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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
buchwürmchen
Wohnort: 
reutlingen
Über mich: 
Das Leben ist viel zu kurz um schlechte Bücher zu lesen!

Bewertungen

Insgesamt 449 Bewertungen
Bewertung vom 17.03.2016
Oblomow
Gontscharow, Iwan Aleksandrowitsch

Oblomow


ausgezeichnet

Unser Protagonist Oblomow ist Großgrundbesitzer, lebt seit 12 Jahren in St. Petersburg und seither besuchte er sein Gut nicht mehr. Obwohl ihn sein Verwalter hintergeht, den die Zahlungen werden immer geringer und unregelmäßiger, kann er sich nicht aufraffen nach den Rechten zu sehen. Viel lieber schmiedet er hochtrabende Pläne in seinem Boudoir, macht ausgedehnte Mittagschläfchen, verbringt den ganzen Tag im Schlafrock und empfängt gar seine Besucher in diesem. Obwohl ihn seine Freunde immer wieder zur Tat drängen, kann ihn keiner aus der eingefleischten Lethargie reißen. Bis auf sein Jugendfreund Stolz,
der schafft es sogar Oblomow mit der jungen Olga bekannt zu machen, aber selbst diese Liebe ist ihm zu anstrengend.

Obwohl Oblomow der faulste und apathischste Romanheld ist den ich je kennenlernen durfte, hat er sofort meine Sympathie gewonnen. Sein Müßiggang ist wohl exemplarisch für den russischen Landadel, in keiner Zeit davor und danach wurden so viele Besuche und Gegenbesuche vereinbart wie damals und dennoch hatten Sie alle viel übrige Zeit. Alle Charaktere sind besonders gut ausgearbeitet, jeder erhält seinen unfehlbaren Platz in der Geschichte, jeder hat seinen Sinn und trägt zum Aufbau der Erzählung bei. Für mich ein ganz besonderes Buch, das ich sicherlich nicht das letzte mal gelesen habe.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.03.2016
Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse
Meyer, Thomas

Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse


sehr gut

Lustig, witzig, selbstkritisch und ironisch, nimmt uns der Autor mit in die abgeschottete Welt des Züricher orthodoxen jungen Mannes, „Motti“ - der, wie alle männliche Juden, von seiner Mutter bis weit ins Erwachsenenalter umsorgt und verhätschelt wird. Er ist jedoch zufrieden mit dieser kleinen Blase, ja bis er die Enge seiner Welt nicht mehr hinnehmen will und zum Ausbruch bereit ist.

Ich als „Goi“ fand gerade die orthodoxen Juden bisher immer als etwas seltsam bis unheimlich, verstand rein gar nichts aus ihrem Glauben und Tradition. Nach dieser herrlichen Lektüre bin ich zwar nicht um viel klüger als zuvor, doch beruhigter in dem Wissen, dass selbst die Jugend dieser Glaubensgemeinschaft den Gesetzen und Riten skeptisch gegenüber steht.

Charmantes Buch, witzig und unterhaltsam, doch mit einem für meinen Geschmack etwas zu brüskem Ende.

Bewertung vom 10.02.2016
Chronik eines angekündigten Todes
García Márquez, Gabriel

Chronik eines angekündigten Todes


sehr gut

Eigenartig und beklemmend beginnt Gabriel Garcia Marquez dieses Buch, fast wie ein Journalist wechselt er zwischen nüchterner Berichterstattung und geschichtlicher Erzählung.
Santiago Nasar war ein noch junger Großgrundbesitzer, als er schier aus heiterem Himmel umgebracht wird. Alle Dorfbewohner wussten über den bevorstehende Mord beschein, sogar der Priester der kleinen Gemeinde, doch keiner schreitet ein. Das prunkvolle Hochzeitsfest des Bayardo San Romans mit der wunderschönen Angela Vicario endet traurig und entehrend, als Roman in der Hochzeitsnacht feststellt muss, dass diese keine Jungfrau mehr ist und sie ihrer Familie mit Schande zurückbrachte. Die Brüder der Frau sinnen nach Rache um die Ehre der Familie wiederherzustellen und ermorden den beschuldigten Nasar.

