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Benutzername: 
SusanK
Wohnort: 
Osnabrück

Bewertungen

Insgesamt 191 Bewertungen
Bewertung vom 10.02.2023
Der dunkle Erbe
Melley, Tom

Der dunkle Erbe


ausgezeichnet

Als Richard Löwenherz, König von England und Herrscher über das angevinische Reich im April 1199 überraschend stirbt, streiten zwei mögliche Thronfolger um sein Erbe: sein 12jähriger Neffe Arthur I., Herzog der Bretagne, unter dem Einfluss seiner Mutter Constanze, und sein Bruder John Lackland (zu deutsch Johann Ohneland). Während sich Arthur mit Philipp II., König von Frankreich, verbündet, wird John von William Marshall, dem wohl besten Ritter seiner Zeit, unterstützt, der durch seinen großen Einfluss John zu seinem großen Erbe verhilft. Doch Williams Hoffnung auf Frieden wird bitter enttäuscht, denn der unberechenbare John stürzt England in einen desperaten Krieg gegen Arthur und vor allem gegen den mächtigen Philipp. Dabei verlässt er sich auf William Marshall, dessen schier unerschütterliche Treue zu den fünf Königen der Plantagenets, denen er diente, durch Johns Verhalten ernsthaft in Frage gestellt wird ....

Tom Melley hat sich in seinem literarischen Werk auf die Zeit des Hochmittelalters konzentriert und legt mit seinem inzwischen bereits vierten historischen Roman um den dunklen Erben John Lackland seinen wohl herausragensten aus einer Serie von außergewöhnlichen Romanen vor. Melley hat umfassend und akribisch recherchiert und es gelingt ihm, die schier unzähligen historischen Fakten und Verwicklungen so aufzuarbeiten und mit fiktiven Elementen zu verbinden, dass eine spannende Erzählung entstanden ist, die einem roten Faden folgt und den Leser trotz einer großen Zahl an Personen, Daten und Fakten gut folgen lässt. Hilfreich sind hierbei aber auch die Landkarten und das Personenverzeichnis zu Beginn des Buches und abschließend ein klärendes Nachwort des Autors.

Tom Melley pflegt einen flüssigen Schreibstil, der durch den stellenweise einfließenden Wortwitz und Sarkasmus gewürzt wird.
Die Erzählperspektive wechselt zwischen John und William - und kurzen Einschüben weiterer Protagonisten - was zu Beginn eines jeden Kapitels angegeben ist jeweils mit Ort und Zeit des Geschehens, so dass der Leser gut durch das Epos geleitet wird und ein umfassendes Bild erhält. Und obschon der Werdegang ja bereits feststand, gelingt es Tom Melley durch seine fesselnden Beschreibungen der Intrigen und Alliancen und der Auseinandersetzungen die Spannung hoch zu halten.

Wenn der Name "Richard Löwenherz" wohl noch jedem bekannt sein dürfte - nicht zuletzt durch seine Rolle in den Geschichten um Robin Hood - so sind seine designierten Nachfolger und auch der Ritter und Earl of Pembroke I., William Marshall doch den meisten von uns wenig vertraut. Melley gelingt ist, alle prägnant in all ihren Charaktereigenschaften zu beschreiben und vor den Augen seiner Leser zum Leben zu erwecken. Bereits bei Richard I. wird deutlich, dass dieser nicht der König war, als der er in der Kunst oft legendenhaft verklärt worden ist, sondern ein verantwortungsloser und egoistischer König. Als sein jüngster Bruder, ein Muttersöhnchen, der stets im Schatten seiner Brüder stand, ohne Geld und Titel, überraschend sein großes Erbe antritt, wird schnell deutlich, dass er den Erwartungen nicht gerecht werden kann; wir lernen ihn kennen als machthungrigen, in politischen Dingen unerfahrenen und glücklosen, sexbesessenen Säufer, der lediglich William Marshall und seiner Mutter Eleonore von Aquitanien vertraut. Gerade seine innere Zerrissenheit und sein unüberlegtes Handeln stellt der Autor gnadenlos zur Schau und fand damit die Erklärungen für viele Handlungen, die auf den ersten Blick wenig nachvollziehbar erscheinen.

