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Benutzername: 
SusanK
Wohnort: 
Osnabrück

Bewertungen

Insgesamt 215 Bewertungen
Bewertung vom 15.08.2023
In Schweden stirbt es sich am schönsten / Die Österlen-Morde Bd.2
Motte, Anders de la;Nilsson, Måns

In Schweden stirbt es sich am schönsten / Die Österlen-Morde Bd.2


ausgezeichnet

Im schwedischen Österlen findet alljährlich ein riesiger Antiquitätenmarkt statt. Als der zwielichtige Händler Nalle Persson mit einem antiken Dolch im Rücken tot aufgefunden wird, hofft die junge Kommissarin Tove Esping, endlich ihren ersten Mordfall aufklären zu können. Doch ihr Chef vertraut auf den Stockholmer Kriminalkommissar Peter Vinston, der gerade in der Gegend Urlaub macht und stellt ihn Tove zur Seite ...

"In Schweden stirbt es sich am schönsten" ist der zweite Fall aus der Reihe der "Österlen Morde" aus der Feder der preisgekrönten schwedischen Kriminal-Autoren Anders de la Motte und Måns Nilsson , der sich problemlos ohne Kenntnis der vorherigen Bandes ("Der Tod macht Urlaub in Schweden") lesen lässt.

Das Autorenduo hat einen herrlich skurrilen Wohlfühl-Krimi ohne viel Blutvergießen geschaffen. Mit viel Leichtigkeit und schrägem Humor fliegen die Seiten nur so dahin und ich war richtig enttäuscht, nach 385 schon am Ende angekommen zu sein.

Der Krimi hat eine schöne, ansteigende Spannungskurve mit einigen großartigen Wendungen und es macht Spaß, den Ermittlern bei der Aufklärung zu folgen. Besonders interessant fand ich hier, dass ein spannendes juristisches Problem behandelt, über das ich mir zuvor noch niemals Gedanken gemacht hatte und sogleich im Deutschen Recht recherchieren musste, ob die Antwort auch in Deutschland so gilt. (Ja!) Die Auflösung in einem dramatischen Auftritt auf großer Bühne klingt an die herausragenden KLassiker an, ist stimmig und das Buch ist in sich abgeschlossen.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Figuren, die mit viel Liebe und Sorgfalt sowie einem Augenzwinkern gezeichnet sind. Besonders ins Herz geschlossen hatte ich sogleich den Stockholmer Kriminalkommissar Peter Vinston, der sich sogar in der sommerlichen Hitze stets formell kleidet und sogar eine Fusselbürste zur Hand hat, wenn er in das "hundeverseuchte" Auto seiner Kollegin einsteigt. Dass seine energische Kollegin aus ganz anderem Holz geschnitzt ist, sorgt für einiges Konfliktpotential; aber in die Urlaubsatmosphäre der reizvollen Provinz Skane passt, wie sich beide zusammenraufen. Und auch die Nebenfiguren sind höchst skurril und mit viel Witz beschrieben.

Ich habe mich bestens unterhalten gefühlt und gebe eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 11.08.2023
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Knecht, Doris

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe


ausgezeichnet

Eine Frau steht am Wendepunkt ihres Lebens: DIe Zwillinge, die sie ohne den Vater großgezogen hat, werden nach der Matura die Familienwohnung verlassen und auf eigenen Füßen stehen. Und so muss auch die Mutter die nun zu große und zu teure Wohnung verlassen, ein neues Zuhause finden und sich einem neuen Lebensabschnitt stellen. So beginnt sie, ihre Wohnung zu entrümpeln und stellt sich den zahlreichen Erinnerungen an ihre eigene Vergangenheit, ihre Familie und einschneidende und belanglosere Erfahrungen.

Die Wiener Schriftstellerin und Kolumnistin hat mit "Eine vollständige LIste aller Dinge, die ich vergessen habe" einen biografisch anmutenden Roman geschrieben, der mich zutiefst berühren konnte und sicher noch lange nachhallen wird.

