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Helena

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Insgesamt 128 Bewertungen
Bewertung vom 25.03.2020
Offene See
Myers, Benjamin

Offene See


sehr gut

„Möge das Heute für immer währen, Robert. Begreifst du, was wir hier machen? Wir untergraben just das, was die Menschheit zusammenhält. Wir werfen die Ketten ab. Ist das nicht genial?“

Während seiner Wanderung durch England trifft der sechzehnjährige Robert auf Dulcie Piper, eine äußerst unkonventionelle ältere Dame. Aus ein paar Stunden werden Tage, aus Tagen werden Wochen. Robert bleibt den ganzen Sommer bei Dulcie. Während er das heruntergekommene ehemalige Cottage neben ihrem Haus wieder auf Vordermann bringt und abends im Meer schwimmt, kocht Dulcie für sie beide und eröffnet Robert, der aus einer einfachen Bergarbeiterfamilie aus dem Norden stammt, die Welt der Bücher und der Poesie, denn „ein gutes Gedicht bricht die Austernschale des Verstandes auf, um die Perle darin freizulegen. Es findet Wörter für Gefühle, deren Definitionen sich allen Versuchen des verbalen Ausdrucks entziehen.“

Sie wird zu seiner Lehrerin und Mentorin, die ihn darin ermutigt, aus vorgefertigten Lebensschemata auszubrechen (wenn er von seiner Wanderschaft zurückkehrt, soll er in die Fußstapfen seines Vaters treten und im Bergbau arbeiten) und das zu tun, wofür er wirklich brennt: „Jeder junge Mann, der sein Leben geplant hat, ist zu bemitleiden, da Pläne kaum Platz für Zufälle und unerwartete Entdeckungen lassen. Und überdies ist jeder Mensch an sich [...] eine sich ständig verändernde Entität, ebenso wie die Welt um ihn herum. Was für ein trostloses Leben führen doch diejenigen, die sich familiären Erwartungen oder Traditionen beugen. [...] Du musst dein Leben haargenau so leben, wie du willst, nicht für irgendjemand anderen.“

Doch Robert profitiert nicht nur von der Lebensweisheit und Güte der älteren Frau, die ihn ohne jegliche Vorbehalte bei sich aufnimmt, er bringt auch seinerseits Licht in das Leben Dulcies: Während seiner Renovierungsarbeiten stößt er auf eine Mappe mit Gedichten. Wie sich herausstellt, stammen sie von der deutschen Dichterin Romy, die mit Dulcie in enger Freundschaft verbunden war, sich aber vor sechs Jahren das Leben nahm. Dulcie hat nie die hinterlassenen Gedichte gelesen, unter Roberts Einfluss fühlt sie sich jedoch schließlich der Herausforderung gewachsen und öffnet sich gegenüber Romys Poesie. So widmen sie sich von nun an jeden Abend einem Gedicht, bis sich am Ende herausstellt, dass Romy einen persönlichen Abschiedsgruß an Dulcie versteckt hat. Auf diese Weise kann Dulcie mit der Tragödie Frieden schließen und bringt schließlich auch deren Gedichte heraus.

Was Robert über den Gedichtband schreibt, könnte man auf das Buch „Offene See“ selbst anwenden: „Ich hielt ein dünnes, kunstvoll gebundenes Buch mit geprägtem Einband in den Händen. [...] Es war traumhaft schön.“ Und das ist es wirklich: Ein Kleinod hält man mit dem Roman „Offene See“ in Händen - sowohl äußerlich als auch innerlich. Der Roman kommt leicht und leise daher. Man muss sein Herz und seinen Verstand öffnen, um all die zarten Klänge wahrzunehmen.

Bewertung vom 23.03.2020
Eine fast perfekte Welt
Agus, Milena

Eine fast perfekte Welt


gut

„Papa, glaubst du, das Kind wird sterben?“
„Nein, ich glaube, das war nur ein Versuch. Kann man es ihm verübeln? Er sehnt sich nach einer anderen Welt. Einer perfekten Welt. Daran leiden wir doch alle. Aber dann finden wir uns irgendwie zurecht. Auch Gregorio wird sich zurechtfinden. Bestimmt spürt er, dass wir hier draußen auf ihn warten und dass wir ihn lieben. Vielleicht reicht ihm das bereits, um zu beschließen, hierzubleiben.“

Ester lebt auf Sardinien. Nichts wünscht sie sich sehnlicher, als dass sie ihr Verlobter Raffaele von diesem steinigen Leben wegbringt. Doch kaum ist sie mit ihrem Mann in Genua und dann in Mailand, wünscht sie sich ihr altes Leben auf Sardinien zurück. Als sie nach vielen Jahren schließlich mit Raffaele und ihrer Tochter Felicita dorthin zurückkehrt, stellt sie fest, dass das Leben, das sie zunächst verabscheut und nach dem sie sich später jahrelang gesehnt hat, doch nicht das Wahre ist. Felicita dagegen fühlt sich überall wohl, wo das Schicksal sie hinführt. So lebt sie sowohl gerne in Mailand und dann auf Sardinien als auch in Cagliari, wo sie hinzieht, um dort mit ihrem unehelichen Sohn Gregorio zu leben. Gregorio wiederum, der mit der Zeit ein großes Talent im Klavierspielen entwickelt, zieht es nach New York, in die Stadt des Jazz, wo er sein persönliches Glück zu finden hofft.

