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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 585 Bewertungen
Bewertung vom 13.09.2022
SCHNEE
Sigurdardóttir, Yrsa

SCHNEE


ausgezeichnet

Was ist Realität, was sind aus Angst geborene Halluzinationen?

Das minimalistische Cover wirkt auf mich sehr anziehend und passt perfekt zum Buchinhalt. Der Name der Autorin spricht für Spannung. Und das Setting im isländischen Winter noch viel mehr. Rundum: Für mich war dieser Thriller ein sehr gelungenes, schaurig-spannendes Leseerlebnis, weil es psychologisch außerordentlich gekonnt die Grenzen verwischt zwischen der nüchternen Realität und den durch Ausnahmesituationen ausgelösten, angstinduzierten Halluzinationen. Was so oder ähnlich tatsächlich geschehen kann und nichts mit Mystik oder Übersinnlichem zu tun hat. Denn unser Gehirn unterliegt sehr leicht Trugbildern, wenn es an seine Grenzen gebracht wird.

Der fesselnde Prolog nimmt den Leser sofort gefangen. Ein halb verrotteter Kinderschuh mit einem kaum lesbaren eingestickten Namen wird gefunden und gibt Rätsel auf. Ein weiterer Handlungsstrang öffnet sich und erzählt von vier Freunden, die aus Lust am Abenteuer zu einer Wanderung starten durch den tiefsten Schnee im Hochland Islands, weit ab von jeglicher Zivilisation. Und wir erfahren von einer einsamen Radarstation, in der ein einsamer Mitarbeiter in einsamen Stunden Seltsames erlebt.

Der Thriller braucht eine Weile, bis er die einzelnen Perspektiven und Protagonisten ins Spiel gebracht hat. Aber dennoch liegt bereits von Beginn an eine kalt-gefährliche Stimmung über allem und allen. Als sich eine Suchmannschaft auf den Weg macht, die inzwischen vermissten vier Freunde in dem riesigen Gebiet der Schneewildnis zu suchen, nimmt der Thriller zunehmend Fahrt auf. Und es kroch beim Lesen die eisige Kälte und das Grauen tiefer und tiefer in mich hinein, was die gekonnt gesetzten Cliffhänger noch verstärkten. Faszinierend gestrickt von der Autorin ist der Plot, in dem letztlich scheinbar Unzusammenhängendes doch noch eine Erklärung findet.

Für mich war das Buch ein psychologisch kluger, aufregend konstruierter Thriller, der mir so manchen eiskalten Schauer bescherte.

Bewertung vom 13.09.2022
Casa Zarrella
Zarrella, Jana Ina;Lafer, Johann

Casa Zarrella


weniger gut

Ein unnützes Kochbuch

Wenn mir schon das Konterfei eines Semi-Prominenten auf einem Kochbuch entgegenlächelt, erwacht in mir das Misstrauen. Im vorliegenden Buch werden sogar zwei Zugpferde vor den Verkaufskarren gespannt: Frau Zarrella und Johann Lafer. Alles klar!

Leider wird versäumt, auf dem Cover oder als Untertitel oder sonstwie deutlich zu machen, dass es sich um vegetarische Rezepte handelt. Das ist schade, denn eigentlich wäre das ein wichtiges Merkmal für dieses Kochbuch. Allerdings frage ich mich dabei auch, wo da der versprochene brasilianische Einschlag, der ja wirklich sehr fleischlastig wäre, geblieben ist.

Johann Lafer’s Tipps sind mehr oder weniger trivial und bringen mir leider keine neuen Erkenntnisse. Zwiebeln soll man mit einem scharfen Messer schneiden. Und Aufräumen ist auch gut. Ein Wochenplan ist auch nicht schlecht. Und so geht es weiter mit trivialen „Hacks“, die seit Jahren in jeder beliebigen Frauenzeitschrift zu finden sind.