Die Kinder ziehen aus; das bedeutet für die Eltern - oder eben hier die alleinerziehende Mutter - dass auch für sie ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Von diesem Punkt aus lässt Doris Knecht ihre Ich-Erzählerin, die tatsächlich namenlos bleibt, mit großer Intensität von ihrem gelebten Leben, ihren Wünschen, Träumen und Hoffnungen, berichten. Einen Großteil nehmen dabei die Gedanken und Überlegungen der Erzahlerin ein; ihre Erlebnisse werden meist im Nachgang berichtet. In kurzen Kapiteln erfahren wir von bedeutenden Ereignissen (wie unter anderem Abtreibungen, Drogenerfahrungen) sowie belanglosen Begebenheiten ihres Lebens (wie dem richtigen Platz für einen Esstisch) in einer Tiefe und Intensität, die die Leser*Innen nicht nur teilhaben lässt an dem erzählten Leben, sondern auch zum Nachdenken über ihr eigenes Sein anregt. In manchen der Gedanken habe ich mich (ebenfalls im mittleren Alter mit erwachsenem Nachwuchs und einem Neuanfang) absolut wiedergefunden, einige konnte ich problemlos nachempfinden, andere waren mir unbekannt; dennoch zog mich die authentische Figur völlig in ihren Bann und ich durchlitt mit ihr gemeinsam den entscheidenden Schritt in ein neues Leben. Ängste, sanfte Hoffnungen, Traurigkeit und Melancholie und dabei ein wunderbarer Humor begleiten die Ich-Erzählerin und somit auch die Leser*Innen bei dem anstehenden Schritt, der doch so unaufgeregt erfolgt. Besonders gefallen hat mir dabei der großartige Erzählstil und eben der feine Humor im Ernsten sowie die feministische Haltung der Autorin.

Und obwohl ich sonst gar kein Freund von sanft dahinplätschernder Handlung, ständigen Orts- und Zeitebenenwechseln und vor allen offenen Fragen bin, zog mich die Autorin völlig in ihren Bann. Für mich war die Erzählung absolut stimmig - und macht Lust auf weitere Bücher von Doris Knecht.

Ein ganz wunderbares Buch, das sicher zu meinen Jahres-Highlights gehört und das ich unbedingt weiterempfehlen möchte.

Bewertung vom 18.07.2023
Elternhaus
Mank, Ute

Elternhaus


sehr gut

Sanne ist eine Macherin: Neben einem Vollzeitjob und Familie mit zwei inzwischen erwachsenen Kindern, die flüggeg werden, kümmert sie sich auopferungsvoll um ihre Eltern. Da diesen das einst selbst gebaute Haus mit großem Garten mehr und mehr über den Kopf wächst, beschließt Sanne, die Eltern in eine altersgerechte Wohnung umzusiedeln, was diese nur mit Widerwillen geschehen lassen. Ihre beiden Schwestern Gitti und Petra hingegen sind entsetzt.. Alle müssen sich nun mit dem Verlust ihres Elternhauses arrangieren, mit dem Kindheitserinnerungen wach werden - und gleichzeitig ihr eigenes Leben seine gewohnten Bahnen verlässt.

Ute Mank setzt sich in ihrem Roman "Elternhaus" mit einem schwierigen Thema, das die Allermeisten von uns betrifft, auseinander: Was tun, wenn die eigenen Eltern alt werden, wie weit darf und muss man sich einmischen und was bedeutet schließlich der Verlust des eigenen Elternhauses für Erwachsene? Dabei erzählt die Autorin abwechselnd aus der Sicht der ältesten Schwester Sanne und der mittleren Petra, die beide zueinander einen recht konträren Charakter und Lebensentwurf haben. Tief taucht die Autorin ein in die Gedanken und Gefühlswelt der Schwestern, ihrer Kindheit im Elternhaus - und deren eigenes Leben mehr und mehr aus den Fugen gerät.

