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iGirl
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Bad Nauheim

Bewertungen

Insgesamt 147 Bewertungen
Bewertung vom 24.01.2022
Eure Leben, lebt sie alle
Hein, Sybille

Eure Leben, lebt sie alle


ausgezeichnet

Eine Geschichte um 5 wunderbare Frauen

Fünf Frauenleben sind verknüpft durch Jonas, den Musiker, den Drogenabhängigen, den Liebling aller Frauen, den, den das Leben überfordert und der, der zu jung stirbt. Zurück bleiben, Marianne, seine Mutter und 'seine' 4 Frauen, die er noch immer beeinflußt: Ellen, Luise, Frederike, Johanna. Sie alle erleben ihr Älterwerden und ihre Erinnerungen an die vergangenen Jahre völlig verschieden und doch sind ihre Lebensgeschichten durch Jonas geprägt.

Luise, 'nur' Hausfrau überholt sich selbst in ihrem Anspruch auf Perfektion, Überorganisation der Familie und ihrer eigenen Frustration darüber. Frederike, die Stille, hat mit der Zeit etwas die Form verloren und ist doch der verlässliche zugewandte ruhende Pol für die anderen. Ellen, die Wilde und Erfolgreiche, könnte ein musikalisches Comeback hinbekommen, doch will sie es wirklich? Johanna, die Unstete, sucht nach Liebe und erfährt die fatale Folgen ihres Drogenkonsums. Und auch Marianne verliert sich fast selbst in den Erinnerungen rund um ihren Sohn.

Jede der Protagonistinnen trägt Aspekte eines 'typischen' Frauenlebens in sich. In allen Frauenfiguren erkennt man sich selbst oder Frauen, die man kennt, wieder. Fast ist es ein wenig ein Spiegel seiner selbst und seiner Umgebung. Beeindruckt haben mich die Schilderungen der Gedankenwelten der einzelnen Frauen, die von lustig bis verzweifelt reichen. Wunderbar gelungen finde ich das Zusammenführen der Handlungsstränge zu der einen verstorbenen Person, Jonas.

Mein Fazit: Das Buch ist hervorragend geschrieben. Die Gedanken der Frauen sind absolut nachvollziehbar, reflektiert und sprachlich sehr gut dargestellt. Für mich hätte die Geschichte gerne noch weiter gehen können.

Bewertung vom 20.01.2022
Der letzte Sommer in der Stadt
Calligarich, Gianfranco

Der letzte Sommer in der Stadt


ausgezeichnet

Hot in the city ….

Leo verbringt den Sommer in Rom in der Wohnung von Freunden. Er frönt dem Nichtstun, dem Alkohol und dem unabhängigen Leben– eben ganz Dolce Vita. Dabei lernt er die schöne Arianna kennen. Arianna erinnert mich an die Figur der Holly Golightly in Frühstück bei Tiffany. Sie lebt in Traumwelt, hat zahlreiche Verehrer und sucht nach der großen Liebe, aber einer mit Geld. Irgendwie ist sie ein großes Kind mit großem Einfallsreichtum und doch gefangen in sich selbst. Leo ist ihrer Liebe ausgeliefert und doch irgendwie nicht und dann doch wieder. Es ist ein ständiges Auf und Ab der Gefühle.

Dem Autor gelingt es gewaltige Wortbilder zu zeichnen. Man fragt sich woher er die ganzen Worte nimmt, die er zu Papier bringt. Dabei kann ein Satz schon mal eine halbe Seite einnehmen. Gedankensprünge lassen keine Konzentrationsmüdigkeit des Lesenden zu. Wem die volle Konzentration auf dieses Wortfeuerwerk nicht gelingt, der verpasst die Handlung. Hervorragend beschrieben ist der Abschied am Mailänder Bahnhof, die Landschaften, die Stadt Rom, die Eindrücke Leos und seine Begegnungen mit sehr speziellen Menschen. Es klingt nach Lebenslust und doch schwingt über allem die Wehmut mit.

Es ist ein seltsames Buch, gefüllt mit irgendwie zusammenhanglos scheinenden Erzählungen, Gedankenfetzen und Wahrnehmungen quasi im Vorbeigehen. Dass sich dieses ungewöhnliche Buch für Schulinterpretationen eignet glaube ich gerne. Es bietet jede Menge Interpretationsspielraum. Jetzt könnte man meinen ich wäre beim Lesen genervt gewesen und hätte mich schmerzlich an den Deutschunterricht zu Schulzeiten erinnert. Aber mitnichten, ich habe jede Zeile genossen, auch wenn ich gefordert war mich konzentriert jeder Zeile zu widmen. Ich hätte etwas verpasst hätte ich es nicht getan!