Milena Agus legt uns mit „Eine fast perfekte Welt“ eine moderne Fabel dar, in der die Figuren auf einige wenige Merkmale reduziert werden und der Roman voller symbolischer Szenen ist. Ester, Raffaele, Felicita, Gregorio und einige weitere Figuren haben eine Gemeinsamkeit – sie suchen nach dem gelobten Land, ihrem eigenen, persönlichen gelobten Land. Während Ester beispielsweise zu den Personen gehört, die ihr ganzes Leben lang auf der Suche sind und nie dort, wo sie sich gerade befinden, glücklich sind, ist Felicita das genaue Gegenteil von ihr. Sie findet sich an jedem Ort, wo sie das Schicksal verschlägt, zurecht und findet zu persönlichem Glück. Felicita wird somit zur Verkünderin ermutigender Lebensweisheiten, von denen wir profitieren können, denn schließlich sind wir ja alle in gewisser Weise auf der Suche nach unserem eigenen gelobten Land. Einige sind an dem Ort, wo sie leben, und mit dem, was sie haben, vollkommen zufrieden; andere sind stets auf der Suche nach etwas Größerem, Schönerem, Optimalerem. Vielleicht ist das gelobte Land auch kein Dauerzustand, sondern äußert sich in den wenigen, flüchtigen Momenten unseres Lebens? In einer Berührung, einem Duft, einer Melodie?

Milena Agus' „Eine fast perfekte Welt“ kann nicht mit denselben Maßstäben wie ein Roman gemessen werden, denn die Geschichte ist wenig romanhaft. Eine richtige Handlung fehlt, die Figuren bleiben schemenhaft. Die Autorin wollte uns vielmehr ein Werk mit Symbolkraft darlegen. Zu den Figuren konnte man somit keine Verbindung aufbauen und einige der symbolhaften Versatzstücke und Geschichten haben sich mir in ihrer Aussage nicht erschlossen, weshalb ich nur drei Sterne vergebe. Alles in allem ist „Eine fast perfekte Welt“ aber ein lesenswerter Roman, der je nach gegenwärtiger Situation des Lesers wohl in seiner Wirkungsintensität stark variieren kann.

Bewertung vom 22.03.2020
Miracle Creek
Kim, Angie

Miracle Creek


ausgezeichnet

„Das hier war mal ein Unfall, aber durch das ständige Vertuschen sind wir alle zu Mördern geworden.“

Pak, Young und Mary Yoo, eine Immigrantenfamilie aus Südkorea, betreiben in Miracle Creek, einem kleinen Städtchen im Staat Virginia, die so genannte „Miracle Submarine“ – eine spezielle Druckkammer zur hyperbaren Sauerstofftherapie, der man gute Resultate bei der Behandlung von Autismus, Nervenleiden, Unfruchtbarkeit und vielen anderen Krankheiten nachsagt. Am 26. August 2008 ereignet sich dort ein schreckliches Unglück. Während einer Behandlungssitzung bricht an einem der Sauerstofftanks Feuer aus und fordert zwei Todesopfer – Kitt, Mutter von fünf Kindern, und Henry, einen achtjährigen autistischen Jungen – sowie mehrere Verletzte – Matt, der beim Versuch Henry zu helfen, seine Hände verliert, Pak erleidet eine Lähmung, Mary liegt im Koma, die restlichen Patienten tragen wie durch ein Wunder lediglich eine Lungenvergiftung davon. Als ein Jahr später der Prozess wegen Brandstiftung und Mord gegen Henrys Mutter, Elizabeth Ward, geführt wird, sollen auch die Youngs gegen sie aussagen. Doch je weiter der Prozess voranschreitet, desto dünner wird die Beweislage gegen Elizabeth und das Netz aus Lügen und Verheimlichungen zieht sich zu einer immer engeren Schlinge zusammen, die nicht nur den Anklägern und Zeugen, sondern auch dem Leser die Luft abschnürt ...

Vor dem Hintergrund einer menschlichen Tragödie und eines spannungsreichen Gerichtsprozesses tauchen wir in das Innenleben von sieben Figuren ein. Angie Kim stellt sich als Meisterin darin heraus, uns die Handlungen verschiedenster Menschen begreiflich zu machen. Sie verfolgt die Ursprünge bis zu ihren Wurzeln zurück. Hadert man auch hin und wieder mit einer der Figuren, komplett ablehnen kann man sie nicht, denn es wird deutlich, dass sie alle in ihren Handlungen von zutiefst menschlichen Gefühlen getrieben werden.

