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SBS

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Insgesamt 362 Bewertungen
Bewertung vom 30.05.2022
Fast ein Idyll
Falk, Susanne

Fast ein Idyll


gut

Bekannte Persönlichkeiten werden in kurzen Episoden dargestellt – oft ein wenig anders, als man das erwarten würde. Es sind neben eher die halben Wahrheiten, die hier einer interessanten Mischung an Personen angedichtet werden.
Kurzgeschichten sind immer so eine Sache bei mir. Manche Autoren haben es drauf, andere finde ich einfach nur nichtssagend und langweilig. Die Autorin hier hat mich weitgehend überzeugt, nicht mit jeder einzelnen Geschichte, aber doch mit der Mehrzahl. Dabei war ich zwar nicht völlig aus dem Häuschen, aber ich habe täglich ein, zwei Geschichten gelesen – ganz nach Laune mal mittendrin eine, weil es im eine interessante bekannte Persönlichkeit ging, oder auch mal der Reihe nach. Bis auf die Briefe an Cassandra ist ein wildes Umherhüpfen im Buch auch wirklich kein Problem. Und die meisten Geschichten haben einen guten Spannungsbogen, eine interessante Geschichte – vor allem, wenn man die Biografie der bekannten Persönlichkeit(en) zumindest in Grundzügen kennt. Ein Großteil der Figuren ist allgemein bekannt würde ich sagen, ob Kennedy, Freud, Kleopatra, Schmeling, Austen. Andere sind schon eher was für Leute mit Spezialkenntnissen, dennoch haben ihre Geschichten auch in Teilen überzeugt.
Die Geschichten sind wirklich recht kurz und lassen sich gut lesen. Nicht immer ist die Auflösung der Geschichte eine Überraschung, aber man wird schon unterhalten. Auch wenn sehr deutlich wird, dass die Situationen so mit Sicherheit nicht stattgefunden haben – das tut der Sache keinen Abbruch. Was mir allerdings weniger positiv aufgefallen ist: Es sind Geschichten für den Moment, sie bleiben einfach nicht im Gedächtnis. Oder zumindest nur sehr wenige, die tatsächlich eine Message haben. Und ob ich mich daran noch in ein paar Wochen erinnern werde – sehr fraglich.
Mit etwas Abstand frage ich mich nach dem tieferen Sinn – nur wirklich finden kann ich ihn nicht. Irgendwie erinnerte mich das an eine Daily Soap – nett beim Konsum, aber schnell vergessen im Anschluss und ohne größeren Mehrwert. Für den Strand oder Urlaub auf Balkonien sind die Geschichten sicher eine nette Sache, wer sich Tiefe verspricht, wird sie wohl eher nicht finden.

Bewertung vom 01.05.2022
Das verschlossene Zimmer
Givney, Rachel

Das verschlossene Zimmer


weniger gut

Maries Mutter verließ sie, als sie ein kleines Kind war. Seitdem lebt Marie mit ihrem Vater, einem angesehenen und kompetenten Arzt allein in Krakau. Es ist das Jahr 1939, eine schwierige Zeit, auch in Polen und genau hier beginnt die mittlerweile zum Teenager gereifte Marie nach ihrer Mutter zu suchen. Im verschlossenen Zimmer ihres Vaters. Sie findet auch etwas, Erinnerungen setzen ein, doch richtig greifbar ist nichts. Ihr Vater bleibt verschlossen wie eh und je.

Ein Kind, dass seine Mutter sucht. Das funktioniert eigentlich immer für mich, ob in der Gegenwart oder in anderen Zeiten. 1939 bietet dabei natürlich ein besonderes Setting und schnell war klar, dass ich das Buch lesen möchte. Marie erschien mir als nettes Mädchen, mein Mitgefühl war schnell geweckt und auch das Interesse, was wohl wirklich mit der Mutter geschehen ist.