Bewertung vom 11.01.2022
Zum Paradies
Yanagihara, Hanya

Zum Paradies


ausgezeichnet

Anspruchsvolles nahegehendes Leseerlebnis

Hanya Yanagihara schickt uns in ihrem literarischen Werk 'Zum Paradies' durch 3 Epochen der Zeitgeschichte, beginnend im Jahr 1893 mit etwas anderer Vergangenheit, gefolgt von jeweils 100 Jahre auseinander liegenden Geschichten der Jahre 1993 und 2093. Dabei werden wir Lesende anhand von drei Lebensgeschichten durch die Zeit geführt, die doch miteinander verknüpft sind. Wir lernen besondere Protagonisten kennen, deren Leben geprägt sind von Einsamkeit und Ängsten, Höhen und Tiefen. Es geht um die (gleichgeschlechtige) Liebe, um familiäre Bande, um Gesundheit und Krankheit, um Hilflosigkeit und Stärke, um Haben und Verlieren, um düstere Zukunftsszenarien und um Imperialismus, Macht und Beherrschung. Schön wäre es das Paradies zu finden, aber es ist eben ein mühevoller Weg dorthin.

Kurz zu den drei Teilen der Geschichte, die in New York spielen:
1893: Gleichgeschlechtige Liebe ist akzeptiert. David, Sprößling einer reichen Familie, verliebt sich in einen dubiosen Musiklehrer und fordert die Erwartungen des beherrschenden Großvaters heraus.
1993: AIDS-Epidemie. Ein junger Hawaianer, David, liebt einen älteren dominanten Mann und verschweigt diesem seine Vergangenheit und sein besonderes Verhältnis zu seinem Vater.
2093: Zeit der Seuchen und Pandemien. Die Menschen werden von einem totalitären Staat bevormundet. Eine junge Frau führt eine Scheinehe mit einem homosexuellen Mann und versucht ihr eigenes Leben zu finden. Meiner Meinung nach der Beste der drei Teile des Buches, obwohl durch die Vergangenheitszeitsprünge innerhalb der Geschichte eine weitere Geschichte erzählt wird in Form eines unerklärten E-Mail-Schriftverkehrs mit einem Freund.

Das Buch ist hervorragend geschrieben, die Protagonisten sind facettenreich, die Geschichte spannungsreich, jedoch aufgrund einiger erzählerischer Längen auch fordernd für den Lesenden. Haarfeine Erzählfäden spinnen sich zwischen den drei Buchteilen und man meint, dass man aufgrund der Namensgleichheiten Verwandtschaften ableiten könnte und man spezielle ähnliche physisch-psychische Verhalten bei den verschiedenen Personen erkennen könnte: Nathaniel ist immer der Starke sich sorgende, David ist immer der Labile, Charles ist immer der Erfolgreiche, Eden ist immer die Undurchsichtige usw. Die starken Gefühle der Charaktere sind so gut dargestellt, dass sie mir teils fast zu nahe kamen. Die Handlung ist anspruchsvoll und nicht immer wird alles klar, zumal die gleichen Namen der Figuren von mir hohe Konzentration forderten. Aber gerade da einiges offen bleibt, öffnete es auch Türen für meine eigene Phantasie. Und es ist wahrlich genug zum Grübeln enthalten, gerade der 3. Teil, mit einer alles anderen als lebenswerten Zukunft, hat es aufgrund seines pandemischen Realbezugs in sich.

Mein Fazit: 'Zum Paradies' ist etwas anders als die bisherigen Romane Hanya Yanagiharas. Man muss sich auf die Geschichte einlassen und sie über fast 900 Seiten auf sich wirken lassen. Es lohnt sich es ein zweites Mal zu lesen und noch weiteres zwischen den Zeilen zu entdecken. Dieses Buch ist ein ideales Geschenk für sich selbst und Freunde der außergewöhnlichen Literatur.

