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Rinoa

Bewertungen

Insgesamt 163 Bewertungen
Bewertung vom 02.09.2022
Auf See
Enzensberger, Theresia

Auf See


sehr gut

Yada ist 17 und lebt auf einer schwimmenden Stadt in der Ostsee. Ihr Vater hat die Seestatt entworfen, um dem Chaos und Untergang der Zivilisation auf dem Festland zu entgehen. Yada lebt mit der (von ihrem Vater geschürten) Angst, ähnlich psychisch labil zu sein wie ihre verstorbene Mutter, deshalb wird vieles von ihr ferngehalten. Doch immer mehr fragt sie sich, ob die Welt da draußen wirklich im Chaos versinkt und dann macht sie auch noch eine Entdeckung, die alles bisher Geglaubte in Frage stellt…

So ein bisschen ratlos hat mich „Auf See“ zurückgelassen. Einerseits habe ich die Lektüre sehr genossen, sie war unterhaltsam und auch fesselnd. Auf der anderen Seite hatte ich zunächst das Gefühl, vielleicht den Sinn dahinter nicht ganz verstanden zu haben.

Das Buch ist abwechselnd aus Sicht von Yada (in Ich-Form) und Helena, einer charismatischen und eher durch Zufall zum Orakel erklärten Künstlerin, die in Berlin lebt, geschrieben. Dazwischen gibt es immer wieder Kapitel mit Geschichten aus Helenas „Archiv“, historische Fakten (die mir bis dato völlig unbekannt waren) über utopische Zukunftsfantasien, Gründungen von neuen, autarken Staaten, (versuchte) Territorialübernahmen etc. die es scheinbar immer schon gegeben hat.

Der Aufbau hat mir wirklich gut gefallen, auch die Überschriften zu den einzelnen (größeren) Teilen, das Zusammenspiel mit den historischen Fakten, das war alles sehr stimmig und durchdacht und gepaart mit dem Schreibstil der Autorin für mich spannend zu lesen.

Insbesondere die Charakterisierung von Helena fand ich sehr gut gelungen (wogegen Yada für mich so ein bisschen blass blieb, allerdings passiert auf der Seestatt vielleicht auch nicht so viel wie im trubeligen Berlin und Yada ist viel auf sich allein gestellt, obwohl das sicher nicht als (alleiniger) Grund herhalten kann). Obwohl sie ganz anders ist als ich habe ich mich ihr irgendwie nahe gefühlt.

Zuletzt muss ich noch erwähnen (und das habe ich in einer Rezension noch nie gemacht), dass ich das Cover, besonders in natura, einfach umwerfend finde. Es erinnert mich so ein bisschen an die alten Science-Fiction-„Schinken“ meines Vaters, deren Cover ich früher auch immer schon bewundert habe (mit deren Inhalt ich allerdings weniger anfangen konnte).

Mit ein paar Tagen Abstand kann ich sagen, dass mir „Auf See“ wirklich gut gefallen hat und ich mich mit dem Gedanken angefreundet habe, dass es vielleicht auch gar keinen tieferen Sinn (zumindest für mich) geben muss. Tatsächlich könnte ich mir sogar vorstellen, das Buch später noch einmal zu lesen, was ich über nicht allzu viele Bücher behaupten kann.
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung! Es lohnt sich wirklich, sich auf die Geschichte (und die Geschichten dahinter) einzulassen.

Bewertung vom 18.08.2022
Die Nachricht des Mörders / Fräulein vom Amt Bd.1
Blum, Charlotte

Die Nachricht des Mörders / Fräulein vom Amt Bd.1


ausgezeichnet

Baden-Baden zu Beginn der 1920er Jahre. Alma Täuber, das Fräulein vom Amt, hört bei einer Telefonschalte zufällig eine unangenehme, schnarrende Stimme, die ihr Gänsehaut beschert. Als die Stimme dann noch von einem erledigten Auftrag bei den Kolonnaden spricht, ist sich Alma sicher, dass etwas passiert sein muss. Und tatsächlich wird genau dort eine ermordete Frau aufgefunden. Doch vom Kriminalrat wird sie nur belächelt. Einzig Kommissaranwärter Ludwig Schiller scheint ihr zu glauben. Gemeinsam mit ihm, ihrer Freundin Emmi und ihrem Cousin Walter stellt Alma eigene Nachforschungen an.