Der Plot hatte Potential und über eine ganze Weile fand ich das Buch auch wirklich in Ordnung bis gut. Der Schreibstil war okay, wenn auch nicht berauschend, immerhin zwei/drei Charaktere haben mich gefesselt und ich fand es gut gemacht, wie in Polen der Antisemitismus und vor allem die Angst vor einem weiteren Krieg dargestellt wurde. Es kommt jedoch ein Aber – okay, es sind mehrere „Aber“! Das Ende fand ich sowas von enttäuschend und schlecht gemacht. Zwischendurch dachte ich „wäre ja ein Ding, wenn die Mutter…“ (um nicht zu Spoilern dazu nicht mehr) und dann vergaß ich diesen „abwegigen“ Gedanken, weil viel zu abstrus für meinen Geschmack. Und dann kam es exakt so und nicht anders. Eine herbe Enttäuschung, die mir das gesamte Buch ein wenig madig gemacht hat, dabei gefiel es mir in weiten Teilen gut. Ein weiteres „Aber“ sind die teils sehr blassen und einseitig dargestellten Charaktere, und zwischendurch gab es mal da, mal dort einen Durchhänger (meist als es um fast schon mittelalterliche Ansichten ging), aber in Summe hatte das Buch schon Potenzial. Ich dachte lange, dass da noch eine gute Geschichte kommen wird, doch als sich dieses für mich unglaubwürdige Ende immer deutlicher abzeichnete, war quasi der Ofen ganz aus.

Das Buch hatte Potenzial und Möglichkeiten, leider wurden sie fast alle verschenkt durch unglaubwürdige Wendungen. Da ich zwischendurch aber doch immer mal wieder Gefallen an Teilen der Geschichte fand gibt es immerhin noch zwei Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.04.2022
Man muss sich nur trauen / Online-Omi Bd.16
Bergmann, Renate

Man muss sich nur trauen / Online-Omi Bd.16


gut

Heiraten, das ist ganz schön aufwändig, vieles gilt es zu regeln und zu beachten, besonders für ältere Leute, wie Renate Bergmann im bereits 16. Band deutlich aufzeigt. Renates Freundin Getrud heiratet und Renate übernimmt das Gros der Planungen, von Kleid über Blumen und Essen bis zur Organisation des großen Tages.

Hochzeit ist nicht so mein Thema mehr oder vielmehr habe ich so häufig damit am Rande zu tun, dass ich bestens im Bild bin. Daher oder trotzdem war schnell klar, dass ich die Bergmannschen Theorien dazu kennenlernen will. Anfangs war ich auch noch angetan, doch das flaute schnell ab. Mir war es einfach ein bisschen zu viel des Guten. Es fehlte die gewohnte Kurzweil und die abschweifenden Geschichten fand ich auch nicht so richtig prickelnd. Da hatte Renate schon deutlich besser Storys. Natürlich habe ich auch immer wieder mal gelacht, aber so einen richtig Zug zum Buch hatte ich nicht und musste mich zwischendurch immer wieder mal regelrecht zwingen es weiterzulesen. Dann war es auch dank des flüssigen Schreibstils und der Berliner „Schnauze“ völlig in Ordnung, aber eben leider nicht mehr. Renate macht als Hochzeitsplanerin einen ordentlichen Job, aber so richtig begeistern konnte sie mich damit nicht. Auch ihre Weisheiten und Rückblicke in die Vergangenheit haben mich nicht so begeistert, ihre Gesellschaftskritik fand ich zu platt. Zudem hat sie mich und meinesgleichen „beleidigt“ und ich musste unbedingt während des Lesens meine Frisur richten (also den Knödel entfernen…).

Irgendwie hatte dieses Buch bei mir nicht so gezündet, wie die meisten Vorgänger, aber ich fand zwischendurch immer wieder mal einen Band schwächer. Trotzdem bin ich Fan von Renate und hoffe, dass sie wieder zu alter Stärke zurückfinden bzw. meinen Geschmack wieder besser treffen wird.

