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Benutzername: 
brauchnix
Wohnort: 
München

Bewertungen

Insgesamt 154 Bewertungen
Bewertung vom 20.08.2017
Underground Railroad
Whitehead, Colson

Underground Railroad


ausgezeichnet

Der Titel dieses Buches erschließt sich erst nach einer ganzen Weile. Underground Railroad bezeichnet die geheimen Fluchtwege, auf denen Sklaven aus dem Süden der USA in Staaten fliehen konnten, wo die Sklaverei unüblich oder gar verboten war. Dabei waren die Schlepper die Zugführer, die Passagiere die fliehenden Sklaven usw. Dieses Bild vor Augen kann man eintauchen in eine Geschichte, die traurig und dramatisch, deprimierend aber auch positiv auf die damaligen Probleme und menschlichen Schicksale zurückblickt.
Die Mutter von Cora, selbst Sklavin, kann fliehen und lässt ihre Tochter jung und schutzlos zurück. So muss sie Gewalt und Missbrauch erdulden und erst den eigenen Mut finden, um selbst die Flucht zu wagen. Der Weg in die Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben ist lang, hart und voller Gefahren. Verfolgt von einem Sklavenjäger muss Cora mit Hilfe vieler Helfer immer weiter davonlaufen. Dabei lernt der Leser ihren Mut und ihre Kraft schätzen, ist erschrocken über die Unmenschlichkeit der damaligen Gesellschaft, erfährt mehr als er zu wissen glaubte.
In kraftvoller Sprache geschrieben besticht das Buch durch seine Wahrhaftigkeit und sollte unbedingt gelesen werden.

Bewertung vom 20.08.2017
Kein guter Ort
Stäber, Bernhard

Kein guter Ort


sehr gut

Kein guter Ort ist der dritte Teil einer Reihe des deutschen Autors Bernhard Stäber, der vor Jahren nach Norwegen ausgewandert ist. Eben dort spielen auch die Kriminalromane um die Kommissarin Kari und den Psychologen Arne. Ich kenne die Vorgängerbände nicht, bin auch gut in die Reihe reingekommen. Es wird einiges aus den ersten zwei Büchern angerissen und erwähnt. Dadurch weiß man auch als Quereinsteiger genug, um der Handlung zu folgen und sich nicht ständig nach den Zusammenhängen zu fragen.

Der Plot beginnt ziemlich langsam und nicht wie sonst in Kriminalromanen mit einem Mord – also zumindest nicht mit einem, der für den eigentlichen Plot zu tun hat. Er nach und nach kommt dem Leser, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Wer den Klappentext nur überflogen hat, wie ich, wird überrascht sein, wenn man denn in der Rabenschlucht und bei einem mysteriösen unheimlichen alten Haus gelandet ist. Auch dass eine wichtige Person eine drogenabhängige Studentin ist, die die Sache erst ins Rollen bringt, wirkt ungewöhnlich und durchaus neu.

Der Fall an sich ist eher nebensächlich, finde ich. Im Mittelpunkt stehen die Charaktere, ihre Wünsche und Motivationen, ihre Gedanken. Der Krimi ist weder besonders blutig noch wirklich nordisch. Ich finde, man merkt ihm durchaus den deutschen Autor an. Allerdings sind die Darsteller fast alle Norweger und haben durchaus norwegische Eigenheiten. Die norwegische Mentalität und die gesellschaftspolitische Lage kommen im Buch ebenso vor, wie psychologische und mystische Elemente.

Ein unterhaltsamer Roman. Vier von fünf Sternen.

Bewertung vom 09.08.2017
Eine von uns
Cummings, Harriet

Eine von uns


gut

Eigentlich habe ich mit „Eine von uns“ genau das bekommen, was ich erwartet hatte. Es spielt in den 1980er Jahren in einem kleinen englischen Dorf. Die Dorfidylle, die wie nicht anders zu erwarten, teilweise trügerisch ist, wird gut beschrieben und erinnert an entsprechende BBC-Filme. Das leicht provinzielle und etwas überhebliche Gehabe einiger Protagonisten trifft genau meine Vorstellung von einem englischen Roman. Auch die Idee der Geschichte, die einen tatsächlichen „Fox“ beschreibt, der aber ganz anders agierte, hat mir gefallen. Die Autorin macht sich auch die Mühe, ein paar Fragen zu Fiktion und Wahrheit zu beantworten.

