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wanderer.of.words

Bewertungen

Insgesamt 216 Bewertungen
Bewertung vom 10.10.2022
Fairy Tale
King, Stephen

Fairy Tale


sehr gut

Ein Fantasy Märchen vom Horror-Meister

Fazit:
Das Hörbuch kann ich empfehlen (meisterhaft und grandios gelesen!), als Buch wäre mir Kings detaillierte und stellenweise ausschweifende Erzählung wohl zu anstrengend gewesen.

Meine detaillierte Meinung:
Bis die Geschichte in Fahrt kommt und wir die magische Welt betreten dauert es etwas. Das erste Viertel des Buches liest sich fast wie ein Jugendbuch, wir lernen zunächst Charlie kennen, der bereits in jungen Jahren seine Mutter verloren hat und beim alkoholkranken Vater aufgewachsen ist. King schreibt recht ausschweifend darüber wie der Vater seine Alkoholsucht überwunden hat, wie Charlie den Nachbarn kennenlernt und langsam sein Vertrauen gewinnt. Auch alltägliches wird umfangreich beschrieben: diverse Arbeiten an Haus und Garten, die Wahl der Sportkurse oder was es zum Mittagessen gibt. Auch wenn ich mich nicht gelangweilt habe, ein ganz klein wenig zieht sich dieser Beginn schon hin und irgendwann habe ich mich dann doch gefragt, wann es nun endlich „richtig“ losgeht.

Nachdem Charlie dann endlich die magische Welt Empis betreten hat entwickelt sich die Geschichte immer mehr zu einem Märchen. Er trifft auf phantastische Tiere, Monster und Riesen. Und natürlich gibt es auch einen Fluch mit dem die Menschen von Empis belegt sind und an dem die Welt langsam stirbt. So wird Charlies kleiner Ausflug zu einem richtigen Abenteuer, bei dem es schließlich um nicht weniger als geht eine fremde Welt zu retten und ihre Einwohner zu befreien.

Insgesamt hat mir das Hörbuch gut gefallen, auch wenn manche Wiederholung irgendwann etwas viel wurde. Damit meine ich keine inhaltlichen Wiederholungen, sondern z.B. die vielen Vergleiche mit Werken aus Literatur und Film. So finden Figuren aus diverse Märchen, Game of Thrones, Der Zauberer von Oz und viel mehr Erwähnung. Das war es mir an mancher Stelle etwas zu viel und ich hätte mich gefreut, wenn King sich irgendwann von diesen vielen Referenzen gelöst hätte.

Die Story ist gut, allerdings hätte ich gerne noch viel mehr von Empis gesehen. Charlies Reise verläuft letztendlich recht geradlinig und es wird zwar erwähnt welche Wunder es gibt, zu sehen bekommen wir sie aber nicht. Für meinen Geschmack hätte King gerne die Vorgeschichte kürzer und die Erlebnisse in der magischen Welt umfangreicher schreiben können. Ein wenig mehr erwartet hatte ich mir auch von der finalen Konfrontation des Bösewichts. Natürlich passt es perfekt in Kings Konstrukt der ganzen Geschichte, doch hätte ich mir etwas mehr Raffinesse gewünscht.

Sehr gut gefallen hat mir hingegen, dass Charlie sich nicht von Beginn an als Retter und Befreier sieht, er wächst langsam in diese Rolle hinein. Überhaupt sind die Charaktere großartig gelungen, allen voran natürlich Charlie und seine Hündin Radar. Aber auch viele der Nebencharaktere konnten Punkten und hier möchte ich auch die großartige Arbeit des Hörbuchsprechers David Nathan und seine tollen Stimmvariationen erwähnen. Er bringt viel Leben in die Geschichte und die einzelnen Figuren konnte ich immer gut unterscheiden.