Neben dem titelgebenden "dunklen Erben" stellt William Marshall jedoch die eigentliche Hauptfigur dieses Romans dar. Er ist der erste und beste aller Ritter, mit einer unerschütterlichen Treue zu seinem - jeweiligen - König, seinen Verbündeten ein guter Freund, seiner Ehefrau in Liebe verbunden, im Kampf nahezu unschlagbar, - und dennoch ein Mensch mit Fehlern, von dem man unbedingt mehr lesen möchte.

Tom Melley bietet mit diesem durchaus politischen historischen Roman auf unterhaltsamste Weise einen bildgewaltigen Geschichts"Unterricht", der die Streitigkeiten der Herrscher nachvollziehbar werden lässt, die Verflechtungen und Entwicklungen kohärent erklärt und nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird. Leider ist nach knapp 500 Seiten und nur fünf Jahren von Johns Regentschaft dann schon Schluss; da birgt die HIstorie doch noch einiges an Potential. Bitte noch ganz viel mehr davon!

Bewertung vom 01.02.2023
Zwischen Stille und Sturm / Die Dorflehrerin Bd.2
Seidl, Bettina

Zwischen Stille und Sturm / Die Dorflehrerin Bd.2


ausgezeichnet

1918. Antonie Weber ist seit sieben Jahren die Lehrerin im kleinen Bergdorf Tannau. Bei allen Kindern und Bewohnern des Ortes hochgeschätzt wegen ihrer liebevollen und anpackenden Art, gibt es doch immer wieder Differenzen mit dem neuen Pfarrer Porz, denen eine weibliche Lehrkraft ein Dorn im Auge ist, der aber leider auch die Schulaufsicht innehat. Auch am eigenen Leib, aber vor allem wegen des Schicksals der befreundeten Männer, die zum Kriegsdienst eigenzogen sind, erlebt sie die Auswirkungen und den Schrecken des Ersten Weltkrieges Als sie vorübergehend bei ihrer alten Freundin Elvira in München unterschlüpft, bricht die Novemberrevolution aus. Antonie wird gezwungen, ihren Lebensentwurf noch einmal in Frage zu stellen und muss sich zwischen LIebe und Passion entscheiden .....

Mit "Die Dorflehrerin - zwischen Stille und Sturm" ist nun der zweite Band um die passionierte Lehrerin Antonie Weber erschienen, der sich allerdings problemlos ohne Kenntnis des ersten lesen lässt.

Die Autorin Bettina Seidl beschreibt auf angenehmste Art flüssig und dennoch eindringlich die Erlebnisse und Gedanken der jungen Lehrerin, die nichts anderes will, als ihre Schüler zu fordern und zu fördern, was sie auf vorbildliche Weise tut. Allerdings ist das Lehrerinnen-Zölibat, das Lehrerinnen eine Heirat verbot und erst in den 50er Jahren aufgehoben wurde, ein Thema; im Gegensatz zu Antonie - die "ihren" Sebastian Berger zwar immer noch liebt, sich aber zugunsten ihres Berufes gegen ihn entschieden hatte - hat ihre Freundin Elvira sich für die Liebe und eine Heirat mit Thomas Hafner in München entschieden. Sie ist trotz der engen Freundschaft zu Antonie auch ihr gegensätzlicher Pol. Und auch das Problem, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer noch die Kirche die Aufsicht über das Schulwesen hat, kommt mit den vorsintflutlich scheinenden Ansichten des Pastors Porz immer wieder zum Ausdruck.

Gerade durch die sehr ruhige und unaufgeregte Erzählweise kommen die Schrecken der Zeit besonders deutlich zum Ausdruck. Wenn Bettina Seidl von den winzigen, wenig abwechslungsreichen Portionen, dem Hunger, aber auch den verheerenden Verletzungen der Soldaten und ihre psychischen Probleme schreibt, geht das schnell unter die Haut - ebenso wie die geschilderte medizinische Behandlung eines Kindes, die mich sehr berührt hat.

Bemerkenswert and ich darüber hinaus die Handlung im letzten Teil des Buches, in der Elvira und Antonie mitten in das aufgebrachte Volk und die Novemberrevolution hineingeraten. Meiner Meinung nach viel besser als der nüchterne Geschichtsunterricht!

Die Figuren sind sehr einfühlsam und mit Herz geschildert und ich habe Antonie, Elvira und Monika schnell ins Herz geschlossen. Die männlichen Figuren kommen gerade mit Pastor Porz und dem wenig durchsetzungsstarken Bürgermeister weniger gut davon, doch kennen wir ja leider auch genug solche Personen im wahren Leben.