Die Autorin hat einiges aus ihrem eigenen Leben in den Roman einfließen lassen. So wie die Yoos stammt sie aus Südkorea und ist im Alter von elf Jahren mit ihren Eltern nach Baltimore gezogen, wo ihre Eltern ein Lebensmittelgeschäft eröffneten. Aus ihrem späteren Leben als Anwältin sollte sie ihr juristisches Wissen in diejenigen Romanpassagen, die im Gerichtsaal spielen, einfließen lassen. Die wichtigste Inspirationsquelle für „Miracle Creek“ sollte aber sicherlich die einmonatige HBO-Therapie sein, der sich ihr damals zweijähriger Sohn, der an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung litt, unterzog und den sie zu den Behandlungssitzungen begleitete. In dieser Zeit hatte Angie Kim Einblick in das Leben von Müttern autistischer und behinderter Kinder. Auf diesem Wege, so die Autorin, änderte sich ihre Sichtweise auf das Leben selbst und die Relativität des Glücks. Diese Relativität des Glücks versucht die Autorin in ihrem Roman zu ergründen, was ihr auch wunderbar gelingt.

Angie Kim legt uns mit „Miracle Creek“ nicht nur sieben psychologische Persönlichkeitsstudien dar, die uns in menschliche Abgründe eintauchen lassen. Sie bietet uns nicht nur ein spannungsreiches und bewegendes Justizdrama. Sie konfrontiert uns nicht nur mit der Problematik der Identitätskrise von Immigranten und wie Sprache eine Identität mitbegründen kann. Sie führt uns auch behutsam und doch so frappierend intensiv in die Realität eines Lebens mit einem autistischen Kind und in die Extreme von mütterlicher Aufopferung ein.

Es ist nicht nur ein Roman, den man nicht aus der Hand legen kann, nicht nur ein Roman, der bewegt und erschüttert, und auch nicht nur ein Roman, der nachhallt. Es ist ein Roman, der uns durchdringt und verändert, ein Roman „über die Wahrheiten, die jeder von uns verbirgt.“

Bewertung vom 12.03.2020
Goodbye, Bukarest
Seeberger, Astrid

Goodbye, Bukarest


ausgezeichnet

„Vielleicht geht es um Wiedererkennen, sagte ich, so wie man sich von gewissen Menschen angezogen fühlt, auch von gewissen Büchern, gewissen Bildern und gewisser Musik. Man erkennt etwas aus der eigenen tiefsten Tiefe wieder, etwas, was den Boden für all das bildet, was man ist.“

Auf diese magische Weise fühlt sich die Autorin bereits seit ihrer Kindheit zu ihrem Onkel Bruno, den sie nur von Fotos kennt, hingezogen. „Als ich klein war und in meinem Bett lag, dachte ich oft an Bruno.“ Von Beruf Förster, war er im Zweiten Weltkrieg Pilot, von dem es hieß, er wäre in Stalingrad gefallen. Es stimmt auch, dass er über Stalingrad abgeschossen wurde, aber gestorben ist er damals nicht. Er starb erst im Jahr 1994 im Alter von 77 oder 78 Jahren auf deutschem Boden.

Selbst im Alter um 65 macht sich die Autorin auf die Suche nach Bruno. Sie beginnt ihre Suche da, wo ihre Mutter aufgehört hat - bei Dmitri Fjodorow alias Hannes Grünhoff, dem Sohn einer Deutschen und eines Russen, der in Berlin lebt. Dieser erzählt ihr sein ganzes Leben. Bekanntschaft mit Bruno machte er, als er im Alter von sechzehn Jahren zu sechs Jahren Zwangsarbeit in Kasachstan verurteilt wurde. Die einzigen beiden Häftlinge, die außer ihm auch Deutsch sprechen, sind Dinu, der Pianist aus Bukarest, und Bruno. Eine enge Freundschaft entwickelt sich zwischen den dreien und lässt sie die harte Zeit im Straflager überstehen. Als Bruno und Dinu ohne Dmitri schließlich zusammen nach Bukarest gehen, reißt er jeglichen Kontakt mit ihnen ab. Hier endet auch die erste Spur, die zu Bruno führt.

Astrid Seeberger reist nach Bukarest, wo sie jedoch nicht viel in Erfahrung bringen kann. Lediglich ein Musiker, mit dem sie spricht, erwähnt den Namen Wolfgang Müllers. Einen wichtigen neuen Hinweis kann Wolfgang ihr liefern: Bruno hatte einen Sohn mit Naja, der Schwester Dinus. So sucht und findet die Autorin Jakob Seeberger in München, der nichts über die Familie Brunos wusste. Jakob erzählt ihr alles von seinem Leben mit seinen Eltern in Bukarest und dann von der Zeit mit Bruno und Dinu in Bayern. Abgerundet wird alles von Dinus Erinnerungen, die dieser vor seinem Tod auf eine CD aufgenommen hatte.

