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ninchenpinchen
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Potsdam

Bewertungen

Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 10.06.2020
Schwestern im Tod / Commandant Martin Servaz Bd.5
Minier, Bernard

Schwestern im Tod / Commandant Martin Servaz Bd.5


sehr gut

Schwestern im Tod – Erstellungsdatum 10.06.2020

Eine rätselhafte Frau, ein ungewöhnlicher Kommissar und jede Menge durchgeknallte Protagonisten

Das ganz in Blau gehaltene Cover symbolisiert die Nacht, 1988, als alles beginnt. „Gewaltig, ungeheuerlich erstreckte sich der Wald vor ihnen …“ Gemeint sind hier die Schwestern, die den ultimativen Kick suchen bei einem Rendezvous mitten in der Nacht, im Wald. Und sie ahnen nicht, dass ihre Verabredung, Erik Lang, schon längst dort ist und sie beobachtet. Sie spielen mit dem Feuer, ganz bewusst, diese Teenager, und es geht auch ein paar Jahre lang gut, aber dann müssen sie zu jung sterben. Gemeinsam, Seite an Seite.

Nach und nach tauchen Briefe und andere Hinterlassenschaften auf, mit denen niemand gerechnet hätte.

Dieser Psychothriller kann sich durchaus sehen lassen. Wir haben drei Zeitebenen: 1988, 1993 & 2018. Martin Servaz ermittelt hier in seinem ersten und in seinem fünften Fall.

Der Kommissar hat einen kleinen Sohn, Gustav, der bereits Schweres durchmachen musste. Die dazugehörige Mutter (vermutlich Marianne, Servaz‘ große Liebe aus Bernard Miniers Thriller „Nacht“) taucht in dieser Geschichte nicht auf. Auch Freundschaften scheint es keine zu geben, allerdings eine gewisse Nähe zu seinem polizeilichen Stellvertreter Espérandieu aus der Gegenwart und zu dessen Frau Charlène, die abwechselnd mit einem Babysitter auf Gustav aufpasst.
Einige Zitate fand ich erwähnenswert, so auf Seite 275, als Servaz‘ Vater ihm einmal, als er noch keine zehn Jahre alt war, gesagt hatte: „Es ist gefährlich zu handeln, ohne nachzudenken, Martin. Aber es nutzt nichts, nachzudenken, ohne zu handeln.“
Oder beim Nachdenken über die vergangenen 25 Jahre, auf Seite 309: „Schon bald würden Roboter ihre Aufgaben übernehmen […] Die Frage war nur, wer dann wem gehorchen würde: die Roboter den Menschen oder die Menschen den Robotern. Es gab bereits jetzt Milliarden Menschen, die sich nicht von ihrem Handy und ihren technologischen Spielereien trennen konnten, während die Handvoll Firmen, die sie herstellte, mit jedem Tag mächtiger und tyrannischer wurden und die schlafwandelnden Völker ihr Schicksal in die Hände von immer weniger Menschen legten.“
Es gibt viele falsche Fährten und Wendungen in diesem Buch und wie – eingangs erwähnt – jede Menge durchgeknallte, sehr gut gezeichnete Protagonisten, aber es gibt auch eingefügte Geschichten, die einen zu Tränen rühren und sehr, sehr nachdenklich machen. Auf die zahlreichen eingestreuten Fremdworte (Skarifizierungen, Urophilie, Somatisierung, Pleonasmus u. a.) hätte ich allerdings gut verzichten können. Im Original „Sœurs“ mag es anders sein.
Fazit: Diesen Commandant Martin Servaz-Thriller Nr. 5 kann man unabhängig von den Vorgängern lesen und ja – ich würde durchaus noch mehr von diesem Autor lesen wollen. Und ich liebe es, wenn sich der reale Autor einen abgründigen Fantasie-Kollegen ausdenkt!

Bewertung vom 24.04.2020
Die Kunst des stilvollen Wanderns - Ein philosophischer Wegweiser
Graham, Stephen

Die Kunst des stilvollen Wanderns - Ein philosophischer Wegweiser


ausgezeichnet

Vom Zauber vergangener Tage

Ich halte gerade diesen bezaubernden Wanderratgeber von Stephen Graham in der Hand und freue mich immer wieder über die liebevolle Gestaltung dieses kleinen Büchleins. Es fühlt sich so schön an und passt in jeden Rucksack. Ich werde es aufbewahren und immer wieder darin lesen.

Hinten finden wir ein Foto vom Autor Stephen Graham (1884 – 1975), der rauchend vorm Kamin sitzt und in seinem feinen Anzug und auf seinem antik geschwungenen Stuhl so gar nicht nach Wandern aussieht. Und vor allem sieht er nicht nach Übernachten im Freien aus. Aber offensichtlich hat ihm die viele frische Luft sehr gut getan, denn als Mann 91 Jahre alt werden zu dürfen, ist nicht jedem vergönnt.

Sicherlich gibt es heutzutage noch praktischere Wandergarderobe nebst Kochutensilien, als 1926, wo dieses Büchlein entstanden ist.

Vor allem imponiert hat mir, wo Herr Graham überall gewandert ist, und was er mit seinen damals 42 Jahren schon für Erfahrungen hatte, die er hier mit uns teilt. Und wie belesen er war, denn es gibt viele Fußnoten und ein umfangreiches Register zum Nachschlagen am Ende.

Nach dem Vorwort von Alastair Humphreys dürfen wir in 26 Kapiteln erfahren, was für ein Gefühl es ist, unter freiem Himmel zu schlafen, wie gruselig (nicht nur) die Übernachtung in leerstehenden Häusern sein kann und wie erfrischend der am Lagerfeuer gekochte Kaffee oder Tee mundet. Hin und wieder verspeist er auch ein Huhn „Huhn mit einem Hauch von Holzrauch ist ein Festschmaus!“ (S. 136) oder einen selbst gefangenen Fisch. „Sie nehmen Ihren Fisch, schuppen ihn und nehmen ihn aus (was ein schmutziges Geschäft ist, aber man gewöhnt sich daran), waschen und braten ihn.“ (S. 133) So möchte man gern neben ihm am Feuer verweilen und von seinen umfangreichen Erfahrungen profitieren. „Was für eine eigenartige und fantastische Suche nach dem Glück.“ (S. 55)

Am besten fangen wir mal mit einem Picknick draußen an, nehmen dieses wunderbare Büchlein mit und träumen von der langen Wanderung oder der Übernachtung im Freien, die wir in Kürze realisieren möchten.

Fazit: Ein wunderbares „stilvolles“ Wohlfühl-Geschenk für alle Wander- und Naturfreunde. Ich kann es wärmstens empfehlen und es bekommt einen Ehrenplatz in meinem Bücherschrank.