Zunächst einmal hat mich der Schreibstil der Autorinnen von der ersten Seite an wirklich mitgerissen, lässt er den Leser doch regelrecht in die 20er Jahre eintauchen. Das Leben von Alma und auch ihrer Freundin Emmi wird so lebendig beschrieben, dass ich mich direkt mittendrin in ihrer Dachkammer, bei der Arbeit und bei Almas Ermittlungen gefühlt habe.

Dabei war mir Alma wirklich sehr sympathisch (wie im Übrigen auch Kommissaranwärter Ludwig Schiller) und auch die übrigen Charaktere waren wirklich treffend gezeichnet, sodass ich sie mir bildlich vorstellen konnte.

Es war sehr spannend mitzuverfolgen, wie Alma im Bezug auf die ermordete Frau nicht lockerlässt, ihrem Bauchgefühl vertraut und so (gemeinsam mit Ludwig) den Fall am Ende auch aufklären kann.
Dabei war alles wunderbar stimmig und die Mischung aus (privaten) Einblicken in die damalige Zeit und einem doch etwas verzwickten Kriminalfall haben mir wirklich sehr gut gefallen.

Ich bin immer noch ganz begeistert und freue mich sehr auf den zweiten Band rund um Alma und Ludwig. „Fräulein vom Amt“ ist für mich ganz klar ein Highlight dieses Jahres und uneingeschränkt zu empfehlen.

Bewertung vom 04.08.2022
Der Aufstieg - In eisiger Höhe wartet der Tod
McCulloch, Amy

Der Aufstieg - In eisiger Höhe wartet der Tod


sehr gut

Für die Journalistin Cecily könnte es den Durchbruch in ihrer Karriere bedeuten: Sie darf als Erste den berühmten Bergsteiger Charles McVeigh interviewen, nachdem dieser innerhalb eines Jahres alle vierzehn Achttausender im Alpinstil bestiegen hat. Dies allerdings erst, wenn sie gemeinsam mit Charles den Gipfel des Manaslu erreicht hat. Cecily ist zwar blutige Anfängerin, möchte aber unbedingt dieses Interview und nimmt dafür einige Strapazen in Kauf. Doch nicht nur die ungewohnte Höhe und die körperliche Anstrengung verlangen ihr alles ab. Am Berg scheint es außerdem einen Mörder zu geben…

Ich habe ein bisschen gebraucht, um in die Geschichte reinzukommen, denn zu Beginn wird etwas unübersichtlich und mit diversen Rückblenden erzählt, wie Cecily überhaupt zur Teilnahme in Charles Expedition kam.
Dann wurde es aber so richtig spannend, auch deshalb, weil ich durch die Lektüre Einblicke in ein Thema bekommen habe, mit dem ich mich bisher eher nicht beschäftigt habe. Ich fand es wirklich sehr interessant zu verfolgen, wie so ein Bergaufstieg vonstattengeht und bin richtig eingetaucht in diese ganz eigene Welt. Man merkt auf jeden Fall, dass die Autorin aus Erfahrung schreibt.

So ab der Mitte ließ die Spannung dann immer mehr nach, die Geschichte wurde etwas langatmig und obwohl ich den Sprachstil wirklich sehr gut zu lesen fand, war er doch auch sehr ausführlich und es gab immer wieder Längen. Da hat mich die Autorin so ein bisschen verloren und leider bis zum Schluss nicht mehr richtig einfangen können.

Auch mit Cecily wurde ich nicht ganz warm, auf der einen Seite ist sie ein absoluter Neuling und kämpft gerade zu Beginn ständig mit Selbstzweifeln, auf der anderen Seite wirkt sie aber doch sehr tough und scheint erfahreneren Bergsteigern überlegen.
Trotz der zuvor erwähnten Ausführlichkeit fand ich die anderen Charaktere recht oberflächlich beschrieben und insbesondere Charles, der aufgrund seines Rekords und des avisierten Interviews eigentlich im Vordergrund stehen sollte, bleibt sehr blass.