Trotz des heiklen Themas und der kleinen und großen Katastrophen entwickelte sich beim Lesen ein ganz eigener Sog und ich wurde voll in die Geschichte hineingezogen.DAs Ende würde ich nur bedingt als offen bezeichnen, da eigentlich keine Probleme mehr gelöst werden müssen, sondern sich alle mit ihrer - neuen - jeweiligen Situation - mehr oder weniger - abgefunden haben.

Die Figuren wirken absolut authentisch und als Leser findet man sich in der ein oder anderen wieder.

Für mich ist "Elternhaus" ein Buch, das eine ganz eigene Dynamik entwickelt und tief berührt sowie zum NAchdenken anregt. MIr hat der Roman sehr gefallen und ich empfehle ihn allen Leser*Innen, die sich nicht einfach nur berieseln lassen möchten mit ihrer Lektüre,

Bewertung vom 16.07.2023
Was bisher verloren war / Vergissmeinnicht Bd.2 (eBook, ePUB)
Gier, Kerstin

Was bisher verloren war / Vergissmeinnicht Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Für Quinn ist es schon zur Normalität geworden, in den Saum zu wechseln und dort seine Verletzungen vergessen zu können und mit großer Stärke Abenteuer zu erleben. Kein Wunder, dass auch Matilda gerne mit eigenen Augen sehen möchte, was es dort alles zu erleben gibt. ....

"Was bisher verloren war" ist der zweite Teil der "Vergissmeinnicht"-Trilogie von Kerstin Gier. Natürlich gilt es wieder für Quinn, allerhand Abenteuer zu bestehen, und nun wird auch Matilda immer mutiger und tritt mehr und mehr aus seinem Schatten.

Die Fantasy-Welt hat Kerstin Gier sehr schön ausgearbeitet und es gibt immer mehr zu entdecken für die Hauptfiguren und die Leser*Innen. Interessant ist es, wie die Welt des Saums mehr und mehr auf die reale Welt übergreift; besonders viel Vergnügen hatte ich mit Baximilian, dem Wasserspeier-Dämon. In diesem Zusammenhang macht der eingewobene feine Humor unheimlich viel Spaß.

Kerstin Gier hat einen schönen Spannungsbogen geschaffen und von Anfang bis Ende fieberte ich mit. Dabei gibt es zum einen den großen Bogen um Quinns geheimnisvolle Rolle im Saum, aber auch viele kleinere Geschichten, die uns Leser in Atem halten.

Mir gefällt, wie sich in der "Vergissmeinnicht"-Welt viele Anspielungen auf die anderen Werke der Autorin finden lassen, wie z. B. die Geheimloge und der Wasserspeier-Dämon aus der Edelstein-Trilogie, die Traum-Korridore aus Silber usw. Bei Gier gibt es ja immer einen beliebten Jungen, der eine Beziehung mit dem Mauerblümchen eingeht. Diese Anspielungen sind ein Mehrwert für Leser, die sich in den Büchern auskennen, aber sie stören auch keinesfalls bei Nicht-Kennen, sondern passen harmonisch in das Gegenwärtige.

Die Figuren sind sehr liebevoll mehrdimensional und authentisch und lassen sich mit ihren Handlungen gut nachvollziehen. Nicht nur für Young Adults ist die Teenager-Liebe sympathisch geschildert.

Obwohl ich eigentlich keine LIebhaberin des Fantasy-Genres bin, liebe ich die Urban Fantasy von Kerstin Gier und mir hat der zweite Band "Was bisher verloren war" noch besser gefallen als der erste "Was man bei LIcht nicht sehen kann" und ich warte sehnsüchtig auf das große Finale!

