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pw

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Insgesamt 122 Bewertungen
Bewertung vom 13.08.2022
Drei Tage im August
Stern, Anne

Drei Tage im August


sehr gut

Berlin 1936 einmal anders

Dieser Roman wirkte auf mich wie ein Episoden-Roman. Er spielt 1936 zur Zeit der Olympiade im nationalsozialistischen Berlin.

Wir erleben drei Tage aus der Sicht verschiedener Akteure.

Die Hauptfigur ist Elfie Wagner. Sie leitet eine Pralinenmanufaktur in der Straße Unter den Linden. Sie ist hochsensibel, manchmal in depressiver Stimmung und manchmal kommt es mir vor, als hätte sie eine leichte Art von Autismus. Sie selbst bezeichnet sich als seltsam, wie es ihr von Kind an vorgeworfen wurde.

Dann ist da Franz Marcus, ein jüdischer Buchhändler, der es in der Zeit besonders schwer hat. Er hat zwar seinen Laden Unter den Linden noch, sieht jedoch das Unheil immer näher kommen und plant seine Flucht.

Eine dritte sehr wichtige Figur ist Marie Conte, eine sehr alte Frau, zuerst Elfies Kundin, danach Vertraute und fast so etwas wie eine Freundin. Sie erzählt Elfie ihre Geschichte. Die allein ist schon sehr spannend.

Diese Figuren und einige weitere habe ich sehr schnell ins Herz geschlossen. Alle so menschlich in einer dunklen und absurden Zeit. Ich fand es sehr spannend, diese Zeit aus der jeweiligen Sicht der Figuren zu erleben.

Die Autorin hat es geschafft, alles sehr glaubhaft darzustellen, aber eine Kleinigkeit ist Geschmackssache:

Zwischen den Kapiteln mit den konkreten Erlebnissen der Protagonist*innen sind immer wieder Abschnitte eingeflochten, die aus der Sicht der Lindenbäume in der Straße Unter den Linden erzählt werden. Was würden die Linden wohl sagen, wenn sie reden könnten?

Das ist poetisch, aber ich empfand es manchmal als langatmig. Ich wollte endlich wissen, wie es mit den einzelnen Personen weitergeht. Aber ich habe gemerkt, dass ich die Passagen schnell überfliegen konnte, ohne dass mir etwas gefehlt hat.

Fazit: Ein Stück historisches Berlin aus den dreißiger Jahren des 20 Jahrhunderts auf außergewöhnlich schöne Weise greifbar gemacht. Die Geschichte lebt von den Freuden und Sorgen der verschiedenen Charaktere, sehr gelungen geschildert. Hat mich (bis auf die Einschübe) gefesselt von Anfang bis Ende.

Bewertung vom 20.07.2022
Die Ewigkeit ist ein guter Ort
Noort, Tamar

Die Ewigkeit ist ein guter Ort


ausgezeichnet

Durch den Riss kommt das Licht herein

Was ist das Richtige? Was will ich? Das sind Fragen, die sich die Hauptfigur Elke, angehende Pastorin, immer wieder stellt und die ihr Inneres immer mehr durcheinander bringen. Es beginnt damit, dass sie plötzlich alles, was mit Gott und Religion zusammenhängt, einfach vergessen hat oder nicht auszusprechen schafft.

So nimmt sie sich eine Auszeit und pendelt zwischen ihren Wurzeln in Norddeutschland und ihrer Gegenwart in Köln. Sie scheint eine ziemlich chaotische Person zu sein und manche Episoden haben mich zum Schmunzeln, manche aber auch zum Kopfschütteln gebracht.

Nach und nach bekommen wir mit, dass es einige Erlebnisse und frühere Erfahrungen sind, die sie und auch ihre Familie und Freunde wohl noch nicht ganz verarbeitet haben. Es geht dabei vor allem um den Unfalltod ihres Bruders vor etwa fünfzehn Jahren.

Die Geschichte ist sehr lebendig geschildert, sprachlich äußerst gelungen und dabei sehr nahbar. Die Autorin hat ein großartiges Erzähltalent. Ihre Schreibe hat mich so gefesselt, dass ich das Buch fast in einem Rutsch durchgelesen habe.