Auch hatte ich manchmal Mühe, mir die örtlichen Gegebenheiten vorzustellen (in welchem Lager befindet sich die Gruppe gerade, wo ist die Eiswand etc.), da musste ich doch öfter blättern.

Der Schluss hat sich so ein bisschen angedeutet und wurde (auch im Hinblick auf die sehr ausführlichen Beschreibungen zuvor) dann doch recht schnell abgehandelt. Da hat mir ein wenig das Verhältnis gefehlt und es wurde für meinen Geschmack insgesamt auch ziemlich viel hineingepackt.

Insbesondere wegen der wirklich sehr guten ersten Hälfte hat mir „Der Aufstieg“ im Großen und Ganzen aber gut gefallen und mich da auch wirklich fesseln können.
Auf jeden Fall einmal ein etwas anderer Thriller, mit interessantem Setting in schwindelnder Höhe.

Bewertung vom 14.07.2022
Beifang
Simons, Martin

Beifang


sehr gut

Als Frank beim Umzug seiner Eltern auf eine rote Holzkiste seines Großvaters Winfried stößt, will er mehr über diesen erfahren. Wie war es, in der Zechensiedlung Beifang in der Nachkriegszeit zwölf Kinder in Armut und der Enge eines kleinen Häuschens großzuziehen? Da sein Vater schweigt, macht sich Frank auf Spurensuche bei seinen zahlreichen Onkeln und Tanten.

Zunächst einmal hat mir der Schreibstil des Autors wirklich gut gefallen, das Buch ist angenehm zu lesen und durch viele kurze Absätze kam ich sehr schnell voran. Im Grunde passiert gar nicht so viel, man begleitet Frank auf seinen Treffen mit den diversen Geschwistern seines Vaters und erfährt so nach und nach Einiges über das Leben in sehr schwierigen Verhältnissen. Wie prägend diese waren lässt sich schnell erahnen und jeder muss(te) seinen eigenen Weg finden, damit umzugehen.

Die Vergangenheit wird dabei nicht linear erzählt, vielmehr setzt sie sich aus vielen verschiedenen Anekdoten zusammen, die teilweise aber auch unterschiedlich erinnert werden, sodass man letztendlich nie ganz sicher sein konnte, was nun stimmt oder nicht.

Das war auch so ein bisschen das Problem, das ich während des Lesens hatte. Denn ich fand es auf der einen Seite wirklich spannend und interessant zu verfolgen, wie sich die Leben der Geschwister trotz oder wegen dieser doch sehr rauen und harten Kindheit entwickelt hat. Und auch, dass man manchmal vielleicht einen Blick von außen braucht, um manche Dinge zu erkennen.
Auf der anderen Seite waren es mir aber auch zu viele lose Fäden und ich trieb so ein bisschen durch die Geschichte, ohne richtigen Halt zu finden. Am Ende hat mich das Buch doch etwas ratlos zurückgelassen.

Während der Lektüre hat mir „Beifang“ zwar wirklich gut gefallen, ich denke allerdings nicht, dass die Geschichte bei mir lange nachhallen wird. Denn obwohl teilweise wirklich schlimme Zustände beschrieben werden, konnten mich diese nicht so ganz berühren, ich kam mir eher vor wie ein distanzierter Zuschauer. (Möglicherweise liegt das auch daran, dass ich unter ganz anderen Umständen und zu einer ganz anderen Zeit aufgewachsen bin.)

Trotzdem würde ich das Buch weiterempfehlen, denn ich kann mir durchaus vorstellen, dass es anderen Lesern anders geht und die Beschäftigung mit der Geschichte hilft, mal wieder den Blick auf das Wesentliche und Wichtige im (eigenen) Leben zu richten.

Bewertung vom 12.07.2022
Freunde. Für immer.
McCreight, Kimberly

Freunde. Für immer.


sehr gut

Die College-Freunde Jonathan, Derrick, Keith, Stephanie und Maeve treffen sich in Jonathans Wochenendhaus in den Catskill Mountains, um dort seinen Junggesellenabschied zu feiern – und Keith von einem Entzug zu überzeugen. Doch das Wochenende verläuft anders ganz geplant und endet für Keith und Derrick mit einem Autounfall. Einer von ihnen ist verschwunden, der andere wird tot und mit zertrümmertem Gesicht im Wagen gefunden. Haben die Geschehnisse etwas mit dem Selbstmord ihrer gemeinsamen Freundin Alice vor zehn Jahren zu tun? Holt die Vergangenheit die Clique nun endgültig ein?

