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bücherfreund

Bewertungen

Insgesamt 175 Bewertungen
Bewertung vom 08.04.2018
Die Morde von Pye Hall
Horowitz, Anthony

Die Morde von Pye Hall


sehr gut

Susan Ryeland ist Lektorin des Bestseller Autors Alan Conway. Als sie das Manuskript seines neuen Krimis bekommt, fehlt das letzte Kapitel und somit die Auflösung des Täters. Doch bevor sie Conway nach dem fehlenden Kapitel fragen kann, wird der Autor tot aufgefunden. Susan zweifelt daran, dass es wirklich Selbstmord war und findet seltsame Parallelen zu seinem letzten Roman.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Man hat hier sozusagen eine Geschichte in einer Geschichte und kann in beiden Fällen miträtseln. Alle Charaktere und möglichen Verdächtigen werden sehr detailreich vorgestellt, so dass man gut eigene Schlüsse und Verdächtigungen anstellen kann. So fiebert man der Auflösung am Ende entgegen, ohne jemals sicher zu sein, ob es diese Auflösung überhaupt geben wird. Denn ob Susan das letzte Kapitel finden wird und ob Conway wirklich Selbstmord begangen hat, bleibt bis zum Schluss offen.

Teilweise ist mir das Buch aber auch ein wenig langatmig vorgekommen. Zuerst liest man das Manuskript, was die ersten 300 Seiten einnimmt und was mir auch sehr gut gefallen hat. Man fühlt sich hineinversetzt in einen Agatha Christie Krimi in der englischen Provinz. Danach gibt es einen Schnitt und geht es weiter in der "Realität", wo die Suche nach dem letzten Kapitel beginnt. Dieser Teil fängt sehr spannend an, zieht sich aber leider zum Ende hin immer mehr. Mir kam es auch so vor, als ob sich manche Teile wiederholt haben, die ich zum Teil dann übersprungen habe. Das war schade, weil es den Lesefluss unnötig verlangsamt hat.

Insgesamt ist es aber ein sehr gutes, außergewöhnliches Buch, was ich sehr gerne gelesen habe und auch Fans des typischen Krimis unbedingt weiterempfehlen würde.

Bewertung vom 08.04.2018
Nackt über Berlin
Ranisch, Axel

Nackt über Berlin


ausgezeichnet

Ich bin ganz begeistert von diesem Buch. Ich habe den Titel eher per Zufall entdeckt und war mir erst gar nicht sicher, ob es etwas für mich ist. Doch ich bin froh, dass ich mich darauf eingelassen habe.

Es geht um zwei Freunde: Jannik, der Tschaikowsky vergöttert, über ein unglaubliches Wissen über klassische Musik verfügt, sich selber, seine Stimme und seine eigenen Wünsche und Träume aber erst noch finden muss. Und Tai, der erst vor ein paar Jahren aus Vietnam nach Berlin gekommen ist, eine ausgeprägte Fantasie hat und der sein Leben durch die Linse seiner Kamera, die er ständig bei sich trägt, wahrnimmt und dokumentiert. Durch Zufall begegnen sie eines Nachts ihrem völlig betrunkenen Direktor und Tai hat plötzlich eine Idee: Den Direktor in seinem hochmodernen Apartment einzuschließen und ihn mit Kameras zu überwachen. Kommunizieren können sie schriftlich mit ihm über seinen Laptop.

Was erst mal ziemlich banal klingt, bekommt schnell eine außergewöhnliche Tiefe, alsTai das Thema auf Melanie lenkt, einer Schülerin, die sich vor kurzem vom Dach der Schule in den Selbstmord gestürzt hat. Die Geschichte bekommt eine ganz neue Dimension, als der Lehrer beginnt auszupacken.

Währenddessen macht sich Jannik ganz andere Gedanken. Um Tai, und welche Rolle er in dieser Geschichte spielt. Und was ist mit ihm selber? Nutzt Tai ihn nur aus, um die Verantwortung der Tat, auf ihn abzuwälzen? War alle von Anfang an von Tai so geplant oder verlieren sie langsam die Kontrolle in diesem Spiel, das zuerst ganz harmlos begann, doch schnell ernst wird?