Es sind darin verschiedene sehr markante und besondere Charaktere gezeichnet und auch diverse originelle Situationen. Das Ganze hat meiner Meinung nach einen sehr starken Symbolcharakter, ohne dabei abgehoben oder durchgeknallt zu wirken. Das Cover passt sehr gut: Die junge Frau, die auf dem Seil balanciert. Das soll sicher symbolisieren, dass es manchmal wirklich ein Balanceakt ist, sich für das Richtige zu entscheiden.

Auch wenn es nach dem Titel so scheint, ist es völlig unwichtig, ob man als Leser*in selbst an Gott glaubt oder irgendwie sonst religiös ist. Es geht nicht darum zu missionieren.

Die wichtigste Botschaft dieses Buches wurde sehr schön durch ein Zitat nach Leonhard Cohen dargestellt: „Es ist ein Riss in allem, so kommt das Licht herein.“

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Bewertung vom 14.07.2022
Samson und Nadjeschda
Kurkow, Andrej

Samson und Nadjeschda


ausgezeichnet

Untypischer Krimi, historischer Roman und Groteske in einem

Dieser Roman ist mehr als nur ein Krimi. Er ist gleichzeitig ein historischer Roman, der uns nach Kiew ins Jahr 1919 mitnimmt. Andrej Kurkow hat ein Erzähltalent, wodurch ich mich von Anfang an sehr gut in Ort und Zeit, vor allem in die Gepflogenheiten, und natürlich in die handelnden Personen hineinversetzen konnte.

Der Kriminalfall baut sich erst allmählich auf. Eigentlich ist das Ganze mehr eine Geschichte über den Alltag von Samson, der durch Zufall zum Ermittler bei der Miliz wird. Das alles spielt nicht lange nach dem Ersten Weltkrieg und der Revolution, in einer Zeit von Chaos und Gefahr durch Banditen und Vertreter verschiedener politischer Gesinnungen.

Einige Szenen, besonders am Anfang, sind erschütternd brutal. Dem Autor gelingt es jedoch, sie so zu schildern, dass mir nicht schlecht wurde, sondern dass ich einfach weiterlesen musste. Besonders interessant – geradezu grotesk fantastisch – entwickelt sich die Sache mit dem abgetrennten Ohr.

Dieser Roman ist sehr schön erzählt und lebt trotz aller Not, Brutalität und Düsternis von etlichen witzigen Details. Dazu gehört auch die Geschichte, wie Samson bei der Miliz landet.

Der Kriminalfall – oder sagen wir besser die Kette von Rätseln – wird durch Samson auf recht unkonventionelle Art und Weise gelöst. Dazu werde ich natürlich nichts Genaueres verraten.

Was ich verraten kann, ist, dass es eine Fortsetzung geben wird. Aber das lässt sich ja bereits aus dem Klappentext entnehmen.

Mein Fazit: Eigentlich ist es gewagt, dieses Buch in die Schublade „Kriminalroman“ zu stecken, denn es ist mehr als das. Kurz und gut: Ungewöhnlich, spannend und witzig. Es hat mich sehr gut unterhalten.

Bewertung vom 11.07.2022
Richter morden besser / Siggi Buckmann Bd.1
Schleif, Thorsten

Richter morden besser / Siggi Buckmann Bd.1


ausgezeichnet

Für Leser*innen mit Humor und Gerechtigkeitssinn

Amtsrichter Siggi Buckmann befasst sich mit vielen alltäglichen Fällen. Das ist nicht schön, aber nervenaufreibender ist das ganze Drumherum des Justizapparates. Das kann man nur mit Humor ertragen, z. T. mit sehr schwarzem. Davon hat Siggi, gemütlicher Zeitgenosse Mitte fünfzig, eine Menge.

Manche nervigen Kollegen oder Vorgesetzen kann er nur aushalten, indem er ihnen passende Spitznamen gibt, wie z. B. Duracell für die überambitionierte Kollegin oder Mr. Burns für einen mürrischen Vorgesetzten.

Siggi und seine Mitstreiter, die ihren Job noch wirklich ernst nehmen, haben es nicht so leicht. Denn im Justizapparat fehlt es an allen Ecken und Enden an Mitteln und es geht auch nicht immer gerecht zu. Da wird gekungelt und gerangelt, so dass die Gerechtigkeit leider oftmals auf der Strecke bleibt, insbesondere wenn es um die wirklichen Verbrecher geht. Also greift Siggi zu eigenen Methoden, bei denen man sich sagt: Wie cool ist das denn!