Wie überaus edel, großmütig und auch altruistisch ist es von der Autorin, Astrid Seeberger, dass sie ihre Geschichte und die Geschichten dieser Menschen - Dmitris und seiner Eltern, Dinus und seiner Schwester Naja, Brunos und Jakobs - mit uns, Lesern, teilt! Denn niemand von uns kann sagen, er wüsste bereits genug über den Zweiten Weltkrieg und die Zeit danach - bis zur Befreiung des Ostblocks vor der sowjetischen Übermacht. Und es sind doch immer die Einzelschicksale, die uns berühren, bestürzen, unser Herz zum Bluten bringen. Wir können immer nur vom Kleinen aufs Ganze schließen. Ein abstraktes Geschichtswissen - und ist es auch noch so umfangreich - bringt uns nicht als Menschen weiter. Und eins wird deutlicher als alles andere, was Lech, der Ehemann der Autorin, so wunderschön in Worte fasst: „Aber ist es nicht so, dass es etwas gibt, was uns möglich macht, unsere Bedrohtheit zu ertragen? Etwas, das uns die Hoffnung nicht aufgeben lässt, obwohl die Ruinenberge wachsen: diese erstaunliche Fähigkeit, die wir Menschen besitzen, füreinander Schutzräume zu errichten, mitten in aller Bosheit, mitten im Krieg und Unterdrückung. [...] Schutzräume, in denen wir das Glück verspüren können, das kleine störrische Glück. Obwohl es das Unglück gibt.“

Astrid Seeberger gibt uns mit „Goodbye, Bukarest“ ein Buch in die Hand, in dem mehrere Biografien, eingebettet in ihr eigenes Leben, zu finden sind. Sie, die mit siebzehn nach Schweden ausgewandert ist, zeigt uns wie wichtig es ist, für eine Sache zu brennen. Sie hat keiner Mühen gescheut, um alles über Brunos Leben herauszufinden, was im Rahmen menschlicher Möglichkeiten steht.

Danke, Frau Seeberger, dass Sie die Geschichte Brunos, die auch Ihre Geschichte ist, und die Geschichte vieler anderer, in Ihrer sanften und doch so starke

Bewertung vom 08.03.2020
Die Geheimnisse meiner Mutter
Burton, Jessie

Die Geheimnisse meiner Mutter


gut

Rose Simmons wuchs ohne ihre Mutter auf, die Aufgabe beider Eltern trug stets ihr Vater, Matt. Ein Leben lang war Rose auf der Suche nach ihrer Mutter, Elise Morceau. Doch Matt ist ihren Fragen stets ausgewichen. Erst als Rose im Alter von fünfunddreißig Jahren selbst die Möglichkeit Mutter zu werden in Erwägung zieht, erzählt Matt ihr von der großen Bedeutung, die die Schriftstellerin Constance Holden in Elises Leben gespielt hat und gibt ihr zwei ihrer Bücher. Dabei ahnt er nicht, welche Entwicklungen er damit anstößt. Rose verschafft sich nämlich als Haushaltshilfe unter falschem Namen Eintritt in Constances Haus. Was Rose am wenigsten vermutet hat, tritt ein: Eine immer engere Freundschaft entwickelt sich zwischen den beiden. Als schließlich der Schwindel auffliegt, sind sie sich gegenseitig bereits so ans Herz gewachsen, dass die schreckliche Wahrheit eine neue Tür in ihrer Beziehung öffnet.

Jessie Burton hatte eine interessante, berührende, ja, geradezu bewegende Idee für ihren neuesten Roman „Die Geheimnisse meiner Mutter“, auf Englisch „The Confession“ – von beiden natürlich der bessere Titel. Auch das Coverbild von der Originalausgabe ist eindeutig schöner und faszinierender: Es zeigt ein türkisfarbenes Kaninchen, in dessen Innern sich eine rosenumrankte Frau versteckt. Das, was jeden Menschen im Laufe seines Lebens beschäftigt – die Frage nach der eigenen Identität, die Suche nach wahrer Liebe, der Versuch eine „Wahrheit“ für sich selbst zu ergründen – findet in Burtons 580seitigem Roman Platz. Auch Fragen, die sich nur eine Frau stellen kann, nämlich diejenige, ob sie Mutter werden möchte und was es eigentlich bedeutet Mutter zu sein, werden in dem Roman behandelt. Die für Jessie Burton typischen Themen, die uns bereits aus „Das Geheimnis der Muse“ bekannt sind, wie die Bedeutung der Kunst und wie sich Leben und Kunst gegenseitig beeinflussen, werden auch hier aufgegriffen und thematisiert.

Wie wir bereits aus ihrem Vorgängerroman wissen, ist Jessie Burton eine Meisterin darin über Geheimnisse und rätselhafte Geschehen zu schreiben. Sie beschäftigt sich mit Schicksalsschlägen, die das Leben ihrer Figuren prägen und verändern. Trotz interessanter Geschichte, der man mühelos und gespannt folgt, sowie vieler guter Gedanken, die man als Leser weiterspinnen kann, ist der Autorin meiner Meinung nach leider nicht gelungen, eine runde und überzeugende Geschichte zu konstruieren.

