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Der Medienblogger
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- Alles rund um Medien Für alle Serienjunkies, Leseratten, Kinoliebhaber, Eurovisionfans und Lautaufdreher genau das Richtige. Website: http://medienblogger.wixsite.com/jstreb.

Bewertungen

Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 01.12.2019
Coldworth City
Kasten, Mona

Coldworth City


gut

Mona Kasten hat mit ihren New-Adult-Romanen nicht nur die Spiegel-Bestsellerlisten erobert, sondern sich auch im deutschen Bookstagram fest als eine Schriftstellerin etabliert, deren Bücher regelmäßig in neuen Posts und Rezensionen auftauchen und hinter der eine große Fangemeinde steht. Im Knaur-Verlag erschien vorletztes Jahr ein Werk der Autorin, in dem sie sich eines ganz anderen Genres bedient: „Coldworth City“ ist durch und durch ein Fantasy-Roman. Ob die Erfolgsgarantin auch ein unterhaltsames Buch rund um Mutanten schreiben kann?

Um die Antwort schon vorwegzugreifen: Ja, sie kann. „Coldworth City“ ist kein großes Buch, es bleibt nicht lange im Gedächtnis – aber es macht verdammt viel Spaß. Es ist jetzt schon über einen Monat her, seit ich die Lektüre beendet habe, und ich positiv verbinde mit ihr, wenn ich mir das Cover ansehe, ein rasantes Erzähltempo und kurzweilige Handlungsentwicklungen.
Dass Mona Kasten schreiben kann, macht sie ihren Leser*innen schnell bewusst. Sie formuliert zielsicher und prägnant, in kurzen, nicht zu verschachtelten Sätzen und reduziert ihre Äußerungen auf genau die Maße, die zum Einstieg in die Geschichte benötigt werden. So fühlte ich mich während des Buchs wieder daran zurückerinnert, warum ich begonnen habe, zu lesen: Ich wollte immer noch ein Kapitel mehr lesen und wissen, wo die Autorin ihr Publikum hinführen wird.
Um eine stimmige und unterhaltsame Handlung zu erzählen, genügt es, wenn man sich geschickt anstellt, auf den Zug der derzeitigen Unterhaltungsliteratur aufzuspringen und kein gesamtheitlich neues Szenario stemmen zu müssen: Ich möchte es einmal das „Blockbuster-Prinzip“ nennen. Mutanten? Eine Gemeinschaft im Untergrund, die sich gegen die Minderheiten ausgrenzende Gesellschaft sträubt? Eine Organisation, die diese besonderen Fähigkeiten für das Böse verwenden will? – Das klingt alles nicht wirklich innovativ; wenn man sich aber auf die Geschichte einlässt, wird man nicht enttäuscht.
In „Coldworth City“ tauchen nur eine Handvoll Figuren auf, die für den Fortschritt des Romans erquicklich sind. Bei der charakterlichen Ausarbeitung wird gute Arbeit geleistet; die Leser*in bekommt hier einen guten Einblick in verschiedene Innenleben. Die Motivationen hinter den vollzogenen Handlungstaten werden insgesamt verständlich und nachvollziehbar erläutert. Raven ist eine taffe Protagonistin, die das Szenario eigenständig auf ihren Schultern tragen kann. Bei der Darstellung des Antagonisten hätte ich mir ein bisschen mehr Substanz gewünscht; hier wird zu sehr schubladenhaft in „Gut“ und „Böse“ sortiert. Insgesamt bleiben die ‚Feinde‘, wenn man sie so nennen möchte, leider ziemlich blass.
Die Hauptfigur Raven macht eine große charakterliche Entwicklung durch, deren einzelne Phasenfortschritte für die Leser*in glaubhaft sind. Die weit im Vorhinein bereits vorhersehbare Liebesbeziehung ist zwar kein störender, aber einer der schwächeren Aspekte der Lektüre. Im gesamtheitlichen Überblick über den Handlungsfortschritt tauchen nur wenige große Überraschungen auf. Dennoch verliert die Erzählung über ihre mehr als dreihundert Seiten Länge nie an Spannungsniveau und weiß, ihr Publikum dauerhaft am Ball zu behalten. Insgesamt wird man „Coldworth City“ wahrscheinlich schnell wieder vergessen haben; als amüsantes Unterhaltungsmedium eignet sich das Buch aber vollauf. Eine Fortsetzung würde ich vermutlich sehr gerne lesen.

„Coldworth City“ ist eine rasante und kurzweilige Lektüre, die zwar kein neues Fass aufmacht, aber spannende Unterhaltung bietet.

Bewertung vom 01.12.2019
Das Labyrinth des Fauns
Funke, Cornelia;Del Toro, Guillermo