Auch dieser Band ist wieder in sich abgeschlossen; dennoch freue ich mich auf einen weiteren Teil der Dorflehrerin-Reihe!

Für mich ist "Zwischen Stille und Sturm" gelebter Geschichtsunterricht, anschauliche Wissensvermittlung und dabei trotzdem leichte Unterhaltung; Bettina Seidl ist dieser Spagat perfekt gelungen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.02.2023
Glasgow Girls
Goga, Susanne

Glasgow Girls


ausgezeichnet

Glasgow 1892. Die Mutter der aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Olivia sieht deren Zukunft in einer gut bezahlten Arbeit in einer Fabrik und an der Seite des Nachbarjungen Allie, doch Olivia, die gerne zeichnet und stickt, träumt von einem Leben als Künstlerin. So bewirbt sie sich entgegen den Wünschen ihrer Mutter um eine Arbeit in dem berühmten Teesalon von Miss Cranston, die ihre fleißige und zielstrebige Angestellte schätzt und als einflussreiche Mäzenin ihr Talent fördert. So kann Olivia ein Studium an der berühmten Glasgow School of Arts beginnen, wo sie Freundinnen findet und erfolgreiche Künstler kennenlernt. Doch das Leben hält auch negative Überraschungen für Olivia bereit....

Susanne Goga ist mit "Glasgow Girls" ein wundervoller Roman über die größte schottische Stadt Glasgow und die renommierte Glasgow School of Arts gelungen, in der sich Ende des 19. Jahrhunderts ein Kreis von bedeutenden modernen Künstlern und Designern bildete. Dazu hat Susanne Goga hervorragend recherchiert und verwirbt viel (Kunst-) Geschichte mit einer mitreißenden fiktiven Erzählung. (Eine Literaturliste im Anhang gibt Tipps für weitere Informationen.)

Der flüssige, lebendige und mitreißende Schreibstil der Autorin ließ das Buch zu einem wahren Pageturner werden, den ich nicht mehr aus der Hand legen konnte. Durch ihn gelingt es der Autorin, viele Sachinformationen harmonisch durch das Leben und Wirken der Hauptfigur Olivia einzubringen und ich habe viel über die berühmte "Glasgow School" gelernt, zu der wichtige Künstler wie der bekannte Architekt Charles Rennie Mackintosh und die echten Glasgow-Girls Frances MacDonald McNair und Margaret MacDonald Mackintosh zählen, die sich allesamt im Roman wiederfinden. Und auch das Leben kurz vor der Jahrhundertwende in der schottischen Arbeiterstadt wird bildhaft beschrieben.

Hauptfigur dieses historischen Romans ist die begabte Olivia, die mit großem Einsatz ihre Ziele verfolgt. Sie mag nicht immer sympathisch sein, begeisterte mich aber durch ihren Einsatz und ihr Herz; sie wird beschrieben als eine mehrdimensionale Figur, die sich im Laufe der Zeit immer weiter entwickelt zu einer starken Persönlichkeit. Ihr zu Seite stehen abwechslungsreiche und vielschichtige Figuren, die wunderbar beschrieben sind und das Lesevergnügen hoch halten. Bemerkenswert finde ich auch, dass gerade so viele starke Frauen, die entgegen zahlreicher Widerstände ihren Weg gegangen sind, thematisiert werden - sind dies neben den echten "Glasgow Girls" und der fiktiven Olivia auch die Unternehmerin Miss Cranston und die Frau des Schulleiters, Jessie Newbery, die auch selbst Dozentin ist.

Vervollständigt wird der Roman durch eine Liebesgeschichte, die man allerdings getrost als eher ungewöhnlich bezeichnen kann.

Persönlich hat mich dieses Buch besonders berührt, da ich die wundervolle Stadt Glasgow liebe und in den Beschreibungen der Autorin stets wiedererkennen konnte und auch den besonderen Teesalon von Miss Cranston, der noch immer besteht und viele Verbindungen zu Charles Rennie Mackintosh aufzeigt, besucht habe (Willow's Tea Rooms).
Ich bin jedoch überzeugt davon, dass nicht nur Schottland-Liebhaber und Kunstinteressierte großen Gefallen an den "Glasgow Gilrs" finden werden. Ein Lese-Highlight ganz nach meinem Geschmack, so dass ich darauf hoffe, dass Susanne Goga und ihr Verlag sich zu einer Fortsetzung entschließen werden.