Ich finde die Charaktere sehr gut dargestellt. Als Leser bekommt man die Chance ganz tief in ihre Gedanken- und Gefühlswelt einzutauchen. Besonders gut hat mir die Entwicklung von Jannik gefallen, der sich seinem eigenen Handeln immer mehr bewusst wird und seine eigene Stimme findet. Je weiter der Roman fortschreitet, umso tiefer dringt man in die Psyche aller Charaktere ein. So eine charakterliche Tiefe hätte ich von diesem Roman erst gar nicht erwartet, da Titel und Cover eher an Humor erinnern.

Doch auch der Humor kommt nie zu kurz. Es gibt so viele, teils so absurde Situationen, die mich zum Lachen gebracht haben, so dass ich mich perfekt unterhalten gefühlt habe.

Ich würde das Buch ganz klar weiterempfehlen. Es ist wunderbar unterhaltsam und gleichzeitig bietet es eine tolle Geschichte über zwei ganz außergewöhnliche Jugendliche, die nach ihrem Weg im Leben suchen und die Konsequenzen ihres Handelns kennen lernen müssen. Man muss sich aber auch darüber bewusst sein, dass hier zum Teil derbe Jugendsprache gebraucht wird. Wen das stört, sollte vielleicht eher nach einem anderen Buch greifen. Alle anderen sollten zugreifen und werden mit einer tollen Geschichte belohnt.

Bewertung vom 13.03.2018
Das Glück kurz hinter Graceland
Wright, Kim

Das Glück kurz hinter Graceland


ausgezeichnet

Vielleicht bin ich etwas voreingenommen, da ich Elvis sehr mag und selber einen Roadtrip auf einer sehr ähnlichen Route vor einiger Zeit unternommen habe, aber ich fand das Buch einfach nur wunderbar.

Cory findet nach dem Tod ihrer Mutter den schwarzen Blackhawk, der einmal Elvis gehört hat. Im Rekorder befindet sich die wahrscheinlich letzte Aufnahme des King of Rock'n'Roll. Cory hat Grund zur Annahme, dass Elvis ihr leiblicher Vater ist und macht sich auf eine Reise quer durch den Süden der USA bis nach Graceland, um den Blackhawk zurück zu bringen, aber auch um ihrer eigenen Herkunft näher zu kommen.

Wie schon erwähnt hat mir das Buch sehr gut gefallen. Cory war mir von Anfang an sympathisch und so hat es großen Spaß gemacht, sie auf ihrer Reise zu begleiten. Die Spannung wurde durchweg durch die Frage der Vaterschaft aufrecht erhalten, denn plötzlich tauchen noch zwei andere Anwärter auf. Ist Cory wirklich die Tochter von Elvis? Cory findet auf dieser Reise nicht nur über sich selbst, sondern auch über ihre Mutter viel Neues heraus. Es entsteht ein ganz anderes Bild von ihr als das, was sie jahrelang in ihrem Kopf hatte.

Der Schreibstil ist wunderbar flüssig und hinter jeder Ecke lauern neue unerwartete Wendungen, so dass ich das Buch in nur zwei Tagen durchgelesen habe.

Ich fand es besonders gut, dass zwischendurch immer wieder Erzählungen aus Honeys Sicht, Corys Mutter, eingestreut wurden. Dies hat die spannenden, fehlenden Lücken geschlossen, die sich während des Lesens aufgetan haben. Man ist hier sehr nah an den Figuren dran. Wenn Honey erzählt hat, konnte ich das Leben auf Graceland tatsächlich vor mir sehen. Nicht nur den Glamour, sondern vor allem auch die nicht so tollen Seiten, die ein Leben an der Seite des wohl größten Superstars zu der Zeit mit sich gebracht hat. Auch wenn hier natürlich auch viel der Fantasie der Autorin entsprungen ist, wirkt es doch sehr authentisch und gut recherchiert.