Das Labyrinth des Fauns


sehr gut

„Pans Labyrinth“ ist ein 2006 erschienener spanischer Fantasyfilm unter der Leitung des großen Regisseurs Guillermo del Toro. Der mexikanische Künstler steuerte das Drehbuch bei und entwarf ein zauberhaft-schauriges Szenario, unterbrochen von erbarmungsloser Brutalität während des gerade wütenden Zweiten Weltkriegs, das Star-Autorin Cornelia Funke als Basis für ihr kürzlich erschienenes Werk „Das Labyrinth des Fauns“ verwendete. Ob die Romanfassung mit ihrer Vorlage mithalten und auch als alleinstehendes Buch überzeugen kann?
Die Handlung von „Das Labyrinth des Fauns“ ist, adäquat zum Film, vielschichtig und lässt die Leser*in so schnell nicht mehr los. Funke und del Toro schaffen es grandios, den schmalen Grat zwischen kindlich-verträumter Phantasiewelt und düsterer Trostlosigkeit der machtpolitischen Strukturen in der verlassenen Mühle als Hauptquartier des erbarmungslosen Hauptmann Vidal zu halten, wo Rebellion aussichtlos zu sein scheint. Dabei das Werk aufgrund seiner Besonderheit gar nicht mit handelsüblichen Genres beschrieben werden, sondern ist sperrig und andersartig.
Die junge Hauptfigur Ofelia ist dabei das Bindeglied zwischen den beiden Ebenen des Romans: Sie lässt sich auf eine traumhafte, spannende Welt der Feen, Faune und gruseligen Monstern ein und ist beflügelt von der Hoffnung, die sie dort noch empfinden kann. Gleichzeitig aber ist sie naher Zeuge der Kriegsverbrechen ihres Stiefvaters, der mit harter Hand und Freude an der Folter Befehle erteilt und in ihr sogar eine Bedrohung sieht. Diese von Grund auf unterschiedlichen Szenarien aufeinanderprallen zu sehen, ist eine wahre Freude.
Die Figurengestaltung ist einfach, aber effizient gestaltet. Jede Person hat ihre eigene, unwiderrufliche Position innerhalb der Handlung und ist strikt eingeteilt in die schwarz-weißen Gut-Böse-Schemata. Das schließt zwar etwaige Überraschungen von Vornherein aus, verfestigt aber die Funktion, die jeder Charakter im Fortschritt des Buchs zu erfüllen hat.
Die Leser*in kann, und da unterscheidet sich das vorliegende Werk zum ersten Mal merklich von seiner Grundlage, nicht nur Einblick in das Innenleben von Ofelia gewinnen, sondern auch die innere Handlung des Generals Vidal erleben. Der Schreibstil beschreibt und beleuchtet das Szenario atmosphärisch geeignet und an einigen Stellen sogar poetisch anmutend, hätte aber an einigen Stellen auch deutlich abwechslungsreicher und sprachtechnisch spannender sein können. Häufig verwendet Funke doch recht einfache Satzstrukturen, die der Komplexität des Films nur bedingt gerecht werden.
Bis auf einige Montageelemente, die einzelne Aspekte der Handlung verdeutlichen, hält sich die Autorin Eins-zu-Eins an ihre direkte Filmvorlage. Dabei schafft sie es meistens gut, die Feinfühligkeit der Sequenzen, in denen es um das Entfliehen und vollkommene Vertrauen in eine fremde, noch nicht erkundete Welt geht, aufzugreifen. Hinsichtlich der schockierenden, expliziten Gewaltdarstellung fällt die Lektüre aber deutlich ab und erreicht nicht die Qualitäten eines „Pans Labyrinth“. Das Ende gefällt mir gut; es lässt viel Freiraum für mögliche Interpretationen offen und gelangt zu einem für die beiden Ebenen des Romans versöhnlichen Schluss.
Äußerlich macht „Das Labyrinth des Fauns“ wirklich viel her. Das Cover sowohl des Schutzumschlags als auch des Buchdeckels ist ein echter Hingucker, ein wahrgewordener Traum in jedermanns Bücherregal und verbindet essenzielle Elemente des Plots in sich. Es gibt zudem vereinzelte, wunderschöne Illustrationen, die die Handlung verbildlichen und den Lesefluss bereichern. Mögliche Interessent*innen seien aber vor der tristen, hoffnungslosen Atmosphäre und der expliziten, starken Gewalt gewarnt, auf die man hinter der Gestaltung zunächst nicht schließen würde.

„Das Labyrinth des Fauns“ ist ein besonderes und komplexes fantastisches Werk, das „Pans Labyrinth“ gelungen in Romanform fasst, dessen Qualität aber nicht erreicht bzw. übertrifft.

Bewertung vom 20.10.2019
Das Institut
King, Stephen

Das Institut


sehr gut

Unbestritten ist und bleibt, wie grandios der Autor komplexe Handlungen in gewaltigem Ausmaße entfalten kann. Er fügt einzelne Facetten seines Szenarios geschickt zusammen, ohne jemals das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Dabei etabliert er unzählige, spannende Figuren und erzählt deren Hintergrundgeschichten ausführlich, ohne abzudriften oder vom ursprünglichen Weg abzukommen. So erhält der Leser ein umfassendes Bild und kann wahrhaftig in die Situation eintauchen. King baut eine dichte und beklemmende Atmosphäre innerhalb der Grenzen des Instituts mit seinen eigenen Werten und Regeln auf. Gegen Ende hin bündelt er die Spannung gekonnt, um bei seinem Publikum ein richtiges Showdown-Gefühl zu erzeugen.

Dabei gefällt mir besonders gut die Ausarbeitung der zentral bedeutsamen Kinder. Ein Großteil des Romans wird aus der Perspektive des zwölfjährigen Luke Ellis wiedergegeben, der zu jederzeit in der Lage ist, die Handlung auf seinen jungen Schultern zu tragen. Die Motive und Handlungsweisen erscheinen bis auf wenige Ausnahmen nachvollziehbar – nämlich die Momente, in denen er seinen eigenen Standpunkt aus einer Metaebene betrachtet und an Glaubwürdigkeit verliert: ganz nach dem Motto: „Ich bin ja eigentlich nur ein Kind; ich muss mir darüber keine Gedanken machen“. Die Interaktion unter den übrigen im Institut gefangengehaltenen Kindern hat mir, vor allem in der zweiten Hälfte des Buchs, sehr gut gefallen. Dass sie sich vollkommen vertrauen und aufeinander verlassen, dass sie als Einheit mit gemeinsamem Ziel, das sich gegen die Obrigkeit wendet, auftreten, verdeutlicht die Notwendigkeit von Kommunikation und Zusammenarbeit von Menschen in einer Gesellschaft gelungen.