Erzählt wird abwechselnd aus Sicht der fünf Freunde sowie der Polizistin Julia Scutt, die nach dem Fund des Autos die Ermittlungen aufnimmt und selbst eine traumatische Vergangenheit hat. Auch Alice kommt zwischendurch in Form von Tagebucheinträgen zu Wort. Das alles in Ich-Form, was ich sowieso gerne mag.
Hierdurch bekommt der Leser einen sehr subjektiven Blick auf die Ereignisse, die gleichzeitig aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Dabei übernimmt Julia Scutt die Gegenwart nach dem Unfall, von den Freunden erfährt man als Leser nach und nach, was über das Wochenende (und auch in der Vergangenheit) passiert ist und wie es letztlich zu dem Unfall kam.
Das ist auf jeden Fall spannend zu lesen, auch wenn es mich nicht gänzlich packen konnte. Trotzdem wollte ich natürlich wissen, welches Geheimnis die Freunde verbergen und wie es so weit kommen konnte, denn dass in der Gruppe irgendetwas schwelt, war die ganze Zeit über zu spüren.

Obwohl die verschiedenen Personen (auch durch die Erzählform) eigentlich ganz gut charakterisiert werden, empfand ich sie teilweise als oberflächlich (was ja auch eine Charaktereigenschaft sein kann). Insbesondere habe ich mich gefragt, warum sie nach all den Jahren eigentlich immer noch befreundet sind. Irgendwie kam mir das Persönliche manchmal doch ein bisschen zu kurz.

Das Ende ging dann für meinen Geschmack etwas schnell von der Bühne (immerhin ging vorher das komplette Buch über nur zwei Tage, da hätte man den Schluss etwas ausführlicher gestalten können). Ein wenig konstruiert vielleicht, aber auf jeden Fall überraschend und alles in allem schon stimmig.

Mir hat „Freunde. Für immer“ wirklich gut gefallen und ich werde es gerne weiterempfehlen.

Bewertung vom 05.07.2022
Mrs Agatha Christie / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.3
Benedict, Marie

Mrs Agatha Christie / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.3


gut

Ich bin ein großer Fan von Agatha Christies Büchern und hatte auch schon von ihrem mysteriösen elftägigen Verschwinden gehört. Von daher war mir schnell klar, dass ich dieses Buch lesen möchte und ich war gespannt, wie Marie Benedicts Erklärung der Ereignisse aussieht.

Erzählt wird abwechselnd auf zwei Ebenen; zum einen „Das Manuskript“, hier wird aus Sicht von Agatha Christie (in Ich-Form) das Kennenlernen mit ihrem Mann Archie und der weitere Verlauf der Beziehung geschildert, zum anderen die Tage nach ihrem Verschwinden aus Archies Perspektive.

Während der Lektüre musste ich mich immer wieder daran erinnern, dass ich einen fiktiven Roman lese und keine Biographie. Tatsächlich tat ich mich auch mit der Charakterisierung Agatha Christies etwas schwer (auch wenn sie vielleicht zutreffend ist). Sie kam so dermaßen naiv und irgendwie kleinmädchenhaft rüber, das hat mich schon ein wenig genervt. Und dann die gebetsmühlenhaften Wiederholungen (insbesondere der Worte ihrer Mutter), dass für eine Frau der Mann an erster Stelle zu stehen hat, natürlich auch weit vor dem eigenen Kind, und dass überhaupt Frauen alles ertragen müssten, Hauptsache dem Mann geht es gut – das fand ich wiederum schwer zu ertragen (auch wenn das in der damaligen Zeit wohl gang und gäbe war).

Auf der einen Seite ließ sich die Geschichte schnell und gut lesen, auf der anderen Seite zog sie sich aber auch mächtig, insbesondere in den Passagen nach Agathas Verschwinden aus Sicht von Archie (und den Beschreibungen der polizeilichen Ermittlungen), hier wurde aus wenig viel gemacht und die Quintessenz war im Grunde, was für ein egoistischer Jammerlappen Archie doch war.

