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LichtundSchatten

Bewertungen

Insgesamt 241 Bewertungen
Bewertung vom 08.03.2024
Karl May im Kreuzfeuer
Kramer, Thomas

Karl May im Kreuzfeuer


ausgezeichnet

Natürlich gehört für mich das Museum in Radebeul zum Pflichtprogramm eines Lesers von Jugend an, einer, der Karl May immer noch verehrt für so viel wunderbare Unterhaltung, Spannung und kulturelle Bereicherung. Nie werde ich das vergessen und habe mich in diesem Buch festgelesen und spannende Unterhaltung bzw. Aufklärung gefunden. Alles zum Thema Karl May interessiert mich so wie sich Old Shatterhand für die Belange von Winnetou einsetzte.

Wenn Anselm Grün Abenteuerromane schreiben würde, ginge er in die Richtung Karl Mays, ich bin sicher. Allerdings würde er Das Spiel aus Gut und Böse so toleranzschummrig betreiben wie alle, die heute vor maximaler Toleranz nicht mehr die Wahrheit aussprechen. Karl May wollte aufklären bzw. erklären, was Christentum ist und was Islam, er hatte hier einen festen Standpunkt, der heute nicht mehr anzutreffen ist in einem Land, das Cancel Culture und Hochmoralik vertritt, in dem es sogar verboten ist, als Indianer verkleidet zum Fasching zu gehen.

Ernst Bloch sagte, es gäbe nur Karl May und Hegel, alles dazwischen sei eine unreine Mischung. So viele junge und auch ältere Leser verehren jenen kreativen Geist, dessen letzte Worte am frühen Abend des 30. März 1912 waren: „Sieg, großer Sieg! Ich sehe alles rosenrot.“ Karl May hatte bis zum Schluss um seine Reputation gekämpft und sah aber seinen Sieg klar vor Augen. Kein anderer dürfte heute höhere Auflagen sein eigen nennen, wenige haben solche ungeheueren Zahlen erreicht.

Was mich heute besonders interessiert, ist sein Spätwerk, dessen Romane auf einer Ebene verfasst sind, die mich in Erstaunen versetzt, ebenso wie sein letzter Vortrag in Wien am 22.3.1912, Thema: „Empor ins Reich der Edelmenschen.“  May plädierte für eine Welt des Friedens, eine Abkehr von der Ichsucht und von Gewalt sowie für eine Anstrengung jedes einzelnen im Sinne menschlich-christlicher Vervollkommnung. Sein Weg von einem bitterarmen Kind aus Ernsttal in die große, weite Gedankenwelt glich einem Traumflug, befeuert in der zweiten Hälfte des 19. Jh. durch neue Druckverfahren und die damals entstehenden Unterhaltungsmagazine wie Gartenlaube oder Familienblatt. Karl May löste sich durch Kreativität vom überkommenen Sitten- und Ständebild, um sich ein eigenes Universum zu schaffen, in dem er die Rolle des Erziehers, Ermöglichers und positiven Denkers spielte.

Bewertung vom 08.03.2024
Kein Mensch lebt nur für sich allein
Grün, Anselm

Kein Mensch lebt nur für sich allein


gut

Man muss Anselm Grün bewundern für seine Vielzahl an Büchern, die sich um Dinge kümmern, die Menschen bewegen. Auch hier lesen wir viele Hilfestellungen, die im ersten Moment oft banal klingen, aber doch durchdacht sind: alles in klarer, verständlicher Sprache.

„Ich kann das Vergangene nicht einfach vergessen, ich kann es loslassen, ich kann die Verletzung beim anderen lassen.“ Ob das dann auch bei ganzen Völkern klappt, schwer zu erkennen, aber vielleicht doch möglich. Ob das ohne Bewerten stattfinden sollte, wie im Buch auf Seite 192 vermittelt, da hätte ich meine Zweifel.