Der Gewissenskonflikt, dem die tragenden Charaktere zunehmend ausgesetzt sind, lädt den Leser zu einer spannenden ethischen Fragestellung ein: Darf man utilitaristisch handeln – und: wenn ja, wie weit? Darf man das Interesse der größeren Zahl dem Leid einiger weniger vorziehen? Darf man wenige Menschen ihrer Würde berauben, um die Würde vieler zu sichern? Der Roman bezieht dabei eine klare Position, lässt aber Diskussionsebenen frei, indem er ebenfalls die Gesinnung der als Antagonisten deklarierten Figuren beleuchtet.

Was sich der Leser vielleicht vorher klarmachen muss, bevor er „Das Institut“ beginnt zu lesen, ist, dass der Roman nicht auf jede Frage, die er stellt, eine Antwort gibt. King erfordert hier von seinem Lesepublikum einiges an Geduld und Vorstellungskraft, indem er viel Freiraum für Interpretation lässt – das wird sicherlich nicht jedem gefallen.

Wenn wir zu den möglichen Schwächen des Buchs kommen, dann muss ich zugeben, dass meine Erwartungshaltung wahrscheinlich etwas zu hoch war. In Anbetracht der ansehnlichen, fast achthundert Seiten Buchlänge erscheint mir der Plot über weite Strecken doch zu konstruiert und glattgebügelt. Es fehlt oft an Überraschungen im Handlungsfortschritt; mehr noch, der Spannungsbogen entwickelt sich weitgehend genau auf die Art und Weise, wie man es als Leser schon früh erahnen konnte. Die Konflikte und Herausforderungen können zu einfach gelöst werden, sodass man nie an der Schaffenskraft der agierenden Personen zweifelt. Hier hätte ich mir den ein oder anderen Kniff oder Twist gewünscht, der noch etwas mehr Abwechslung in den Roman bringt.

Es fehlt die sonst für den Autor so charakteristische Härte. Er verzichtet grundlegend auf Schilderungen expliziter Gewalt oder besonders grausamer Bilder. Er verzettelt sich zu guter Letzt in ein für den Leser zwar versöhnliches, aber für King sehr abgeschmacktes und sentimentales Ende, das nicht jedermanns Sache ist. Letztendlich kann ich „Das Institut“ aber doch getrost jedem ans Herz legen, der Stephen King mag oder Lust auf eine spannende Mystery-Geschichte à la „Stranger Things“ hat.

„Das Institut“ ist ein weitgehend überzeugendes Werk mit interessantem Szenario, herausragender Figurenausarbeitung und einem buchstäblich explosiven Showdown.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.10.2019
Der Store
Hart, Rob

Der Store


gut

Als eine aktuelle Version der Klassiker „1984“ und „Schöne neue Welt“ wird der Debütroman des US-amerikanischen Autoren Rob Hart angepriesen. Im September dieses Jahres erschien dann endlich „Der Store“ auch in den deutschen Buchhandlungen. Mich hat nicht nur das zugrundeliegende Szenario angesprochen: ein gewaltiges, marktführendes Onlineunternehmen, das nicht weniger als die Ideologie, ein perfekter Arbeitsplatz zu sein und Probleme der derzeitigen Gesellschaft und Klimapolitik zu lösen, verfolgt. Auch die äußere Gestaltung und das intensive Werben auf sozialen Netzwerken haben bereits im Vorhinein große Neugier in mir geweckt. Welche meiner Erwartungen an die Lektüre sie letztendlich erfüllen kann, das erfährst du in der folgenden Rezension.
Recht schnell konnte mich der Autor für seine Handlung begeistern. Er gibt den Plot aus drei verschiedenen Perspektiven wieder, die jeweils total unterschiedliche Positionen in der Hierarchie des Unternehmens einnehmen. Somit bekommt der Leser einen vielschichtigen Einblick in die einzelnen Ebenen der Konzeption des Onlinestores und kann sich eine eigene Meinung über die dortigen Zustände bilden.
Die drei Hauptfiguren, die aus der Ich-Perspektive von ihrer existenziellen Blase aus berichten und stellenweise aufeinandertreffen, fällen größtenteils nachvollziehbare Entscheidungen und verfolgen glaubwürdige Motivationen. Dabei erfährt man recht wenig über deren Hintergrundgeschichten, sondern konzentriert sich ungeniert auf ihren geistigen und tatsächlichen Umgang mit ‚Cloud‘.
Dabei gestaltet sich aus meiner Sicht vorwiegend die erste Hälfte des Romans als außerordentlich spannend. Einzutauchen, wie dieses unvorstellbar riesige Unternehmen im Inneren aufgebaut ist und wie ein enormes Zahnrad funktioniert, bereitet große Freude. Dabei skizziert der Autor äußerst gelungen zum Teil heute schon erreichte Zustände und entwirft innerhalb des Konzerns eine gesamte Welt mit eigenem Wertekodex, Währungssystem und innerer Sicherheitswahrung, in die er geschickt zukunftsvisionäre Technikmöglichkeiten einbaut.
Da, wo „Der Store“ so vielversprechend beginnt, enttäuscht der Roman leider in seiner zweiten Halbzeit auf vielen Ebenen. Er verliert sich zunehmend in überraschungsarmen, austauschbaren Handlungselementen, die das Spannungsniveau stark abbremsen. Man fokussiert sich geradezu krampfartig auf eine grotesk lächerliche und konstruierte Liebesgeschichte und dem inneren Konflikt über die Revolution gegen das Regime. Der konsum- und wirtschaftskritische Aspekt der dystopischen Zukunftsvision wird vollkommen außer Acht gelassen; vielmehr stürzt sich der Autor auf eine uninteressante Verfolgungsjagd, die für mich einfach nicht authentisch ist und daher nicht packt.
Letzten Endes bleiben die kritischen Aussagen des Romans für mich eher blass und hinter ihrem Potenzial zurück. Ich erwarte ja keine umfängliche Predigt über die Ausbeutung und das Konsumverhalten durch Megakonzerne wie Amazon mit erhobenem Zeigefinger, hätte mir aber dennoch sowohl etwas klarere Ecken und Kanten als auch ein stärkeres, nicht so halbgares Ende gewünscht, das die Erwartungen erfüllen kann. Daher spreche ich eine Leseempfehlung an diejenigen aus, die sich vom Klappentext angesprochen fühlen und etwas Stoff zum Nachdenken benötigen – wahrscheinlich sollte man die Erwartungen als Leser aber etwas herunterschrauben.
„Der Store“ ist ein nicht ganz ausgereiftes Werk, das zwar unterhaltsam die Geschichte rund um den Megakonzern ‚Cloud‘ und der zugrundeliegenden Ideologie erzählt, leider aber hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.