Dieses Buch ist ein etwas anderer Krimi. Ich habe mich beim Lesen köstlich amüsiert. Dieser Siggi Buckmann ist schon eine Marke für sich. Die Geschichte ist überwiegend aus seiner Sicht erzählt und lebt neben ihren Dialogen von Siggis Gedanken. So ist es sehr amüsant, direkt hintereinander zu lesen, was Siggi jeweils denkt und was er seinem Gegenüber antwortet.

Darüber hinaus ist die ganze Geschichte ziemlich spannend. Man merkt, dass sich der Autor sehr gut im „Juristenmilieu“ auskennt – er ist sogar selbst Richter. Zusätzlich verfügt er über ein großartiges Erzähltalent und eine Menge Humor. Das ist die perfekte Mischung, um solch einen Roman zu schreiben.

Ich habe mich köstlich amüsiert und war fast ein wenig traurig, als ich das Buch ausgelesen hatte. Der letzte Abschnitt ist noch ein geheimnisvoller Zusatz, sicher dazu da, um neugierig auf eine Fortsetzung zu machen. Allerdings wird darin kaum ein Bezug zur bisherigen Handlung hergestellt und das ist gut so. Die Geschichte ist schön in sich abgeschlossen, so mag ich das.

Fazit: Cosycrime – sehr witzig und spannend, dabei irgendwie einzigartig. Absolute Empfehlung für Leser*innen mit Humor und Gerechtigkeitssinn.

Bewertung vom 11.07.2022
Als das Böse kam
Menger, Ivar Leon

Als das Böse kam


gut

Pageturner mit Ungereimtheiten

Das Buch ist aus der Sicht der 16-jährigen Juno in der Ich-Form geschrieben. Sie lebt mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder versteckt auf einer Insel in einem Blockhaus. Niemand darf von ihrer Existenz wissen. Sie sind in Gefahr.

Es fängt sehr spannend an und weil es wie von einem 16-jährigen Mädchens erzählt ist, liest es sich fast wie ein Jugendbuch – etwas naiv ausgedrückt. Aber das ist authentisch, denn die Kinder kennen gar nichts anderes als dieses Leben. Nichtsdestotrotz hatte mich der Schreibstil von Anfang an gepackt.

Es war sehr interessant, das Leben der Familie durch die Augen von Juno zu sehen. Es wirkte fast wie aus einer Fantasy-Welt. Es war die Rede von Nordland und Südland, was für mich als Leserin etliche Fragen aufwarf. Einige wurden am Ende des ersten Teils beantwortet, und zwar auf eine Art und Weise, die mich wie ein Hammer traf: Wow! Ich empfand es als sehr gelungenen Twist und las das Buch ab da mit noch mehr Neugier, denn ab dann empfand ich die Bezeichnung „Thriller“ als gerechtfertigt.

Es folgten noch zwei weitere Teile und es blieb durchweg spannend. Ich konnte mich kaum von der Lektüre lösen. Kurz zusammengefasst: Immer mehr Erkenntnisse und immer größer werdende Bedrohungen. Genauer kann ich nicht darauf eingehen, denn dann würde ich neuen Lesern die Spannung nehmen.

Doch das Ende hat mich dann enttäuscht. Es gab zwar Antworten, jedoch nicht auf alle Fragen, die sich mir beim Lesen förmlich aufdrängten. Leider blieben ein paar Ungereimtheiten übrig, die ich als logische Fehler sehe. Ich hatte während der überaus spannenden Lektüre fest damit gerechnet, dass es geniale Erklärungen für alles geben würde, vielleicht noch den einen oder anderen weiteren Twist. Leider nein.

Auch die Antworten bzw. Auflösungen, die es gab, waren etwas dürftig, so dass ich am Ende nach noch fehlenden Seiten gesucht habe. Aber leider kam dann nur noch die Danksagung des Autors, die damit beginnt, dass er sie beinahe vergessen hätte. Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich dadurch ein wenig vereimert gefühlt habe.

Zusätzlich gab es noch ein Suchspiel, bei dem man im Text zurückblättern und selbst suchen sollte. Nun gut, es gab einen versteckten Hinweis. Aber mich hat das nur noch genervt. Wahrscheinlich hätte ich es als nettes Extra empfunden, wenn der Roman insgesamt eine runde Sache gewesen wäre.