Bewertung vom 09.10.2022
Miss Kim weiß Bescheid
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


sehr gut

Der Kampf für ein selbstbestimmtes Leben

Cho Nam-Joos neuestes Buch ist eine Sammlung von acht Kurzgeschichten. In diesen Erzählungen geht es um Frauen und Mädchen, die aufgrund ihres Geschlechts Nachbeteiligung erfahren und sich gegen die sozialen Ungerechtigkeiten Koreas wehren. Sie brechen mit Konventionen und vorgegebenen gesellschaftlichen Rollen, treffen ihre eigenen Entscheidungen und kämpfen für ein selbstbestimmtes Leben.

Die Geschichten sind ganz ruhig, manchmal fast sachlich erzählt, doch auch ohne erhobene Faust und laute Worte haben sie eine große Wucht. Cho Nam-Joo ist einfach eine großartige Erzählerin! Schonungslos zeigt sie Ungerechtigkeiten und den enormen Druck, den die gesellschaftlichen Erwartungen auf die Frauen in Korea ausüben. Die Geschichten sind aus der Ich-Perspektive erzählt, was ich für eine sehr gute Entscheidung halte. Denn so kommen einem die Erzählerinnen nah, und man erfährt, was trotz der guten Mine die sie oft machen müssen in ihrem Inneren vor sich geht.

Ich fand alle Geschichten und ihre ProtagonistInnen sehr authentisch. Jede der acht Erzählungen ist perfekt ausgearbeitet und bringt einen Einblick in die koreanische Kultur und ins Alltagsleben als Frau in Korea. Es geht dabei um ganz normale Frauen oder Mädchen. Da ist z.B. die Lehrerin, die sich weigert an jedem freien Tag den Enkel zu betreuen, sondern sich in dieser Zeit nun endlich einen immer wieder aufgeschobenen Lebenstraum erfüllen will. Oder die Mädchen, die nicht mehr hinnehmen wollen, dass ihnen von Mitschülern „zufällig“ unter die Röcke gefilmt wird, und die einfordern, dass die Täter nun endlich die Konsequenzen zu tragen haben. Cho Nam-Joo zeigt diese Ungerechtigkeiten, aber zugleich auch einen Ausweg, das macht das Buch trotz der Wut die es hervorruft zu einem positiven Buch und schenkt Hoffnung.

Fazit
Cho Nam-Joo setzt ein klares Statement für Gleichberechtigung und den freien Willen. Und zugleich fordert sie auf, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen und nicht alle vorgegebenen gesellschaftlichen Strukturen zu akzeptieren. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 16.09.2022
Die Wagemutige (eBook, ePUB)
Bernard, Caroline

Die Wagemutige (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das Buch basiert auf wahren Begebenheiten und den Rahmenbedingungen von Lisa Fittkos Leben. Über ihren Widerstandskampf ist einiges bekannt, über persönliches jedoch nur sehr wenig. An dieser Stelle hat die Autorin Lisas Biografie mit Leben gefüllt und auch den Konflikt zwischen dem dringend notwendigen Widerstandskampf und dem Wunsch nach einem ganz normalen Leben beschrieben. Ich persönlich hätte zwar auf die fiktive Romanze verzichten können, dennoch finde ich das entstandene Bild von Lisa ganz wunderbar gelungen. Besonders möchte ich hier auch das sehr ehrliche Nachwort der Autorin hervorheben, die ganz klar schreibt wo und warum sie fiktive Details einfügte. Ein solches Nachwort würde ich mir bei jedem historischen Roman wünschen!

Ein Anliegen der Autorin war es, die Rolle der Frauen im Widerstand sichtbar zu machen. Auch sie trugen mit ihren Aktionen sehr viel bei, oft brauchte es nur eine kleine Geste um zu helfen. Es gibt hierzu einige großartige Szenen, z. B. wenn eine Fremde Lisas Not erkennt und sich spontan als Verwandte ausgibt um Lisa zu „decken“.