Bewertung vom 29.09.2019
Ritter Rost und das Einhorn / Ritter Rost Bd.18 (mit Audio-CD und zum Streamen)
Hilbert, Jörg;Janosa, Felix

Ritter Rost und das Einhorn / Ritter Rost Bd.18 (mit Audio-CD und zum Streamen)


ausgezeichnet

„Mein Vater hat mich hergestellt aus dem schönsten Schrott der Welt“ – mit diesem Einleitungssatz eroberte ein Kinderbuchheld mein Herz im Sturm: Felix Janosa und Jörg Hilbert sind die kreativen Köpfe hinter der erfolgreichen Buchserie „Ritter Rost“, deren bereits achtzehnter Band kürzlich erschien und auf der zahlreiche weitere Geschichten, zwei Kinofilme, eine Animationsserie und sogar ein eigener Vergnügungspark beruhten. Die Musicals begleiteten mich durch die Kindheit und haben mich mit ihrer skurrilen Eigenart, eingängigen Ohrwurmmelodien und schierer Ideenbandbreite fesseln können. Daher war es mir ein großes Vergnügen, „Ritter Rost und das Einhorn“ anzuhören und –sehen und nun meine Eindrücke zur Lektüre in der folgenden Rezension festzuhalten – viel Spaß beim Lesen!
Direkt mit der Eröffnungsnummer, „Wenn man Ritter ist“, fühlte ich mich wieder willkommen in Schrottland. Die verschiedenen Songs, die sowohl auf der CD als auch abgedruckt im Buch vorliegen, sorgen für einen wahren Hörgenuss: Die Texte klingen klug und pfiffig, die Melodien haben echten Ohrwurmcharakter und die Arrangements fügen sich nahezu perfekt in das Handlungskorsett ein. Dabei merkt man förmlich die Freude, die Janosa an der Musik hat. Besondere Anspieltipps sind für mich persönlich der bereits genannte Song, „Atlantis“ und „Wenn Piraten baden“.
Die Handlung in „Ritter Rost und das Einhorn“ ist kurzweilig und amüsant. Der Leser darf die bereits aus etwaigen Vorgängerbänden bekannten Personen auf einer sehr kurzen Reise begleiten. Dabei ist jedoch auch für diejenigen, die „Ritter Rost“ davor noch nicht kannten, eine Übersicht und jeweils kurze Charakterisierung zu jeder Figur abgedruckt. Sie sind jeder in ihrer Eigenart besonders und liebenswürdig und bieten dem sehr jungen Zielpublikum eine breite Fläche zur Identifikation. Auch bringt das Buch einige gute und wichtige Ansätze hervor, die Stoff für Gespräche mit den Kindern bieten.
Die Gestaltung der Seiten sticht hervor – die Illustrationen von Jörg Hilbert entführen den Leser nach Schrottland und entwerfen eine eigene facettenreiche Welt, in der es viel zu entdecken gibt. Die Bilder sind farbprächtig und in ihrem Zeichenstil sehr individuell. Das Hörspiel wird von Fritz Stavenhagen vertont, der sich als hervorragender Erzähler entpuppt und durch seine sonore Stimme und brillante Artikulation zu fesseln weiß. Einige spezielle Geräuscheffekte ergänzen das Hörabenteuer passend.
Wenn man mich also abschließend fragt, ob ich „Ritter Rost und das Einhorn“ weiterempfehle, dann ist meine Antwort ein mehrfaches Ja. Denn es gibt viele Aspekte, für die ich das Buch loben könnte. Für die Leser gibt es nicht nur ein liebevoll gestaltetes, unterhaltsames Leseabenteuer, sondern auch ein hervorragendes Hörspiel mit Musicalstücken auf beeindruckendem Niveau, das zum Mitsingen und –musizieren einlädt. Man kann also auf vielerlei Art und Weise in die Welt rund um den Ritter eintauchen – und das bereitet wirklich große Freude.
„Ritter Rost und das Einhorn“ ist ein vielschichtiges Abenteuer, das verdammt viel Spaß macht.
Deswegen möchte ich volle fünf von fünf möglichen Sternen vergeben.