Bewertung vom 15.04.2022
Der dreizehnte Mann / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.2
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Der dreizehnte Mann / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.2


weniger gut

Zwei Männer wollen einer Journalistin ein Interview geben. Thema: Ihre Kindheit und Jugend bei einem pädophilen Pflegevater. Als wäre das nicht schon schlimm genug, waren sie Teil eines Experiments, unterstützt von Berliner Jugendämtern. Kinder aus schwierigen Verhältnissen sollten bei Pädophilen ein besonders liebevolles Zuhause finden… Endlich soll das Ganze öffentlich gemacht werden, doch dann verschwindet einer der Männer und der zweite scheint auch in Gefahr zu sein. Wer will den Skandal mit allen Mitteln geheim halten? Anwalt Rocco Eberhardt und Rechtsmediziner Justus Jarmer engagieren sich in diesem brisanten Fall.
Nach dem ersten extrem spannenden Band hatte ich wieder ein fulminantes Feuerwerk erwartet, doch leider gab es nur ein Wunderkerzchen, dazu ein ziemlich kurzes… Spannung ist in diesem Buch so gut wie gar nicht vorhanden. Die Momente, die sicher richtig spannend hätten sein können, waren dann irgendwie ziemlich mau ausarbeitet, dafür waren andere Aspekte, die auch im Rückblick nicht viel beigetragen haben, immer und immer wieder Thema, zum Beispiel die „Beziehung“ von Rocco und der Staatsanwältin (langweilig!). Es mag bezüglich der juristischen Aspekte so einiges nah an der Realität sein, aber es war deutlich zu staubig und trocken erzählt. So plätschert die Geschichte vor sich hin, man wartet auf die Knaller (um noch einmal das Bild des Feuerwerks zu bemühen), aber es warten fast nur Rohrkrepierer.
Ganz schön viel Kritik und dennoch war ich nicht auf ganzer Linie enttäuscht, denn die beiden Autoren haben ein schwieriges Thema angepackt und das finde ich schon mal gut. Was da gelaufen ist – es ist unglaublich, dass Kinder und Jugendliche tatsächlich einer solchen Situation ausgesetzt wurden. Unfassbar und mir war das bis dato auch nicht bekannt. Ein bisschen Gesellschaftskritik und Einblicke in das sicher nicht immer ganz saubere politische Geschäft gibt es on top. Leider geht es da aber auch nicht in die Tiefe, sondern es wird ein bisschen an der Oberfläche rumgekratzt.
Nach „Die 7. Zeugin“ ist dieses Buch einfach eine Enttäuschung. Rocco und Jarmer haben hier weniger zusammen funktioniert, der Fall war extrem langweilig präsentiert (obwohl er auf jeden Fall Potenzial hatte), dennoch liest sich das Buch schnell weg. Und das ist auch gut so, denn da die Spannung fast in Gänze fehlt, kein Spannungsbogen erkennbar war, wäre es mit einem „schwierigen“ Schreibstil sicher von mir abgebrochen worden. Ein Wort noch zur Auflösung: Leider hatte ich es genauso befürchtet, aber das mag einfach dem Fakt geschuldet sein, dass ich schon einiges in der Richtung gelesen habe.
Da Grundthema bot interessante Möglichkeiten, die aus meiner Sicht leider ungenutzt blieben. Ich bin sehr enttäuscht und kann diesen Band entsprechend auch nicht empfehlen.

Bewertung vom 11.04.2022
Das Mädchen und der Totengräber / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.2
Pötzsch, Oliver

Das Mädchen und der Totengräber / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.2


ausgezeichnet

Wien, 1984 – Im Kulturhistorischen Museum wird ein brisanter Fund gemacht. Ein führender Ägyptologe taucht plötzlich als Mumie auf. Leo Herzfeldt ermittelt in diesem Fall. War das ein Mord oder etwa doch ein Fluch? Derweil werden junge Männer, offensichtlich Stricher, entmannt und dazu stirbt auch noch ein Tierpfleger nach einer vermeintlichen Raubtierattacke im Tiergarten, der aktuell auch eine sogenannte Völkerschau zeigt. Herzfeldts Freundin Julia muss all das fotografieren und auch für den Totengräber Augustin Rothmayer läuft nicht alles rund.