Bewertung vom 19.01.2023
Happy New Year - Zwei Familien, ein Albtraum
Stehn, Malin

Happy New Year - Zwei Familien, ein Albtraum


gut

Silvester 2018. Wie in jedem Jahr feiern die alten Schulfreundinnen Nina und Malena mit ihren Familien und weiteren Freunden bei Lollo, der dritten im Bunde, eine große Silvesterparty, obwohl schon lange klar ist, dass die Drei sich auseinandergelebt und eigentlich nichts mehr zu sagen haben. Nina und Lollo haben sich darüber hinaus überreden lassen, dass ihre 17jährigen Töchter Smilla und Jennifer ebenfalls eine Party in Ninas Zuhause ausrichten dürfen, obwohl gerade die vorsichtige Nina große Bedenken hatte. Und das Schlimmste passiert: Jennifer verschwindet nach einem Streit spurlos. Die Suche nach ihr bringt jede Menge dunkler Geheimnisse aller ans Licht ....

Die Schreibweise der vielfach ausgezeichneten Autorin ist flüssig und angenehm zu lesen; die Ereignisse werden abwechselnd erzählt in der Ich-Perspektive von Nina, Lollo und Fredrik, Ninas Mann, wodurch auch immer ein differenzierter Blick auf einzelnen Aspekten liegt.

Während in der Beschreibung der Ereignisse anfangs eine große Spannung aufgebaut wurde, flachte diese für mich jedoch bald wieder ab und erst die letzten ca. 50 Seiten konnten mich noch einmal richtig in ihren Bann ziehen und brachten eine unerwartete Wendung, die zu einer doch leider etwas lieblosen Auflösung führte. Denn während bei einem Thriller die Figuren in eine ausweglose Lage geraten oder bei einem Krimi die Ermittlungen im Vordergrund stehen, findet sich hier doch mehr oder weniger ein Roman, in dem die MItglieder der beteiligten Familien von Ängsten und Unsicherheiten heimgesucht werden und sich immer größerer Ärger zur vorherrschenden Trauer einschleicht. Insbesondere Fredrik fühlt sich schuldig und sieht sein Leben als beendet an, wenn die Wahrheit herauskommen sollte - und ich konnte lange Zeit nicht umhin mir zu wünschen, dass ich endlich erfahre, was wirklich passiert ist, damit dieses unerträgliche Gejammer schließlich aufhört und die eigentliche Handlung wieder Fahrt aufnimmt.

Dazu kommt, dass mir keine der Figuren wirklich sympathisch war oder mir im Laufe der Zeit ans Herz wuchs; im Freundeskreis wird heftig übereinander hergezogen, doch wenig MITeinander geredet, jeder einzelne Elternteil zeigt völlig unterschiedliche Erziehungsmethoden, die von den anderen kritisiert werden und die Kinder sind in schwierigen Entwicklungsphasen. Warum Fredrik sich tatsächlich dermaßen gehen lässt und ein schwerst depressives Verhalten zeigt, will sich mir überhaupt nicht erschließen und lässt ein großes Fragezeichen in meinem Kopf zurück.

Schade; "Happy new year" hat in meinem Augen das Potential für einen ganz großen Wurf; die Umsetzung konnte mich jedoch leider - mit Ausnahme von Anfang und Ende des Romans - nicht überzeugen.

Bewertung vom 18.01.2023
Der Fluch des Fremden
Hartung, Alexander

Der Fluch des Fremden


gut

17. Jahrhundert. In Furtenblick feiern die Bewohner ihr großes Dorffest, als ein geheimnisvoller Fremder das Podium besteigt, einen schlimmen Fluch ausstößt und neben einem brennenden Kruzifix in die Tiefe springt. Nachdem seine Leiche gefunden wird und die ersten Todesfälle im Dorf zu beklagen sind, glauben die Bewohner, dass sich Gott von ihnen abgewendet hat, und die Angst wird immer mächtiger. Allein die Witwe Katharina mag nicht an das Übernatürliche glauben und beginnt, gemeinsam mit ihrem Freund und Nachbarn Jakob, die Morde als solche zu sehen und zu untersuchen. Und schon bald wird ihr klar, wer hier auf Rache sinnt und warum - und wie ein weiterer Mord verhindert werden kann....