Fazit: Tolle Idee, spannend und fesselnd erzählt, aber an einigen Stellen nicht ganz durchdacht, so dass bei mir leichte Enttäuschung bleibt.

Bewertung vom 02.07.2022
Nur du und ich
van Rensburg, Laure

Nur du und ich


ausgezeichnet

Außergewöhnlicher Psychothriller

Dieser Thriller hat mich sehr überrascht. Ich würde ihn nicht nur als Thriller, sondern sogar als ziemlich gelungenen Psychothriller bezeichnen.

Die Geschichte hat einen Rahmen, der von Anfang an klarstellt, dass das romantische Wochenende, welches die beiden Hauptfiguren Ellie und Steven erleben, am Ende zu einem Horrortrip wird. Die Story beginnt mit einem Polizisten, der den Tatort untersucht und mit einem Rettungswagen, der eine überlebende Person abtransportiert.

Dann werden wir in die eigentliche Geschichte geworfen. Es sieht alles nach „eitel Sonnenschein“ aus. Aber wir wissen ja bereits, dass es irgendwie böse enden wird. Ein Wochenende, das ein verliebtes Paar in einem einsamen Haus abgeschnitten von jeglicher Zivilisation verbringt. Eigentlich geht es kaum romantisch-kitschiger. Und hätte es den Beginn des Buches nicht gegeben, könnte man es auf den ersten Blick für eine Liebesgeschichte halten.

Würde man die Rahmenszene weglassen, sähe es am Anfang zwar noch nach Love Story aus. Trotzdem beinhalten einige Szenen bereits Schatten, wenn auch nur unterschwellig. Man kann als Leser*in aber nicht von Anfang an wissen oder ahnen, was hinter allem steckt. Mir kamen einige Details zwar bereits seltsam vor, aber ich konnte nicht sagen, warum. Ich glaube, dass ich gerade deshalb in die Handlung hineingezogen wurde, so dass ich mich ganz schnell durch das Buch, welches immer spannender wird, „hindurchgesüchtelt“ habe.

Es gibt insgesamt drei Arten von Kapiteln. Aus der Sicht von Ellie und aus der Sicht von Steven – jeweils mit „Ellie“ bzw. „Steven“ überschrieben – und eine dritte Art, die nur ein Datum als Überschrift trägt und von der zunächst nicht klar ist, um wen es darin geht. Aufgefallen ist mir auch gleich, dass die Ellie-Kapitel in der Ich-Form und die Steven-Kapitel in der dritten Person formuliert sind. Eine kleine gelungene Manipulation der Autorin, die ich nach der kompletten Lektüre als völlig angemessen empfinde. Warum, kann ich nicht verraten, ohne zu spoilern.

Auf jeden Fall sorgt das dargestellte Wechselspiel für einen hervorragenden Spannungsbogen. Außerdem gefällt mir der Schreibstil der Autorin sehr, der an einigen Stellen recht einfallsreich bildhaft ist. Ein Beispiel: Die Furcht „verflüssigte die Eingeweide“ einer der Personen. Ein anderes Beispiel in einer Rückerinnerung an eine Situation: „… die Luft schal mit dem bitteren Aroma von Menschen, die in einer Mikrowelle aufgewärmt wurden.“

Mein Fazit:

Ganz klare Empfehlung für Liebhaber außergewöhnlicher Psychothriller.

Bewertung vom 01.06.2022
Bekenntnisse eines Betrügers
Raina, Rahul

Bekenntnisse eines Betrügers


ausgezeichnet

Voller Wortwitz, Spannung und sehr indisch

Ramesh hat sich aus ärmsten Verhältnissen „hochgearbeitet“, oder besser „hochgelernt“. Er hat ein Business daraus gemacht. Er legt Prüfungen für die Kinder reicher Leute ab, und zwar in den sogenannten „All Indias“. Wer dort gut abschneidet, bekommt einen der begehrten Plätze auf einem ausländischen College oder zumindest auf einem guten College in Indien.

Dieser Job als „Bildungsberater“ läuft recht gut und Ramesh verdient dabei für indische Verhältnisse mehr als nur ordentlich. Dann gerät aber alles außer Kontrolle. Bei der Prüfung für Rudraksch alias Rudi schießt er regelrecht über das Ziel hinaus. So wird sein Schützling Jahrgangsbester und durch schlaue Vermarktung im indischen Fernsehen eine „Gelddruckmaschine“, an der auch Ramesh weiterhin seinen Anteil hat.