Nach dem sehr überzeugenden ersten Teil der Reihe musste ich dieses Buch unbedingt haben und ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass ich auf weitere Bände hoffe. Auch dieser zweite Teil hatte all das, was ich im ersten schätze. Eine sehr interessante, brisante Geschichte, ein spezielles Setting in einer anderen Zeit. Wie Herzfeldt und Kollegen ermitteln ist einfach spannend. Die modernen Ermittlungsmethoden sind gerade erst am kommen und das macht die Sache sehr interessant. Die Geschichte ist extrem facettenreich und es gibt nicht nur den einen Fall, sondern ein ganzes Bündel an größeren oder kleineren Dingen, die Herzfeldt und Co aufzuklären und zu regeln haben. Dabei wird es nicht nur spannend, sondern auch teils brandgefährlich. Interessant sind auch die sozialen Unterschiede, die in diesem Buch wieder sehr schön ausgearbeitet sind. Herzfeldt sieht wirklich alles auf der Suche nach der Wahrheit, von den herrschaftlichen Villen bis hin zu in der Kanalisation lebenden Menschen.

Das Buch ist, wie man es von dem Autor nicht anders kennt, sehr gut recherchiert und er bringt auch wieder sehr viele Aspekte unter, bei denen man echt etwas lernen kann. Hier zu nennen sind beispielsweise die verschiedensten Bestattungsarten aus aller Welt, die kurz angerissen werden. Aber auch der Zeitgeist wird gut dargestellt und man hat einfach immer das Gefühl mit Leo unterwegs zu sein, ob im Kommissariat oder sonst wo. Dazu tragen auch die gut ausgearbeiteten und interessanten, teils skurrilen Charaktere bei, die das ganze Bild rund machen. Das Buch liest sich gut und schnell, es gibt zahlreiche Überraschungen und Wendungen, sowie ein überzeugendes Ende, dass einfach Lust auf mehr macht. Die Kombination aus historischem Buch und Krimi ist dem Autor einfach wieder richtig gut gelungen, daher muss ich einfach fünf Sterne vergeben.

Ich empfehle die Reihe gerne weiter und auch wenn man theoretisch ohne Vorkenntnisse mit diesem Buch zurechtkommen sollte, so würde ich mit Band eins starten.

Bewertung vom 29.03.2022
Das Leben, ein wilder Tanz / Die Polizeiärztin Bd.3
Sommerfeld, Helene

Das Leben, ein wilder Tanz / Die Polizeiärztin Bd.3


ausgezeichnet

Eine Frau wird verletzt aus einem Hafenbecken gefischt und von der Polizeiärztin untersucht. Die Frau meldet sich kurz darauf bei der Ärztin, alles scheint in Ordnung, doch dann wird ihre Leiche gefunden. Was ist geschehen? Wie ergeht es den anderen Frauen? Wird Doris Traum ein Star zu werden wahr und wird Celia in ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau aufgehen?