Neid könne man dadurch mildern, indem man auf sich selbst schaut und dankbar ist für das eigene Leben. Oder indem man dankbar auf Andere schaut, die erfolgreicher sind als man selbst. „Und vielleicht erkenne ich, dass der andere eine Herausforderung für mich ist, die mir guttut.“

Die biblischen Tugendkataloge als Weg zu einer guten Verbundenheit sind es wert, immer wieder gelesen zu werden: es geht um aufrichtiges Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Langmut. Vor allem aber liebt einander, sie ist das Band, das alles zusammenhält.

Über allem also thront die Liebe, sie kann alles erlösen. Feindschaft ist nach der christlichen Botschaft keine Lösung. Die schöne Verbundenheit mit allen Völkern verkennt aber ein Wort von Jesus: „Ich bin nicht gekommen , den Frieden zu bringen, sondern das Schwert“. Übersetzt man diesen Satz tatsächlich aus dem Aramäischen in richtiger Weise (Franz Alt: Was Jesus wirklich gesagt hat) , dann heißt er: Seid nicht gutgläubig, seid wachsam! Wenn Ihr Euch mit anderen zusammensetzt, zieht das "Schwert der Worte" und streitet für Eure Sache. Meine Aufopferung, mein Selbstopfer bedeutet nicht Frieden, Erlösung als Automatismus, sie ist eher der Beginn des Kampfes um Wissen und Wahrheit.“

Bewertung vom 08.03.2024
Zauberberge - Als es die Dichter und Denker auf die Schweizer Gipfel zog
Lesti, Andreas

Zauberberge - Als es die Dichter und Denker auf die Schweizer Gipfel zog


ausgezeichnet

Ich kenne die Orte und Punkte, die Andreas Lesti beschreibt, aus eigenem Erleben und habe mit den Inhalten dieses Buches Vieles wieder- und Vieles neu entdeckt.

Reisebeschreibungen, Kultur, Träume und Gespräche mit Menschen verbinden sich hier zu Orten in der Höhe, die mir immer wieder Erfrischung, Erholung und Abkehr von der gefürchteten Allergie bringen.

Über 1200 m ist alles Allergische (Frühblütler) bei mir weg und Freunde können oft nicht verstehen, wenn ich sage, dass der erste Atemzug in Sils Maria das Wertvollste am ganzen Urlaub ist. Und alle Atemzüge danach. Stilles Wandern auf der Halbinsel im Silser See, dort, wo Nitzsche entlang spazierte und dachte, wenig Dinge sind schöner als dies und lange Spaziergänge im Fex-Tal direkt hinter dem Waldhaus beginnend.

Was Andreas Lesti in den Gesprächen mit Urs Kienberger nicht beschreibt, ist die Tatsache, dass Adorno im Waldhaus eine Sache nie ausgelassen hat: die kostenlosen Konzerte der Waldhaus-Trio-Kapelle. Er scheint dort nicht unbedingt beliebt gewesen zu sein. „Eigentlich hattest Du immer den Eindruck, sie waren nicht zufrieden. Aber sie kamen immer wieder.“ So Urs Kienberger, der hier seinen Vater zitiert.

Wir lesen am Endpunkt des Spaziergangs aus dem Fextal eine wirklich zutreffende Beobachtung: „Und dann stand ich plötzlich wieder vor dem Waldhaus. Auf der Terrasse aßen die Gäste ihr Mittagessen, das Waldhaus-Trio spielte Stücke aus dem 19. Jh. und eine Pferdekutsche fuhr glockenklingelnd vorbei. Ich stand da und fragte mich, ob die Vergangenheit, mit der ich mich seit Tagen beschäftigte, durch irgendeinen Zauberberg-Trick zur Realität geworden war.“

Es sind in der Tat Zauberberge, die Andreas Lesti beschreibt, und zauberhafte Erinnerungen, auch sehr traurige, die mich beim Lesen gefesselt haben. Adorno war in Zermatt mit seiner Frau im Hotel Bristol zu Gast, Zimmer Nr. 30, mit Blick auf den Friedhof, auf der Flucht vor dem Busen-Attentat in Frankfurt und den zu intellektuellen Gesprächen im Hotel Waldhaus. Er wollte nochmals ganz hoch hinaus und starb dort bzw. in Visp an einem Herzinfarkt. Er wollte noch seine Schuhe in Ordnung bringen lassen, die er wohl bei einer zu ausgiebigen Hoch-Tour am Tag zuvor ramponiert hatte. Mir war das etwas zu viel Adorno, aber sei’s drum, man hat viel erfahren und Spannendes gelesen.