Bewertung vom 28.12.2021
Der Dolmetscher
Pallavicini, Isabella

Der Dolmetscher


sehr gut

Mafia, Vatikan und der Krieg

Gleich zu Beginn des Buches lernen wir Enzo, den Protagonisten kennen. Luca und Enzo sind dicke Kinderfreunde und doch sieht das Schicksal völlig verschiedene Lebenswege für die beiden vor. Anfangs scheint es so als würde für Enzo alles ganz gut laufen: der Studienbeginn in Deutschland mit seinen internationalen Kommilitonen, den neuen Freunden, der Musik und nicht zuletzt mit der Liaison mit Luise. Doch urplötzlich und unerwartet kommt Enzos Einberufung als Dolmetscher zur italienischen Armee allem in die Quere. Enzos sympathische Art und Hilfsbereitschaft hilft ihm während des Krieges Freundschaften zu Italienern und Deutschen zu schließen. Mit zunehmendem Kriegsverlauf fällt der den Entschluss wieder zurück in die Schweiz zu kommen. Allgegenwärtig ist der Einfluss von Enzos Familie, die bis hinein in den Vatikan reicht. Immer, wenn es darauf ankommt, dann hilft jemand aus der Familie, teils auch durch mafiöse Unterstützung.
Das Leben in Sizilien und die Feste der Familie mit schier unendlicher Menge an leckerem Essen und Trinken sind wunderbar dargestellt. Manche Tradition, z.B. das Thunfisch-Gemetzel, mutet sonderbar an, ist aber für die Einheimischen ganz normal. Ebenso werden Zahlungen an die Mafia als gegeben hingenommen, wenn auch teils als probates Mittel, um Repressalien zu entgehen.

Leichtfüßig und bildhaft wird Enzos Lebensweg während des 2. Weltkriegs geschildert. Viele Figuren und Begebenheiten ziehen sich durch das aufregende Leben Enzos während des Krieges. Einige Handlungsstränge bleiben offen, viele finden zueinander. Der Handlungsverlauf wirkt authentisch, teilweise ein wenig dokumentarisch. Da hätte mir manchmal die Vermittlung von etwas mehr Gefühl besser gefallen, um einen besseren Bezug zu den handelnden Personen zu erhalten.

Die Dynamik des Schreibstils, teils schildernd, teils über Dialoge, teils in Briefen lässt keine Langeweile aufkommen. Gut fand ich, im Anhang, die ergänzenden geschichtlichen Hintergründe, die sich in der Geschichte verpackt wiederfinden. Auch das Ende der Geschichte hat mir gut gefallen.

Mein Fazit: Die Autorin, Isabella Pallavicini, hat ein beeindruckendes Stück Zeitgeschichte geschrieben und darin die Kriegserlebnisse ihres Vaters eingearbeitet. Das ist gut gelungen.

Bewertung vom 26.12.2021
Die Mission des Kreuzritters
Schiewe, Ulf

Die Mission des Kreuzritters


ausgezeichnet

Rasanter mittelalterlicher 'Roadtrip'

Dieser historische Roman ist ein wahrer Roadtrip (oder zeitlich eher passend gesagt: Ridetrip), der uns Lesende mitnimmt auf eine atemberaubende Flucht durch das mittelalterliche Palästina. Geprägt von einem wahrlich starken Frauenbild, Melisende, die Thronerbin Jerusalems, lernen wir nebenbei so einiges über historische Personen der Zeit, über Traditionen und zu dieser Zeit agierende Gruppen von Christen und Moslems mit unterschiedlichen Zielen und doch dem gemeinsamen Ziel der Macht. Doch von vorne: Melisende, als älteste Tochter des Königs soll den Grafen von Anjou heiraten, um die Macht des Königreichs weiter zu führen. Leider ist der vom Vater ausgewählte Bräutigam alles andere als nach Melisendes Geschmack und nimmt eine wahrlich unsympathische Rolle ein. So heckt die junge Frau, zusammen mit ihrer Schwester einen Plan aus, um der Heirat zu entgehen und begibt sich auf die Reise zu einer weiteren Schwester. Doch dann läuft alles aus dem Ruder. Die Reisegruppe wird überfallen und Melisende entführt. Und plötzlich befindet sie sich in der Hand eines arabischen Emirs. Doch damit nicht genug – die Ereignisse spitzen sich zu und die Aussicht auf ein hohes Lösegeld bringt weitere Profiteure ins Spiel. Kann Raol de Montalban, der kampferprobte Tempelritter, Melisende retten?