Bewertung vom 10.09.2019
Wie man bei Regen einen Berg in Flip-Flops erklimmt
Weston, Carol

Wie man bei Regen einen Berg in Flip-Flops erklimmt


sehr gut

Carol Weston ist eine erfolgreiche amerikanische Schriftstellerin, die bislang bereits sechzehn Bücher veröffentlicht hat. Sie betreibt nebenbei einen Online-Ratgeber für Mädchen und Erwachsene und spricht in Schulen und Fernsehsendungen. Ihr bislang neuestes Werk erschien 2017 unter dem Originaltitel „Speed Of Life“. In diesem verwendet sie biographisches Material, indem sie die Figur Kate entwirft, die Dreh- und Angelpunkt für die gesamte Handlung ist und eben genau die bereits genannten Eigenschaften der Autorin erfüllt. Auf Deutsch trägt das Buch den um einiges treffenderen Titel „Wie man bei Regen einen Berg in Flip-Flops erklimmt“. Welche Leseeindrücke ich während der Lektüre gewinnen konnte, das erfährst du in der folgenden Rezension – viel Spaß!
Die Autorin hat, auch durch eine gelungene Übersetzung, einen flüssigen und einfühlsamen Schreibstil, der nicht nur ein reibungsloses Eintauchen in das Geschehen des Romans, sondern auch in das Innenleben der Protagonistin Sofia ermöglicht: Diese ist ein sympathischer Buchcharakter, den ich schnell nachvollziehen lernte. Sie trägt eine für sie emotional turbulente Handlung gut auf den Schultern und bietet sich an als Stütze für den Leser.
Ihre besondere Stärke im Schreiben enttarnt sie in ihrem ungenierten Umgang mit der Thematik „Tod“: Es ist kein Geheimnis, dass die Mutter der Protagonistin im Buch kürzlich verstorben ist und Sofia noch immer mit den Folgen der Trauer zu kämpfen hat. Dabei gibt sie ihren Lesern auf ganz unverkrampfte Art die eindringliche Botschaft, dass es okay ist, zu trauern. Und dass die Bewältigung dieser sowohl innerlich als auch äußerlich das genaue Gegenteil von einfach ist. Weiterhin gibt sie die alltäglichen Fragen und Probleme eines jungen pubertierenden Mädchens wieder, die sich in Zweifeln über die eigene Entwicklung äußert. Diese authentische Art, einem jungen Zielpublikum solche Anliegen näherzubringen und mit ihnen so unkompliziert umzugehen, hat mir persönlich sehr gut gefallen.
In der Ausarbeitung ihrer Figuren zeigt Weston ebenfalls ihr schriftstellerisches Können. Die Figuren sind vielschichtig, abwechslungsreich und beweisen allemal ihren ganz eigenen Charme. Neben Sofia sticht vor allem ihre enge Vertrauensperson namens Kate heraus, deren Beziehung untereinander sich im Laufe des Romans noch stark verändert. Sie war eine angenehme Person, die ich aufgrund ihrer Unverfrorenheit und stetig positiven Energie als ein starkes Element innerhalb der Handlung wahrgenommen habe.
Dass ich letztendlich aber definitiv aus der Altersgruppe herausgewachsen bin, das merke ich an einigen Aspekten, die mich zufriedengestellt haben. Beispielsweise habe ich mich an dem kitschverklebten Ende gestört, das jeder Glaubwürdigkeitsebene entbehrt und fast zu krampfhaft auf ein Happy End zusteuert. Damit schließt sie eine rundum überzeugende und ungewöhnliche Familiengeschichte ab – was man aber auch auf eine weitaus weniger aufgeplusterte und versöhnliche Art und Weise hätte lösen können.
Weiterhin fehlen dem Roman, nachträglich gesehen, weitestgehend seine Alleinstellungsmerkmale. Leider hat man die verschiedenen Elemente des Werks so schnell wieder vergessen, wie man das nächste Buch angefangen hat. Und genau hier hätte ich mir ein bisschen mehr Mut vonseiten der Autorin gewünscht, auch mal andere Wege als den gerade offensichtlichsten einzuschlagen – und somit ihr Roman zu einem außergewöhnlichen zu machen, der nicht in der Konkurrenz anderer Genrevertreter erstickt.
Letztendlich kann ich aber definitiv eine Leseempfehlung für eine recht große Zielgruppe aussprechen: für Leser, die sich a) vom Klappentext angesprochen fühlen oder b) ein kurzweiliges Lesevergnügen „für Zwischendurch“ genießen wollen und c) in das vom Roman angesteuerte Zielpublikum gehören – ihr werdet mit der Lektüre sicherlich eure Freude haben.

„Wie man bei Regen einen Berg in Flip-Flops erklimmt“ ist ein kurzweiliges Lesevergnügen, das durch seinen süßen Charme gut unterhält

Bewertung vom 09.09.2019
Die letzte Frau / Eve of Man Bd.1
Fletcher, Tom;Fletcher, Giovanna

