auf, ohne Anton, in Begleitung zweier finsterer Begleiter. Jetzt spielt Igor plötzlich Schach auf hohem Niveau, aber er bleibt unnahbar und ein Treffen mit den alten Freunden Marie und Simon wird ständig vereitelt. Fragen über Fragen entstehen und lassen Simon Ritter Nachforschungen anstellen. Gibt es einen Kriminalfall aufzudecken? Was ist aus Anton geworden? Bei seiner Familie hatte der Junge zu Beginn seines Deutschlandbesuchs gewohnt und Simons Berichte, Erzählungen, Zeitungsausschnitten, Fotos und Zeitungsartikel bilden die multiperspektivischen Bausteine des Romans. Wie ein Puzzle mit vielen fehlenden Teilen muss der Leser versuchen, ein Ganzes herzustellen. Die Leerstellen lassen Raum für die eigene Sichtweise und Interpretation frei und wie ein Detektiv kann sich jeder auf Spurensuche begeben.
Ein faszinierendes Spiel mit Realität und Fiktion, eine originelle Lektüre, die zum Nachdenken und Nachforschen anregen und die eigene Fantasie wecken kann.

Bewertung vom 17.09.2022
Simón
Otero, Miqui

Simón


weniger gut

Ein ungewöhnlicher Roman, der mich ratlos zurücklässt. Ein interessanter Anfang mit zwei sehr unterschiedlichen Cousin-Brüdern weckt die Leselust, eine schöne, ungleiche Beziehung, die von Liebe und Freundschaft geprägt ist. Die Liebe zu Büchern ist beiden aber gleich und der eine erfindet Rätsel, die der andere mit Hingabe zu entdecken versucht, eine fantasievolle und liebevolle Art, Begeisterung für das Lesen zu teilen.
Dann verschwindet Rico, der ältere Cousin, plötzlich, alles erstarrt in Trauer, es ist unfassbar und Simón, der jüngere, macht sich mit seiner Freundin auf die Suche nach dem geliebten Freund. Er erfährt immer mehr, was Rico eigentlich für ein Mensch war bzw. wie er auf andere gewirkt hat, welche Rolle er spielte, die kriminellen, undurchsichtigen Machenschaften, in die er verstrickt war, die besonderen Bekanntschaften, den Schneider, die Freundin etc... Jetzt beginnt es allerdings, langatmig zu werden, und es ist mit dem Page-Turner vorbei.
Viele schöne Ideen, Sätze und Bilder tauchen immer wieder auf – die Suchbildchen in den Büchern, die verkauften Bücher mit den Widmungen, die zufällige Entdeckung der Kochkünste, die mysteriösen Begegnungen mit dem Schneider, mit dem Mädchen im Pool, der versteckte Brief in der Trompete, aber sie sind immer nur Momentaufnahmen. Ansonsten lässt das Buch den Leser von Schauplatz zu Schauplatz, von Person zu Person irren und der rote Faden ist nicht aufzufinden. Was will uns der Autor Miqui Otero wohl sagen?
Auch Barcelona als Stadt ist austauschbar… für mich könnte es fast überall in Südeuropa spielen und der besondere Zauber dieser grandiosen Stadt enthüllt sich nicht. Schade. Die Begeisterung über das Buch kann ich leider nicht teilen, mich lässt es unzufrieden und voller Unverständnis zurück.

Bewertung vom 11.09.2022
Peanut Jones und die Stadt der Bilder / Peanut Jones Bd.1
Biddulph, Rob