Doch weiter geht es zu den Rezepten. Tja, da lese ich dann, dass man eine gute Küchenmaschine benötigt, wenn man gefrorene Früchte mixen möchte. Soso…. Und Acai-Bohnen fürs Frühstück bekomme ich im Online-Handel. Toll. Als Maßeinheit eine Tasse benutzen. Gut, dass mir Frau Zarrella diesen Rat gibt. Und so geht es weiter und weiter. Triviale Anweisungen oder Tipps, die mich, je mehr ich davon lese, richtig gehend ärgern.
Ab und zu finde ich allerdings doch ein Rezept, das meine Aufmerksamkeit erregt. So zum Beispiel die gesunde Version einer Schoko-Nuss-Creme. Gerade für Kinder wirklich sinnvoll. Doch ansonsten sind die Rezepte Durchschnitt. Gemüsesticks in einen Dip tauchen? Kürbis-Möhren-Suppe? Oder gar eine Tomatensuppe? Chili sin carne? Ach ja, nicht zu vergessen, eine Tomatensauce. Wow! Dafür darf ich 26 € bezahlen. Frau Zarrella und Herrn Lafer freut’s.

Bewertung vom 06.09.2022
Wer mit den Toten spricht / Raven & Flyte ermitteln Bd.2
Turner, A. K.

Wer mit den Toten spricht / Raven & Flyte ermitteln Bd.2


gut

Der zweite Band hat mich leider sehr enttäuscht

Ich war so begeistert gewesen von Band 1 „Tote schweigen nie“, dass ich mich voller Vorfreude auf Band 2 stürzte. Doch welch eine Enttäuschung! Wenig bis fast keine Thriller-Elemente, sondern das Ausschöpfen familiärer Dramen, was sicher erläuternd oder erklärend zu Band 1 zu verstehen ist, aber letztlich durch seine detailreichen Längen mühsam bis langweilig zu lesen ist – weit, weit weg vom faszinierend-geistreichen und spannungsreichen Reiz von Band 1.

Cassie Raven, die ungewöhnliche, tattooreiche, der Gothic-Szene nahe und doch so sensibel-feinfühlige Sektionsassistentin erfährt, dass ihre geliebte Großmutter sie von Kindheit an belogen hatte. Die Eltern von Cassie waren nicht, wie sie so viele Jahre geglaubt hatte, durch einen Unfall ums Leben gekommen, sondern stattdessen war ihr Vater für den brutalen Mord an ihrer Mutter verurteilt worden und saß 17 Jahre im Gefängnis. Cassie ist völlig durcheinander. Dass Cassies Vater plötzlich bei ihr auftaucht und behauptet, am Tod der Mutter unschuldig zu sein, bringt noch mehr Erschütterung in Cassies Leben. DS Phyllida Flyte, mit deren Hilfe sie ihren ersten Fall gelöst hatte, hilft ihr auch dieses Mal bei den Recherchen, wobei sich immer weitere Fragen auftun, denn die dumpfen Kindheitserinnerungen von Cassie bringen keine Klarheit. Doch auch Phyllida hat mit einer privaten Tragödie zu kämpfen. Und beide schlagen sich mit Schuldgefühlen herum.

Nein, ein Thriller ist das nicht, ganz und gar nicht. Da kann auch nicht das letzte Drittel des Buches, in dem die Geschichte endlich Fahrt aufnimmt, etwas daran ändern. Die breit und detailreich ausgewalzten persönlichen Familiengeschichten sind durchaus gut geschrieben und können im besten Sinn einem gemächlichen Kriminalroman zugeordnet werden. Aber den geistreichen, intelligenten und spannungsreichen Charme des ersten Bandes konnte ich in Band 2 leider nicht entdecken. Sehr schade!

Bewertung vom 03.09.2022
Uli & Knud
Posch, Gertrud

Uli & Knud


ausgezeichnet

Originelle und kluge Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft

Mir war bislang noch kein Bilderbuch in die Hände gekommen, das sich um einen Kraken dreht, geschweige denn um die Freundschaft zwischen einem Jungen und einem Kraken. Das ist schon etwas ganz Besonderes!

Knud würde gerne Forscher werden oder Kapitän. Glücklicherweise hat er eine Dauerkarte für ein großes Aquarium gewonnen, und da verbringt er sehr viel Zeit. In einem viel zu kleinen Bassin wohnt dort der Krake Uli, ein sehr trauriger Krake, denn das Leben in dem Bassin ist langweilig, und der Krake möchte so gerne zurück in sein Zuhause, in das große weite Meer. Knud versteht das sehr gut und je länger er Uli beobachtet, umso dringender möchte er dem Kraken helfen. Er schmiedet einen Plan… Was dann alles passiert mit Uli und Knud an Aufregendem und Lustigem, das müsst ihr unbedingt selbst anschauen und euch vorlesen lassen!