Einen ganz kleinen Kritikpunkt habe ich dann doch noch: Die Route 66 ist nämlich kein Teil dieses Roadtrips, wie es fälschlicherweise auf dem Cover angedeutet wird. Die verläuft in der Realität nämlich viel weiter westlich als die Strecke, die Cory abgefahren ist.

Ich würde das Buch definitiv weiterempfehlen. Natürlich nicht nur Elvis Fans, doch diesen wird es bestimmt ganz besonders gut gefallen.

Bewertung vom 13.03.2018
Das Lied der toten Mädchen / Jan Römer Bd.3
Geschke, Linus

Das Lied der toten Mädchen / Jan Römer Bd.3


sehr gut

Dieser Krimi ist ein wenig anders als der typische Krimi, denn hier ermittelt nicht die Polizei, sondern zwei Journalisten. Jan Römer und Stefanie Schneider ("Mütze") recherchieren in diesem Fall, um ihn in ihrer Serie zu ungeklärten Mordfällen zu veröffentlichen.

Vor zwanzig Jahren wurde auf dem Wilzenberg eine junge Frau ermordet. Neben ihr wurde eine Spieluhr gefunden, die das Schlaflied "Hush Little Baby" spielt. Allen Indizen nach handelte es sich damals um eine Beziehungstat, auch wenn der Mörder nie gefunden wurde. Als Jan & Mütze anfangen, den Fall neu aufzurollen, gehen ihre Ermittlungen auch noch in eine andere Richtung, nämlich um das Geheimnis des ominösen Hauses am Wilzenberg, in dem das Opfer vor ihrem Tod gearbeitet hat. Diese Ermittlungen scheinen den Täter neu anzustacheln, denn nun - zwanzig Jahre später - gibt es eine zweite Leiche. Der Täter hat erneut zugeschlagen.

Dass hier zwei "Laien" am Werk sind, die versuchen, die Tat aufzuklären, fand ich sehr erfrischend. Obwohl ich vorher noch keinen Jan Römer Fall gelesen habe, waren mir die beiden auf Anhieb sympathisch. Mütze erscheint mir wie ein weiblicher Kumpeltyp, auch wenn dieser Eindruck im letzten Drittel ein wenig revidiert wird, was für mich überraschend kam. Vielleicht war ich aber zu Anfang auch so von der Handlung gefangen genommen, dass ich hier nicht so sehr auf die Details geachtet habe.

Der Fall an sich ist sehr spannend. Es ist sehr lange unklar, wer der Täter sein könnte und ob es überhaupt eine Auflösung am Ende geben wird, schließlich gilt der Fall als ungeklärter Mordfall. Dass zwei Journalisten plötzlich den Fall lösen können, ist zunächst unwahrscheinlich.
Doch Jan & Mütze sind ein wirklich gutes Team mit einer hervorragenden Kombinationsgabe (fast schon ein wenig zu gut), die es ihnen ermöglicht, neue Schlüsse zu ziehen, die bisher von der Polizei entweder nicht weiter verfolgt oder möglicherweise vertuscht wurden. Es hat mir sehr gefallen, dass der Fall hier eine sehr überraschende Wendung genommen hat.

Ich fand es gut, wie der Autor die unheimliche Atmosphäre vom Wilzenberg eingefangen hat. Die ganze Mordszene ist schon sehr gruselig: die Dunkelheit, die Stille der Natur und dann nur ganz leise die Klänge der Spieluhr. Das war gut gemacht.
Und überhaupt hat er einen wunderbaren Sinn für Atmosphäre und Spannungsaufbau. Durch die wechselnden Erzählperspektiven meint der Leser oft mehr zu wissen als Jan & Mütze, doch ob dem wirklich so ist, erfährt man erst ganz zum Schluss.