Der historische Kontext ist perfekt umgesetzt. Die Menschen flohen nach Frankreich und wurden dort als „feindliche Ausländer“ in Internierungslager gesperrt, wo sie unter unwürdigen Bedingungen leben mussten. Auch Lisa wird in ein Lager gesperrt und dort zeigt sich ihre anpackende Mentalität, sie organisiert die Frauen, so dass sie es schaffen den Mut nicht zu verlieren. Doch auch in Freiheit bleibt die ständige Bedrohung. Immer und überall können die (oft gefälschten) Papiere kontrolliert werden, ein Nachmittag im Café kann mit einer plötzlichen Razzia und Verhaftungen enden. Diese ständige Gefahr ist sehr greifbar beschrieben und durch die bildhafte Schreibweise der Autorin habe ich immer mitgefiebert.

Lisa fand ich toll dargestellt, sie wurde mir schnell sympathisch. Einerseits kämpft sie voller Mut und Überzeugung, andererseits erlaubt sie sich auch den Gedanken wie ein normales Leben verlaufen wäre, ein Leben das sie nicht im Untergrund führen muss, sondern in dem sie Kinder und eine Familie hat. Dass sie auch mal zweifelt und hadert macht sie sehr menschlich. Auch die anderen Charaktere, von denen sehr viele historisch belegt sind, fand ich sehr authentisch. Lisa begegnet vielen bekannten Personen. Künstler, Philosophen oder Schriftsteller wurden gezielt verfolgt und mussten aus Europa fliehen.

Fazit
Lisa Fittko war mir vor dem Roman nicht bekannt, umso wichtiger finde ich es, dass ihr, und gleichzeitig auch den anderen Frauen im Widerstand, ein Buch gewidmet wird. Caroline Bernard setzt ihre fundierte Recherche großartig um. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung für dieses spannende Buch über eine bewundernswerte Frau.

Bewertung vom 08.09.2022
Die Vergessene
Slaughter, Karin

Die Vergessene


sehr gut

Ein gemächlicher Start der sich zu einem Pageturner entwickelt

Als großer Fan von Karin Slaughter war ihr neuestes Buch für mich quasi „Pflichtlektüre“. Es führt die in „Ein Teil von ihr“ begonnene Geschichte von Andrea Oliver und ihrer Familie fort. Den Vorgänger habe ich nicht gelesen, sondern die Netflix-Verfilmung gesehen, man kann aber auch komplett ohne Vorkenntnisse sehr gut einsteigen.

Für mich war das Buch allerdings kein typisches Karin Slaughter Werk. Ganz ungewohnt hat es sehr lange gedauert bis die Geschichte Fahrt aufgenommen hat und mich fesseln konnte. Die Autorin lässt es hier spürbar langsamer angehen, in den ersten Abschnitten gab es eher wenig Spannung, was für mich zu manchen Längen geführt hat. Kurz vor der Hälfte hat sich dann endlich der Sog entwickelt, den ich an ihren Büchern so sehr schätze und bis zum Ende entwickelte es sich schließlich doch noch zum Pageturner.

Die Handlung spielt in der Gegenwart und in den 1980er Jahren. Den Handlungsstrang in der Vergangenheit fand ich meist spannender, wobei in beiden Zeitebenen eben immer mal wieder recht Unerhebliches die Handlung aufblähte. Letztendlich hätten 100 Seiten weniger der Geschichte gut getan. Das Finale hingegen war dann erstaunlich kurz geraten und dadurch recht unspektakulär. Es muss natürlich nicht immer hollywoodreife Action sein, aber ein klein wenig mehr als das gebotene ist man von Karin Slaughter einfach gewohnt.

Auch die Charaktere konnten mich dieses Mal nicht zu 100% abholen, zu Andrea und ihren Kollegen fand ich erst spät Bezug. Der als sehr charismatisch beschriebene Sektenführer blieb blass, warum sich die Menschen ihm anschlossen habe ich nicht nachvollziehen können. Die menschlichen Abgründe hingegen beschreibt Slaughter wieder absolut großartig. Letztendlich ist das alles Meckern auf sehr hohem Niveau, denn „Die Vergessene“ ist trotz allem solider und erschütternder Thriller.