"Der Fluch des Fremden" ist der erste historische Thriller des Krimi-Bestseller-Autors Alexander Hartung, von dem ich bisher einige der in deutschen Großstädten spielenden Krimis gelesen habe. Immer stehen starke, interessante Figuren im Mittelpunkt seiner Geschichten, und so sind es diesmal die kluge Witwe Katharina Volck nebst dem sympathischen Jakob Kohlhepp, die sich beide schnell in mein Herz schlichen.Die weiteren Figuren sind allerdings recht eindimensional beschrieben und ihre Handlungen vorhersehbar: der einfältige, ich-bezogene Bürgermeister, der stets drohende Pfarrer und die abergläubigen Dorfbewohner stehen dem cleveren Paar und ihren Freunden Ida, Albrecht, Volmar und Haug gegenüber.

Wenn sich dem Leser auch schon früh erschließt, wer der geheimnisvolle Fremde und warum er auf Rache aus ist, erschließt, so bleibt die Geschichte doch stets spannend. Schritt für Schritt führen Katharinas Ermittlungen zu einer Lösung, bevor es in einem großen Showdown zur Aufklärung kommt. Der leichte und flüssige Schreibstil machen das Buch zu einem echten Lesevergnügen.

Viele der erzählten Details riefen mir spannende Fakten ins Gedächtnis. So fand ich die frühe Medizin besonders interessant, denn Katharina ist teilweise auch als Heilerin tätig, wenn sie einen Bruch schient oder den Wundbrand behandelt. (Wundinfektionen wurden schon im Mittelalter mit Schimmelpilzen, die auf Schafskot und Honig gezüchtet wurden, erfolgreich behandelt. Die Wirkung beruhte tatsächlich darauf, dass diese Schimmelpilze Penicillin produziert haben.) Auch die Frankfurter Judengasse und die Ablehnung der Juden bereits in früheren Zeiten wurden thematisiert, wovon ich gerne noch mehr gelesen hätte.

Allerdings tat ich mich einigermaßen schwer mit dem geschichtlichen Hintergrund des Buches, der meiner Meinung nach ein wenig unsauber recherciert ist: Eine Witwe wie Katharina, die sich alleine versorgt und Geld hat (woher?), über Heilkünste verfügt und sogar noch mit Juden verkehrt und für die Zeit bizarre Methoden von ihnen übernimmt und darüberhinaus als einzige nicht in die Kirche geht, hätte doch sicher im Zentrum des Aberglaubens und der Ablehnung durch die Kirche und ihre Anhänger gestanden, so dass sich der Hass gegen sie hätte richten müssen. Überhaupt waren ihre Freiheiten schon sehr ungewöhnlich. Insgesamt hätte der starke Aberglaube besser ins Mittelalter als hier in die Zeit der Aufklärung gepasst. Auch die (Tages-)Reisen nach Heidelberg und Frankfurt und wie schnell sie "mal eben" Hilfe bekommen konnte. wollte ich nicht weiter hinterfragen. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass eine Mutter so offen über ein uneheliches Kind zu sprechen wagte....

Alles in allem eine unterhaltsame und spannende Geschichte, an deren Umsetzung noch ein wenig gefeilt werden dürfte.

Bewertung vom 11.01.2023
Falschgeld
Matschke, Matthias

Falschgeld


gut

Der deutsche Schauspieler Mathias Matschke hat unzweifelhaft ein großes darstellerisches Talent; bekannt ist er vielen durch zahlreiche Fernseh- und Kinofilme und als Hörbuchsprecher. Matthias Matschke wurde 1968 als Sohn eines Diplom-Ingenieurs und einer Religionslehrerin in Marburg geboren und wuchs in Ober-Ramstadt bei Darmstadt auf 

Mit "Falschgeld" ist nun sein Romandebüt gelungen, das autobiografisch anmutet und durch die häufige Wiederholung des Satzes "Ich bin Mathias Matschke!" diesen Eindruck verstärkt. Darin beschreibt er eine KIndheit und Jugend in den 70er und 80er Jahren. - wie sie hätte sein können; allerdings kann der aufmerksame Leser schnell feststellen, dass dieser Roman rein fiktiv ist. So erzählt Matschke von einem Pfarrer als Vater, einer Mutter, die beim Fernmeldedienst in Dieburg arbeitet und allerhand Erlebnisse passen zeitlich nicht ganz zueinander, worüber ich allerdings gerne hinwegsah.