Allerdings hat mich der Wechsel der Personen nicht überzeugen können, da nur eine mich fesseln konnte, nämlich die des Dorfpolizisten. Das wäre auch meine bevorzugte Stimme in diesem Roman gewesen. Der Präsens stört mich weniger. In diese Art des Schreibstils finde ich mich eigentlich immer ganz gut ein. Leider ist die Sprache oft etwas geschraubt und ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Diaologe in einer Verfilmung noch lebensecht wirken würden. Jemand hat erwähnt, dies läge vielleicht am österreichischen Übersetzer. Ich denke eher, es ist ganz allgemein das falsche Jahrhundert, in dem man diese Sprache ansiedeln würde. So historisch ist das Buch ja wirklich nicht.

Ich würde es als Unterhaltungsroman mit leichten Spannungselementen sehen – obwohl es ja eigentlich ein Kriminalfall ist, der hier erzählt wird. Aber schon der Titel verrät mehr, als ich es mir gewünscht hätte. Mich konnte das Buch nicht wirklich fesseln.

Bewertung vom 09.08.2017
Der Sandmaler
Mankell, Henning

Der Sandmaler


ausgezeichnet

Dass der Sandmaler schon 1974 geschrieben wurde, hat mich wirklich überrascht. Ich denke mal er spielt zu der Zeit, als auch Henning Mankell für sich persönlich den afrikanischen Kontinent entdeckt hat und sein Herz daran verloren hat. Im Buch übernehmen zwei Menschen diesen Prozess stellvertretend für die Empfindungen des Autors. Elizabeth hat gerade ihr Studium abgeschlossenen und möchte eine Urlaubsreise nach Afrika machen. Während sie aber sehr schnell die Abgründe der Politik und die Nöte der Menschen erkennt, ist Stefan ihr Bekannter erst mal nur auf Entspannung und Touristik eingestellt.

Mankell spricht durch seine zwei Protagonisten über seinen eigenen und die Erfahrungen vieler anderer Menschen. Ich fühlte mich ein paar Mal an eigene Erfahrungen erinnert, die ich dieses Frühjahr in Südafrika gemacht habe. Natürlich merkt man an mancher Stelle, dass das schon wieder fast 40 Jahre zwischen dem Buch und der Jetztzeit liegen. Aber das Meiste ist zeitlos und passt tatsächlich auch heute noch, denn Afrika entwickelt sich nur langsam und erfährt immer wieder Rückschläge durch grausame Kriege.

Ein interessantes Büchlein – welches freilich mit dem Krimiautor Mankell überhaupt nichts zu tun hat. Das sollte man vorher wissen.

Das Cover ist perfekt gewählt und in natura wunderschön.

Bewertung vom 09.08.2017
Die Fährte des Wolfes / Zack Herry Bd.1
Kallentoft, Mons;Lutteman, Markus

Die Fährte des Wolfes / Zack Herry Bd.1


sehr gut

Zack Herry ist der aufgehende Stern am Himmel des Morddezernats. Jung, dynamisch, unangepasst, ehrgeizig. Keiner darf wissen, dass er im Privatleben gerne mal über die Stränge schlägt, Drogen nimmt, mit dem ein oder anderen Verbrecher sogar Freundschaften pflegt. Zack ist besorgt, dass alles auffliegen könnte. Derweilen muss er aber auch in einer Sonderkommission ermitteln, denn es kam zu einem brutalen Massenmord. Vier Thailänderinnen wurden in einer Nacht in einem Massagesalon grausam hingerichtet. Handelt es sich um einen Psychopathen oder steckt doch etwas anderes dahinter.