Peanut Jones und die Stadt der Bilder / Peanut Jones Bd.1


ausgezeichnet

„Solange Blumen blühen, gibt es Hoffnung. Auch eine kleine Pflanze kann starke Wurzeln haben.“
Unsere Heldin Peanut will ihren Vater, einen begnadeten Künstler, aus den Fängen des Bösen retten. Dafür gibt es verschiedene rätselhafte Aufgaben, die bewältigt werden müssen und Helfer an ihrer Seite, die sie dabei unterstützen. Ihre Widersacher versuchen das natürlich mit ganz unterschiedlichen Mitteln zu vereiteln und sie von dieser Mission abzubringen. Werden sie das schaffen? Es geht actionreich zu, wie in einem Tom-Cruise-Film passiert ständig etwas, die Heldin kann sich nicht zur Ruhe begeben, zum Nachdenken bleibt kaum Zeit und sie muss handeln.
David gegen Goliath – die Intelligenz und Originalität Peanuts und ihrer Freunde lassen staunen und lachen, eine Ode an die Freundschaft, den Zusammenhalt und die Stärke der Gemeinschaft.
„Was hatte sie für ein Glück, dass ihr Vater aus dem Nichts Schönheit erschaffen konnte.“ – und was haben wir für ein Glück, dass diese verrückte und atemberaubende Geschichte von Rob Biddulph nicht nur erzählt, sondern auch wunderbar kreativ, aussagekräftig und ästhetisch ansprechend illustriert wurde.
Ein Roman für Kinder und Jugendliche ab 9 Jahren, der einen ganz besonderen Reiz ausübt, den man nicht aus der Hand legen möchte und der einen ins Reich der Bilder entführt.

Bewertung vom 09.09.2022
Ein einsamer Ort
Hughes, Dorothy B.

Ein einsamer Ort


ausgezeichnet

Eine wunderbar düstere Kriminalgeschichte, die uns an der Entwicklung des Mörders teilnehmen lässt. Atmosphärisch dicht, voller überraschender Wendungen, Einsichten, vielschichtigen Charakteren und einem stringenten Plot. Ein Thriller von 1947, der auch heute durchaus lesenswert und ein richtiger Page-Turner ist.
Dix Steel, ehemaliger Kampfpilot, kommt nach dem Krieg desillusioniert nach LA zurück und hat den Plan, eine Kriminalgeschichte zu schreiben. Er lebt in einer geliehenen Wohnung, das Leben hat keine Aufgaben für ihn, er ist einsam, der Zeit entsprungen, ohne Ambitionen, gelangweilt und lebt vom Geld eines Onkels. Ein zerbrochener Held, auf der Suche, unruhig, die besten Zeiten liegen hinter ihm und seine große Liebe auch. Zufällig trifft er auf seinen alten Kameraden und Freund Brob, nun als Detektiv bei der Polizei tätig, und dessen Frau Sylvia.
Ein Serienmörder treibt sein Unwesen und Brob versucht, den Fall zu lösen, der immer nach dem gleichen Rezept gestrickt ist: Junge, attraktive Frauen werden nachts erdrosselt. Anscheinend zufällig ausgewählt wiederholen sich diese Taten alle vier Wochen.
Dix ist an den Morden interessiert, da er an seiner eigenen Kriminalgeschichte arbeitet, und er wird von den anderen Polizisten mit Einzelheiten und Details versorgt.
Schon bald weiß der Leser, wer der Mörder ist, erkennt die krankhaften Überlegungen, nimmt die Perspektive des Täters, der verwundbar und teilweise sogar sympathisch erscheint, ein.
Die Spannung beruht auf den Blick in die Abgründe des Mörders, darauf, dass man den Ausgang erfahren möchte. Wir wissen mehr als die Polizei, als die anderen Charaktere, aber die Fragen bleiben: Wie geht es weiter? Wer wird noch sterben?
Thema des Krimis ist das Psychogramm eines Serienmörders,
ein gestörter Charakter, der trotzdem sympathische Züge trägt.
Die Handlung bleibt auf dem Höhepunkt stehen, ein etwas abruptes Ende, das aber zur Geschichte passt und seine Berechtigung hat.
Humphrey Bogart und Gloria Grahame spielen die Hauptrolle in der gleichnamigen Verfilmung von 1950, ein wichtiger Vertreter des film noir, allerdings mit einem abgeschwächten und versöhnlicherem Ende, das den Erwartungen der Zuschauer eher entsprach.
Eine klare Leseempfehlung für einen intensiven, für seine Zeit (1947) sehr modernen, klugen Thriller, der nichts an seiner Spannung eingebüßt hat.