Liebevoll und berührend beschreibt Matschke die kleinen (z. B. der Sturz vom Apfelbaum oder "das Ohr") bis ganz großen (der "Vorfall" mit seinem Vater) Ereignisse, die sein - fiktives - Leben beeinflussten. Dabei gab es den einen oder anderen Schmunzler und natürlich auch etliche Gegebenheiten, die mich (Jahrgang 67) an meine eigene Jugend erinnerten und einiges wieder aufleben ließen, wie zum Beispiel die an den damals allgegenwärtigen Commodore 64, das Objekt der Begierde vieler.

Allerdings habe ich ein wenig die HIghlights in diesem (Hör-)Buch vermisst. DIe Erzählung plätschert so vor sich hin, ohne dass es mich wirklich mitgerissen hätte und es blieb immer eine gewisse Distanz zum Ich-Erzähler des Buches. Die Stimme des Autors und Erzählers ist zweifelsohne angenehm und gut verständlich, wirkt zuweilen aber ein wenig monoton.

Alles in allem konnte das Buch leider nicht meine (zugegebenermaßen hohen) Erwartungen erfüllen.

Bewertung vom 10.01.2023
Komm zu nix - Nix erledigt und trotzdem fertig (MP3-Download)
Jaud, Tommy

Komm zu nix - Nix erledigt und trotzdem fertig (MP3-Download)


sehr gut

Tommy Jaud müsste eigentlich ein neues Buch schreiben - der Abgabetermin rückt näher und näher. Doch die kleinen Widrigkeiten des Alltags zwingen ihn immer wieder, das eine zu vernachlässigen, um anderes zu tun....

Wir kennen es alle: Wenn man auf ein Paket wartet, das angeblich nur noch sieben Stopps entfernt ist und eigentlich ja gleich da sein müsste; wenn das Inbetriebnehmen des Saugroboters (oder wahlweise jedes anderen elektronischen Geräts) viel zu lange dauert, wie sehr eine Steuererklärung ausufern kann, wie kreativ man werden kann, um das abendliche Glas Wein zu rechtfertigen und und und.

Der Bestsellerautor Tommy Jaud erzählt in vielen kleinen Kurzgeschichten aus dem Leben, Geschichten, wie (fast) jeder Leser sie auf die ein oder andere Art sicher schon erlebt hat. Dabei übertreibt er natürlich schamlos und legt so den Finger in die Wunde. Oftmals musste ich beim Hören des Buches laut auflachen bei der hemmungslosen Verspottung der menschlichen Unzulänglichkeiten und konnte die immer wiederkehrenden Fragen "Geht das nur mir so? mit einem klaren Nein! beantworten.

Da es sich nicht um einen zusammenhängenden Roman handelt, lassen sich die einzelnen Episoden immer mal zwischendurch anhören, wenn der graue Alltag ein wenig Erheiterung braucht.

"Komm zu nix" wird vom Autor selbst gelesen und seine angenehme Stimme und die pointierten Betonungen an den richtigen Stellen garantieren ein tolles Hörvergnügen. Empfehlenswert!

Memo an mich: Meine*n Physiotherapeut*in als "Knetmännchen" benennen!

Bewertung vom 09.01.2023
Die letzte Party / Ffion Morgan Bd.1
Mackintosh, Clare

Die letzte Party / Ffion Morgan Bd.1


sehr gut

Die Berühmtheit Rhys Lloyd hat - zusammen mit seinem Geschäftspartner - viel Geld investiert, um nahe seines Heimatdorfes Cwm Coed am Ufer des Llyn Drych oder: Mirror Lake einen Ferienpark zu errichten. Da dieser von den Einwohnern mit größter Zurückhaltung gesehen wird, beschließt er, eine rauschende Silvesterparty für Feriengäste UND Dorfbewohner zu geben. Als am nächsten Morgen das große Neujahrsschwimmen der Dörfler stattfindet, treibt seine Leiche im See. Und weil der Llyn Drych direkt auf der Grenze zwischen Walds und England liegt, müssen die walisische Kommissarin Ffion Morgan und der englische DC Leo Brady gemeinsam ermitteln, was nicht zuletzt aufgrund ihrer privaten Verwicklungen eine große Herausforderung darstellt. Schnell wird deutlich, dass Rhys Lloyd alles andere als der beliebte Star gewesen ist und es immer mehr Verdächtige gibt ....