Was mir nicht ganz so gut gefallen hat, ist, dass es an manchen Stellen deutlich wird, dass es sich um eine Serie von Büchern handelt. Natürlich kann man dieses Buch als abgeschlossenes Werk betrachten. Doch manchmal gibt es Andeutungen auf etwas, das wahrscheinlich erst in einem späteren Teil aufgelöst werden wird (wie z.B. Anspielungen auf Mützes Vergangenheit, von der sie Jan wahrscheinlich irgendwann einmal erzählen wird oder die Andeutung eines neuen Falls am Ende). Da ich kein großer Fan von Serien bin und nicht gerne dazu "gedrängt" werde, weitere Teile zu kaufen, hat mich das ein wenig gestört. Aber das ist nur ein kleiner Kritikpunkt, der im großen Ganzen wahrscheinlich auch nicht so auffällt.

Insgesamt ist "Lied der toten Mädchen" ein sehr gelungener, spannungsreicher Krimi, den ich auf jeden Fall weiter empfehlen würde.

Bewertung vom 09.03.2018
Schlüssel 17 / Tom Babylon Bd.1
Raabe, Marc

Schlüssel 17 / Tom Babylon Bd.1


sehr gut

Als Tom Babylon zum Tatort eines neuen Mordfalls gerufen wird, ist er geschockt, denn das Opfer trägt denselben Schlüssel um den Hals, den seine kleine Schwester bei sich hatte, als sie damals verschwunden ist. Zusammen mit der Psychologin Sita Johanns macht er sich eigenständig auf die Suche nach dem Mörder, da er selber durch seine persönliche Verstrickung von dem Fall abberufen wurde. Beide sind trotz fehlender Sympathie aufeinander angewiesen, da sie beide ihre Geheimnisse aus der Vergangenheit haben, die sie nach und nach einzuholen drohen.

Das Buch ist packend geschrieben, die Geschichte spannend und es gibt einige unerwartete Wendungen. Zwischendrin werden immer mal wieder Episoden aus Toms Vergangenheit eingeblendet, die etwas mit dem Schlüssel zu tun haben und somit immer noch Auswirkungen auf die Gegenwart zu haben scheinen. Das fand ich gut gemacht, denn so wird Tom sympathischer, menschlicher und seine Handlungen werden nachvollziehbarer. Außerdem lernt man so die anderen aus Toms ehemaliger Clique besser kennen, die alle auch noch eine Rolle in diesem Mordfall spielen.

Das Buch ist in kurze Kapitel aufgeteilt, die oft die Perspektive wechseln. Das hat mir zuerst gut gefallen, da das automatisch das Lesetempo erhöht und durch ständige Cliffhanger Spannung aufbaut. Doch zum Ende hin wurde es doch etwas verwirrend und unübersichtlich, so dass ich teilweise den Faden verloren habe und zurückblättern musste, um bestimmte Details noch einmal nachzuschlagen. Das fand ich schade, da mir das Buch ansonsten sehr gut gefallen hat. Doch dieses Zurückblättern hat mich im Lesefluss gestört. Ein etwas weniger komplizierter Hintergrund hätte mir besser gefallen, vor allem da einige Handlungsstränge gar nicht richtig aufgelöst werden und ich mir daher nicht erklären kann, warum sie überhaupt erst aufgenommen wurden.

Trotzdem hat mir das Buch sehr gut gefallen. Ein spannender Thriller, der viel Unterhaltung verspricht und für Thrillerfans definitiv zu empfehlen ist.

Bewertung vom 09.03.2018
Der Wortschatz
Vorpahl, Elias

Der Wortschatz


ausgezeichnet

Hier hat der Autor eine ganz außergewöhnliche Idee in ein kleines Buch gepackt. Es geht um ein kleines Wort, das wohlbehütet bei seinen Eltern aufwächst bis es plötzlich ausgesprochen wird. Ein Schock für das kleine Wort, das erst gar nicht versteht, was überhaupt passiert ist. Mit dem Aussprechen verliert es seine Erinnerung an sein vorheriges Leben und muss sich auf die Reise machen, um sich und seinen Sinn wieder zu entdecken.