Bewertung vom 20.08.2022
30 Women
Mallon, Lina

30 Women


sehr gut

Was uns glücklich macht
30 unterschiedliche Frauen, 30 Schicksale, 30 Inspirationsquellen. Diese unterschiedlichen Personen haben die Autorin berührt, inspiriert, geprägt, waren Vorbilder, Idole oder auch negative Beispiele, wie man sein Leben eher nicht führen sollte. Eine rein private Auswahl an berühmten oder unbekannten Frauen, die Oma, die erste Freundin, die ersten literarischen Vorbilder, die Lehrerin und die Tierschützerin, die alle auf die eine oder andere Art und Weise Lina Mallon beeinflusst haben.
Ich plädiere dafür, das Buch gar nicht in einem Rutsch von vorne nach hinten zu lesen, sondern immer mal wieder ein-zwei Kapitel als Inspiration, zum Nachdenken, zum Vergleichen, am liebsten auch einfach nur blättern und dann bei einem Text stehenbleiben, der einen reizt, einer Überschrift, einer Frau.
Das Buch ist sehr persönlich verfasst und hat den Tenor, dass sich Frauen gegenseitig helfen und unterstützen sollten, wie sehr man voneinander lernen und sich positiv beeinflussen kann. Besonders für junge Menschen bietet dieses Buch eine sinnvolle Unterstützung bei der Suche nach dem eigenen Weg, dem eigenen Ich. Ein schönes Buch, ein unkonventioneller Ratgeber, bei dem ich auch immer wieder selbst zum Überlegen und Überdenken meiner Entwicklung gekommen bin und mir selbst die Frage stelle: „Was gehört denn eigentlich zum Glück?“

Bewertung vom 19.08.2022
Der Schrank
Sailer, Simon

Der Schrank


sehr gut

Simons Vögel
Die Welt ist aus den Fugen und Tiere verschaffen sich die Macht – unaussprechliche Angst überfällt die Protagonistin Lena, die eigentlich nur ihren Job beenden, einen altertümlichen Schrank zu seinem neuen Eigentümer bringen und dann zu ihrem Liebsten nach Hause möchte. Aber es ist wie verhext und diese Aufgabe erweist sich wie in einem Alptraum als unlösbar. Das Makabre, Unheimliche schwingt mit, Erklärungen sind rar und eine Lösung nicht zu finden.
Die Figurenzeichnung ist sehr gelungen. Ich mag die toughe Lena, ihre Liebe zu Hakan, die liebevoll beschriebene Wohnung der beiden, klein, sehr eingeschränkt und doch ein Zuhause. Auch die anderen Charaktere sind sehr treffend gezeichnet: der Alkoholiker Korni, der entspannte und freundliche Kollege Yilmaz, die alte kleine Dame, die an einen Maulwurf erinnert. Die arme Lena, die versteckte Perle hätte sie wohl nicht an sich nehmen sollen... und warum deckt sie Korni, der arbeitsscheu und unzuverlässig nur eine Behinderung darstellt? Das kann doch nicht gut ausgehen!
Die Welt der Tiere, welche versuchen, die Herrschaft zu übernehmen, wirkt sehr bedrohlich - die vielen Tauben, die von den Kutschen getötet werden, das hört sich wie ein Massaker an und ist kein positives Nebeneinander von Mensch und Tier. Die Vögel erinnern an Hitchcocks Vögel - unbezähmbar, unverständlich, beängstigend in ihrer bedrohlichen Gemeinschaft und Gewalt. Hat das menschliche Dasein in dieser Vision noch eine Chance?

Wunderschöne, exzentrische, traumwandlerische Bilder ergänzen die Geschichte, die intensive Farbwahl, die etwas skurrilen Motive, die vielen Vögel auf dem Bus oder die Unterwasserwelt, die nach einem geheimnisvollen Märchenreich aussieht, beflügeln die Fantasie des Lesers.
Die Atmosphäre ist bedrohlich und düster, eine passende Geschichte für regnerische Novembernachmittage und Liebhaber des wohligen Schauers.
Alle Fans des Schauerromans a la Edgar Allan Poe, E.T.A. Hoffmann oder H.P. Lovecraft kommen ganz auf ihre Kosten.