Dass im Buch mal die US Marshalls im Mittelpunkt stehen und man dadurch einen Einblick in das US-Marshall-System erhält hat mir sehr gut gefallen. Welche Aufgaben und Befugnisse sie haben ist wirklich interessant. Hier sehe ich sehr viel Potential für eine mögliche Fortsetzung der beiden Bücher.

Fazit
Ein guter Thriller, aber mit ihren Spitzentiteln kann das Buch diesmal nicht mithalten. Es wird zwar nicht mein Lieblingsbuch, doch sollte die Reihe noch eine weitere Fortsetzung erhalten werde ich diese auf jeden Fall auch lesen!

Bewertung vom 06.09.2022
Dian Fossey - Die Forscherin / Mutige Frauen, die Geschichte schrieben Bd.1
Leonard, Susanna

Dian Fossey - Die Forscherin / Mutige Frauen, die Geschichte schrieben Bd.1


sehr gut

Meine Wertung: 3,5 Sterne

Wie bereits in ihrem ersten Roman über Marie Curie hat Autorin Susanna Leonard auch mit Dian Fossey wieder eine berühmte Frau für ihr Buch gewählt. Dian Fossey wurde in den 1930er Jahren in Amerika geboren und hat viele Jahre in Afrika verbracht wo sie Berggorillas erforschte. In den Wäldern Ruandas stößt sie zudem immer wieder auf Fallen von Jägern und Spuren von Wilderern und erkennt sehr schnell, dass ihre geliebten Gorillas vom Aussterben bedroht sind. Also kämpft sie erbittert für den Schutz der Tiere.

Der Roman spielt abwechselnd in Dians Kindheit und ihrem Erwachsenenleben. Die Autorin zeichnet das Bild einer durchsetzungsfähigen Frau, die mit Tieren besser als mit ihren Mitmenschen auskommt. Dian stößt ihr Umfeld oft vor den Kopf, mit ihrem harschen Charme kann sie nur wenige Freunde finden und behalten. Den Wilderern gegenüber ist sie unerbittlich, wo sie keinen anderen Ausweg sieht greift sie auch zu Gewalt. Am Ende entsteht so ein umfassendes Bild einer beeindruckenden Frau, die mir mit ihrem schwierigen Charakter aber nur an wenigen Stellen sympathisch war. Viele ihrer Verhaltensweisen sind in der Kindheit und auch in traumatischen Erlebnissen als Erwachsene begründet, dennoch gingen mir Dians Reaktionen an mancher Stelle etwas auf die Nerven. Der Roman konnte mich aber für ihre Forschung begeistern und hat großen Respekt für ihren Einsatz und Mut hervorgerufen. Im Buch ist ein sehr passender Satz, der gut zusammenfasst wie auch ich Dian erlebt habe: ihre Unberechenbarkeit ist mir bis zum Ende ein Rätsel geblieben, aber man muss einen Menschen nicht immer verstehen um ihn bewundern zu können.

Ich fand beide Handlungsstränge interessant und sehr gekonnt miteinander verknüpft. Wo Dian sich in der Gegenwart nicht öffnen möchte, erfolgt im nächsten Kapitel ein kurzer Ausflug in die Vergangenheit der ihre Handlungen erklärt. Dian Fossey wurde als Verhaltensforscherin berühmt und natürlich nimmt auch ihre Arbeit mit den Gorillas etwas Platz in der Geschichte ein. Für meinen Geschmack hätte dieser Part gerne noch umfangreicher sein dürfen, ich fand diese Abschnitte enorm interessant.

Als Nachwort hätte ich mir ein paar erklärende Worte der Autorin dazu gewünscht, wo sie ggf. von den Fakten abgewichen ist bzw. wo es zu wenig Fakten gab und sie diese Lücken füllen musste. Es stört mich doch sehr, wenn ich bei einem biografischen Roman nicht einordnen kann wie authentisch er ist und welche Szenen fiktiv sind; gerade auch weil mir Dian nach der Lektüre als eher unsympathisch im Kopf zurückgeblieben ist. Daher hätte ich sehr gerne gewusst ob sie wirklich so war. Da es jedoch noch einige weitere Werke über sie gibt werde ich auch dort mal reinlesen und sehen, ob dort ein etwas positiveres Bild gezeichnet wird.