Im Gegensatz zu einem klassischen Krimi, ist hier von Beginn an klar, wer das Opfer und wer der Mörder ist, diese Tatsache nimmt etwas von dem sonstigen Druck, ohne jedoch an Spannung einbüßen zu müssen. Marques analysiert, wie ein angekündigtes Verbrechen geschehen konnte, ohne dass jemand aus dem unmittelbaren Umfeld einschreiten wollte/konnte. Großartiger Erzählstil, lebendig und mitreißend von der ersten Seite bis zur Letzten. Ein faszinierender Einblick in uralte Traditionen, bei denen der Leser nicht nur mit dabei, sondern mittendrin verweilt.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.01.2016
Am ersten Tag / Keira und Adrian Bd.1
Levy, Marc

Am ersten Tag / Keira und Adrian Bd.1


weniger gut

Keira, eine ehrgeizige Archäologin, leitet seit drei Jahren eine Ausgrabungsstätte in Äthiopien, auf der Suche nach dem ersten Menschen. Ein Sandsturm zerstört jedoch ihre Träume und sie kehrt frustriert nach Paris zurück, am Hals einen rätselhaften Anhänger der noch für jede Menge Verwirrungen sorgen wird.

Der Astrophysiker Adrian verfolgt seit seiner Kindheit hingegen einen eigenen Traum. Er will wissen, wo der Morgen erwacht und die Nacht endet. Ein Unfall in der Atacama-Wüste in Chile, unterbricht auch seine Suche. Er kehrt nach London zurück. Unsere beiden Helden gewinnen gemeinsam einen Wettbewerb und ihr Abenteuer um diesen geheimnisvollen Anhänger beginnt.

Diese Geschichte über die Entstehung der Menschheit, erinnerte mich sehr an eine misslungene Mischung von Indiana Jones und Iluminati. Der Schreibstil wollte spannend sein, die Dialoge witzig, doch wirkte alles auf mich ziemlich hölzern und konstruiert. Auf den zweiten Teil, den ich mir auch ausgeliehen habe, werde ich großzügig verzichten.

Bewertung vom 11.01.2016
Abbitte
McEwan, Ian

Abbitte


ausgezeichnet

Eine Geschichte mit den vertrauten, großen Themen: Liebe, Vergänglichkeit, Schuld und Vergebung, in der erzählt wird, wie sich das Leben dreier Menschen durch ein einziges Ereignis für immer verändert.

Faszinierend wie immer bei McEwan ist der Schreibstil, der die einzigartige Atmosphäre dieses Buches von der ersten bis zur letzten Seite beibehält. Die erdrückende Hitze die fast Ursache für das Drama ist, wird dermaßen spürbar geschildert, dass man beim Lesen feuchte Hände bekommt. Die ersten zwei Dritteln dieses Romans beschreiben die Ereignisse eines einzigen Tages, das letzte Drittel beginnt abrupt mit den Geschehnissen an der Französischen Front, an der der männliche Hauptprotagonist sich als verwundeter Soldat nach der Heimat sehnt. Dieser recht kurzer Abschnitt verdeutlicht erbarmungslos die Schrecken des Krieges, auf eine sonderbare Art faszinierend, so wie ich sie bisher noch nicht gelesen habe. Ein langsamer Roman, der trotz fehlender Action, mich persönlich zur Atemlosigkeit trieb. Traurige Lovestory mit überraschendem Ende. Absolut empfehlenswert.

Bewertung vom 30.12.2015
Der Geliebte der Mutter
Widmer, Urs

Der Geliebte der Mutter


sehr gut

Ein melancholisches Drama des 20. Jahrhunderts, sehr einfühlsam und überzeugend. Es geht um die unerfüllte Liebe der Mutter, ihr Kampf sich aus den Zwängen der Gesellschaft zu befreien, ihr Leiden und Entbehren. Auf nur 150 Seiten wird der Leser in unfassbarer, fast ermüdender Geschwindigkeit durch ein ganzes Leben gescheucht. Da die Geschichte aber durchaus glaubwürdig aufgebaut ist, möchte man keine einzige Zeile missen und jagt abgehetzt den Begebenheiten hinterher. Im Anschluss will man eigentlich nur noch eins: die Ereignisse aus der Perspektive des Vaters kennenlernen. Wie praktisch dass Widmer auch „Das Buch des Vaters“ schrieb.