Als Fan der Reihe musste ich natürlich auch bei diesem Abschluss schnell zugreifen – und ich habe es nicht bereut. Wie erwartet konnte ich das Buch kaum mehr aus den Händen legen, auch weil es quasi nahtlos an den Vorgänger anschließt. Polizeiärztin Magda Mehring und ihr Mann Kommissar Kuno ermitteln in dem Fall einer reichen toten Frau und suchen noch immer nach dem kleinen Otto, derweil hat Celia mit ihrem Mann Edgar und vor allem ihrer Schwiegermutter den einen oder anderen Kampf auszufechten. Edgar führt mittlerweile das Familienimperium und hat viel Stress, was auch zu Spannungen in der Beziehung führt, besonders weil Celia ihren eigenen Kopf hat und neben der Pension noch das eine oder andere Projekt startet. Es sind zwei Handlungsstränge, die aber gekonnt Schnittmengen aufweisen und mal da, mal dort überlappen. Ich kann nicht einmal sagen, dass der Fall um die reiche Holländerin besonders spannend gewesen wäre, jedoch hat mich das Buch in Summe sehr gut unterhalten. Die Entwicklung der Frauen fand ich gelungen, es gibt überhaupt einige sehr interessante Personen in diesem Buch, dazu ist natürlich Berlin in den 20er-Jahren ein sehr interessantes Setting mit enormem Potenzial, dass das Autorenpaar auch für die Geschichte zu nutzen weiß. Wie in den Vorgängern ist das Privatleben der Protagonistinnen im Fokus und genau das habe ich im Vorfeld auch so erwartet. Der Mix aus (historischem) Roman mit politischer Einfärbung und Krimi ist einfach wunderbar gelungen.

Man merkt: Der Abschluss der Trilogie hat mir sehr gut gefallen, jedoch ist es schade, dass das Abenteuer mit Magda und Co enden. Die Charaktere waren überzeugend, authentisch und vor allem der Zeitgeist gut dargestellt. Alle wichtigen offenen Fragen wurden geklärt und es wurde auch nicht zu kitschig, denn ehrlich gesagt hatte ich das befürchtet.
Ich empfehle die gesamte Reihe und zwar der Reihenfolge entsprechend, sonst könnte der Lesespaß doch arg leiden, da gewisse Hintergründe ohne die Vorgänger einfach fehlen würden.

Bewertung vom 28.03.2022
Nebelopfer / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.5
Fölck, Romy

Nebelopfer / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.5


sehr gut

Ein Selbstmörder hängt an einem Galgenbaum. Schnell wird klar: Der Selbstmord ist fingiert und der Tote hat eine Nachricht bei sich. Vor 15 Jahren hat er bei einem tödlichen Familiendrama falsch ausgesagt. Stimmt das? Und wenn ja, ist der Verurteilte tatsächlich unschuldig? Sind weitere Zeugen in Gefahr? Alles Fragen, denen sich in Itzehoe Frida und ihre Kollegen stellen müssen. Und das Team bekommt Zuwachs von einem früheren SEKler. Es lauern so manche Spannungen…

Schon der Prolog lässt erahnen, dass dieses Buch einfach spannend werden muss. Ein Mann ist gefangen und es scheint keinen Ausweg zu geben. Dann springt die Handlung einige Tage zurück, doch es geht nicht minder spannend weiter. Ein vermeintlicher Selbstmörder wird gefunden und schnell ist klar: Hier hat jemand eine Nachricht hinterlassen. Was geschah damals wirklich und warum musste der Zeuge, der falsch ausgesagt habe soll, ausgerechnet jetzt sterben? Und welchen Zweck verfolgt der Täter? Wird es bei dem einen Opfer bleiben und sollten die Ermittlungen in dem an sich schon abgeschlossenen Fall wieder aufgerollt werden? Gab es etwa einen folgenschweren Justizirrtum? Das sind nur einige der Fragen, denen sich das Team um Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn stellen muss. Gerade für Haverkorn ist es wichtig, denn er hatte im Fall damals ausgesagt.

Was habe ich mich auf das Wiedersehen mit Frida und Haverkorn gefreut! Und ich kann direkt verraten, dass es mir auch wirklich beim Lesen eine Freude war. Allein schon die Charaktere wieder zu „treffen“, die Fans der Reihe schon längst in ihr Bücherherz geschlossen haben, ist toll. Nicht minder gelungen ist natürlich das Setting in Schleswig-Holstein. Mittlerweile kenne ich es aus eigener Anschauung so gut, dass ich noch mehr Kopfkino habe, als das bei den ersten Fällen war. Dazu dann der runde, leicht zu lesende Schreibstil der Autorin und ich bin zufrieden. Oder zumindest ziemlich zufrieden, denn den einen oder anderen Kritikpunkt gibt es schon. Nicht am Fall als solchem der ziemlich spannend war und vor allem so nicht vorhersehbar, sondern eher an den Charakteren und manchem Ermittlungsversäumnis. Ich kann und will an der Stelle nicht zu viel verraten, aber in dem Team läuft es aktuell einfach nicht ganz rund.