Fazit
Insgesamt freue ich mich, durch dieses Buch auf Dian Fossey aufmerksam geworden zu sein. Der Autorin ist ein lesenswerter Roman gelungen, der Fokus liegt allerdings ganz klar auf dem Mensch Dian Fossey und weniger auf ihrer Forschungsarbeit. Dennoch habe ich nun ein Bild von ihr und wurde zu weiterer Recherche angeregt.

Bewertung vom 02.09.2022
The Stranger Times Bd.1
McDonnell, C. K.

The Stranger Times Bd.1


ausgezeichnet

Was für ein großartiges (Hör)Buch! Es ist eine Mischung aus britischem Humor, Fantasy und einer Prise Krimi. Sprecherin Sascha Icks liest das Buch so dermaßen gut, dass es einfach nur einen riesen Spaß macht ihr zuzuhören. Mit ihren Stimmvariationen schafft sie es den Charakteren Leben und Persönlichkeit einzuhauchen und ist dabei immer angenehm zu hören. Eine weibliche Sprecherin, bei der ich absolut nichts zu meckern habe, das gab es bisher noch nicht!

Ein Blatt wie die „Stranger Times“ ist natürlich kein Arbeitgeber um den sich die Journalisten reißen und so sind die Mitarbeiter hier oft mangels Alternativen oder nach einem steilen beruflichen Abstieg gelandet. Allen voran der übellaunige und ständig vor sich hin fluchende Chefredakteur Vincent Banecroft. Dennoch passen sie perfekt zur Zeitung und auch wenn nicht jeder von ihnen an Übersinnliches glaubt, tun sie alles um die wöchentliche Ausgabe bestmöglich zu befüllen. Obwohl teilweise recht skurril sind die Charaktere toll ausgearbeitet und gerade durch ihre Eigenheiten absolut sympathisch. Die Truppe ist mir schnell ans Herz gewachsen! Obwohl Hannah zwar meist im Mittelpunkt steht finden auch die anderen Charaktere ausreichend Platz in der Geschichte und ihr Teamwork ist nötig um die Probleme vor denen sie recht bald stehen zu lösen. Das hat mir sehr gut gefallen.

Im ersten Drittel ist es nur vereinzelt Übersinnlich, zum Ende hin jagt eine Situation die nächste und es gibt eine Reihe von neuen Erkenntnissen für die Helden und den Leser. Mit Schwung und ohne Vorwarnung landen sie mitten in Manchesters magischer Parallelgesellschaft.

Fazit
Von mir gibt es eine große Lese- und/oder Hörempfehlung! Seit Ben Aaronovitch ist es das Beste was ich im Urban Fantasy Genre gelesen habe! Auf die nachfolgenden Bände bin ich sehr gespannt!

Bewertung vom 28.08.2022
Die Nackten fürchten kein Wasser
Aikins, Matthieu

Die Nackten fürchten kein Wasser


sehr gut

Das Buch ist in vier Kapitel gegliedert, die gleichzeitig die wichtigsten Zwischenpunkte der Flucht sind. Zu Beginn wird viel über das Leben in Kabul, die Familien von Omar und Matthieu und wie die beiden sich kennenlernten berichtet. Auch in Aikins Arbeit als Kriegsreporter gibt es einen kleinen Einblick.

Um Omar begleiten zu können muss Matthieu Aikins sich als Afghane ausgeben, denn als Kanadier wäre er ein lohnenswertes Entführungsopfer. Zum Glück wird er optisch ohnehin meist für einen Einheimischen gehalten und hat lange genug im Land gelebt um Sprache und Kultur sehr gut zu kennen. Also nennt er sich fortan Habib und erfindet einen passenden Lebenslauf.