Die Illustrationen, offenbar von der Autorin selbst gezeichnet, sind sehr dynamisch, lebendig, ausdrucksstark und detailreich. Da gibt es viel zu entdecken, wenn man ganz genau hinschaut. Auch allerlei Witziges ist auf den Bildern versteckt, denn Uli und Knud treiben es ganz schön wild. Niemand ist sicher vor Ulis lustigen Ideen, aber bald wird klar: Uli braucht mehr, er braucht seine Freiheit in seinem ureigensten Element, dem Meer. Und weil Knud ein wahrer Freund ist, lässt er Uli schließlich ziehen. Doch die Geschichte endet nicht mit Tränen, im Gegenteil…

Das Bilderbuch erzählt eine schöne Geschichte der Freundschaft, in der es darum geht, auf die Bedürfnisse des anderen zu achten, nicht nur das zu verfolgen, was man selbst möchte. Die Bebilderung und die Geschichte hätten vielleicht ein wenig intensivere Farben vertragen, denn das Wassergrün überwiegt auf allen Seiten. Aber die Ausdrucksstärke ist beeindruckend und unterstreicht das Vorgelesene ganz unmittelbar. Sehr gelungen!

Bewertung vom 23.08.2022
Liebe machen
Fröhlich, Susanne;Kleis, Constanze

Liebe machen


schlecht

Schreiendes Pink macht das Buch auch nicht besser

Wenn sich „Spiegel-Bestseller-Autorinnen“ ein Jahr darüber unterhalten, wie viel Zeit zwei Menschen zusammen verbringen sollten oder wann man dem neuen Mann seine Kinder vorstellen sollte oder ähnlich essentielle Themen wälzen - wenn man also diese Unterhaltungen dann mehr oder weniger öde gesammelt in heftiges Pink verpackt und dem Ganzen noch den , sorry, saublöden Titel „Liebe machen“ verpasst, dann bleibt mir nur noch, den Kopf zu schütteln. Das Machwerk ist mir schlichtweg zu unsinnig, um es komplett zu lesen und meine Lebenszeit damit zu verplempern.

Herrjeh, wie schafft man es nur, Probleme zu verbalisieren, die man vor Lektüre des Buches gar nicht hatte? Wie schafft man es, diesen blödsinnigen Titel „Liebe machen“ derart ungeniert mit Klischees, Oberflächlichkeiten und journalistisch geübtem Pseudowitz zu füllen? Der Mann geistert als Beute durch die Seiten, die Frauen definieren sich über den dank toller Schamhaarfrisur erbeuteten, chemisch anziehenden Mann – wie armselig, wie hintergestrig – und wie traurig! Und ja, dank der mehrfachen Wiederholungen habe sogar ich es verstanden: Susanne Fröhlich ist eine erfolgreiche, kluge Frau, die genug Geld verdient und bekannt ist. Die Beute soll das ruhig wissen, aber sich darüber nicht beunruhigen. Schön, dass wir das nun auch wissen. Ja klar, Emanzipation ist wichtig. Aber der Mann soll doch bitteschön den ersten Restaurantbesuch zahlen. Und was mache ich, wenn es nicht „matcht“? Was ist das? Tolle Sprache.

Die eine Autorin ist schon lange verheiratet, die andere frisch verliebt. Offenbar reicht das, um sich anzumaßen, die erdachten Fragen selbstsicher „wissend“ und „klug“ zu beantworten. Was für Zeitschriftenartikel genügen mag, wirkt in diesem Buch sowohl unglaubwürdig als auch sehr fragwürdig. Denn die Antworten sind teils unausgereift, teils respektlos, teils emanzipierter Frauen nicht würdig und würden übrigens einem lebensklugen und reifen Menschen niemals in den Sinn kommen.

Bewertung vom 23.08.2022
Ein dunkler Ort / Felix Bruch Bd.1
Goldammer, Frank

Ein dunkler Ort / Felix Bruch Bd.1


gut

Auf die Nerven gehende psychisch gestörte Ermittler langweilen

Vom Autor hatte ich bislang keines seiner Bücher gelesen. Insofern war ich unvoreingenommen neugierig. Und am Ende des Buches, das bis zu Ende zu lesen mir viel Überwindung kostete, blieb nichts als Enttäuschung und die Gewissheit, von Frank Goldammer nichts mehr lesen zu wollen.