Bewertung vom 30.12.2015
Der Raritätenladen
Dickens, Charles

Der Raritätenladen


sehr gut

Ein Raritätenhändler im London des 19. Jahrhunderts, lebt mit seiner 14-jährigen Enkelin Nelly allein in einem bescheidenen aber liebevollen Heim. Seine Spielsucht jedoch treibt in nachts außer Haus, kommt immer verzweifelter und müder nach Hause und das Mädchen sorgt sich um ihn. Weil er sich Schulden bei einem skrupellosen Geschäftsmann macht und diese nicht mehr fristgerecht erstatten kann, flieht er mit Nell und versucht einen Neubeginn. Auf ihrer Wanderung erleben sie allerhand Abenteuer, begegnen allerlei bizarren Personen, doch das Glück das sie sich erhoffen, lässt auf sich warten.

Der Autor versteht es die Gesellschaft der damaligen Zeit bildhaft einzufangen. Man fiebert und freut sich mit den Protagonisten mit, fühlt hautnah die Gefahren und freut sich selbst für kleine kurzfristige Erfolge. Seine Charaktere sind entweder sehr ehrlich und liebenswert, oder widerlich und falsch, eine gesunde Mischung gibt es hier nicht. Die Geschichte erscheint für unser heutiges Leseverständnis teilweise etwas übertrieben und allzu konstruiert, doch jede Zeit hat ihren Schreibstil, und wenn man bereit ist sich darauf einzulassen, wird man von dem Gesamtbild belohnt.

Bewertung vom 29.12.2015
Das Vermächtnis der Eszter
Márai, Sándor

Das Vermächtnis der Eszter


ausgezeichnet

Die Schwestern Vilma und Eszter hassten sich schon immer, daran Schuld trägt auch, doch nicht nur, der charmante, Kleinganove Lajos. Rhetorisch gewandt, liebenswürdig und charismatisch umwickelt er jeden den er ausbeuten vermag um seinen Finger. Er täuscht Eszter Liebe vor, doch heiratet er unerwartet Vilma. Jahre später, nach Vilmas Tod, besucht er die vereinsamte Eszter und es kommt zu einem Gespräch das Lajos Handlungen rechtfertigen soll, doch viel zu spät. Da helfen selbst die drei plötzlich aufgetauchten Briefe Lajos an Eszter nicht.
In diesem Roman sind deutliche erkennbare Gemeinsamkeiten mit dem Buch 'Die Glut': in beiden steht ein Mensch am Ende seines Lebens und zieht rückblickend Bilanz. Beide Geschichten enden mit einem langen, klärenden Gespräch. Sándor Márai erzählt geschmackvoll und mitreißend: Selbst wenn die Handlung mal stockt, möchte man das Buch nicht beiseite legen. Die träge, ungarische Melancholie, zieht sich hinreißend durch die gesamte Geschichte.

Bewertung vom 07.12.2015
In den Augen der anderen
Picoult, Jodi

In den Augen der anderen


gut

Der 18-järige Jacob Hunt leidet am Asperger-Syndrom, eine Autismus Form, die einen festen Tagesablauf bedarf, ohne Abweichungen. Änderungen jeglicher Art müssen rechtzeitig geplant und minutiös vorbereitet werden. Jedem Wochentag steht eine Farbe zu, dann ist sowohl die Kleidung als auch die Nahrung zum Beispiel grün. Zu seiner großen Leidenschaft gehört die Forensik. Er hört den Polizeikanal ab und ist fast zeitgleich mit der Polizei am Tatort. Seine Andersartigkeit wirbelt des Öfteren sein Umfeld auf, Mutter und Bruder leiden unter seiner Krankheit, stehen ihm jedoch bei allem bei. Um die sozialen Kompetenzen zu stärken, bekommt er Unterricht von seiner Tutorin, der Sozialtherapeutin Jess. Für diese empfindet er bald mehr als nur Freundschaft, als sie aber tot aufgefunden wird, gerät er als erstes unter Verdacht.

Wie so oft in Picoults Romanen geht es auch hier um das Schicksal einer Familie. Die mitwirkenden Protagonisten sind vielschichtige, interessante Persönlichkeiten, die mit ihren Ecken & Kanten überzeugen. Jacob ist der Sympathieträger schlechthin, denn obwohl sehr durchorganisiert, ist man nie auf seine Reaktion genügend gewappnet.

Das Buch ist im ersten Drittel ziemlich fesselnd, doch lässt die Spannung rasant nach. Trotz einiger Irrwege und ungeahnter Wendungen, schweift man durch die detaillierten Beschreibungen sowie die häufigen Wiederholungen rasch ab. Kann man gerne lesen, muss man aber nicht.