Bewertung vom 15.07.2023
Greta Garbo / Ikonen ihrer Zeit Bd.10
Lüding, Kristina

Greta Garbo / Ikonen ihrer Zeit Bd.10


sehr gut

Greta Gustafsson ist 15 und arbeitet in der Hutabteilung des großen Stockholmer Kaufhauses PUB; ihr Traum ist es jedoch, Schauspielerin zu werden. Ein Auftritt in einem Werbefilm bringt erste Kontakte zur Branche und so geht es Schritt für Schritt über Berühmtheiten ihrer Zeit und einen Kurzbesuch der Schauspielschule schließlich bis nach Hollywood, wo sie zur bestbezahltesten Schauspielerin aufsteigt. Doch ständige Selbstzweifel und ihre Schüchternheit sowie starkes Heimweh nach Schweden und ihrer Familie lassen sie ihren Ruhm nicht vollständig genießen können....

"Greta Garbo - die einsame Göttin" ist die neunte Romanbiografie aus der Serie "Ikonen ihrer Zeit" über starke Frauen, die jeder kennt.
In diesem Band hat Kristina Lüding akribisch recherchiert, alles mit Fiktion erweitert und so einen spannenden biografischen Roman über die große Greta Garbo geschrieben, der seinen Leser*Innen die oft als widersprüchlich und schwierig bezeichnete Schauspielerin näher bringt. In einem Nachwort gibt die Autorin ergänzende Informationen.

Durch den leichten Schreibstil führt Kristina Lüding an die uns so wenig bekannte Schauspierin heran und legt dabei auch einen Schwerpunkt auf ihre Jugend und den unplanmäßigigen Weg, den Greta genommen hat (und wann und wieso es zu einer Namensänderung kam). Dabei gelingt es mühelos, ihr Verhalten zumindest nachvollziehen zu können und Verständnis für ihre Handlungen aufzubringen. Lüding glückt es, vielfältige Gefühle in mir auszulösen und ich muss zugeben, dass allerdings auch Frustration und Unverständnis dabei sind, hervorgebracht durch das ständige Hadern der "Göttin" mit sich und den Umständen; wirklich sympathisch wurde sie mir dabei nicht. Oftmals regte mich die Lektüre an, weiter zu recherchieren, mir Bilder und Filmausschnitte im Internet anzuschauen, um das Gelesene zu ergänzen. Ich konnte vieles lernen und mir nun ein umfassendes Bild dieser 1990 verstorbenen Legende machen, die tatsächlich gar nicht immer eine so starke Frau war.

Dieses Buch ist jede*m zu empfehlen, der sich für (starke) Frauen interessiert, Neues über die Ikone Greta Garbo erfahren möchte und / oder sich für das Film-Business interessiert.

Bewertung vom 08.07.2023
Wasserschlag für Greetsiel
Trost, Dirk

Wasserschlag für Greetsiel


sehr gut

Als der Anwalt Jan de Fries nach einer gemeinsamen Fischerei-Fahrt mit seinen Kumpels in der Kneipe sitzt, entwickelt sich zwischen zwei Fremden ein heftiges Streitgespräch. Wenig später ist der eine tot, der andere wird - blutüberströmt - als Tatverdächtiger festgenommen. Kurz darauf erscheint eine ominöse Frau in Jans Kanzlei und fordert ihn auf, den Beschuldigten aus dem Gefängnis zu holen, doch dieser will das gar nicht....

Dirk Trost legt mit "Wasserschlag für Greetsiel" bereits den zehnten Band um seinen eigenwilligen Anwalt Jan de Fries vor, der sich im beschaulichen Greetsiel mit einer kleinen Kanzlei aus dem großen Business zugezogen hat und doch immer wieder in herausfordernde Fälle hineingerät. Obwohl ich die Vorgängerbände nicht kenne, war ich sofort in der Geschichte drin und hatte keine Verständnisprobleme. (Allerdings endet das Buch mit einem Cliffhanger, dessen Anspielung wohl nur Kenner der Reihe etwas anfangen können.)