Was mich persönlich am meisten gestört hat, war die Figur der Constance Holden. Sie wurde als kreative, reflektierte und tiefempfindende Schriftstellerin in den auktorialen Passagen sowie in den Gedanken Elises dargestellt. In dem Erzählstrang von 1982/83 ist mir jedoch nicht eine einzige Stelle aufgefallen, in der Constances Gedanken und Taten von Reflexion, Kreativität oder Sensibilität gezeugt hätten. Im Gegenteil, ihre Aussagen sind oberflächlich und ihr Handeln prätentiös. Sie kreischt beim Anblick eines Filmstars, urteilt wie jeder Durchschnittsbürger über Kunst, die Welt und ihre Mitmenschen. Es sind vielmehr Elises Gedanken, die Ausdruck von Originalität, Gefühl und Nachdenklichkeit sind. Sie fühlt sich im Gegensatz zu Constance in der Welt des Scheins von Los Angeles nicht wohl und lässt sich nicht vom schönen Glanz blenden. Was mir auch gefehlt hat und was für die Geschichte essentiell ist, ist die Glaubwürdigkeit der Liebe zwischen Constance und Elise. So ist von Constances Seite nie das Gefühl der Liebe für Elise zu spüren, vielmehr wirkt sie entweder genervt oder von ihrer Präsenz beschwert, andernfalls behandelt sie sie ganz einfach mit einer Herablassung, die dem Altersunterschied von 16 Jahren geschuldet zu sein scheint. Es tritt bei ihrem letzten Gespräch mit Elise zudem eine derartige Kaltherzigkeit und Brutalität zu Tage, dass ich wirklich nicht nachvollziehen kann, wie Constance textintern von Rose sowie textextern vom Leser respektiert und bewundert werden kann.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.03.2020
Das Haus der Frauen
Colombani, Laëtitia

Das Haus der Frauen


weniger gut

Laetitia Colombani hatte eine sehr interessante Idee für ihren neuesten Roman. Sie hat sich das Lebenswerk der von 1867 bis 1933 lebenden Heilsarmistin Blanche Peyron angeguckt, der Paris das dort stehende „Palais de la femme“ zu verdanken hat – eine Institution, die obdachlosen und notleidenden Frauen Schutz bietet. Das Leben dieser großen Frau arbeitet die Autorin in ihrem Roman „Das Haus der Frauen“ auf. In einem parallel verlaufenden Erzählstrang, der im heutigen Paris angesiedelt ist, entwirft Colombani die fiktive Figur der Anwältin Solène, die nach einem erlittenen Nervenzusammenbruch die ehrenamtliche Tätigkeit eines „Öffentlichen Schreibers“ in dem Palast der Frauen aufnimmt. Auf diese Weise hofft sie ihrem Leben wieder einen Sinn zu geben sowie sich selbst wiederzufinden. Sie ahnt noch nicht, wie sehr sie sich dabei auf die Schicksale der in dem Palast lebenden Frauen einlassen wird...

So ehrenhaft und lobenswert Laetitia Colombanis Vorhaben ist, so sehr scheitert es letztlich in der Umsetzung. Allem Anschein nach hat sie sich zu viel vorgenommen und allein deswegen konnte das Buchprojekt nicht gelingen. So versucht die Autorin auf gerademal 250 Seiten nicht nur die Geschichte von Blanche und Solène, sondern auch von einigen Frauen mehr zu schildern. Da ist die Serbin Cvetana, die vor dem Krieg in ihrem Land geflohen ist, da ist Binta, die mit ihrer kleinen Tochter Sumeya aus Guinea flieht, da ist die junge Cynthia, der man ihren Sohn weggenommen hat, da ist die Strickerin Viviane, die von ihrem Mann misshandelt wurde, da ist Iris, die sich eine neue Identität erarbeitet, da ist die Renée, die 15 Jahre lang auf der Straße gelebt hat und da ist die neunzehnjährige Bettlerin Lily – sage und schreibe acht Frauenschicksale, die auf minimalstem Raum Platz finden. Würde die Autorin zu den wortgewaltigen Schriftstellerinnen gehören, die mit Hilfe von nur wenigen Worten Wunder erschaffen, hätte ich nichts dagegen einzuwenden. Doch zu diesem Kreis ist sie bei weitem nicht zu zählen.

So sind die Romanpassagen um Solène oftmals sentimental und kitschig. Ihre Stimmung ändert sich häufig schlagartig und ohne ersichtlichen Grund. War sie im ersten Moment voller Zweifel, ist sie einige Sätze später fest entschlossen; war sie eben noch verzagt, ist sie im nächsten Moment voller Hoffnung. Auch derartig abgedroschene Phrasen wie „Abrupt bleibt sie stehen, wie ein Reh bei Nacht im Scheinwerferlicht auf einsamer Landstraße“ häufen sich in den Erzählsträngen, die Solène betreffen.