Ramesh stammt aus der untersten Schicht des Landes. Aber dieser Roman ist alles andere als nur das „Von der untersten Schicht in die oberste“-Klischee, wo ein Junge, der intelligent ist und fleißig arbeitet, zu großem Erfolg und Reichtum gelangt. Dieses Buch ist viel besser und vielschichtiger.

Der Autor legt einen unheimlichen Wortwitz an den Tag. Das passt sehr gut zu seinem Protagonisten. Dem bleibt oftmals gar nichts anderes übrig, als geduldig, gewieft und voller sarkastischem Humor zu sein, um sich seine mentale Stärke zu bewahren.

Trotz manchmal harter Töne, erlebt man beim Lesen auch eine feinfühlige und verletzliche Seite des Haupthelden. Mir ist er jedenfalls schnell ans Herz gewachsen. Es wird zwar alles aus seiner Sicht in der Ich-Perspektive erzählt, aber das ist für mich nicht automatisch ein Garant dafür, dass ich eine Person mag.

Die Geschichte empfand ich meistens als witzig, obwohl mich die beschriebenen Verhältnisse oftmals den Kopf schütteln ließen. Korruption ist selbstverständlich und wird schon mit einkalkuliert. Ehrliche Beamte sind Exoten. Wachleute sind Feiglinge, die sich selbst zuerst in Sicherheit bringen. Vielleicht ist es in diesem Roman alles etwas übertrieben dargestellt, aber ich kann mir vorstellen, dass in allem mehr Wahrheit steckt, als einem lieb ist.

Das alles macht das Buch sehr abwechslungsreich und bietet eine Menge Nervenkitzel, denn es wird – wie gleich auf den ersten Seiten dargestellt – gefährlich, sowohl für Ramesh als auch für Rudi. Zu schwach besaitet sollte man bei der Lektüre dieses Romans nicht sein. Das Ende habe ich als ungewöhnlich und überraschend empfunden, aber es hat mir gefallen.

Im Text sind viele indische Begriffe so belassen worden, aber immerhin kursiv gedruckt. Das ist ein Hinweis darauf, dass es im Glossar erklärt wird. Einerseits habe ich Verständnis für so etwas, denn manche Dinge lassen sich nicht eins zu eins übersetzen. Andererseits musste ich beim Lesen immer wieder blättern. Vielleicht wären Fußnoten bequemer gewesen. Aber das trügt meinen insgesamt positiven Eindruck nicht.

Fazit: Ein ungewöhnlicher Roman. Sehr witzig und spannend und für mich auch ein wenig exotisch. Man merkt dem Autor an, dass er das Land und dessen Leute liebt.

Bewertung vom 25.05.2022
JAB
Kim, Un-su

JAB


ausgezeichnet

Keine Helden, kaum sympathische Figuren, aber dennoch Geschichten, die neugierig machen

In diesem Buch sind acht Kurzgeschichten. Sie sind sehr unterschiedlich und dennoch haben sie eines gemeinsam: Hoffnungslosigkeit. Alle spielen in mehr oder weniger hoffnungslosen Situationen. Aber trotzdem sind sie nicht „schwärzer als schwarz“, sondern haben ein gewisses Etwas, über das ich manchmal sogar lachen oder zumindest schmunzeln konnte.

Da ist zum Beispiel ein Verbrechertrio, das einen überaus lohnenden Einbruch in einen Tresorraum schafft, nur sich dummerweise dann selbst darin einsperrt. Klasse fand ich auch die Geschichte mit einem eher durchschnittlichen Typen, der entführt und dermaßen unter Druck gesetzt wird, sich ein Geständnis für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat, auszudenken, dass er das Ganze sogar als effektive Schreibwerkstatt empfindet. So grotesk diese Geschichten auch sind, so gelungen sind sie meiner Meinung nach.

Die Hauptfiguren sind weder Helden noch besonders sympathisch. Die meisten mochte ich nicht einmal. Nur einen fand ich nett und ein paar taten mir leid. Neugierig gemacht haben sie mich dennoch.

Dem Autor ist es gelungen, mit wenigen Worten jeweils die passende Atmosphäre zu erschaffen. So fühlte ich mich auch noch in eine fremde Kultur versetzt. Dabei war ich mittendrin, denn alle bis auf eine Geschichte sind in der Ich-Perspektive geschrieben. Äußerst wirkungsvoll!