Wieder steht der kleine Sielort Greetsiel an der ostfriesischen Küste im Mittelpunkt, doch Jans Ermittlungen führen ihn auch an andere Orte. Anders als in anderen Ostfrieslandkrimis geht es hier aber um viel mehr als einen gemeinen Mord, sondern um etwas viel Größeres - und so ist auch die Handlung um einiges brutaler und blutiger.

Viele Details, die im Späteren durchaus noch wichtig werden und überraschende Wendungen ziehen sich durch die spannende Handlung. Erst nach und nach lassen sich die einzelnen Puzzlestückchen sowohl für Jan als auch uns Leser*Innen immer mehr zusammensetzen, bis es letztentlich zu einem großem Showdown kommt, das durchaus Hollywoodreif ist.

Die einzelnen Figuren waren mit einem liebevollen Blick gezeichnet; teilweise etwas plakativ; die Hauptfigur Jan de Fries ist mir durchaus sympathisch und ich hatte Spaß daran, ihn und seinen Hund Motte durch die Handlung zu begleiten. Positiv empfand ich dabei, dass Motte als echter HUnd mit seinen Vorzügen und Schwächen agiert und nicht zu einem "Polizei-Hund" hochstilisiert wird. Und auch die Polizei spielt hier eine eher untergeordnete Rolle bis hin zum Negativen.

DAss Dirk Trost weitere Themen in diesem Buch aufgreift, gefiel mir sehr: Die tiefe Freundschaft zwischen den Männern Jan, Onno und Dieter, die für einander einstehen, das Verhältnis zu seiner Tochter, die neugierige Nachbarin usw. um nur einige zu nennen.

Mir hat dieser Krimi sehr gefallen und ich freue mich, dass er sich von dem Einerlei der Küstenkrimis abhebt.
Ich vergebe sehr gute vier Sterne.

Bewertung vom 08.07.2023
Einen Herbst und einen Winter lang
Steinborn, Margit

Einen Herbst und einen Winter lang


sehr gut

Isa wächst im Berliner Scheunenviertel auf. Nachdem der Vater die Familie verlässt, gibt es nur die Möglichkeit, durch Betteln das Allernötigste zum Überleben zu beschaffen und der ältere Nachbarsjunge Viktor beschützt und unterstützt das Mädchen nach Kräften. Als vor ihren Augen ein tragisches Unglück geschieht, rettet Isa der kleinen Lotta das Leben - nichtsahnend, dass Lottas Vater der reiche Unternehmer Max Wittmann ist, in dessen Fabriken ihr Vater einst eine Hand verloren hat, was ihre Familie ins Unglück stürzte. Während Isa diese Familie nicht vergessen kann, spukt auch Henning, Lottas Bruder und zwei Jahre älter als Isa, das Mädchen im Kopf herum, das er fortan sucht. Und als beide sich schließlich finden und sich ihre Wege immer öfter kreuzen, entwickelt sich eine tiefe LIebe zwischen Isa und Henning - trotz aller Standesunterschiede, die schier unüberbrückbar scheinen......

"Einen Herbst und einen Winter lang" ist der Auftakt zu einer neuen Familiensaga über eine große Liebe und die gesellschaftlichen Schranken der Kaiserzeit unter dem Namen "Stadtlichter" von der Autorin Margit Steinborn, die schon mit ihren historischen Romanen das Herz ihrer Leser*Innen trifft.

Die beiden Hauptfiguren Isa und Henning nehmen uns mit ins Berlin der Kaiserzeit, wo ihre jeweiligen Welten unterschiedlicher nicht sein könnten: Isa ist im ärmlichen Scheunenviertel zuhause und kämpft gegen den täglichen Hunger, während der reiche Unternehmersohn Henning in einer herrschaftlichen Villa mit vielen Angestellten wohnt, jedoch unter dem machtbessenen Vater leidet und seine vom Vater verstoßene Mutter schmerzlich vermisst. Mit viel Empathie und Detailwissen zeichnet die Autorin ein Bild von den Lebensumständen der Zeit, das mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges endet - und leider auch einem schrecklichen Dilemma für die liebgewordenen Figuren.