Der erste Fall um die Ermittler Bruch und Schauer wird als „spannend, beklemmend, einzigartig“ angepriesen. „Einzigartig“ war jedoch das einzige Adjektiv, das ich als zutreffend bezeichnen würde. Der Kriminalroman war für mich einzigartig langweilig, einzigartig abstoßend und einzigartig unglaubwürdig. Felix Bruch ist ein undurchsichtiger, ungewaschener, ungehobelter Ermittler, der stumm und eigenbrötlerisch sein Ding macht. Seine neue Partnerin Nicole Schauer fällt durch vieles Reden auf (aus Sicht von Bruch) und bringt, wie könnte es anders sein, ebenfalls schwerwiegende private Probleme mit. Offensichtlich gibt es in der aktuellen Thriller- und Kriminalliteratur nur noch ge- und verstörte, durch frühere oder akute Traumata beeinträchtigte Ermittler. Der aktuelle Fall eines verschwundenen Mädchens mit Parallelen zu einem früheren Geschehnis, in dem ein ebenfalls verschwundenes Mädchen nach zwei Wochen zurückgekehrt war, würde eigentlich die Zusammenarbeit zwischen Bruch und Schauer erfordern, aber der völlig empathielose, sich mit Tabletten durch den Tag bringende Bruch und die unbeherrschte, aggressive Schauer schaffen es, dass mir als Leser der Fall irgendwann völlig egal wurde. Zu lang, zu breit und dennoch Hintergründe oder Ursachen nicht erläuternd, wurden die seelischen und sozialen Defizite der beiden Ermittler breit getreten und in immer neuen unmöglichen Situationen „eingearbeitet“. Langweiliger und unsympathischer ging es nicht mehr! Erst gegen Schluss kam Fahrt in die eigentliche Krimi-Handlung – für mich jedoch zu spät.

Fazit: Zwei unsympathische Ermittler, die durch ihre breitgetretenen psychischen Defizite dem Leser auf die Nerven gehen, was den eigentlich guten Plot des Kriminalromans insgesamt langweilig und unglaubwürdig macht.

Bewertung vom 17.08.2022
Agnes und der Traumschlüssel
Tolonen, Tuutikki

Agnes und der Traumschlüssel


ausgezeichnet

Eine kluge und sensible Geschichte, die ganz ohne Getöse auskommt

Wie schön, mit dem vorliegenden Buch endlich wieder einmal eine Geschichte gefunden zu haben, die sich aus den vielen lauten, um Aufmerksamkeit heischenden Kinderbüchern erfreulich positiv heraushebt. Tuutikki Tolonen, eine engagierte Autorin, erzählt uns hier eine träumische, leise, feine Geschichte, die ganz ohne Getöse auskommt und dennoch sehr spannend zu lesen ist.

Die 11-jährige Agnes ist mit ihrer Mutter aus der teueren Großstadt Helsinki in den kleinen Ort Harmala gezogen. „Weil der Mensch eine Herde braucht“, versuchen Agnes und ihre Mutter dort so schnell wie möglich neue Menschen kennen zu lernen. Agnes hilft sofort einem alten Nachbarn, der nicht mehr die Kraft hat, seinen Hund Oskar auszuführen. Das übernimmt Agnes sehr gerne. Mit Oskar zusammen streift sie durch den Ort und findet sich plötzlich in einem alten Friedhof wieder. Wie seltsam: ein sehr alter, vermooster Grabstein trägt doch tatsächlich den gleichen Namen wie Agnes und das identische Geburtsdatum, allerdings die Jahreszahl 1938. Wer war dieses Mädchen, das anscheinend nur einen Tag gelebt hat? Glücklicherweise hilft ihr bei den Nachforschungen der Nachbarsjunge Muffin. Aber auch die seltsamen Träume von Agnes scheinen helfen zu wollen. Sogar Oskar trägt seinen Teil bei zur Lösung des Rätsels. Wie, das müsst ihr unbedingt selbst lesen.