Das Wort hat einen langen Weg vor sich, auf dem es vielen wundersamen Kreaturen begegnet und einiges über die Menschen und deren Sprache lernt. Durch die fantastischen Elemente liest sich das Buch wie ein Märchen für Erwachsene, nur nicht so gruselig, wie es die typischen Kindermärchen meistens sind. Auch die Illustrationen, die jedem Kapitel vorausgehen, lässt das Buch an ein Märchenbuch erinnern. Es ist einfach wunderschön geschrieben und total liebevoll gestaltet.

Je weiter man liest, umso mehr Gedanken macht man sich auch selber über die Sprache und fragt sich, was wäre, wenn die Worte wirklich so ein Eigenleben hätten. Und wer ist eigentlich abhängig von wem? Die Wörter von den Menschen, weil sie ohne ausgesprochen oder aufgeschrieben zu werden, nicht existieren würden? Oder die Menschen von den Wörtern, weil sie ohne sie nicht miteinander kommunizieren können?
Das Buch hat mich echt zum Nachdenken gebracht, auf eine schöne Art und Weise, so wie man als Kind über Märchen nachdenkt, über eine fantastische Welt, die nur in der Fantasie existiert, doch die trotzdem einen Funken Realität enthält.

Ich hab das Buch sehr gerne gelesen. Nur schade, dass es so kurz ist. Ich hätte das kleine Wort gerne noch ein wenig länger in seiner Welt begleitet. Das Buch würde ich unbedingt weiterempfehlen, da es total außergewöhnlich ist und eine sehr schöne Idee dahinter steckt.

Bewertung vom 09.03.2018
Wenn Martha tanzt
Saller, Tom

Wenn Martha tanzt


ausgezeichnet

Martha wächst in einem Musikerhaushalt auf. Sie liebt die Musik, doch es wird schnell klar, dass Martha irgendwie anders ist. Beim Singen trifft sie keine Töne, ihr Geigenspiel ist schief. Und doch ist Musik ihr Leben, sie nimmt sie nur anders wahr als die meisten anderen Menschen: Martha sieht die Töne als Formen und Farben vor sich. Doch sie spürt, dass ihr etwas fehlt, der Teil, der die Musik mit diesen Formen verbindet.

Als sie am Bauhaus das Tanzen lernt, ist es wie eine Offenbarung für sie: endlich hat sie den fehlenden Teil gefunden. Doch nicht nur das, sie lernt Menschen kennen, aus denen später große Künstler werden. Sie alle verewigen sich in ihrem Tagebuch. Während des Kriegs muss sie fliehen und glaubt das Tagebuch für immer verloren.

Viele Jahre später wird das Tagebuch in New York versteigert. Der Finder ist ihr angeblicher Urenkel, von dem Martha bisher nichts wusste. Es beginnt ein packendes Aufarbeiten der Familiengeschichte, geprägt von ungeheurem Verlust, Reue und eisernem Willen.

Die Geschichte wird in kurzen Episoden in zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt. Einmal Martha, der wir durch ihre ganz besondere Kindheit bis hinein ins junge und nicht minder beeindruckende Erwachsenenleben folgen, doch deren Spur dann plötzlich abreißt. Und Thomas, der das Tagebuch, das sich als millionenschwerer Schatz entpuppt, im Nachlass seiner Oma findet. Im Jahr 2001 finden beide in New York nach der Versteigerung des Tagebuchs zueinander. Denn was Thomas nicht weiß: Martha hat ihr eigenes Tagebuch zurück ersteigert.