Durch den mitreißenden Schreibstil zog Margit Steinborn mich völlig in die Geschichte hinein und ich fieberte mit den Kindern mit, ohne das BUch aus der Hand legen zu wollen. Der völlig überraschende Schluss ließ mich allerdings schockiert zurück, so dass ich den zweiten Band (der voraussichtlich am 17.10.23 erscheinen soll) kaum erwarten kann, um zu erfahren, wie es mit Isa, Henning und Viktor weitergeht.

Die Figuren sind mehrdimensional und authentisch gezeichnet; und bis zu den kleinsten Nebenfiguren haben alle eine interessante Geschichte und viele spannende Zusammenhänge im Gepäck, so dass die 375 Seiten fast zu kurz für alles sind. Bis auf Max, Roman und Silvia Wittmann schloss ich jede in mein Herz und hatte viel Spaß beim Lesen.

Obwohl ich eigentlich keine Freundin von Büchern über kitschige LIebesgeschichten bin, hat mich "Ein Herbst und einen Winter lang" berührt und ich empfehle es jedem weiter, der noch etwas über die Verhältnisse im Deutschen Kaiserreich vor über 100 Jahren lernen möchte, der psychologisch spannende Figuren und Verhalten schätzt und sich einfach sehr gut unterhalten lassen möchte!

Bewertung vom 04.07.2023
Das Licht im Rücken
Lüpkes, Sandra

Das Licht im Rücken


sehr gut

Als der Tüftler Oskar Barnack 1914 einen handlichen Fotoapparat entwickelt, stößt er in den Optischen Werken der Firma Leitz in Wetzlar auf große Widerstände. Doch der Inhaber Leitz der Zweite - wie er genannt wird - , glaubt an die Leica und beginnt mit der Produktion, womit er einen Durchbruch in der Fotografie anstößt. Während die Leitz-Söhne in die Firma einsteigen, geht die selbstbewusste Tochter Elsie gezwungenermaßen einen anderen Weg. Und Milan, dessen jüdischer Vater ein guter Freund Leitz' ist, soll den florierenden Laden seiner Eltern übernehmen. Als die Nazis ab den 20er Jahren die Macht übernehmen, drohen allen Enteignungen und Repressionen, doch die kleine Leica beeinflusst ihr Schicksal ....

Sandra Lüpkes hat hervorragend recherchiert und erzählt in "Das Licht im Rücken" nicht nur die Geschichte der Fotografie im 20. Jahrhundert auf eine packende Art, sondern es ist ihr auch ein außergewöhnlicher Familien- und Gesellschaftsroman gelungen. Überaus eindringlich tritt die Entwicklung der Rechten zutage und ihr Einfluss auf die Firma und jeden Einzelnen, was mich ganz besonders berührte und teilweise nicht leicht zu ertragen war.

Auf den Schreibstil der Autorin musste ich mich zunächst einlassen; ich empfand ihn zunächst als etwas ungewöhnlich. Deutlich war zu erkennen, dass Sandra Lüpkes in diesem historischen Roman einen ganz anderen Stil pflegt als in ihren früheren Inselkrimis. Doch schon recht schnell packte mich die Geschichte voll und ganz.

Während anfangs die einzelnen Personen für sich agierten, ergaben sich immer mehr Verbindungen untereinander und mit der Geschichte der Leica, so dass das Gesamtbild immer runder wurde. Und so gelang es der Autorin, mich tief in die Handlung hineinzuziehen und unbedingt weiterlesen zu wollen - auch ohne eine atemlose Spannung zu kreieren. Ich war enttäuscht, als das Buch ausgelesen war, da die wahre Geschichte ja noch weitergeht; allerdings gibt es glücklicherweise keine offenen, unbefriedigenden Enden.