Die letzte Frau / Eve of Man Bd.1


gut

Das Ehepaar Giovanna und Tom Fletcher entwerfen in ihrem gemeinsamen Werk „Eve of Man – Die letzte Frau“ die bedrückende Vision einer Gesellschaft, die keine Frauen mehr gebären kann. Doch in diesem Szenario gibt es die eine gewaltige Ausnahme – Eve, die als einziges Mädchen wider Erwarten gesund zur Welt kommt und an der nun nicht weniger als die Hoffnungen der gesamten Menschheit auf weitere Existenz haften. Der Roman setzt sich stark mit einer moralischen Frage auseinander: Wie viel Verantwortung darf man ihr auflasten? Welche weiteren Leseeindrücke ich aus der Lektüre gewinnen konnte, das erfährst du in der folgenden Rezension – viel Spaß!
Das im Roman etablierte System übte auf mich große Faszination aus. Dem Autorenpaar gelingt ein balancierter Akt zwischen den Erwartungen und Hoffnungen sowohl der Wissenschaft als auch der restlichen Menschheit und der Selbstbestimmtheit der jungen Protagonistin. Dabei befindet sich man als Leser in einer neutralen Position, da man die Ideologie aus verschiedenen Perspektiven betrachten darf und somit als abwägender Beobachter auftritt: So setzte auch ich mich während der Lektüre mit der Frage auseinander, ob und wenn ja, wie sehr man die Freiheit eines Individuums für das Gemeinwohl einschränken darf.
Durch einen authentischen und einfach zu lesenden Schreibstil führen die Autoren ihre Leser schnell in die Umstände ein. Leider verlieren sie sich auf einer gut vierhundertfünfzig Seiten langen Strecke doch mehrmals in repetitiven Abläufen, die stark an Aufmerksamkeit und Geduld des Publikums einbüßen. Zu lange passiert nichts, zu angestrengt konzentriert man sich auf einzelne Facetten – fast grenzten die sich ständig untereinander ähnelnden Gedankenspiele der Figuren für mich an schlaffe Demotivation und Langeweile. Gut hundert Seiten herauszustreichen, hätten dem Buch keine essenziellen Inhalte entzogen und stattdessen eine straffere, stärker ausgeglichene Handlung zur Folge gehabt.
Eve funktioniert als nahbarer Protagonist, die eine überzeugende Entwicklung durchschreitet und gleichzeitig als Dreh- und Angelpunkt für die gesamte Handlung fungiert. Ihre Gefühle für Bram, die erst das Hinterfragen ihrer eigenen Situation lostreten, scheinen zwar etwas sehr weitgeholt, erfahren hier aber an so schwerer Gewichtung, dass es zynisch wäre, sie anzuzweifeln – eben weil sie die Basis sind, auf die der Roman baut. Bram ist ein Stück weit das genaue Gegenteil zu ihr; er ist impulsiv und wild entschlossen. Obwohl sie im Laufe des Buchs nur wenig persönlich miteinander interagieren, ist die Sehnsucht nacheinander der führende Leitgedanke.
Der sozialkritische Aspekt ist meiner Meinung nach sehr gelungen, bleibt aber hinter seinen Möglichkeiten zurück. Der Antagonist ist zu glatt gebügelt; die Fronten sind zu sehr in das alte Gut-Böse-Korsett gezwängt. Der Leser bekommt nur wenige Informationen über den Zustand der gesamten Bevölkerung, sondern blickt nur in einen Einschnitt der gegen die Ungerechtigkeiten protestierenden Bevölkerungsgruppe und der am längeren Hebel sitzenden Machtausübenden. Den Fokus zu weiten, hätte dem Buch zumindest aus meiner Sicht gut getan. Aber dennoch ist positiv anzumerken, dass das Autorenpaar es schafft, durch einige interessante Ansätze sowohl auf der moralischen als auch der machtpolitischen Ebene zum Nachdenken anzuregen.
Wenn ich jetzt abschließend zu einem Fazit meinerseits gelange, dann stehe ich dem ersten Band von „Eve of Man“ mit gemischten Gefühlen gegenüber. Er schöpft sein großes, durch ein hervorragendes und hochspannendes Grundszenario gegebenes Potenzial nicht vollständig aus. Der Roman erzählt eine zum Ende hin rasante Handlung, die in einem großen, wenngleich vorhersehbaren Showdown mündet, die viele gute, lobenswerte Spuren verfolgt. Für beinahe jedes positive Argument fallen mir aber einige negative Aspekte ein, die das Buch besser gemacht hätten als das Mittelmaß, in dem es leider für mich abschließend angesiedelt ist.

Bewertung vom 08.09.2019
Krieg der Städte / Mortal Engines Bd.1
Reeve, Philip

Krieg der Städte / Mortal Engines Bd.1


sehr gut

Science-Fiction-Autoren entwerfen in ihren Büchern oftmals ein futuristisches Bildnis: Wie werden sich technische Entwicklungen, menschliche Entscheidungen und umwelttechnische Faktoren verändern – ja, wie sieht das Leben in der Zukunft aus? Philip Reeve etabliert im Auftaktband der erfolgreichen „Moral Engines“-Saga das Prinzip des sogenannten Städtedarwinismus: Sich auf Rollen bewegende Traktionsstädte fressen kleinere Dörfer auf; diese wiederum bedienen sich an noch kleineren Ortschaften und so weiter. Der Roman wird eröffnet durch eine solche Sequenz, in der London die Jagd auf die kleine Schürferstadt Salthook eröffnet. Welche Eindrücke ich aus der Lektüre gewinnen konnte, das erfährst du in der folgenden Rezension. Viel Spaß!
Das bereits in der Einleitung skizzierte Szenario übte auf mich große Faszination aus. Es erschien mir total innovativ und unverbraucht – ja, nahezu revolutionär – und bietet als Kulisse eine unerquickliche Fülle an Möglichkeiten für den Autor, das gesamte Potenzial auszuschöpfen. Philip Reeve etabliert eine hochspannende Vision der zukünftigen Gesellschaft, die sich zunehmend in autonome Organismen, also einzelne Städte auf Rädern, zersplittert und ebenfalls mit dem Auseinanderdriften der Arm-Reich-Schere zu kämpfen hat.
Dass gleich zwei Figuren aus sozial unterschiedlichen Milieus als Protagonisten fungieren, deren eigene Handlungsstränge stetig parallel zueinander laufen, empfinde ich als gelungene Methode, eine vielschichtige Geschichte zu erzählen, die das Geschehen aus den Extremen der Perspektive beleuchtet. Die Spannung ist so auf einem konstant hohen Niveau. Das Erzähltempo bleibt über die mehr als dreihundert Seiten recht rasant – der Autor erschafft geschickt auf seiner Strecke einzelne Höhepunkte, ohne dabei das angestrebte Ziel aus den Augen zu verlieren.
Philip Reeve besitzt einen Schreibstil, an den ich mich zunächst gewöhnen musste. Zwar packt er seine Leser flink und begeistert sie schnell für sein Szenario; so schreibt er aber doch häufig seltsam hölzern und ungelenk. Seinen Figuren fehlt es an nötigem Tiefgang – die Hauptfigur Tom wirkt in ihrem Umfeld häufig wie eine von den Umständen vorangetriebene Marionette, der es an einem eigenen Wertesystem mangelt, mit der sie die Entwicklungen betrachtet. Sie ist nicht der Stütz- und Bezugspunkt für den Leser, wie sie es sein sollte. Bei der Ausarbeitung von fiktiven Räumen, die seine Charaktere betreten, beweist er hingegen großes Talent, da man sie sich hervorragend bildlich vorstellen kann – und hier sicherlich ein gutes Fundament für die visuelle Gestaltung der 2018 erschienenen Buchverfilmung bietet.
Die einzelnen Handlungsstränge lassen zunächst recht lange im Dunkeln darüber, welche Richtung der Roman letztendlich einschlagen wird. Reeve kreiert aber sehr gekonnt einen atemlosen Showdown, der geschickt offene Enden miteinander verbindet, und einige unvorhergesehene Wendungen bereithält. Somit entlässt uns der Autor in ein recht klares Ende, sodass „Krieg der Städte“ durchaus als eigenständiges, alleinstehendes Werk betrachtet werden kann, aber definitiv Lust auf die drei bereits erschienen Folgebände weckt.
Hester als großer Gegenpol zu Tom funktioniert ziemlich gut. Sie ist, ganz im Gegenteil zu ihm, zu einem klaren Ziel hingewandt und vertritt eigene Motivationen, die durch ihre bewegende Hintergrundgeschichte für mich nachvollziehbar hervortreten. Als Antagonist kristallisiert sich immer deutlicher eine bestimme, hier aber namenlos bleibende Figur heraus, deren Anregungen zwar verständlich, aber doch enttäuschend blass und uninteressant bleiben. Weiter möchte ich kurz anmerken, dass mich die geistige Entwicklung der Figur Thaddeus Valentine nicht überzeugt hat – der Gedankenumschwung auf den letzten Seiten ist sehr unglaubwürdig.
Letztendlich überwiegt aber doch sehr deutlich das Positive.