Es ist der fünfte Teil einer Reihe. Da die Fälle immer abgeschlossen werden, ist ein Einstieg in die Reihe quasi überall möglich, jedoch spielt in den Büchern auch das Privatleben eine nicht ganz zu vernachlässigende Rolle und an der Stelle könnten (Verständnis-)Lücken bleiben, steigt man erst hier ein. Die Charaktere haben sich in diesem Buch weiterentwickelt, wie ich finde ist das gerade bei Frida und Torben in der Form jedoch eher eine Rückentwicklung. Die beiden haben ordentlich Stress, benehmen sich nicht selten wie Teenager und ja, ich muss einfach sagen, dass mich das doch oft genervt hat und für den einen Stern Abzug sorgt gerade dieses Trauerspiel. Ich hoffe, dass sich das im kommenden Band regelt, denn natürlich werde ich die Reihe fortsetzen und empfehle auch dieses Buch.

Denn mich haben die Irrungen und Wirrungen, die falschen Fährten und der Schreibstil ansonsten wieder vollends überzeugt. Besonders gefiel mir, dass ich der Autorin oft auf den Leim ging und als Leser wie ein „Nebelopfer“ oft keinen Durchblick hatte.

Bewertung vom 24.03.2022
Im Rausch des Aufruhrs
Bommarius, Christian

Im Rausch des Aufruhrs


sehr gut

1923 – ein spannendes Schicksalsjahr in Deutschland. Die junge Weimarer Republik, das von Frankreich besetzte Ruhrgebiet, Kommunisten, Nationalsozialisten und die Inflation haben Spuren in diesem Jahr hinterlassen. Armut und Hunger auf der einen Seite, rauschende Feste auf der anderen. Dazu politische Verwicklungen, die es in sich haben. All das wird in diesem Buch interessant und spannend präsentiert.

Das Buch ist ähnlichem einem Jahreskalender, in zwölf Kapitel unterteilt, die nur so strotzen von historischen Informationen. Die Einleitungen in den jeweiligen Monat mit einer kurzen Zusammenfassung, dem steigenden Brotpreis (der die Inflation verdeutlicht) und den Bildern fand ich sehr gelungen. Es gibt die großen politischen Geschichten, Anekdoten von bekannten und (heute) unbekannten Menschen, die die Lebenssituation deutlich machen. Die politischen Extreme werden veranschaulicht, ihr Aufeinandertreffen. Deutlich wird, wie es ein Hitler schaffen konnte die Zeit für sich zu nutzen und die Grundlagen für sein späteres Führerdasein zu bereiten. Gleichermaßen interessant fand ich jedoch die Geschichten des kleinen Mannes.

Der Schreibstil ist eingängig und ansprechend, die Zusammenstellung der Geschichten, Ausschnitte und Anekdoten gut gewählt, sodass es mir nie langweilig wurde. Und dennoch liest man dieses Buch nicht mal so eben nebenbei oder in einem Rutsch. Vieles recherchiert man weiter, nachdem der Autor den Leser aufmerksam gemacht hat. Selbst wer glaubt, dass er einiges weiß, wird immer noch Neues entdecken können, denn es findet wirklich ein Querschnitt der Gesellschaft ihren Platz, nicht nur die Größe aus Politik, Kultur und dergleichen. Es ist zwar ein historisches Sachbuch, jedoch nie angestaubt, sondern kurzweilig und unterhaltsam.

Ich empfehle dieses offensichtlich sehr gut recherchierte Buch gerne weiter. Interesse für die Geschichte muss man mitbringen, aber ohne das wird man sowieso wohl kaum zu diesem Buch greifen. Hat man dieses, wird man sicher gut unterhalten.