Die Autorin versteht es außerordentlich gut, kindgerecht und gut verständlich zu schreiben, dabei durchaus etliche schwierige Themen einzubauen, ohne dass sie belastend wirken. Ganz leicht, feinfühlig und fast ein wenig träumerisch wird erzählt. Dabei bewirken rätselhafte Träume und fast mystisch wirkende Vorkommnisse eine permanente Spannung, die zum Weiterlesen drängt. Die zart-schönen Illustrationen von Kati Vuorento, die wie aus der Zeit gefallen wirken, passen perfekt zum Buchinhalt. „…Vielleicht hatte alles, auch eine schlechte Erfahrung, eine Art Sinn…“ Wie wahr!

Fazit: Ein sensibles, kluges, feines Kinderbuch, das zum Mehrfachlesen einlädt.

Bewertung vom 15.08.2022
1001 Motive zeichnen - ganz einfach
Rechl, Christine

1001 Motive zeichnen - ganz einfach


ausgezeichnet

Schafft Selbstvertrauen

In meiner Kindheit vor mehr als 65 Jahren habe ich das letzte Mal gezeichnet und war damals schon völlig untalentiert. Ich hatte ein Buch „Punkt, Punkt, Komma, Strich“, das ein wenig Ähnlichkeit hatte mit dem vorliegenden Buch. Das zeichnete ich damals akribisch genau nach und war nie zufrieden mit dem Ergebnis. Viele Jahre später war ich fasziniert, wie mein (verstorbener) Mann, von Beruf Architekt, aus dem Nichts heraus alles zeichnen konnte, was ihm in den Sinn kam. Das bestätigte meine Überzeugung, selbst nicht zeichnen zu können.

Die Autorin Christine Rechl zeigt mit dem vorliegenden Buch, dass es ganz einfach sein kann zu zeichnen. Lust muss man dazu haben und sich erst einmal an einfache Dinge wagen. Und wenn vorgegeben wird, in welchen Teilschritten man vorgehen kann, dann gelingt sogar Aladins Wunderlampe. Zu Beginn des Buches werden einige Grundlagen in Kurzform dargestellt, die ich als sehr hilfreich empfand. Zum Beispiel sind Größenverhältnisse und perspektivisches Anordnen durch diese Anleitungen gar nicht mehr so unüberwindlich schwierig. Das Erläutern des Kindchenschemas anhand des Elefanten hatte für mich einen richtigen Aha-Effekt. Oder auch am Beispiel des Schafs sichtbar zu machen, wie Gefühle, wie Emotionen und Bewegungen relativ einfach zum Ausdruck zu bringen sind. Die Fülle an teils witzigen Motiven bietet eine schier unerschöpfliche Quelle an Ideen. Ich habe mir angewöhnt, bei jeder kleinen Pause irgendein Motiv mehrfach hintereinander zu zeichnen und war bzw. bin sehr erstaunt, wie aus den ersten ungelenken Strichen nach und nach mit mehr Leichtigkeit etwas entsteht, das sogar meinem kritischen Blick standhält.

Fazit: Das Buch vermittelt auf ganz einfache Weise Spaß am Zeichnen. Einziger Kritikpunkt ist für mich die Sortierung innerhalb des Buches, die mir sehr willkürlich erscheint. Gut, dass das Register am Ende bei der Motivsuche hilft. Wobei ich mich frage, ob jemand tatsächlich nach „Regenbogenforelle“ sucht oder nach „Hahnenfuß“…

Bewertung vom 12.08.2022
Das siebte Mädchen (eBook, ePUB)
Willingham, Stacy

Das siebte Mädchen (eBook, ePUB)


sehr gut

Moderate Spannung, handwerklich gut geschrieben

Ein Debüt ist für mich stets generell eine spannende Lektüre. Was habe ich von der Autorin zu erwarten? Bietet sie Neues, Ungewöhnliches? Oder betritt sie mehr oder weniger gekonnt bereits ausgetretene Pfade? Alles ist offen bei einem Debüt.