Im Versuch wiederum der Person der Blanche Peyron die höchste Ehre angedeihen zu lassen, flüchtet sich die Autorin derartig tief ins Pathos, dass kaum Raum mehr für wahre Ergriffenheit von Seiten des Lesers bleibt. Blanche ist in der Erzählung dermaßen über jeden Zweifel erhaben, dass die Bewunderung vom Leser mehr einem Zwang als einem inneren Bedürfnis gleicht.

Ein weiterer in meinen Augen schwerwiegender stilistischer Fehltritt ist die von der Autorin gewählte Erzählweise. Und zwar werden alle Frauenschicksale – auch dasjenige von Blanche und Solène – in dritter Person erzählt, gelegentlich wird auch das noch unpersönlichere „man“ verwendet. Direkte Rede fehlt fast gänzlich, wird sie hin und wieder verwendet, so ist sie durch Kursivschrift im laufenden Text markiert. Dabei wären die Einzelschicksale der Frauen doch bereits viel ansprechender, wenn sie in der Ich-Form erzählt worden wären. Die Erzählweise in der dritten Person erzeugt eine Distanz, die unmöglich von der Autorin intendiert worden ist.

Beim Lesen von „Das Haus der Frauen“ hat sich bei mir in der Summe das Gefühl eingestellt, als hätte jemand einen Roman gelesen, den er nun möglichst getreu nachzuerzählen versucht. Die Geschichte mag dieselbe sein, aber das Leben, der zündende Funke, der auf den Leser überspringt, das gewisse Etwas fehlt in der zweiten Version – dieser Version – gänzlich.

Bewertung vom 19.02.2020
Der Sommer, in dem Einstein verschwand
Hermanson, Marie

Der Sommer, in dem Einstein verschwand


gut

„Die Zukunft streckte einen Moment lang ihren Kopf durch den Vorhang und zog ihn wieder zurück, bevor jemand verstand, was man gesehen hatte.“

Wir schreiben das Jahr 1923, Europa befindet sich an einem Wendepunkt, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Umwälzungen finden statt. Für Schweden, insbesondere Göteborg ist es ein Jahr, das ganz besonders in Erinnerung bleibt – es ist das Jahr der großen Weltausstellung zum 300jährigen Bestehen der Stadt, zu der niemand Geringeres als Albert Einstein geladen ist, um anlässlich seiner Nobelpreisverleihung eine Rede zu halten. Unter den Besuchern der Weltausstellung befindet sich auch Paul Weyland, der bekanntermaßen Einsteins größter Widersacher und Feind ist. Dank eines glücklichen Zufalls kommt Ellen, die junge Volontärin bei der Zeitung „Krone und Löwe“, den fragwürdigen Motiven von Weylands Göteborgaufenthalt auf die Spur und kann mithilfe des jungen Kriminalkommissars Nils ein Verbrechen verhindern.

Fiktion, sei es ein Film oder ein Roman, die auf einer wahren Begebenheit beruht, ist beliebter als je zuvor. Auch Marie Hermannsons Roman „Der Sommer, in dem Einstein verschwand“ ist in die Reihe der Geschichten mit wahrem Kern einzugliedern. Ihr gelingt ein interessantes, farbenfrohes und stimmungsvolles Portrait der Zeit, die als Goldene 20er in die Geschichtsschreibung eingegangen ist. Die Autorin setzt sich dabei nicht nur mit den Quellen zu der Weltausstellung auseinander, sondern auch mit der Person Albert Einsteins und dem damaligen Umgang mit seiner Relativitätstheorie. Dies waren auch die für mich interessantesten Stellen in dem Roman. Ich habe mich gerne zusammen mit der Autorin in Einstein eingefühlt und bin mit Interesse seinen Gedankengängen gefolgt. Mein persönliches Highlight war der Besuch bei seinem Forscherkollegen Niels Bohr, der ebenfalls den Nobelpreis für Physik bekommen hat, mit dem er sich derartig in Diskussionen vertieft, dass sie mehrmals die Haltestelle verpassen, an der sie aussteigen müssen, um zu Bohrs Haus zu gelangen. Marie Hermannson verfügt über einen leisen Humor, der hier und dort hervorschimmert. Alles in allem denke ich jedoch, dass sich die Autorin zu viel vorgenommen und nichts ganz zu Ende geführt hat. So ist der Roman eine Gesellschaftsstudie und Momentaufnahme der Zeit, doch das Bild bleibt zu blass und zu vage, um wirklich lebhaft vor dem Auge des Lesers zu entstehen. Er ist eine Kriminalgeschichte, doch ist der Fall um Paul Weyland viel zu vorhersehbar, um wirklich spannend zu sein. Auch ist er der Versuch ein Stück Lebensgeschichte des berühmten Physikers Albert Einstein einzufangen, doch auch hier flüchtet sich die Autorin zuweilen ins Oberflächliche und Nichtssagende. Auch die von der Autorin erfundenen Figuren, die abwechselnd zu Wort kommen, wie die bereits erwähnte Journalistin Ellen und der Kriminalkommissar Nils sowie der 13-jährige Otto, der mit der Eselin Bella eine der vielen Attraktionen der Weltausstellung darstellte, sind in unterschiedlichem Maße ansprechend. So fand ich persönlich die Passagen, die aus Nils Perspektive erzählt wurden, eher etwas fade. Auch einige kleinere Ungereimtheiten innerhalb der Geschichte selbst, auf die ich jetzt nicht im Detail eingehen möchte, haben meinen Lesegenuss insgesamt etwas getrübt.