Die Figuren sind mehrdimensional und äußerst authentisch entwickelt und ich nahm intensiv teil an ihren Leben und Entscheidungen. Obwohl die Erzählperspektive eine auktoriale ist, empfand ich sie oftmals als neutral, so dass ich das Geschehen tatsächlich aus einer übergeordneten Perspektive wahrnahm und keine tiefe Bindung zu den Figuren aufbauen konnte. Diese Tatsache konnte jedoch Freude, Not und Grauen nicht verschleiern.

Da ich Wetzlar gut kenne und die Größe der Leitz-Werke heute vor Augen habe, fand ich den örtlichen Bezug besonders interessant; eine Ortskenntnis ist jedoch keinesfalls erforderlich für den Lesegenuss.

Der zunächst unklare Titel des Buches "Das Licht im Rücken" wiederholt übrigens ein Zitat aus dem Buch und wird im Laufe der Handlung deutlich. ;)

In einem Nachwort gibt es interessante Zusatzinformationen, die auch nochmals verdeutlichen, wie umfangreich und detailgenau Sandra Lüpkes recherchiert hat.

Für Fotografie-Begeisterte und Wetzlarer ist dieser Roman sicher ein Muss, aber auch jede*r andere Leser*In kann "Das Licht im Rücken" mit Genuss lesen! Ich wünsche mir noch viel mehr solcher fantastisch recherchierten historischen Romane.

Bewertung vom 04.07.2023
Das Mädchen im Zitronenhain
Brauer, Antonia

Das Mädchen im Zitronenhain


gut

Viktoria ist schon in ihrer Kindheit ein selbstbewusstes Mädchen, das gerne mit den Jungs konkurriert und gerade in Kriegstagen viel Stärke und Durchhaltewillen zeigt. Sie betrachtet sich als Künstlerin und Designerin, studiert - gegen den eigentlichen Willen ihres Vaters - Kunst und kämpft dafür, sich auch als Frau in diesem Feld durchzusetzen. Als sie gemeinsam mit ihrer Freundin Traudl einen Kostümwettbewerb und damit eine Reise an den Gardasee gewinnt, verliebt sie sich in ein heruntergekommenes Hotel und den Sohn des Hoteldirektors. Tatsächlich heiraten beide Jahre später und Vicky, wie sie sich nun nennt, setzt ihre ehrgeizigen Pläne gegen alle Widerstände in die Tat um.

Basierend auf dem echten Grand Hotel Fasano am Gardasee und der Geschichte seiner ungewöhnlichen Besitzerin hat Antonia Brauer einen schönen Roman geschaffen um das Leben und Lieben von Viktoria und Antonia. Leicht und bestens für den Sommerurlaub geeignet, erzählt die Autorin ihre Geschichte, die durchaus Dramen enthält, aber - dem Genre entsprechend - keine große Spannungskurve aufweist.

Die Figuren sind durchaus klischeehaft; Viktoria wunderschön und niemals um eine gute Idee verlegen, ihr gelingt scheinbar alles, Antonio ist der sprichwörtliche italienische Gigolo, Viktorias Vater voller Vorurteile , die Schwiegermutter ein Schwiegermonster, das Viktoria als Feindbild sieht. Trotzdem oder gerade deswegen lässt Antonia Brauer ihre Leserinnen träumen und entführt an einen Sehnsuchtsort. Denn nicht nur in den 50er Jahren war der Gardasee eines der beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen; auch heute noch ist vielen der See bekannt. Die Handlungen der Figuren waren gut nachvollziehbar und authentisch.