Mit "Die letzte Party" legt die preisgekrönte walisische Autorin Clare Mackintosh ihren ersten Band um das kongeniale Ermittlerduo Ffion und Leo vor, und aus den mit vielen walisischen Begriffen gespickten Schilderungen der teilweise recht originellen Bewohner und der wunderschönen Landschaft spricht eine große Liebe der Autorin zu ihrer Heimat. Und so nimmt das Setting eine wichtige Rolle in diesem BUch ein.

Als ehemalige Kriminalistin der britischen Kriminalpolizei weiß Clare Mackintosh, von was sie schreibt und so nahm ich ihr die Verwicklungen und Zweifel der Protagonisten stets ab.

Der Krimi ist von Anfang bis Ende spannend; aber aus dem Wunsch, in diesem Whodunit endlich den Täter ausfindig zu machen, wollte ich auch immer mehr über die weiteren Figuren und ihre Motive erfahren. So fand ich es überaus befriedigend, dass am Ende - nach einem großen Showdown - sämtliche losen Fäden verknüpft waren und keine Fragen offen blieben - außer der, ob die Waliserin und der Engländer auch später noch einmal zusammenarbeiten werden.

Während mich oftmals ausschweifend erzählte Episoden aus dem Privatleben der Ermittler vom Fall ablenken und die Handlung unnötig in die Länge ziehen, haben in diesem Roman die entsprechenden Passagen wunderbar mit den Ermittlungen harmoniert und waren durchaus aussagekräftig - lange Zeit war sogar die Tatsache im Rahmen des Möglichen, dass Ffion selbst in den Mordfall verwickelt sein könnte.

Während die Ermittlungen chronologisch ihren Gang gehen, führt die Autorin uns in vielen Rückblicken durch zahlreiche Sprünge in Zeit und Ort zu den unterschiedlichsten Figuren und Handlungen. Durch die Angabe von Zeit und Perspektive des auktionalen Erzählers behielt ich jedoch immer den Überblick.

Auch, wenn es sich bei der "Letzten Party" keineswegs um einen Cosy Crime handelt, ist die Erzählweise von einer guten Portion typisch britischem Humor gekennzeichnet. Insbesondere die Einführung der beiden Haupt-Figuren Ffion und Leo und ihr erstes ZUsammentreffen bei der Gerichtsmedizin war absolut großartig - eine Sternstunde des Krimis für mich; ich habe mich köstlich amüsiert.

Sowohl Ffion, eine komplizierte Persönlichkeit, der ihr eigener Platz in der Dorfgemeinschaft noch nicht sicher ist und die - wie deutlich wird - in dieser Ermittlung durchaus als befangen gelten kann, als auch Leo, der starke Mann, der sich sowohl von seiner Exfrau als auch von seinem Vorgsetzten so oft kleinmachen lässt, sind liebenswerte Figuren, die nicht zuletzt in ihrer Mehrdimensionalität großes Vergnügen bereiten; sie haben sich in der Liste der vielen bekannten Ermittler gleich einen PLatz ganz weit oben gesichert. Und auch die vielen weiteren Figuren in und um Cwm Coed sind spannend angelegte Figuren, die ich gerne kennengelernt habe.

Clare Mackintosh hat mir mit diesem Auftakt zu ihrer ersten Krimiserie viel Lese-Vergnügen bereitet und ich hoffe auf eine baldige Fortsetzung und weitere gemeinsame Ermittlungen von Ffion Morgan und Leo Brady!

Bewertung vom 07.12.2022
Der Traum beginnt / Die Wintergarten-Saga Bd.1
Roth, Charlotte

Der Traum beginnt / Die Wintergarten-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Nina von Veltheim ist behütete Adelstochter und auf einem Gut in der Provinz aufgewachsen. Ihr großer Traum ist die Welt des Theaters und Varietés, doch nicht als Schauspielerin, sondern als Regisseurin und Intendantin will sie Karriere machen in dieser neuen Zeit. Doch die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges, der Tod des Vaters und die heranziehende Wirtschaftskrise fordern ihren Tribut. Obwohl ihre Familie sie unterstützt, lernt Nina im vordergründig schillernden Berlin Hunger und Not und viel Frauenfeindlichkeit kennen. Als sie die Schlangenfrau Jenny und die Zeichnerin Sonia kennenlernt, kämpfen die Frauen gemeinsam für ihre Vison ....