Die Figuren sind keineswegs klar zu durchschauen. Jede/r hat einen besonderen Charakter mit verschiedensten Facetten, die sich entsprechend der Ereignisse, erst heraus kristallisieren. Sehr interessant finde ich, dass zahlreiche handelnde Personen historisch tatsächlich belegt sind und spannungsgeladen in die Geschichte um Melisende (auch sie eine wahre Figur) eingebunden sind. Obwohl mir als Lesende das eine oder andere bekannt war, z.B. die Rolle der Tempelritter, die Konflikte zwischen Christen und Moslems, habe ich doch wieder, ganz nebenbei, etliches mehr an Geschichte dazu gelernt und weitere in ihrer Zeit handelnde Personen neu kennen gelernt – wunderbar!

Der Schreibstil Ulf Schiewes ist gut lesbar. Manchmal schienen mir einzelne Dialoge etwas 'modern', allerdings tut das dem historischen Gesamtbild keinen Abbruch. Vielleicht ist es dadurch sogar noch flüssiger zu lesen. Dem Autor ist eine rasante, spannende Geschichte gelungen, die einen kaum Zeit lässt durchzuatmen und doch ein keineswegs vorhersehbares Ende beinhaltet.

Mein Fazit: Der Roman ist bestens geeignet für alle Liebhaber historischer Geschichten, die Fakten und Fiktion vereinen. Daher von mir eine Empfehlung für diejenigen, die einen weihnachtlichen Buchgutschein einlösen oder sich einfach mal ein gutes Buch gönnen möchten: 'Die Mission des Kreuzritters' verspricht viele spannende Lesestunden.

Bewertung vom 20.12.2021
Die Brücke der Ewigkeit / Die Baumeister Bd.1
Hector, Wolf

Die Brücke der Ewigkeit / Die Baumeister Bd.1


sehr gut

Intrigen, Unheil und die Kunst des Bauens

Alles beginnt mit dem Einsturz der Judithbrücke in Prag. Der junge Jan Otlin kämpft dabei um das Überleben seiner Mutter und gelobt in seiner Not die Brücke wieder aufzubauen, wenn denn nur alle dem drohenden Tod entgehen. Wundersamerweise wird sein Gebet erhört. Und tatsächlich erhält er als junger Baumeister durch den Kaiser die Gelegenheit sein Gelübde wahrzumachen. Alles scheint sich zu fügen, wenn denn nur nicht die Widersacher, Profiteure, Günstlinge und Neider nicht wären. So wird Jan Otlins Vorhaben durch seinen unterlegenen Mitbewerber Rudolph permanent torpediert, dem dabei jedes Mittel recht ist. Und plötzlich scheint es so, dass die zahlreichen Intrigen gegen Jan ihn geradewegs in sein Verderben führen und nicht nur ihn, sondern auch seine geliebte Frau Maria-Magdalena.

Vier Buchteile führen durch die abenteuerliche Geschichte und das Leben, das Auf und Ab der Protagonisten. Der Lesende wird dabei auch nicht von mittelalterlichen Grausamkeiten verschont, die detailreich geschildert werden. Ebenso detailliert nimmt man Teil an der Entstehung der Brücke, den baulichen Schwierigkeiten und wetterbedingten Rückschlägen. Zahlreiche Protagonisten werden facettenreichen beschrieben, ebenso wie deren jeweiligen Pläne und Vorhaben. Nicht so gut gefallen hat mir der Zeitsprung von Buch 1 zu Buch 2, da dann schon einiges an der Auflösung vorweg genommen wird (dafür ziehe ich einen Punkt in der Bewertung ab). Insgesamt ist es eine rasante, spannende, gut geschriebene Geschichte um die wahre Begebenheit rund um die historische Judithbrücke in Prag.

Empfehlen kann ich das Buch für alle Liebhaber des historischen Romans. Darüber hinaus erfährt man viel über die Kunst der Steinmetze im 14-ten Jahrhundert.

Bewertung vom 13.12.2021
Vier Nullen zu viel (eBook, ePUB)
Smidt, Thorsten

Vier Nullen zu viel (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein bißchen schlimmer geht immer!