Bewertung vom 16.03.2022
Ein Präsident verschwindet / Philipp Gerber Bd.2
Langroth, Ralf

Ein Präsident verschwindet / Philipp Gerber Bd.2


ausgezeichnet

Der Name Otto John sagte mir etwas, aber nicht so richtig. Das machte die Geschichte für mich aber nur umso interessanter. Im Jahr 1954 verschwand der Präsident des Verfassungsschutzes und frühere Widerstandskämpfer. Wurde er entführt? Ist er übergelaufen? Das BKA soll die Ermittlungen aufnehmen, mittendrin Phillip Gerber, denn seine Freundin, die Journalistin eines kommunistischen Blatts, Eva Herder scheint ihre Finger im Spiel zu haben. Was treibt sie um? Hat sie Gerber etwas vorgemacht?

Der Kalte Krieg, die politischen Irrungen und Wirrungen der jungen Bundesrepublik und die noch immer zahlreich in Behörden agierenden (früheren) Nazis bieten einfach ein interessantes Setting. Die Anpassung zwischen West und Ost ist in diesem Buch quasi von Seite eins an greifbar. Was mag John in den Osten verschlagen haben oder ist er entführt worden und nun eine Marionette des Ostens? Und wie wird für Gerber die Zusammenarbeit mit Reinhard Gehlen, der einen Auslandsgeheimdienst aufbaute, dem späteren BND? Fragen über Fragen, auf die das Buch nach und nach Antworten liefert und neue Fragen aufwirft. Doch zunächst geht es noch in Bonn richtig rund, Gerber trifft auf einen ganz speziellen Mann, auf den er auch später in Berlin wieder treffen wird. Ein viel größeres Problem für Gerber ist jedoch, dass ihm Evas Verhalten viele Rätsel aufgibt…

Ich finde die Kombination von historischem Fakt und unterhaltender Fiktion hier sehr gut gelungen. Das Grundgerüst des Buches basiert auf wahren Begebenheiten, die der Autor gekonnt und interessant mit fiktionalen Elementen unterfüttert. Mir erscheint auch dieser Band wieder sehr gut recherchiert. Ein gewisses politisches Grundinteresse sollte man für diesen Krimi schon mitbringen, größere Vorkenntnisse hingegen sind nicht notwendig.
Der Schreibstil ist gleichbleibend gut und nicht selten überschlagen sich Ereignisse, was es mir kaum möglich machte das Buch aus der Hand zu legen, sodass ich es binnen zweier Tage gelesen hatte.

Erst kürzlich hatte ich Band eins gelesen und kritisiert, dass Eva und Gerber eine Beziehung eingingen. Damals erschien sie mir einfach ein wenig überflüssig – in Band zwei ergab das Ganze dann deutlich mehr Sinn. Und auch insgesamt sagte mir Band zwei noch deutlich mehr zu. Ich würde dringend empfehlen die Reihenfolge einzuhalten, da man sonst vielleicht zu Beginn etwas ins Schwimmen gerät, empfehle ansonsten ich dieses Buch geschichtsinteressierten Krimilesern aber auf jeden Fall.

Bewertung vom 14.03.2022
Die Kinder sind Könige
Vigan, Delphine

Die Kinder sind Könige


ausgezeichnet

Melanie wollte schon immer bekannt werden. Ihre ersten Versuche schlugen fehl, aber mehr oder weniger zufällig entdeckt sie, was in den sozialen Medien möglich ist und beginnt sehr erfolgreich ihre Kinder in Szene zu setzen. Anfangs noch überrascht von der schnell steigenden Zahl der Follower, versteht Melanie immer mehr, wie Algorithmen funktionieren und verfeinert ihr „Business“. Zahllose Stories, Videos, Bilder und Co sind alltäglicher Bestandteil des Familienlebens. Eines Tages jedoch verschwindet ihr kleines Mädchen Kimmy beim Spielen spurlos. Unter anderem ermittelt Clara, eine engagierte Polizistin, die allerdings auch einigen Kummer kennt. Wird die Kleine gesund gefunden? Wer hat sie sich geschnappt?