Gut gefallen hat mir der Schreibstil, der tatsächlich ein bisschen an Jo Nesbo erinnert. Allerdings ist Zack bei weitem nicht so ein komplexer Charakter wie Harry Hole und er ist auch noch besser integriert in seinem Dezernat. Aber ist ja auch noch jünger und es ist durchaus spannend seiner Entwicklung zu folgen und seinen noch etwas planlosen Versuchen, seinen Job und seine dunklen Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen.

Die Mordfälle behandeln aktuelle Themen – ich möchte hier nicht zu viel verraten, aber es sind Themen, die in der skandinavischen und der europäischen Gesellschaft in den letzten Jahren immer mehr an Brisanz zugenommen haben. Also durchaus ein Krimi, der in seine Zeit passt. Wie auch der Kommissar.
Eine interessante Neuentdeckung für mich und ich werde Zack Herry im Auge behalten.

Bewertung vom 26.07.2017
Die Stadt des Zaren / Sankt-Petersburg-Roman Bd.1
Sahler, Martina

Die Stadt des Zaren / Sankt-Petersburg-Roman Bd.1


ausgezeichnet

Von Martina Sahler habe ich bereits eine Russlandsage gelesen in der deutsche Auswanderer ihr Glück im Osten suchen und eine Kolonie aufbauen. Und wieder ist es ein russisches Thema, worauf freilich schon der Titel „Die Stadt des Zaren“ hindeutet.

Zar Peter lässt Anfang des 18.ten Jahrhunderts Sankt Petersburg entstehen. Er ist ein Visionär. Nicht nur, was den schwierigen Bau dieser großen Stadt betrifft, sondern auch die Zukunft Russlands als Großmacht zu Land und zu Wasser hat er stets im Blick. Es ist ungemein spannend, was Martina Sahler hier Geschichtliches ausgegraben und für den Leser aufbereitet hat. Um sämtliche Facetten der Geschehnisse beleuchten zu können gibt es eine Vielzahl an Charakteren aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten, die das Buch bevölkern. Ein deutscher Arzt und ein italienischer Architekt ebenso wie ein schwedischer Kriegsgefangener, der sich in eine junge Deutsche verliebt. Der Erzählstil der Autorin ist eine Mischung aus Roman und Geschichtsbuch. Mehr als vielleicht in anderen Büchern merkt man dem Text diese Symbiose an. Dies ist keineswegs von Nachteil aber man darf sich nicht wundern, dass den Protagonisten so einiges zumutet wird, da sie ja stellvertretend für all die Menschen stehen, deren Schicksal Martina Sahler erzählen wollte. Naturkatastrophen und Kriege, politische Ränke und persönliche Schicksalschläge, Tod und Liebe; das Buch ist prall gefüllt und die Seiten fliegen nur so dahin.

Mir hat der neue Roman von Martina Sahler ausgesprochen gut gefallen. Ich kann es rundherum empfehlen.

Bewertung vom 15.07.2017
Swing Time
Smith, Zadie

Swing Time


weniger gut

„Swing Time“ von Zadie Smith war mein erste Buch dieser Autorin und ich war wirklich gespannt darauf. Leider musst ich mich ziemlich damit abquälen und habe im letzten Drittel – ehrlich gesagt – ein paar Mal quer gelesen, weil ich endlich fertig werden wollte.

Zwei Mädchen, beide Mischlingskinder, lernen sich kennen und werden Freundinnen. Warum nur die eine einen Namen bekommt – Tracey – und die andere ein dickes Buch durch namenlos bleibt, ist mir ein Rätsel. Genau erging es mir dann mit der Empathie für die beiden. Die konnte ich nämlich nicht wirklich aufbringen. Denn die Autorin hat so viel zu sagen, dass sie ihre Charaktere meiner Meinung nach etwas vergisst und statt dessen von einem Thema zum nächsten springt und die Mädchen, also zumindest die namenlose, sich in den Geschehnissen und dann auch aus den Augen verlieren.

Irgendwie interessierte mich irgendwann nicht mehr wirklich, wie das alles ausgeht und am Ende fand ich auch nicht, dass der Bogen zum Schluss klug gespannt war. Es wirkte alles etwas abrupt und teilweise zusammenhanglos. Das ganze Buch war so gar nicht mein Fall. Leider.