"Die Wintergarten-Frauen. Der Traum beginnt" ist der Auftaktband zu einer Trilogie um die Lebensträume dreier Frauen, das berühmte Wintergarten-Varietée und das Berliner Leben der 20er Jahre.

Athmosphärisch dicht beschreibt Charlotte Roth nicht nur das Schicksal der Frauen, sondern gibt dem Leser einen tiefen EInblick in das Zeitgefühl. Werden die 20er oft als schillernd und rauschend dargestellt, so kommt hier die Not und die politische Stimmung gut zum Ausdruck, so dass mir manches Mal ein Schauer den Rücken hinunterlief.

Die Figuren sind mehrdimensional und einfühlsam dargestellt. Wenngleich ich auch manches Mal gerade Ninas Meinungen und Handeln nicht gutheißen konnte und sie am liebsten zurechtgewiesen hätte, so sind die Handlungen zumindest nachvollziehbar und durchaus folgerichtig. Gerade für die Frauen zeigte sich eben deutlich, wie wenig vor 100 Jahren noch von Emanzipation und Wertschätzung zu finden war! So ist Roths Buch auch ein großes Plädoyer für Akzeptanz und Gleichberechtigung.

Der flüssige, emotional packende Schreibstil ließ mich nur so durch die Seiten fliegen und ich freue mich schon auf die kommenden Teile und das weitere Schicksal der hochbegabten Freundinnen.

Spannend war für mich auch, wie viele Details aus der realen Geschichte in der Fiktion wiederzufinden waren und mir machte es Spaß, Charaktere, Schauplätze und Aktionen zu erkennen.

Für die unterhaltsame, gut recherchierte Lektüre vergebe ich fünf Sterne! Bitte noch viel mehr davon!

Bewertung vom 07.12.2022
Wintersterben
Krüger, Martin

Wintersterben


sehr gut

Als in den Schweizer Alpen eine grausam verstümmelte Leiche gefunden wird, schickt Interpol seine beste Ermittlerin zur Aufklärung: Valeria Ravelli; unterstützt von dem Neuen in der Abteilung, Colin Bain. Offenbar handelt es sich bei dem Toten um einen ehemaligen BKA-Beamten, der sich dem Rätsel um verschwundene Mädchen angenommen hatte. Valeria reist alleine in das abgeschiedene Bergdorf Steinberg, wo sie auf eine Mauer des Schweigens und der Ablehnung trifft und niemandem vertrauen kann. Und schon bald gerät sie selbst in größte Gefahr ....

"Wintersterben" ist bereits der zweite Band um die Ermittlerin Valeria Ravelli, der sich problemlos lesen lässt ohne den Vorgänger (Waldeskälte) zu kennen. Da es jedoch etliche Anspielungen auf den ersten Fall gibt, ist es angenehm, ihn zu kennen - auch, um die Hauptfigur besser kennenzulernen.

Martin Krüger erschafft auf anschaulichste Art ein abgeschiedenes Dorf mit misstrauischen, geheimnisvollen Bewohnern und kreiert eine Düsternis, die beim Lesen einen unheimlichen Thrill auslöst. Deutlich spürt man, wie alleine Valeria dasteht und sieht überall Feinde. Valeria wird mehrdimensional, schwierig und dennoch sympathisch dargestellt, ihr Partner Colin, der in der Heimat ermitteln soll, bleibt teilweise recht undurchschaubar. Hier hätte ich mir doch eine genauere Aufklärung über die Figur und ihr Verhältnis zu den anderen gewünscht.

Der Thriller ist spannend von Beginn bis zum fulminanten Ende und lädt den Leser ein, sich eigene Gedanken zu machen über die Bewohner von Steinberg und die Aufklärung dieses und ggf. weiterer Fälle. Der Showdown erscheint in James-Bond-Manier meiner Ansicht nach zu fantasievoll, effektheischend und schnell - und vor allem das offene Ende mit einem fiesen Cliffhanger lässt mich doch recht unbefriedigt und mit einigen Fragen im Kopf zurück.

Der flüssige Schreibstil treibt die Handlung voran; die Szenenwechsel sind harmonisch und bringen dem Leser zusätzliche Informationen.

Bis auf das Ende hat mir "Wintersterben" sehr gut gefallen; ich vergebe vier Sterne und ich werde mir den Namen Martin Krüger sicher merken!