In Zermatt würde ich eine Helio-Heli-Tour empfehlen. Mit der Air Zermatt um das Matterhorn zu fliegen, gehörte für mich zum höchst Bemerkenswerten überhaupt.

Bewertung vom 08.03.2024
Einigt Euch!
Kuntze, Sven

Einigt Euch!


weniger gut

Die zurückliegenden, friedlichen, erfolgreichen, prosperierenden Jahrzehnte sind aktuell in einer diffusen Auflösung begriffen. Es dominieren Hass, ideologischer Irrsinn und Kompromisslosigkeit. Die Ergebnisse kann jeder heute täglich besichtigen und nachlesen bzw. hören.

Sven Kuntze plädiert für eine Reichsacht, die man global vergeben sollte, über alle Kulturen und Religionen. Die Ermahnung an alle Führer, sich zu einigen und den Kompromiss zu suchen, klingt zwar nach wie vor richtig, aber nicht auf einer halb-garen Analyse.

„Wenn es etwas an Trump zu bewundern gibt, dann den Mut, das Amt, trotz des Mangels jeglicher Eignung anzustreben.“ Nun, hier hätte ich eine sachliche Analyse seiner ersten 4 Amtsjahre erwartet. Stattdessen lesen wir einen Rückgriff auf Ulysses S. Grant, einem Trinker und Bereichere. Er war der 18. Präsident der VS.
Kuntze sieht Trump als Kriegserklärung an die zivilisatorischen Voraussetzungen demokratischer Kultur.“ Wer so argumentiert, wendet sein ganzes Buch gegen sich selbst, weil er bestimmte Gruppen aus der Diskussionsraum einfach entfernt.

Kuntze redet einer globalisierten Welt das Wort, auch wenn dort in vielen Ländern Frauen, Homosexuelle und andere Religionen völlig entrechtet werden. Davon lesen wir nichts. Dieses Problem sieht er nicht und wandelt damit auf den Pfaden jener, die heute die 3 Elefanten im Raum nicht sehen wollen und allen zurufen: wir schaffen das, wenn wir nur in jahrelangen Kompromissen den kleinsten, gemeinsamen Nenner suchen.

„Kehr nie zurück, du störst“, wurde Herrn Kuntze von seiner Mutter geraten als er in Rente ging. Ein weiser Rat und ich denke, Tübingen ist ein schöner Ort, um Besinnung und Kompromisse zu suchen, ganz so wie in den 70ern. Er studierte dort Soziologie, Psychologie und Geschichte, um später sein Wissen in den Öffentlich Rechtlichen zum Besten zu dramatisieren.

Dort könnte es ihm gelingen: „die Behaglichkeit, der Rückzug aus der Vielfalt und damit der Verzicht auf Kompromisse" zu geneißen. Nicht die schlechtesten Aussichten für einen erkenntnisreichen älteren Herrn.

Der Satz aber, der Kuntze verfolgt: "Die Zeit drängt. Mit der Natur sind keine Kompromisse zu haben. Im günstigsten Fall ist Aufschub möglich."

Bewertung vom 08.03.2024
Am Ende der gewohnten Ordnung
Pornschlegel, Sophie

Am Ende der gewohnten Ordnung


weniger gut

Selten habe ich etwas Unverständlicheres, aber auch Banaleres gelesen, ich erkenne nicht, was mir die Autorin sagen will. Sie blickt in ihrer Analyse meist auf amerikanische oder europäische Fernseh-Serien, um von daher die Realität bzw. Optimierungen zu greifen. Ein buntes Panoptikum des müsste, sollte, könnte.

Ich lese das: „Besonders die Sozialdemokratie hat sich dem Kapitalismus gebeugt, sich deutlich konservativen Positionen angenähert und damit den Rechten die Domäne des Aufbegehrens überlassen.“

Sich dem Kapitalismus beugen, also das habe ich noch nie gehört. Hat Frau Pornschlegel sich mit der Veröffentlichung dieses Buches ebenso dem Kapitalismus gebeugt?