Bewertung vom 04.02.2020
Die Bagage
Helfer, Monika

Die Bagage


gut

Monika Helfer legt uns mit ihrem Roman „Die Bagage“ ein Stück eigener Familiengeschichte dar. Der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist ihre Großmutter Maria Moosbrugger, die vor allem für ihre außerordentliche Schönheit bekannt war. Mit ihrem Mann Josef und ihren vier Kindern lebt sie am Rand eines Bergdorfs, als der Erste Weltkrieg ausbricht und Josef für Kaiser und Vaterland ins Feld zieht. In dieser Zeit gebiert Maria ein Kind, Grete, die Mutter der Autorin, doch bis heute weiß niemand, ob das Kind von Josef ist oder von dem aus Hannover stammenden Georg, den Maria auf einem Jahrmarkt kennenlernt...

Das dünne Büchlein ist schnell gelesen. Man folgt voller Neugier und Interesse den Schicksalswendungen der Familie, schließlich liegt es in der Natur des Menschen, sich für das Leben der anderen zu interessieren. Zuweilen bleibt man an einem klugen Gedanken länger hängen. Auch verspürt man ab und an einen Schmerz in der Brust, denn es ist eine ziemlich tragische Geschichte, die Geschichte von der Bagage und ihrer Nachkommen.

„Die Bagage“ – der Kategorie „Roman“ zugeordnet – ist eine bunte Mischung aus Tradiertem, Erdachtem und Persönlichem. Die Geschichte ist ansprechend und zuweilen berührend, aber nicht weltbewegend. Es ist die Art von Literatur, die ich eher in die Kategorie „für die Schublade“ einordnen würde – wichtig für die Autorin selbst, um ihre Vergangenheit und Herkunft zu verarbeiten, aber nicht unbedingt ebenso lesenswert für Unbeteiligte, also uns, die breite Leserschaft.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.02.2020
Das Evangelium der Aale
Svensson, Patrik

Das Evangelium der Aale


ausgezeichnet

Der heilige Gral der Naturwissenschaft

Der Aal ist der rätselhafteste Fisch der Welt. Seine Existenz und sein Lebenswandel werfen uns seit jeher viele Fragen auf und bis heute hat man noch nicht alle mit Bestimmtheit beantworten können beziehungsweise die Frage nach dem „Warum?“ aus der Dunkelheit ans Licht hervorholen können. So haben viele passionierte Forscher sehr viel Zeit und Energie – nicht selten ihr halbes Leben – der sogenannten Aalfrage gewidmet. Der Däne Johannes Schmidt ist beispielsweise 18 Jahre lang durch die Meere gefahren, bevor er den Ursprungsort des Aale – die Sargassosee – entdeckt hat. Auch so manches poetische Werk, wie Günter Grass‘ „Die Blechtrommel“, Boris Vians „Die Gischt der Tage“ oder Graham Swifts „Wasserland“ haben sich dem Aal auf literarische Weise genährt. Die Reihe wird nun von Patrik Svensson fortgesetzt, der uns behutsam an die Hand nimmt und uns auf verständliche, berührende und poetische Weise in die Geschichte des Aals einführt.

„Das Evangelium der Aale“ ist halb Sach-, halb Erinnerungsbuch, denn in sich abwechselnden Kapiteln erzählt uns der Autor von wichtigen Stationen in der Mensch-Aal-Geschichte und gewährt uns Einblicke in seine eigene Geschichte, dessen Schwerpunkt die Vater-Sohn-Beziehung ausmacht. Wie sich schnell herausstellt, war das Aalfangen diejenige Tätigkeit, die Patrik Svensson und seinen Vater verbunden hat und ihr Verhältnis zueinander geprägt hat. So wird die allgemeine Aalfrage zu seiner ganz eigenen Frage nach der Herkunft, dem Sinn des Lebens und seinem Ziel, das sich auch jeder andere Mensch in unterschiedlicher Gewichtung stellt. „Das Rätselhafte, schwer Durchschaubare des Aals wird zum Echo der Fragen, die jeder Mensch in sich trägt: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin bin ich unterwegs?“