[...] - Die Fortsetzung finden Sie, der begrenzten Zeichenanzahl geschuldet, auf meinem Blog.

Bewertung vom 07.09.2019
Simon vs. the Homo Sapiens Agenda
Albertalli, Becky

Simon vs. the Homo Sapiens Agenda


ausgezeichnet

Es ist zweifelsohne ein waschechter Publikumsliebling – mit zahlreichen Preisen überschüttet und auch in der Bloggerlandschaft hochgepriesen: Die Rede ist von Becky Albertallis Debütroman „Simon vs. the homo sapiens agenda“; im Deutschen „Nur drei Worte“. Das Werk befasst sich mit einem Jugendlichen, der mitten in seiner Phase des Coming-outs steht, und kann mit einer spielerischen Leichtigkeit eine große Inspiration für alle Menschen sein, die sich in einer ähnlichen Lage befinden. Welche Leseeindrücke ich aus der Lektüre gewinnen konnte, das erfährst du in der folgenden Rezension.

Ja, ich habe vorliegendes Buch auf Englisch gelesen – und es nicht bereut. Die Schriftstellerin hat einen leicht zu lesenden, authentischen Schreibstil, der so gut den jugendlichen Nerv der Zeit trifft, ohne ihn zu sehr nachahmen zu wollen. Mit ihrem Charakter Simon entwirft sie eine glaub- und liebwürdige Hauptfigur, in deren emotional chaotisches Inneres man als Leser gerne schlüpft. Seine Motivationen, Ängste und Entscheidungen werden nachvollziehbar und verständlich dargestellt.

Die Autorin schafft einen unverkrampften Umgang mit dem Thema Homosexualität: Sie stellt sie nämlich als vollkommen normal dar – und ist genau durch diese Tatsache so revolutionär. Dabei beschönigt sie keineswegs die Umstände; gerade das Coming-out erfährt genau die Gewichtung, die ihm im heutigen Umfeld (leider) immer noch zusteht. Die Verzweiflung und der äußere Druck des Protagonisten, sich geradezu outen zu müssen, porträtiert Albertalli eindrucksvoll und macht somit die emotionale Beklemmung und Einengung nahezu greifbar.

Auch die übrigen Personen können durch ihre vielschichtigen, farbenfroh-schillernden Charakterzüge glänzen und erweitern das Ensemble rund um die Titelfigur um wertvolle Mitglieder. Dabei ist vor allem Simons gefühlsmäßiges Gegenstück Blue eine spannende Ergänzung: Die ganzen E-Mail-Passagen zwischen den beiden knistern förmlich vor unter den Zeilen verstecktem Charme und bringen eine angenehme Abwechslung in den sonstigen Schreibfluss aus Simons Ich-Perspektive.

Aus erster Linie kann ich berichten, dass „Simon vs. the homo sapiens agenda“ für diejenigen, die sich gerade in einer Phase der sexuellen Orientierung oder des öffentlichen Bekundens der eigenen Ausrichtung befinden, ein wertvoller Mutmacher ist, der durch seine schiere Warmherzigkeit den Glauben an die Menschheit zurückgibt. Ich kann mich nicht erinnern, ein ähnliches Buch gelesen zu haben, das mir derartig aus dem Herzen spricht – und mir einfach gut tut! Es bestärkt den Leser in seiner eigenen Auslebung und zeigt, dass man nicht alleine ist. Dass es nicht immer einfach ist, ja, aber dir der Mut, die eigene Sexualität offen kundzutun, langfristig helfen wird.