Domäne des Aufbegehrens? Durch Rechte? Wer sind Rechte? Ich stimme mit Enzensberger überein: „In der Abenddämmerung der Sozialdemokratie hat dagegen Rousseau noch einmal gesiegt. Sie haben nicht die Produktionsmittel, sondern die Therapie verstaatlicht. Dass der Mensch von Natur aus gut sei, diese merkwürdige Idee hat in der Sozialarbeit ihr letztes Reservat. Pastorale Motive gehen dabei eine seltsame Mischung ein mit angejahrten Milieu- und Sozialisationstheorien und mit einer entkernten Version der Psychoanalyse. Solche Vormünder nehmen in ihrer grenzenlosen Gutmütigkeit den Verirrten jede Verantwortung für ihr Handeln ab.“ („Aussichten auf den Bürgerkrieg“, 1994, S. 37)

Frau Pornschlegel scheint aus einer progressiven Attitüde heraus Dinge schreiben zu können, die weder belegt noch realistisch sind, dagegen schwingen Vorurteile und Angstgefühle mit, die mit sozialer Marktwirtschaft nicht mehr grundiert scheinen.

Gerne würde ich der Autorin motivierende Stupser geben, um weitere individuelle Handlungsräume für Demokratie, Menschlichkeit und Liebe in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu würde als erstes dieses Buch von Ilhan Arsel gehören: „Frauen sind Eure Äcker.“

Bewertung vom 05.03.2024
Mami goes Millionär
Mayer, Dr. Carmen

Mami goes Millionär


ausgezeichnet

Die meisten sparen auf ihre Rente - statt die finanzielle Unabhängigkeit schon viel früher zu sichern!

Dr. Carmen Mayer wurde Mutter und musste sich ihren Traum vom Haus in München abschminken. Denn dort liegen Preise für ein neues Haus bei über einer Million im Bereich des Normalen.

So beginnt dieses Buch und fesselt einen von Beginn an. Ich habe schon viele dicke Wälzer über Aktien gelesen und nie bekam ich wirklich Lust auf das Thema.

Ganz anders hier. Frau Mayer gelingt eine ganz seltene Umsetzung: sie schreibt fesselnd und spannend zugleich, sie kann obendrein klar und verständlich erklären, auch komplizierte Sachverhalte treffend entzaubern. Nicht Länge der Texte steht im Vordergrund, sondern Kürze der Erkenntnisse.

Es geht auch um Aktien etc., vor allem aber geht es um die Investition in die eigene finanzielle Freiheit, ein Teil des Einkommens sollte in diesen Bereich investiert bzw. gespart werden, um bald seine Früchte zu tragen. Der Begriff des Sparens wird so seiner altmodischen Hülle entkleidet und neu in den Mittelpunkt gestellt.

Wir lernen den Wert unterschiedlicher Lebensbereiche kennen, für die man monatlich etwas vorsehen bzw. zurücklegen sollte. Die eigene Freiheit steht dabei an erster Stelle, ohne jedoch Glück, Vergnügen und Freude außen vor zu lassen. Die Erkenntnis, einen gewissen Betrag monatlich in sich selbst zu investieren, sollte schon in Schulen gelehrt werden.

Sich einen Überblick zu verschaffen, zu sehen, wirklich bin in alle Details zu sehen, was man ausgibt, also ein Haushaltsbuch zu führen, ist zentral. Interessanterweise hatte ich schon vor diesem Buch (endlich) damit begonnen und treffe jetzt sozusagen auf eine Aufgabe, die ich schon erledigt habe.

In Zeiten niedriger Zinsen sind Aktien die lukrativste Anlage, so dass trotzdem ein höherer Zinssatz erreicht werden kann, der sogar in einem Bereich von 10-15% liegen kann. Mit diesem Hebel wird finanzielle Freiheit möglich, es erfordert nichts anderes als echtes Interesse für Firmen, die als Aktiengesellschaften Teile an alle abgeben und uns an ihrem Erfolg teilhaben lassen.