Das Buch beginnt relativ langsam, erklärt die Lebenswege der beiden Protagonistinnen, um ihre Handlungsweisen und Gedankengänge in die Zukunft zu verstehen. Wer die Autorin kennt, weiß, dass diese Einführung wichtig ist und schnell wird es dann auch spannend. Die Kleine ist vom einen auf den anderen Moment verschwunden. Es gibt quasi keinerlei Spuren, jeder könnte Kimmy entführt haben. Auch die Motive sind völlig unklar, denn eine Lösegeldforderung oder dergleichen bleibt aus. Was zunächst wie ein „normaler“ Fall für die Beamten aussieht, stellt sich schnell als etwas anderes heraus. Besonders durch Clara, die sich stundenlang Videos, Stories und Challenges der Familie ansieht, bekommt der Leser eine Vorstellung, wie Melanie ihre Kinder instrumentalisiert. Da man die Geschichte auch durch Melanies Augen sieht, erkennt man, dass ihre Weltsicht eine völlig andere ist und sie tatsächlich zu glauben scheint, dass es nicht nur ihr, sondern auch den Kindern nutzt, dabei haben sie mit allerhand Problemen zu kämpfen. Mobbing, Missgunst und Neid sind an der Tagesordnung, aber auch Menschen, die versuchen auf die Schwierigkeiten der Online-Kinderstars hinzuweisen und deren Eltern an den Pranger stellen.

Ich kann gar nicht alles notieren, was mich an diesem Buch wütend machte und wie wichtig dieses Buch zugleich ist. Es ist ein sehr unterhaltsamer Pageturner, der ohne Blut auskommt, und dennoch ganz tiefe Verletzungen zeigt. Nein, er zeigt die Verletzungen nicht nur, er legt die Finger tief in die Wunde und wühlt dann noch darin rum. Der Stil der Autorin ist einfach richtig gut. Das Buch liest sich schnell und flüssig, es weckt eine ganze Palette von Emotionen und ich habe mich dabei ertappt, wie ich Clara immer wieder zunickte, während Melanie mich mit ihrer Blindheit für die Gefahren und das Leid ihrer Kinder wirklich wütend machte.

Dieses Buch sollten entsprechende Insta-/Youtube-/w. (a-)soziale Medien-Familien erhalten und zum Lesen regelrecht gezwungen werden. Vielleicht – nur vielleicht, würde es den einen oder anderen Mal zum Nachdenken anregen und im besten Fall verhindern, dass Kinder so schamlos ausgebeutet werden. Vielleicht ist das aber auch nur naives Wunschdenken von mir, denn die Aussicht auf Ruhm und Geld lässt manchen wohl wirklich – ganz ähnlich wie in Melanies Fall- das Kindeswohl vergessen oder so weit dehnen, dass es in die Vorstellung und die soziale Medien-Bubble passt. Problem sind ja nicht nur die Pädos, die sich an den Kinderbildern „erfreuen“, sondern auch die psychischen Schäden, die verursacht werden können. Ersteres haben wahrscheinlich noch die meisten Eltern auf dem Schirm, aber für letzteres sind wahrscheinlich viele blind. Sie müssen blind sein, wenn man sieht, wie Kinder teilweise präsentiert werden. Hier im Buch mag manches auf die Spitze getrieben sein (da ich solche Influencer nicht unterstütze, kann ich nicht ganz beurteilen), aber dennoch fühlt es sich „logisch“ an, wenn man die Macht der Algorithmen und nicht der Menschlichkeit als Maßstab anlegt.

Ich könnte mich gefühlt endlos in Rage schreiben, belasse es aber dabei und bin einfach nur froh, dass ich dieses Buch gelesen habe, denn es hat mir noch einmal mehr vor Augen geführt, wie schlimm dieses ausbeuterische System für Kinder s