Ja, so kann es einem ergehen, wenn man blauäugig in Polen ankommt. Thomas, der Protagonist der Geschichte, lernt dabei seine Lektion und jede Menge Trinkfestigkeit kennen. Eigentlich soll er 'nur' eine Geschäftsverbindung für die Firma seines Vaters anbahnen, doch dann kommt alles anders als erwartet. Bereits die Fahrt nach Warschau wird zu einem Erlebnis der besonderen Art, gefolgt von seiner Begegnung mit Ewa, der polnischen Business-Vermittlerin, die allerdings alles andere im Kopf hat, außer Arbeiten. Und plötzlich dreht sich alles um die schöne Maria, an die Thomas sein Herz verliert. Doch so einfach ist es nicht, denn da sind ja noch etliche Profiteure und Kriminelle, die auch ihr Geschäft wittern.

Es ist eine herrlich skurrile Geschichte mit besonderen, teils seltsamen, teils liebenswerten, teils ekelhaften Charakteren – es ist wirklich von jedem etwas dabei. Von Seite zu Seite nehmen der Verlauf der Geschichte und die Verwicklungen an Fahrt auf und es ist alles andere als durchsichtig für den Lesenden. Wahrlich, es ist ein Roadmovie der besonderen Art, gut geschrieben und mit jeder Menge kleiner Seitenhiebe auf die polnische Lebensart.

Ich kann das Lesen des Buchs jedem empfehlen, der kurzweilige Lesestunden, gespickt mit Schmunzeln, Ironie und Spannung, verbringen möchte.

Bewertung vom 12.12.2021
Duckmäuser
Ehemann, Wolfgang

Duckmäuser


ausgezeichnet

Blicke in die Zukunft

Hilmar ist ja wahrlich eine besondere Figur: einerseits farblos und ängstlich (duckmäuserisch eben), andererseits mit seherischen Fähigkeiten und, wenn es darauf ankommt, durchaus zielstrebig. Wir Lesende begleiten Hilmar von seiner Jugend auf bis zu seinem Ende (?). Bereits in der Kindheit lernt er die 5 Jahre ältere Camilla kennen, die als Artistin in einer Zirkusfamilie aufwächst. Leider verläuft der Lebensweg der beiden nicht so reibungslos oder gar vorhersehbar und dennoch finden sich immer wieder Kreuzungspunkte, die später in einem ungewöhnlichen Miteinander einmünden. Doch inwieweit werden Hilmars Visionen für sein eigenes Leben Wahrheit werden? Das Ende der Geschichte kommt hochdynamisch, hochdramatisch und höchst unerwartet daher. Nicht alle Fragen werden letztendlich eindeutig beantwortet – gut so! Damit bleibt genügend Raum für des Lesenden Phantasie.

Lustig ist das Buch sicher nicht, aber durchaus unterhaltsam. Dem Autor gelang es mich, durch seinen fantasiereichen Sprachstil, seine skurrilen Ideen, seine schillernden Figuren mit teils verstörender Vergangenheit und Lebenslinien sowie dem ungewöhnlichen Handlungsverlauf, vollständig zu fesseln. Interessant fand ich die Rückblenden in mir sehr gut Bekanntes aus den 80er/90er Jahren sowie die kurzen Einblicke in Hilmars Zukunft, die für uns nun aktuelle Gegenwart ist.

Mein Fazit: 'Duckmäuser' ist eine hervorragend geschriebene, phantasievolle Geschichte, bei der mir, hätte ich sie nicht gelesen, etwas fehlen würde. Es ist auf alle Fälle eine Empfehlung für ein Geschenk an sich selbst und an Menschen, die besondere Bücher lieben.

Bewertung vom 06.12.2021
Ein Krankenhaus im Kongo
Kösch, Robert

Ein Krankenhaus im Kongo


ausgezeichnet

Einsatz unter erschwerten Bedingungen

Robert Kösch nimmt uns Lesende mit auf eine wunderbare, wundersame Lesereise in den Kongo. Für eine Nichtregierungsorganisation reist er in den Kongo, um dort beim Aufbau eines Krankenhauses zu unterstützen. Der anfängliche Kulturschock weicht bald einem Arrangement das von mühsamer Arbeit bis zu tiefer Freundschaft reicht. Schreckliche Ereignisse und herrliches Miteinander wechseln sich in schneller Folge ab. Und dennoch führen Ideenreichtum, Organisationstalent und 'so-isses-halt' häufig zu einem positiven Ergebnis. Doch plötzlich ist Corona da und macht dem allem einen Strich durch die Rechnung.