In diesem Buch wird Aktienanalyse auf jene Eckwerte heruntergebrochen, die wichtig sind und eine Einschätzung leicht ermöglichen. Dieses Buch war und ist eine der sinnvollsten Investitionen in die Zukunft. Ein Thema kommt näher, das jeden angehen und begeistern sollte.

Bewertung vom 04.03.2024
Verachtung nach unten
Wendt, Alexander

Verachtung nach unten


ausgezeichnet

Die Bürgergesellschaft soll heute durch eine neue Sinn-Produktion ersetzt werden, die sich in verschiedensten Ausprägungen über uns legt und alles instabiler und diffus hysterischer macht. Was würden wir verlieren, wenn sich dieses neue kollektivistische Denken weiter ausbreitet und die Diskurs- bzw. Handlungshoheit erzielt? „Ihr Glaubenssystem enthält nichts Menschenfreundliches, nichts Befreiendes, nichts, was eine Gesellschaft befrieden könnte.“

„Die neue moralische Klasse, die sich links ausstaffiert, arbeitet in den westlichen Ländern gerade daran, die Früchte der Aufklärung zu vernichten - und das unter dem Banner des Fortschritts.“ Warum erleben wir heute dauernde Anklagen, von BLM über Hass auf Parteien bis hin zu kolonialen Anklagen? Enzensberger hat eine wesentliche Ursache schon 1994 beschrieben: „In der Abenddämmerung der Sozialdemokratie hat dagegen Rousseau noch einmal gesiegt. Sie haben nicht die Produktionsmittel, sondern die Therapie verstaatlicht. Dass der Mensch von Natur aus gut sei, diese merkwürdige Idee hat in der Sozialarbeit ihr letztes Reservat. Pastorale Motive gehen dabei eine seltsame Mischung ein mit angejahrten Milieu- und Sozialisationstheorien und mit einer entkernten Version der Psychoanalyse. Solche Vormünder nehmen in ihrer grenzenlosen Gutmütigkeit den Verirrten jede Verantwortung für ihr Handeln ab.“ („Aussichten auf den Bürgerkrieg“, 1994, S. 37)

Was haben Flüchtlinge und heimatorientierte Bürger bei uns gemeinsam? Sie suchen vor allem eine stabile, gewohnte Umgebung! Alexander Wendt schildert zu Beginn einen Ort in Portugal, in dem Auswanderer in Europa ankommen und sich weiter entwickeln wollen. In der Siedlung Cola de Vapor, der Dampfbucht. Das Abstrakte unserer Diskussion wird damit in Konkretes verwandelt, die tatsächlichen Probleme erfasst und verstanden. Anschauen was ist und verstehen lernen, Sozialdemokraten könnten sich an diese Aussage erinnern und daran denken: „Alles, was den Westen wertvoll macht, steht auf dem Spiel: die Idee des Bürgers, die Rationalität, das Prinzip von Rede und Gegenrede, die offene Entwicklung.“

Der schönste Satz des ganzen Buches steht gleich am Anfang: „Tief ist der Schacht, in dem linke Ideen liegen.“ Waren sie früher noch von der Idee beseelt, bessere Verhältnisse für alle zu schaffen, so sind Linke, die heute in der Hülle ihrer alten Ideen weiter-arbeiten, von ganz anderen Dingen durchdrungen. Ihre Sinnproduktion greift zu allem, was sich heute dazu eignet, die ganze Welt zu beglücken. „Dieses Buch handelt von Kräften, die in ihrem Moraldünkel Schwächere von oben belehren und and den Rand der Gesellschaft drängen, und das in sozialer und kultureller Hinsicht.“ Du bist rechts? Schweig und fühle Schuld!