Die Geschichte beginnt bei Aristoteles, der sich als erster großer Gelehrter ganz besonders für den Aal interessiert hat, und reicht von Sigmund Freud, dem Dänen Johannes Schmidt und der Meeresbiologin Rachel Carson bis in unsere jüngste Gegenwart hinein. Vieles von dem, was wir zu wissen glauben, ist aber bis heute nicht bestätigt. So hat kein Mensch jemals zwei Aale bei der Fortpflanzung beobachtet, noch hat man je einen ausgewachsenen Aal in der Sargassosee gesehen. Und eine weitere wichtige Tatsache: Der Aal vermehrt sich nicht Gefangenschaft. „Es war fast, als wehre sich der Aal dagegen, jemand anderem die Kontrolle über den Schöpfungsakt zu überlassen, als wäre seine Existenz ganz allein seine Sache.“ Das heißt, dass der vom Aussterben bedrohte Aal womöglich irgendwann wie der vom Autor herangeführte Dodo oder die Sehkuh für immer von der Erdoberfläche verschwunden sein wird, „bis es nichts mehr [über ihn] zu wissen gibt“.

„Das Evangelium der Aale“ ist eine ganz besondere Art von Buch. Es ist halb Sach-, halb Erinnerungsbuch, aber nicht das allein ist das Besondere daran. Es ist der Versuch das Lebewesen, „das sich aktiv der menschlichen Erkenntnis entzieht“, zu begreifen. Und es ist ein Plädoyer für den Aal als Lebewesen, aber gleichzeitig auch für den Aal als eine große verbindungsstiftende Symbolkraft, die die Geschichte der Menschen im Allgemeinen und das Verhältnis des Autors zu seinem mittlerweile verstorbenen Vater im Speziellen bestimmt. Wer hätte gedacht, dass ein Buch über Aale so bewegend sein kann? Und doch ist es so, denn oftmals ist nicht das Was, sondern das Wie entscheidend und das beherrscht Patrik Svensson meisterhaft! Ich kann dieses poetische Debüt über die Natur, die Suche nach Wissen, Menschlichkeit und Verstehen jedem nur wärmstens ans Herz legen.

Bewertung vom 30.01.2020
Das Knistern der Sterne
Hoffmann, Claire

Das Knistern der Sterne


weniger gut

Stella befindet sich am tiefsten Tiefpunkt ihres Lebens, als sie Balthasar begegnet. Der siebzigjährige Herr lädt sie bereits nach dem ersten Kennenlernen ein, ihn auf einer Kreuzfahrt zu begleiten. Nach anfänglichem Ablehnen willigt Stella schließlich ein – zu verführerisch ist die Vorstellung von einer sorgenlosen Reise auf einem Kreuzfahrtschiff. Und Balthasar stellt ihr auch nur eine einzige Bedingung: am Ende des Tages soll sie ihm beim Abendessen von ihren Erlebnissen erzählen. Gerne geht Stella dieser Bitte nach. Mit der Zeit wird jedoch immer deutlicher, dass Balthasar etwas zu verbergen hat, doch Stella ist viel zu sehr mit ihrer eigenen Selbstfindung und dem Glücklichmachen von anderen beschäftigt, um der Sache gründlich nachzugehen. Bis es zu spät dafür ist…

Ich muss zugeben, dass mich das wunderschöne Cover magisch angezogen und auch der Klappentext neugierig auf die Geschichte gemacht hat. Da ich selbst noch nie eine Kreuzfahrt gemacht habe, dachte ich mir, ich könnte virtuell mitreisen und nebenbei einer spannungsreichen Geschichte folgen. Leider haben sich meine Hoffnungen nicht erfüllt, denn der Roman fiel ganz anders aus, als ich ihn mir vorgestellt habe. Die im Roman vorkommenden Figuren sind ein-, höchstens zweidimensional, die Geschichte vorhersehbar, die Gespräche, die im Roman geführt werden, sind kurios und voller Gemeinplätze [Die Autorin hat zudem die äußerst befremdliche Angewohnheit folgende Zeichenabfolge » – – – « zu benutzen, wenn jemand statt zu antworten auf irgendeine Weise reagiert, was weder für die Identifikation mit den Figuren förderlich ist, noch den Versuch, in die Romangeschichte einzutauchen, erleichtert und wird, soweit ich weiß, nicht einmal in der Dramatik praktiziert, ganz zu schweigen von der Epik] und die von der Autorin beabsichtigte Tiefgründigkeit der Geschichte ist eine nervenraubende Pseudotiefe – höchstens bei den eingestreuten Zitaten lohnt es sich manchmal länger zu verweilen. Man vergisst keinen Augenblick lang, dass man es mit Fiktion zu tun hat und das ist wahrlich kein Zeichen guter Prosa. „Das Knistern der Sterne“ war mein erster Roman von Claire Hoffmann und wird auch mein letzter bleiben. Er wird sicher seine Anhänger finden, mich konnte er nicht begeistern.