Diese Geschichte ist ein einziges Auf und Ab durch die Gefühlswelt. Es gibt zwei so unglaubliche Wendungen zwischendrin, mit denen ich absolut nicht gerechnet hätte. Das hat dazu geführt, dass ich das ganze Buch fast an einem Stück durchlesen musste, weil die Geschichte mich so sehr gepackt hat.
Nicht nur, dass Martha diese besondere Gabe des Musiksehens hat, ihre ganze Lebensgeschichte ist wahnsinnig intensiv und von einem unglaublichen Verlust geprägt, der einen als Leser erst mal sprachlos zurücklässt. Und dies verpackt in den Rahmen des Aufeinandertreffens zweier Personen, die scheinbar derselben Familie angehören, doch die nur Bruchstücke und Halbwahrheiten von der Geschichte der fehlenden Generation zwischen ihnen wissen.

Es ist wirklich beeindruckend, was Tom Saller als Debütroman abgeliefert hat. Ich hoffe, dass ich in Zukunft noch mehr von ihm lesen kann.

Bewertung vom 03.03.2018
Die Rache der Polly McClusky
Harper, Jordan

Die Rache der Polly McClusky


ausgezeichnet

Polly wird von ihrem Vater entführt, als der aus dem Knast kommt. Doch dann stellt sich heraus, dass er sie nur schützen möchte. Noch im Knast hat er von dem Hinrichtungsbefehl gehört, der gegen ihn, die Mutter seiner Tochter und Polly ausgesprochen wurde. Seine Ex-Frau konnte er nicht mehr rechtzeitig warnen, daher liegt es jetzt bei ihm, seine Tochter zu schützen, für die er durch seine lange Knaststrafe eine fast fremde Person geworden ist.

Polly ist vollkommen verängstigt. Doch als sie den Hintergrund der "Entführung" erfährt, ist sie fest dazu entschlossen, bei ihrem Vater zu bleiben, um den Hinrichtungsbefehl irgendwie aufzuheben und ihre Mutter zu rächen. Der Plan: die Einrichtungen der Aryan Steel auszrauben und sie somit finanziell schwer zu treffen, bis diese dazu bereit sind, den Befehl aufzuheben. Eine wilde Fahrt durch das Land beginnt, während der ihr Vater Polly in die Geheimnisse der Kampf- und Überlebenskunst einführt.

Polly macht eine komplette Wandlung durch. Sie wird vom schüchternen Mädchen, das sich an ihren ständigen Begleiter, den Teddybären, klammert zu einem selbstbewussten, starken Mädchen, das sich zu verteidigen weiß.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es hat genau die richtige Mischung an Spannung und Gefühl, die einen als Leser an das Buch fesselt. Phasenweise hat mich die Geschichte ein wenig an Bonnie & Clyde auf der Flucht erinnert. Dieses Gefühl von Unabhängigkeit, doch trotzdem immer auf der Hut sein zu müssen, trifft die Atmosphäre des Buches ganz gut.

Teilweise ist das Buch aber auch sehr brutal, wenn z.B. genau beschrieben wird, wie jemandem im Kampf die Zähne ausgeschlagen werden. Das hätte ich nicht gebraucht. Doch für dieses Buch ist es notwendig, genau wie die manchmal ziemlich derbe Ausdrucksweise. Schließlich befindet man sich hier unter Verbrechern.

Wer sich also nicht von den teils brutalen Schilderungen abhalten lässt, dem würde ich dieses Buch definitiv weiterempfehlen, denn die Geschichte (und besonders Polly) sind einzigartig.

Bewertung vom 26.02.2018
Oma, die Nachtcreme ist für 30-Jährige!
Fritzsche , Anja Flieda

Oma, die Nachtcreme ist für 30-Jährige!


ausgezeichnet

Oma Maria ist 107 Jahre alt und noch fit wie ein Turnschuh. Die Sätze "Komm, wir fahren zu Oma. Wer weiß, wie lange sie noch lebt." können schon lange niemanden mehr überzeugen, denn Oma Maria scheint unverwüstlich. In diesem Buch hat Anja Fritzsche, die Enkelin, lustige Episoden aus dem Leben von und mit ihrer Oma zusammengetragen und ist dabei auf die Suche gegangen, das Geheimnis ihres langjährigen Lebens zu finden.