Und ja, ich kann verstehen, wenn man vorliegende Lektüre etwa als zu kitschig empfindet – aber so ist es doch die vordergründige Absicht der Autorin, eine gewöhnliche Liebesgeschichte zu erzählen. Allein durch den beiläufig erscheinenden Fakt, dass ihre Hauptfigur eben nicht heterosexuell ist, eröffnet sie diese Thematik einem breiteren Lesepublikum und weist dadurch die Banalität von Homophobie auf. Und wenn mich ein Buch motiviert, aufzustehen, zu sagen, dass ich schwul bin; dann ist das ein langfristiger Effekt, den „Simon vs. the homo sapiens agenda“ auf mich hat und dem ich ihm hoch anrechne. Ich möchte mich herzlich bei der Autorin für dieses fortschrittliche, ja befreiende Werk bedanken, das schon so lange notwendig war.

„Simon vs. the homo sapiens agenda“ ist ein großartiges, inspirierendes Lesehighlight und ein warmherziger, wichtiger Mutmacher, der mir wahrlich aus dem Herzen spricht.

Bewertung vom 03.09.2019
Der Turm der Gefangenen / Evolution Bd.2
Thiemeyer, Thomas

Der Turm der Gefangenen / Evolution Bd.2


gut

Im direkten Anschluss an den ersten Band schreibe ich nun meine Rezension zum Mittelteil der Jugendbuchtrilogie „Evolution“, der den Titel „Der Turm der Gefangenen“ trägt. Die Handlung rund um Jem, Lucie und ihre Freunde setzt unmittelbar nach dem Ende von Teil 1 ein – für all diejenigen, die jedoch zuvor ihr Gedächtnis auffrischen wollen, ist eine Zusammenfassung des bisher Geschehenen abgedruckt. Wie mir die vorliegende Lektüre – auch im direkten Vorgleich zu seinem Vorgänger – gefallen hat, das erfährst du in der folgenden Rezension.

Der Schreibstil von Thomas Thiemeyer ist einfach zu lesen, die Kapitellänge angenehm kurz, sodass man auch diesen Band zügig beenden kann. Das bereits bekannte Figurenensemble wird durch einige Figuren erweitert, die diese Lektüre um einige bemerkenswerte Facetten ergänzen. Die Protagonisten treffen paradoxerweise in der Zukunft auf Zivilisation, die in jeglicher Hinsicht atavistisch erscheint. Das Aufeinandertreffen verschiedener Weltansichten und die Reibung aneinander sind ziemlich interessant. Dieses neue System, auf das die Freunde treffen, wird jedoch unzureichend erläutert – wie ist es zu diesem rückschrittlichen Entwicklungen gekommen; woraus speist sich die Denkart dieser Menschen? – schließlich sind Veränderung und das Ende der Menschheit doch zentrale Themen dieser Trilogie!

Die schwächelnde charakterliche Ausarbeitung, die ich an „Die Stadt der Überlebenden“ bemängelt habe, scheint hier ein Stück weit besser gelungen zu sein. Ich hatte nicht so oft das Gefühl, die Figuren wie durch ein Fernglas zu beobachten, sondern ihre Motive und Beweggründe wirklich nachvollziehen zu können. Diese Verbesserung resultiert, so meine These, aus der Figur Marek: Er hat sich seit Teil 1 aus seiner Klischeerolle als aufmüpfiger Möchtegernanführer befreit und eine starke Veränderung durchlebt, die jeder Glaubwürdigkeit entbehrt – seine Motive werden lediglich oberflächlich angerissen und stoßen bei mir keineswegs auf Nachvollziehbarkeit. Dass ich jedes Mal erzürnt die Stirn runzeln musste, wenn er ins Spiel trat, lenkt die Aufmerksamkeit stark von den übrigen Charakteren ab, deren eventuelle Defizite somit nicht so stark hervortreten.

Der zivilisationskritische Aspekt wird durch die Entdeckungen der Jugendlichen stärker hervorgehoben: Der Mensch als höchstes Wesen und die Handlungsweisen der Charaktere im Umgang mit fremden Spezies werden kritisch hinterfragt. Das Aufeinandertreffen mit den Squids ist eines der Höhepunkte des Romans – hier entblößt der Autor das gesamte Potenzial seines Szenarios. Gerne mehr in diese Richtung, Herr Thiemeyer!

Leider ist auch in „Der Turm der Gefangenen“ ein frühes Stadium der Orientierungslosigkeit festzustellen. Welcher Aspekt fungiert als treibende Kraft; wohin entwickelt sich die Geschichte fort? – Fragen, die (noch) keine Antwort finden. Das Aufsuchen der Zeitspringer als mögliche Rückkehr nach Hause; das Sammeln von Informationen über den Verbleib der Menschheit; die Auseinandersetzung mit der Spezies der Squids; das Retten der Burgleute; die Flucht und die sich entflammende Liebesgeschichte zwischen den Hauptfiguren – das alles sind Handlungsstränge, die wie in dem Roman angerissen werden, aber wie Puzzleteile auf die Verbindung untereinander warten. Und so wird sich erst rückwirkend mit dem Ende des dritten Teils herausstellen können, wie ich die gesamte Trilogie empfinde. Denn erst da zeigt sich, welchen Weg der Autor für seine Reihe vorsieht und einschlägt.

Insgesamt bleibt die vorliegende Lektüre etwa auf dem gleichen Niveau wie sein Vorgänger, wenn sie nicht sogar ein kleines Stück besser ist. Ein offenes und vielversprechendes Ende machen Lust auf den abschließenden Band der Reihe. Denjenigen, die den ersten mochten, kann ich also diesen zweiten Teil ebenfalls ans Herz legen.

„Evolution: Der Turm der Gefangenen“ ist eine packende Fortsetzung, die die Handlung auf ähnlichem Niveau wie ihr Vorgänger weiterführt.