Für Omar ist das Vorhaben von Beginn an bitterernst, Aikins hingegen hätte die Möglichkeit sich jederzeit von einem Freund seinen Pass bringen zu lassen uns ins nächste Flugzeug zu steigen. Trotzdem gerät er zusammen mit Omar mehrmals in gefährliche Situationen, etwa wenn sie in einem Schlauchboot von der Türkei Richtung Griechenland unterwegs sind.

Wo sich die Wege der beiden Trennen, berichtet Aikins über seine eigenen Erlebnisse und fügt anschließend Omars an. Ein wenig enttäuscht war ich, dass er beim gefährlichsten Teil der Flucht gar nicht dabei war. Omar reist alleine vom Iran über die Berge in die Türkei, so dass dieser Teil der Flucht im Buch nur als Nacherzählung recht kurz beschrieben ist. Hier hatte ich mir tiefere Einblicke erwartet. Sehr umfangreich ist das Buch hingegen, was Hintergrundwissen und Zahlen und Daten angeht. Auch andere Flüchtlinge kommen immer wieder zu Wort, Aikins berichtet über sie sehr sachlich und beschreibt was den Menschen widerfahren ist, ohne zu Werten.

Fazit
Ein spannender und packender Tatsachenbericht der zugleich viel Hintergrundwissen bringt.

Bewertung vom 07.08.2022
Kim Jiyoung, geboren 1982
Cho, Nam-joo

Kim Jiyoung, geboren 1982


ausgezeichnet

Cho Nam-Joo erzählt in ihrem Buch die Lebensgeschichte einer vollkommen durchschnittlichen südkoreanischen Frau und thematisiert dabei die grundlegende Benachteiligung von Frauen in Südkorea. Die Erlebnisse ihrer Protagonistin Jiyoung sind distanziert und eher sachlich erzählt, an einigen Stellen berichtet die Autorin aus Statistiken, es ist ein Roman mit Tendenzen zum Sachbuch. Das macht den Inhalt aber nicht weniger beklemmend. Ich kann sehr gut verstehen, warum das Buch in Südkorea Massenproteste auslöste.

Gleich zu Beginn erlebt der Leser Jiyoungs seltsames Verhalten, der Rest des Buches führt dann in ihre Vergangenheit und erzählt von Kindheit und Jugend, der Schulzeit und dem Einstieg ins Berufsleben.

Jiyoung führt ein Leben das von einer gesellschaftlich vorgegebenen Selbstaufgabe geprägt ist. Seit ihrer Geburt hatte sie sich den Männern in ihrem Umfeld unterzuordnen und ihr Leben so zu führen wie diese es von ihr erwarten. Als Kind wurden sie und ihre Schwester dem Bruder gegenüber benachteiligt, der stets besseres Essen erhielt und verwöhnt wurde, während die beiden Mädchen zurückstecken mussten um dem Bruder diese bevorzugte Behandlung zu ermöglichen. Im Studium lernt sie, dass sie zwar Studentenvereinigungen beitreten kann, aber nur um die männlichen Mitglieder zu unterhalten, bei Entscheidungen mitreden darf sie nicht. Wenn sie in der U-Bahn belästigt oder auf dem nächtlichen Nachhauseweg bedrängt wird, fragt der Vater zuerst, was sie falsch gemacht und ob sie das provoziert hat. Es sind viele kleine Stiche die Jiyoung täglich aushalten muss und die schließlich zu ihrer Psychose führen. Gerade, dass die Autorin mit Jiyoung den ganz normalen Durchschnitt zeigt macht das Buch umso stärker, denn es steht nicht für das Leben nur einer einzelnen sondern von tausenden Frauen, es zeigt was in einer ganzen Gesellschaft falsch läuft.

Bewertung vom 06.08.2022
Das Therapiezimmer
Molloy, Aimee

Das Therapiezimmer


sehr gut

Das Buch ist ein Thriller der ohne viel Gewalt und Blut auskommt und stattdessen auf die psychologischen Elemente setzt. Die meiste Zeit über funktioniert das sehr gut, lediglich im letzten Drittel flacht die Spannung etwas ab, hier hätte man die Handlung etwas straffen und beschleunigen können.