So geht es dem Autor als er seine Konkretionsforschung bei Tadzio Müller betreibt, Trumpisten und Rechte sind dort nicht willkommen. Das Gespräch mit diesem Klimaaktivisten (um den Hals eine Verschlusskette mit der Aufschrift Slave) vermittelt das ganze Können Wendt’s in schönster Transparenz, ebenso das Gespräch mit Ackner oder Stegemann (aufstehen Bewegung). Die Lücken und das emotionale Können dieser Personen zerfließt in eine Analyse, die unsere letzte Vergangenheit bestens erklärt. Die Bewohner der Brennpunkte mussten sich von denen der besseren Viertel erklären lassen, warum ein Zustrom von Menschen aus dem arabischen Raum ein Segen sei. Wer dagegen ist, sei ängstlich, zynisch, eine trübe Tasse. Der Süddeutsche Beobachter titelte sogar von „wunderlichen Nicht-n….n“.

Wir lesen in den Kapiteln dieses Buches vom Zentrum der Sinnproduktion, den dort ansäßigen Wohlgesinnten in die Außenbezirke und zurück, die Wanderungen des Alexander Wendt bestechen durch überraschende Wendungen und Querverweise, sie machen mehr als deutlich, wo Probleme und Möglichkeiten liegen. „Selbst verstocke Dörfler zeigen sich Zuzüglern aus Schwarzafrika gegenüber meist toleranter als Wohlgesinnte (z.B. im Prenzlauer Berg), wenn Unbefugte in ihren Herrschaftsbereich eindringen.“

Die Wohlgesinnten hätte auch ein Buchtitel sein können, ihre moralische Verachtung der Peripherie zeigt sich aktuell in massenhaften Demonstrationen gegen alle, die ihre Gesinnung nicht teilen. Ihre Versatzstücke früherer linker Politik glänzen zwar noch, aber der matte Abglanz verrät doch religiöse Züge, die per eigener Sinnenmacht in Schuldige und Opfer teilt, ja permanent nach neuen Symbolen dieser Deutungsmacht sucht.

Wer Deutschland in den 2020ern verstehen will, wirklich tiefergehend und erhellend, liegt mit diesem Buch genau richtig. Ein feiner, vorsichtiger Aufzeichner der Befindlichkeiten sucht weniger nach Schuld als nach guten Lösungen, nach einem besseren Miteinander, das täglich leider immer mehr abbröckelt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.03.2024
Ist das euer Ernst?!
Hahne, Peter

Ist das euer Ernst?!


ausgezeichnet

Statt Fakten gibt es heute fast ausschließlich eine andere, süßlich klingende Kost: Haltung und Moral. Politiker schwadronieren auf gute Art und Weise, sie überreizen die Toleranz ihrer Bürger, denen sie eigentlich zu Wahrheit, Vernunft und Sachlichkeit verpflichtet wären. Die eine Hand nimmt das Steuergeld und schaufelt es vor allem in die eigenen Taschen und Interessen. Gut dazustehen in der Welt ist wichtiger, als der Rentnerin zu helfen, die in der Stadt nach Pfandfalschen sammelt.

Deutschland hat eine von Franz Werfel 1946 veröffentlichte Vision (Roman „Stern des Ungeborenen“) erfüllt: „„Zwischen Weltkrieg II und Weltkrieg III drängten sich die Deutschen an die Spitze der Humanität und Allgüte. Und sie nahmen das, was sie unter Humanität und Güte verstanden, äußerst ernst. Sie hatten doch seit Jahrhunderten danach gelechzt, beliebt zu sein. Und Humanität schien ihnen jetzt der bessere Weg zu diesem Ziel. Sie fanden diesen Weg sogar weit bequemer als Heroismus und Rassenwahn. So wurden die Deutschen die Erfinder der Ethik der selbstlosen Zudringlichkeit.“

Wer nach außen großzügig auftritt, muss nach innen Grenzen ziehen. „Deutlichste Botschaft aus allen Umfragen der letzten Monate: Das Volk fühlt sich verachtet.“ Peter Hahne redet Klartext und spart kein brisantes Thema aus. „Die schwurbelnden Verfassungsschützer wittern überall Staatsfeinde.“ Diese Staatsfeinde wenden sich entsetzt ab und werden umgehend beobachtet, auch unterhalb strafrechtlicher Aussagen soll es schwerer werden, Kritik zu üben und die Politiker zu durchlüften. Selbst Witze über Minister dürfen nicht mehr gemacht werden, auch wenn diese eigene Freunde und Verwandte im Ministerium unterbringen.