Die Kurzgeschichten in diesem Buch sind etwas Besonderes. Sie sind nicht nach üblichem und bewährtem Schema aufgebaut. Sie vermitteln lebendige Bilder von verschiedenen Charakteren. Zu jeder Geschichte kann man sich selbst überlegen, wie sie weitergehen könnte. Der Autor gibt meistens kein wirkliches Ende vor. Trotzdem hört er meiner Meinung nach immer an passender Stelle zu erzählen auf.

Trotz der Hoffnungslosigkeit, die immer mitschwingt, reichen die Stimmungen der Geschichten über eine große Spanne, von sehr feinsinnig bis zu derb grotesk.

Ich habe diese Lektüre als sehr abwechslungsreich und unterhaltsam empfunden. In die Geschichten kann man sicher eine Menge hineininterpretieren, aber das muss man nicht. Ich habe sie einfach genossen und sehr gern gelesen.

Ich denke, für aufgeschlossene Querbeet-Leser ist dieses Buch genau richtig.

Bewertung vom 03.05.2022
Truth - Bist du bereit für die Wahrheit?
Woodrow, Margje

Truth - Bist du bereit für die Wahrheit?


ausgezeichnet

Großartige Idee, unterhaltsamer Schreibstil und Gänsehaut

Dieser Thriller ist eigentlich ein Jugendbuch und ich gehöre nicht zu dessen Zielgruppe. Aber nach einer Leseprobe war ich derart in den Bann gezogen, dass ich das ganze Buch lesen musste.

Juul hat ihren etwas älteren Bruder Milan verloren. Er starb bei einem Autounfall, indem er gegen einen Baum fuhr. Die Familie hat das noch nicht so richtig verarbeitet. Die Mutter ist gerade aus einer psychiatrischen Klinik zurück und zu Hause wird Milan nicht erwähnt.

Juul bekommt Nachrichten von jemandem, zunächst ein schauerliches Foto von Milan unmittelbar nach dem Unfall und das Versprechen, dass sie die Wahrheit hinter allem erfahren wird, wenn sie bestimmte „Dares“ ausführt und Videos davon dreht. Das sind ziemlich perfide Mutproben. Der Ausdruck stammt von „Truth or Dare“ („Wahrheit oder Pflicht“), einem Spiel, das ihr Bruder Milan leidenschaftlich betrieben und durch Videos auf Youtube dokumentiert hatte.

Sie lässt sich auf dieses Spiel ein, obwohl die Aufgaben immer schlimmer und grotesker werden. Der „Psycho“, wie sie und ihre Freundin Fleur denjenigen nennen, der hinter allem steckt, hat sie in der Hand, denn durch die Videos wird sie erpressbar.

Das Buch ist von Anfang bis Ende so spannend, dass ich es zwischendurch kaum aus der Hand legen mochte. Es gibt zwei Perspektiven, die sich gegenseitig abwechseln, die der Protagonistin Juul und die des Täters. Letztere erkennt man daran, dass sie wie Tagebuch-Notizen in schreibmaschinenartiger Schriftart auf grauem Untergrund steht – jeweils sehr kurz aber so, dass es mir beim Lesen einen Schauer über den Rücken jagte.

Die Protagonistin Juul war mir von Anfang an sympathisch und ich konnte mich gut in sie hineinversetzen. Alle anderen Personen gaben mir – jede in einer eigenen Art und Weise – Rätsel auf. Auch so etwas macht meiner Meinung nach einen guten Thriller aus.

Es gibt am Ende einen Showdown mit einer eigentlich unerwarteten Wendung, die ich jedoch schon irgendwie geahnt hatte. Trotzdem wurde mein Lesevergnügen dadurch nicht geschmälert.

Ich habe allerdings zwei Kritikpunkte:

Erstens ist mir ein logischer Fehler in der Handlung aufgefallen. Es ging darum, dass Juul etwas filmen und die Aufnahme einige Zeit laufen lassen sollte, wozu sie den Raum verließ. Draußen schickte sie dann jedoch eine Nachricht an ihre Freundin. So fragte ich mich, wie sie das konnte, wo sie ihr Smartphone zum Filmen zunächst drinnen gelassen hatte.