Journalistisch geschult schreibt Stacy Willingham gekonnt, mit atmosphärisch dichten Schilderungen, leicht lesbar und schlüssig in der Handlung. Sehr beeindruckt hat mich die Beschreibung der Kulisse der undurchdringlich sumpfigen Natur rund um Louisiana, die auf unheimliche Weise ihre Geheimnisse verborgen hält. Das Thriller-Debüt ist kein Buch, das mit der Tür ins Haus fällt. Langsam entwickelt sich die Handlung, man erfährt nur schrittweise mehr. Doch leider, ärgerlich und unnötig, bedient die Autorin mit der Hauptperson Chloe, einer promovierten Psychologin in eigener Praxis, die landläufige Klischeemeinung, dass Psychiater oder Psychologen selbst therapiebedürftig seien. Denn Chloe, nach außen hin perfekt, kann ein tiefliegendes Trauma nur mit Tabletten aus ihrem Alltagsbewusstsein heraushalten. Ihr Vater, an den sie nur positive Erinnerungen hat, sitzt im Gefängnis, verurteilt als Serienmörder. Er hatte gestanden, für das Verschwinden von sechs Teenagern verantwortlich zu sein, obwohl deren Leichen nie gefunden worden waren. Exakt 20 Jahre später verschwindet eine von Chloe’s Patientinnen. Ein Bewunderer des Vaters, der ihn zum Jahrestag nachahmt? Oder der wahre Täter, der immer noch frei ist?
Meisterlich schafft es die Autorin, auf intensive Weise innerste Regungen der handelnden Personen zu beschreiben und nachspürbar werden zu lassen. Trotz der oft kleinzelligen Beschreibungen von Umfeld und anderen äußeren Gegebenheiten wächst dadurch ganz leise, fast unbemerkt, die Spannung an, um schließlich gegen Ende des Buches sich geradezu zu überschlagen und das Geschehene in Vergangenheit und Gegenwart aufzulösen – allerdings für den aufmerksamen Leser leider ohne wirkliche Überraschung.

Fazit: Das Debüt hat mir weitgehend gut gefallen, wobei zu hoffen ist, dass die Autorin in Zukunft zu ungewöhnlicheren Plots ohne Klischees findet.

Bewertung vom 09.08.2022
Elternhaus
Mentges, Jennifer

Elternhaus


sehr gut

Drohendes Unheil von der ersten Seite an

Allein schon die Szenerie einer seit Jahren leer stehenden Villa, dunkel und irgendwie abweisend, vermittelt unangenehme Gefühle, so wie sie das Cover perfekt einfängt. Der Barpianist Tobias Hansen beobachtet seit Jahren, im Auto sitzend, das Haus im noblen Hamburger Vorort. Jahre vergehen. Schließlich verliebt sich Yvette Winkler in die Villa, träumt sich weg aus ihrem von der Schwiegermutter bevormundeten Leben in Österreich hin in ihre frühere Heimatstadt, in der sie für ihre Familie das ideale Nest gefunden zu haben glaubt. Viel Platz für ihre vier Kinder, viel Platz für geschmackvolle Neugestaltung. Ihr Mann stimmt dem Umzug zu. Doch was ist mit Tobias Hansen? Er freundet sich mit der Familie an, gibt den Kindern Klavierunterricht. Doch was will er wirklich und warum?

Aus verschiedenen Perspektiven erzählt die Autorin eine Geschichte, die ihre Spannung schöpft aus der nicht greifbaren, aber immanent vorhandenen Bedrohung, die über viele Seiten hinweg nicht erklärbar ist und damit die Spannung immer aufrecht erhält. Für mich ist der Roman eher ein Psychothriller als ein Thriller. Zumindest legt die Autorin sehr viel Wert auf die psychologisch nachvollziehbare Ausgestaltung der Protagonisten, die allesamt auf ganz unterschiedliche Weise beschädigte Seelen sind und im Aufeinandertreffen der Eskalation nicht mehr entkommen können. Dieses schicksalhafte und fast unaufhaltsam wirkende Aufeinander-Zubewegen der ganz unterschiedlichen Menschen mit ihren verborgenen Sehnsüchten, Defiziten und Traumata löst im Leser von Seite zu Seite wachsende spannend-bedrohliche unheilvolle Gefühle aus. Gerade dadurch, dass sich erst im Laufe des Lesens die einzelnen Szenen zu einem Gesamtbild zusammenfügen, dass sich erst nach und nach die Psychogramme der Protagonisten erschließen, wird die unaufhaltsam wachsende Gefahr real.

Fazit: Psychothriller mit sehr spannendem Aufbau, leicht lesbarem und schönem Sprachstil, mit psychologisch interessant dargestellten Protagonisten, dem ich allerdings etwas mehr Tiefe gewünscht hätte. Auf jeden Fall eine ideale fesselnde Sommerlektüre.