Das Ergebnis ist eine Sammlung an lustigen Begebenheiten, die manchmal aber auch nachdenklich stimmen. Oma Maria ist schon einzigartig, nimmt sich selber nicht zu ernst und ist immer für einen flotten Spruch gut. Mir ist sie sehr sympathisch. Eins der Geheimnisse ihres langen Lebens ist der starke Familienzusammenhalt, den ich bemerkenswert finde, da sowas heutzutage leider nicht mehr selbstverständlich ist. Den liebevollen Ton, der in der Familie herrscht, liest man deutlich heraus und macht das Buch (natürlich neben Oma Maria selber) zu etwas Besonderem.

Was mich trotzdem ein wenig gestört hat, war einmal der Dialog-Stil der Autorin, aber auch die zum Teil sehr kurzen Kapitel (manche nur wenige Zeilen lang). Beides trägt dazu bei, dass man nicht richtig in das Buch eintauchen kann, wie ich es gerne getan hätte, weil sich kein flüssiges Lesen einstellt. Ich hätte gerne auch ein paar längere Erzählungen gehabt, weil der Dialog-Stil manchmal doch sehr abgehackt rüberkam.

Doch ich denke, es war der Autorin auch nicht unbedingt wichtig, ein perfektes Bestseller-Buch zu schreiben, sondern viel mehr die Erinnerungen ihrer Oma und witzige Episoden aus dem Leben mit ihr festzuhalten. Und dies ist ihr gelungen. Besonders die Fotos am Ende machen das Buch noch persönlicher und authentisch, was mir sehr gefallen hat.

Bewertung vom 24.02.2018
Der Reisende
Boschwitz, Ulrich Alexander

Der Reisende


ausgezeichnet

"Ich reise, reise vor mich hin, bis man zuschlägt" (S. 215).
Otto Silbermann entkommt in der Pogromnacht nur knapp der Verhaftung, indem er aus seiner Wohnung flieht. Seitdem ist er auf der Flucht. Seine einzigen Sicherheiten sind sein Geld und sein "nichtjüdisches" Aussehen, doch seinen Namen darf er nicht nennen, ohne Lebensgefahr zu befürchten. Und so reist er in Zügen durch das Land und versucht verzweifelt über die Grenze ins Ausland zu kommen.

Auf seiner Reise kommt er mit Leuten verschiedener Gesellschaftsschichten und Herkünften ins Gespräch, was ein authentisches Bild der Gesellschaft zu der Zeit zeichnet. Es ist bedrückend und beängstigend realistisch.

"Es kommt darauf an, Jude oder Nichtjude zu sein, nicht aber sympathisch oder unsympathisch. Die Überschrift entscheidet, der Inhalt ist ganz gleichgültig." (S. 217)

Ich finde auch die Entwicklung, die Silbermann im Laufe des Buches sehr realistisch dargestellt. Es wird deutlich, wie seine Verzweiflung, Frustration und schließlich sein Zorn mit jedem Tag wächst. Und er, der ursprünglich die Ruhe in Person war, schließlich vollkommen die Nerven verliert und einen Schritt macht, der zu Anfang des Buches noch undenkbar gewesen wäre.

Das Manuskript dieses Buches hat eine lange Geschichte hinter sich. Bereits 1939 geschrieben, geht das Manuskript verloren, bis Teile davon erst viele Jahre später zum Glück wiederentdeckt werden. Der Autor ist bereits 1942 gestorben, und so musste das Manuskript nach bestem Gewissen ohne dessen Mithilfe überarbeitet werden, bis es schließlich doch noch zu einer Veröffentlichung kam. Wie viel in dieser Geschichte aus eigenen Erfahrungen des Autors eingeflossen ist, der selber bereits 1935 aus Deutschland emigriert ist, lässt sich nur vermuten. Ein beeindruckendes Werk, das sehr gut ein kleines Stück der Welt in dieser dunklen Zeit der Geschichte beschreibt.