Die Anzahl der Charaktere ist sehr übersichtlich, sie wechseln sich mit der Erzählung ab und auch für kurze Ausflüge in die Vergangenheit ist Platz. Die beiden Protagonisten Annie und Sam fand ich allerdings optisch zu perfekt. Sie die großartige Frau nach der sich alle umdrehen, er der Herzensbrecher dem alle zu Füßen liegen, das typische amerikanische Traumpärchen, das war mir etwas zu weichgewaschen. Charakterlich hat die Autorin dann zum Glück einige Schwächen eingebaut, die das wieder etwas ausgeglichen haben.

Richtig gut haben mir die Plottwists gefallen. Der Autorin gelingt es hervorragend den Leser falsche Annahmen treffen zu lassen. Nach etwa einem Drittel gibt es eine Wendung, die mich komplett umgehauen hat. Ich musste mich an der Stelle erstmal sammeln und alles was ich davor gelesen und beurteilt hatte nochmal neu überdenken. Jedes Wort mehr wäre zu viel verraten, ich sage dazu nur noch: schon lange hat mich kein Buch mehr so großartig überrascht!

Fazit:
Die Geschichte für sich alleine ist recht unspektakulär, doch das fällt kaum ins Gewicht, da die absolut unerwarteten Plot-Twists das locker wettmachen können.

Bewertung vom 30.07.2022
Vertraute Welt
Sok-Yong, Hwang

Vertraute Welt


sehr gut

Der Autor verwendet im Buch keine Namen, alle Protagonisten werden mit ihren Spitznamen bezeichnet. So erleben wir, wie Glupschaug mit seiner Mutter (die ebenfalls namenslos bleibt) von den Bergslums zur Blumeninsel übersiedelt und sich den Müllsammlern anschließt. Die Mutter findet schnell einen neuen Lebenspartner und Glupschaug erhält einen jüngeren Stiefbruder namens Glatzfleck. Ihr Leben ist nicht leicht, die Kinder haben zwar die Möglichkeit zur Schule zu gehen, aber da sich die Erwachsenen nicht wirklich darum kümmern was der Nachwuchs treibt wird die meiste Zeit geschwänzt.

Die Themen Müll und Wegwerfgesellschaft sind sehr aktuell, wir leben in einer Zeit, wo massenweise Lebensmittel verschwendet werden und fast grenzenlos Müll produziert wird. Vieles das noch repariert oder wiederverwendet werden könnte landet auf dem Müll, oft ist es einfacher und bequemer Neues zu kaufen als Altes zu verwerten. Hwang Sok-yong beschreibt das Leben auf der Müllkippe sehr greifbar, man hat die ärmlichen Hütten, das tägliche Wühlen im Dreck und den Schmutz und den Gestank vor Augen. Trotzdem hatte ich an manchen Stellen das Gefühl nicht zu verstehen, was er mit einer Szene eigentlich vermitteln will.

Es gibt auch ein paar übersinnliche Elemente, die für mich nicht wirklich in die Geschichte passen wollten und sich für mich daher etwas seltsam anfühlten.

Auch der Spannungsbogen ist nicht durchgängig vorhanden. Vor allem in der Mitte gibt es größere Durchhänger, wo die Geschichte nur noch vor sich hinplätschert und ich mich irgendwann auch zum Weiterlesen zwingen musste. Gerne hätte ich gesagt, dass das Ende dafür entschädigt hat, doch das war nur zum Teil der Fall. Insgesamt lässt mich das Buch damit zwiegespalten zurück. Einerseits ist es eine sehr eindringliche Geschichte, über deren Inhalt und die Protagonisten ich noch lange nachgedacht habe, andererseits hat das Buch mich im Mittelteil fast verloren.

Fazit:
Das Buch hatte ich schon eine Weile auf dem Wunschzettel und auch recht hohe Erwartungen an die Geschichte. Nicht alle meine Erwartungen konnten erfüllt werden, dennoch hat es mich zum Nachdenken angeregt wie oft man doch etwas wegwirft das eigentlich noch „gut“ ist.