Zweitens hätte ich gern einige Details im Nachhinein noch etwas ausführlicher erklärt bekommen, vor allem die Tricks des Täters, durch die er immer wieder den Anschein erweckt, Juul komplett zu überwachen.

Trotzdem hatte ich mit diesem Buch ein unheimlich spannendes und kurzweiliges Lesevergnügen. Trotz der erwähnten Schwächen gefallen mir die Idee dieser Geschichte und der Schreibstil der Autorin so gut, dass ich mit 4 von 5 Sternen bewerte.

Fazit: Es ist sehr spannend, liest sich einfach schnell hintereinander weg und jagt einem einen Schauer über den Rücken, wie es sich für einen Thriller gehört. Es hat keine zu brutalen Szenen, schließlich handelt es sich um ein Jugendbuch.

Bewertung vom 29.03.2022
Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach
Mattera, Julia

Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach


ausgezeichnet

Inspirierende Wohlfühllektüre

Das hier ist ein Roman, der für mich gleich von Anfang an irgendwie anheimelnd wirkte. Und das, obwohl ich überhaupt nicht einordnen konnte, was für eine Art Geschichte es werden würde. Es war zunächst einfach nur schön zu lesen.

Ich mag es, wenn Bücher mit einem besonderen ersten Satz beginnen, der mich neugierig macht. Hier lautet er: „Es will schon gekonnt sein, ein Frühstücksbrot in einen Zichorienkaffee zu tunken“. So wird Hauptheld Robert Walch eingeführt, denn das ist sein morgendliches Ritual.

Überhaupt ist dieser Robert ein ungewöhnlicher Typ. Er ist 52 Jahre alt, Junggeselle und etwas schrullig. Er ist Koch, Gärtner, Hühner- und Ziegenhalter aus Leidenschaft. Er behandelt sein Gemüse und auch seine Tiere voller Respekt. Sogar die Gemüsepflanzen haben Namen. Außerdem liebt er es, für die Besucher des Gasthofes, den seine Schwester Elsa führt, die leckersten Speisen zuzubereiten. Aber er möchte nichts mit den Menschen zu tun haben. Er ist ein Eigenbrötler und lebt in seiner kleinen Welt, die nur bis zum Rand des Grundstücks reicht.

Robert ist zwar nach außen hin brummig, aber in seinem Innern eine sehr empfindsame Seele. Deshalb lieben ihn seine kleine Nichte und sein Neffe, die Zwillinge von Elsa, und das beruht auf Gegenseitigkeit. Den beiden kann er nicht einmal böse sein, als sie durch ein übermütiges Spiel ein Chaos in seinem Gemüsegarten anrichten.

Dann kommen Fatima und deren Sohn Hassan als Hilfen auf den Hof und Robert muss sich auf andere Menschen einstellen. Aber die Krönung von allem werden seine Begegnungen mit Maggie, einer Freundin von Fatima, die ein paar Tage dort verbringt.

Es ist einfach schön, beim Lesen mitzuerleben, wie Robert menschlich nach und nach dazulernt und welche inneren Kämpfe er dabei auszufechten hat, auch welche inneren Wunden dabei heilen müssen.

Dabei hat alles meinem Empfinden nach eine ziemlich starke Symbolik. An diese Lektüre darf man deshalb nicht zu rational herangehen. Es würde z. B. keinen Sinn ergeben, darüber nachzudenken, unter welchen psychischen Krankheitsbildern Robert leiden könnte.

Die Handlung sollte auch nicht bis ins kleinste Detail daraufhin analysiert werden, ob denn alles absolut realitätsnah ist. Letzten Endes geht es darum, dass in stellenweise recht plakativen Teilgeschichten Fragen nachgegangen wird, wie: Was bringt einen Menschen dazu, seine Komfortzone zu verlassen? Kann Liebe das? Was ist echte Liebe? Was ist Glück?

Es fällt mir bei diesem Buch schwer, eine Empfehlung auszusprechen, für wen es geeignet sein könnte. Ich selbst bin ein ziemlich rationaler Mensch. Trotzdem hat mir dieses Buch sehr gefallen und mich inspiriert. Es lässt sich einfach in keine „Schublade“ stecken.

Nicht unerwähnt möchte ich das Design lassen. Die frischen und fröhlichen Farben und die Möhren-Zeichnungen auf dem Cover und auch dessen Oberflächenstruktur haben noch zusätzlich dafür gesorgt, dass ich es gern zur Hand genommen habe.