Gerade im ersten Teil des Buches musste ich mich sehr konzentrieren, denn die Geschichte springt in der Zeit hin und her und es gibt keine gerade Zeitlinie. In diesem Fall fand ich dieses Stilmittel entbehrlich und machte das Lesen unnötig schwer.

Schön fand ich, Viktorias Entwicklung mitzuerleben und sie von Anfang an gut kennenzulernen. Allerdings dauert es so auch sehr lange (genaugenommen bis zur Seite 258 von 424), bis wir tatsächlich zur eigentlichen Geschichte um "das Grandhotel am Gardasee" kommen, das uns der Buchtitel verspricht und vielleicht falsche Erwartungen hervorruft.

Positiv hervorzuheben ist, dass es der Autorin sehr gut gelingt, ein Stück Geschichte bildhaft dazulegen. Ob die Rolle der Frau in der Mitte des letzten Jahrhunderts, die Not im Zweiten Weltkrieg und danach, die ersten Züge des Tourismus nach Italien, Neckermann und den ADAC - es gibt quasi nebenbei auch durchaus etwas zu lernen oder aufzuarbeiten.

Insgesamt fühlte ich mich gut unterhalten und empfehle das Buch als leichte Sommerlektüre.

Bewertung vom 11.06.2023
Die Feuermagd von Dillenburg
Kretz, Ingrid

Die Feuermagd von Dillenburg


sehr gut

1723. Die Magd Philippa und der Gerichtsschreiber Caspar lieben sich, doch kann ihre LIebe den Standesunterschied überwinden? Caspars Vater will einer Eheschließung seinen Segen verweigern. Doch dies ist nicht die einzige Sorge Philippas, denn ihre unverheiratete Freundin Elsa wird wegen KIndstötung angeklagt. Als dann ein großes Feuer ausbricht, das große Teile der Stadt vernichtet und in dem viele Menschen alles verlieren, richtet sich der Zorn der Dillenburger gegen die Feuermagd ....

Ingrid Kretz hat hervorragend recherchiert und auf der Grundlage historischer Fakten einen höchst authentischen Roman geschrieben, der seine Leser*Innen in die Welt des 18. Jahrhunderts führt. Der wunderbar flüssige, unaufgeregte Schreibstil konzentriert sich weniger darauf, Höchstspannung zu erzeugen, sondern die Stimmungen und das Leben der Menschen anschaulich darzustellen und zieht so seine Leser*Innen in seinen Bann.

Eher ungewöhnlich ist, dass nicht die namensgebende "Feuermagd" und ihr Leben im Zentrum der Geschichte steht, sondern aus Philippas Sicht erzählt wird; ihre Gefühle und Gedanken zu den Geschehnissen führen durch die Handlung und bilden nicht selten auch einen Kontrast zu den Ansichten ihrer Mitmenschen, der Kirche und des wütenden Mobs, der die Feuermagd brennen sehen will, und machen so viele Grausamkeiten erträglicher. Auffallend ist, dass gerade Philippa und Caspar sehr "moderne" Meinungen vertreten, die aber stimmig in das historische Umfeld eingebettet sind.

Überhaupt bestechen die Hauptfiguren durch ihr großes Herz und ihre überaus sympathischen Haltungen. Sie sind mehrdimensional, authentisch und liebevoll angelegt und es gelang leicht, mit ihnen mitzufühlen. Doch auch die Nebenfiguren beschreibt die Autorin sehr anschaulich.

Abgerundet wird das Buch durch zwei Karten von Dillenburg und Umgebung sowie ein Personenverzeichnis, in dem historische Personen gekennzeichnet sind, am Anfang des Bandes sowie ein ausführliches Nachwort der Autorin, in dem die geschichtlichen Fakten, auf denen die Handlung basiert, von fiktiven abgegrenzt werden.

Ingrid Kretz gelang es, mich auf einen interessanten Ausflug mitzunehmen ins Jahr 1723 und ich empfehle "DIe Feuermagd von Dillenburg" gerne weiter.