„Demokratisches Widerstand ist mächtiger als betreutes Denken und ideologischer Mainstream.“ Peter Hahne schreibt mir meinen Ärger von der Seele, in 28 Kapiteln, die sich gewaschen haben - bis hin zur Seite 134, mit der Überschrift: „Wir schaffen das (ab)!“

144 Seiten klare Fakten, sachliche Feststellungen und Analysen, die jeden mitlesenden Politiker erschaudern lassen müssen und ihm vermitteln, was zu tun ist. Ihre Sprach-Kosmetik fällt jedem inzwischen auf: Steuererhöhungen sind Zukunftsinvestitionen, Schulden Sondervermögen, Indoktrinationen sind Narrative, Pleiten nur vorübergehender Produktionsstop. „Allein die Wortschöpfungen aus Habecks Vetternwirtschafts-Ministerium oder Lauterbachs Münchhausen-Ministerium bieten ein Kaleidoskop der Manipulation.“

Peter Hahne schafft einen Zustandsbeschreibung deutscher Dramen und Befindlichkeiten, die jedem klar machen, warum Kirchen heute nicht nur leer, sondern gähnend leer sind. Sein christlicher Glaube vermittelt eine Philosophie, die auch Napoleon nicht verborgen geblieben ist, der folgendes sagte: „Je weiter ich mich nähere, je gründlicher ich forsche, desto schleierhafter wird mir alles; alles bleibt erhaben - von einer Erhabenheit, die überwältigt. Seine Religion ist die Offenbarung einer Intelligenz, die bestimmt nicht die eines Menschen ist. Es gibt darin eine tiefe Originalität, die eine Reihe von bis dahin unbekannten Worten hervorgebracht hat. Jesus borgte sich nichts von unserem Wissen aus. Nirgendwo ausser einzig in ihm selbst lässt sich die Nachahmung oder das Beispiel seines Lebens finden.“

Peter Hahne ist ein unermüdlicher Kämpfer für Vernunft und Aufklärung, die mit der christlichen Religion eine solide, säkulare Basis erhielt und heute keinesfalls mit moralischem Sektierertum und Ausgrenzung Andersgläubiger gemeinsame Sache machen darf. Moral, Masken und Meldung machen - diese drei Facetten aktueller Befindlichkeiten scheinen ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Noch nie mussten Politiker so lange Zeit in der Maske sitzen, um sich schminken zu lassen, um ihre Hochmoral in alle Mikrofone zu sprechen, um die Bevölkerung zu ermahnen, streng Meldung zu machen, wenn gegen die Moral verstoßen wird.

11 von 13 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.02.2024
Gibt's das auch in Grün?
Scheidecker, Kerstin;Tölle, Katja

Gibt's das auch in Grün?


sehr gut

„Die Industrie verkauft uns Umweltsünden - und wir kaufen sie.“ Leider ist diese Aussage mehr als wahr. Es kann nicht falsch sein, sich Gedanken über Produkte zu machen, die in ihrer Produktion und dem Transport schädlich sind für Mensch und Umwelt. Produkte bewusst auszuwählen, die Tricks der Industrie zu erkennen, diese Zielsetzung des Buches macht es zu einer hochaktuellen Publikation, die jeder kennen sollte.

Wussten Sie, dass China der weltweit größte Tomatenproduzent ist?, der Tomatenmark exportiert und z.B. Italien das Ganze als italienisch „verpackt“ und weltweit vertreibt!

Wir ahnen viele Probleme, wollen sie aber nicht mehr wissen, weil es so schön bequem ist, das ganze Jahr über z.B. Erdbeeren zu genießen. Sie aus Afrika zu importieren ist aus vielen guten Gründen schlicht unanständig. Auch weil Wasserspeicher in Afrika nur begrenzt vorhanden sind und die Früchte eingeflogen werden müssen.