Der flüssige, unterhaltsame Schreibstil der Erzählung und die Unterteilung in die drei Erzählabschnitte (change it, love it, leave it) verschafften mir viele interessante Lesestunden. Viele bildhafte Beispiele und die Darstellung der beteiligten Personen und Vorkommnisse bieten eine dynamische Handlung und machen die Schilderungen für mich sehr gut vorstellbar. Ich konnte mich in die stetigen Entscheidungen, Zweifel und Hoffnungen des Teams sehr gut hinein versetzen.

Es ist toll was die Menschen vor Ort zusammen mit den Mitarbeitenden von MSF leisten. Chapeau! „Ein Krankenhaus im Kongo“ lässt es uns sichtbar und spürbar werden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.12.2021
Nicht alle sehen gleich aus
Maier, Monica

Nicht alle sehen gleich aus


ausgezeichnet

Inside Arbeit mit Geflüchteten und Migranten

Genau so ist es: Nicht alle sehen gleich aus! Annika, die Protagonistin, ist Deutschlehrerin bei einem Bildungsträger in Berlin. Bereits zu Beginn werden wir Lesende mit einem Flüchtlingsdrama konfrontiert. Während ihres Segelurlaubs mit ihrem Ehemann retten sie eine Gruppe afrikanischer Männer aus einem Schlauchboot. Dabei lernt sie den jungen Mamadou aus Mali kennen, der in der Geschichte eine Rolle spielen wird.

Mit scharfen Blick lässt die Autorin uns Lesende an dem Unterrichtsalltag einer Deutschlehrerin mit der Zielgruppe Geflüchtete und Migranten teilnehmen. Ihre praxisnahen Schilderungen sind verpackt in Dialoge zwischen FreundInnen, ihrem Ehemann (selbst mit Migrationshintergrund), mit Mamadou oder auch als ihre eigenen Gedankengänge. Dabei kommen neben den, oft auch kräftezehrenden, Erlebnissen mit ihren Schülern auch unterschwellig die Berliner Lokalpolitik, der Bau des Flughafens, die hohen Mieten, die deutsche Wiedervereinigung, die Flüchtlingspolitik und die prekären Arbeitsverhältnisse bei Bildungsträgern, zur Sprache.

Auch die zunehmende Aggression einiger Deutscher gegenüber Zugewanderten spielt eine Rolle, sowie die Wahrnehmung der migrierten Menschen ihres eigenen Lebens in der deutschen Gesellschaft und ihre Erwartungen. Das Innenleben der Flüchtlinge wird aufgezeigt, zwischen Chancen (z. B. für geflüchtete Frauen) und Unzufriedenheit, bis hin zu den Profiteuren (nicht nur Geflüchtete sondern auch EU-Bürger) des Sozialsystems und kriminellen Ringen. Die Problematik beim Spracherwerb, als Voraussetzung für eine Ausbildung oder Aufnahme einer Ausbildung, schildert sie anhand zahlreicher Beispiele. Ebenso spricht sie die Anforderungen an die Lehrkräfte an, hinsichtlich zu großer Klassen, unterschiedlicher Vorbildung und kultureller Hintergründe der SchülerInnen und der teils schweren Vermittelbarkeit deutscher Regeln und Anforderungen.

Ich finde die Erzählung sehr realitätsnah und ungeschönt. Es hat mir sehr gut gefallen, dass sie alle Facetten an Geflüchteten beschreibt. Es gibt eben diejenigen mit sehr hohem Integrationswillen und diejenigen, die nicht gar nicht wollen. Annika ist dabei nicht der Gutmensch, der immer nur helfen will, sondern ist sehr reflektiert zu den einzelnen Personen und zeigt Haltung auch bei kritischen Diskussionsthemen. So überrascht mich das Ende der Geschichte nicht komplett, obwohl es so nicht vorhersehbar war. Wieder einmal deutlich wurde für mich wie schwer die Integrationsarbeit für engagiertes Lehrpersonal ist bzw. gemacht wird.

Mein Fazit: das Buch enthält eine gute Geschichte und eine gelungene Zusammenfassung von wichtiger Integrationsarbeit. Menschen, die nicht viel im Alltag mit Geflüchteten zu tun haben, können wertvolle Informationen daraus entnehmen und vielleicht das eine oder andere Vorurteil entrümpeln können. Sie sehen eben nicht alle gleich aus!