Abseits politischer Haarspaltereien einfach sachlich über Notwendiges zu berichten, mit dieser klaren Herangehensweise werden aus den Tipps und Hintergrundinformationen nutzbringende vernünftige Informationen: zum Beispiel, welche Putzmittel im Haushalt tatsächlich benötigt werden und wie diese einzusetzen sind. (Diese Putzmittel brauchen Sie wirklich. S. 194-197)

Die Themen bzw. Gliederungspunkte des Buches sind: 1. Zu weit gereist 2. Kampf ums Wasser 3. Tierisch schlechtes Gewissen 4. Soja und Co 5. Kosmetik 6. Mikroplastik aus der Tube 7. Waschmittel 8. Putzmittel 9. Fashion untragbar 10. Ökostrom

Weniger gut gefällt mir das Buch dort, wo es wieder aktivistisch oder Ideologie-getrieben wird, z.B. auf Seite 245, wo zu Streiks etc. aufgerufen und sogar empfohlen wird, für sog. Klimaschädlinge gar nicht mehr zu arbeiten. Das Anliegen hat ein solches Vorgehen gar nicht nötig, es ist jedem vernunftbegabten Wesen sowieso eingängig und klar. Die Problematik von Atomkraftwerken wird zudem nicht diskutiert, obwohl fast alle Länder um Deutschland darauf setzen und den deutschen Sonderweg stützen müssen, mit der Folge überproportional hoher Strompreise.

Ich nutze das Buch primär dort, wo es sinnvoll und sachlich agiert, sobald Angst- oder Drohelemente einfließen, überlese ich. Mir wird immer klarer, dass wir alle einen runden Tisch bräuchten, an dem wieder sachlich diskutiert werden kann und wo angstinduziertes Gehabe ausgeblendet wird. Mit Grünen Aktivisten ist heute nahezu kein vernünftiges Gespräch mehr möglich, die Nähe zu Sekten wird immer dramatischer.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.02.2024
Menschen überzeugen, die Recht haben wollen
Braun, Marie-Theres

Menschen überzeugen, die Recht haben wollen


ausgezeichnet

Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel. Diese Aussage, vermutlich von Maslow, vermittelt unsere heutige Diskussionskultur in ihren alternativlosen Verläufen leider viel zu oft. Wie wäre ein besseres Miteinander möglich? Dieses lesenswerte Buch trägt zusammen, was wirklich helfen könnte. Man sollte immer im Gespräch bleiben, hinhören, nachfragen und daran interessiert, eine gemeinsame Lösung zu finden.

Dazu werden kooperative Techniken erläutert (1. Teil), gefolgt von 2. wichtigen Persönlichkeitsmerkmalen und 3. Hinweisen zur besseren Online-Kommunikation.
Insgesamt ein hervorragendes Buch zur Wieder-Vergegenwärtigung jener Facetten eines Gesprächs, das munter hin- und her fließt und bei dem keiner gewinnen will außer der Lust gemeinsam mehr zu verstehen und zu wissen.

Rhetorik war im alten Griechenland eine der grundlegenden Künste und lebte vor allem vom Hineinversetzen in das Gegenüber. Eine der Standardregeln war und ist „4. Paraphrasieren - der kontrollierte Dialog“ , d.h. in jeder Diskussion fasst man das vom anderen gesagte nochmals kurz zusammen, man versetzt sich so in ihn hinein und kann gleichzeitig kontrollieren, ob man ihn richtig verstanden hat.

Es stimmt, im Internet findet durchaus sinnvolle Kommunikation statt, man tauscht sich aus und beleidigt sich leider oft schneller. Trotzdem macht es Sinn, dort zu sein und sprechen, d.h. argumentieren zu üben, anderen anzuhören, um vor allem auch außerhalb der eigenen Bubble klüger zu werden.

Es ist eines der zentralen Probleme der Jetzt-Zeit: Ausgrenzung und Diffamierungen drohen unsere Gesellschaft zu spalten. Mit diesem Buch kann dagegen gearbeitet und wieder zu einem sinnvollen Miteinander gekommen werden. Sehr, sehr lesenswert - mit direktem Anwendungsbezug.