Die Auflösung, die die Autorin präsentiert, fand ich schon plausibel und denkbar, dass es so abgelaufen sein könnte (vielleicht aber sogar ein bisschen zu plausibel und zu sehr auf Agatha Christies Krimis aufgebaut). Letztendlich werden wir wohl nie erfahren, was wirklich passiert ist.

Alles in allem konnte mich „Mrs Agatha Christie“ leider nicht ganz überzeugen. Die Idee finde ich toll, die Umsetzung hatte allerdings doch einige Längen und nicht ganz meinen Geschmack getroffen.

Bewertung vom 24.06.2022
Das Letzte, was du hörst
Winkelmann, Andreas

Das Letzte, was du hörst


sehr gut

Ein Podcast, der den Tod bringt… Daran musste ich denken, nachdem ich den Klappentext von „Das Letzte, was du hörst“ gelesen hatte. Da ich selbst sehr gerne Podcasts höre eine wirklich gruselige Vorstellung. Die mich allerdings nicht davon abhalten konnte, das neue Buch von Andreas Winkelmann in die Hand zu nehmen.

Und ich war auch sofort drin in der Geschichte, durch den tollen Schreibstil, die kurzen Kapitel und das spannende Setting fiel es mir schwer, das Buch aus der Hand zu legen.
Erzählt wird aus verschiedenen Sichtweisen, was mir ebenfalls wirklich gut gefallen hat. Zum einen ist da Roya, eine Journalistin, die über den Podcaster Marc recherchiert. Dann gibt es noch Sarah, die ein großer Fan des Podcasts ist. Zuletzt begleiten wir die Ermittlerin Carola bei der Aufklärung des Falls.
Insbesondere Letztere fand ich als Typ wirklich gelungen charakterisiert und ich konnte sie mir in den verschiedensten Situationen bildlich vorstellen. Und auch allgemein hat es der Autor geschafft, seinen Figuren Leben einzuhauchen und sie sehr nah und menschlich darzustellen.

Zwischendurch gibt es dann immer wieder Einschübe „Vorher“, deren Zusammenhang mit den aktuellen Geschehnissen sich erst nach und nach erschließt.

Einen Stern Abzug gibt es von mir tatsächlich für das Ende. Das war mir in der Summe doch etwas konstruiert bzw. passend gemacht und auch ein wenig vorhersehbar, zumindest in Teilen. Außerdem für meinen Geschmack einige „zufällige“ (?) Verstrickungen zu viel. Hier wäre weniger vielleicht mehr gewesen.

Ansonsten war „Das Letzte, was du hörst“ aber wirklich spannend aufgebaut und hat mir einige sehr unterhaltsame Lesestunden beschert. Klare Empfehlung von mir!

Bewertung vom 17.06.2022
Das Haus der stummen Toten
Sten, Camilla

Das Haus der stummen Toten


gut

Nach „Das Dorf der toten Seelen“ habe ich mich sehr auf den neuen Thriller von Camilla Sten gefreut. Der Klappentext versprach wieder eine spannende, mysteriöse und auch gruselige Geschichte. Leider konnte diese mich aber nicht so richtig fesseln.

Zunächst einmal gefällt mir der Schreibstil der Autorin wirklich gut, er lässt sich angenehm lesen und Eleanor erzählt in Ich-Form, was ich sowieso gerne mag. Auch fand ich das Thema der Gesichtserkennungsschwäche wirklich interessant und auch schlimm für die Betroffenen, insbesondere wenn man wie hier, einem Mörder begegnet und diesen einfach nicht (wieder)erkennen kann.

Nach dem Mord an Vivianne gibt es einen Bruch und die Geschichte startet quasi einige Monate später auf Solhöga. Mir hat so ein bisschen gefehlt, was in der Zwischenzeit passiert ist, obwohl es da immer wieder Andeutungen gab, aus denen ich es mir zusammenreimen konnte. Trotzdem hatte ich dadurch immer wieder das Gefühl, mir fehlen (wichtige) Informationen.

Überhaupt bleibt insgesamt Vieles vage, die Beziehung zwischen Eleanor und ihrem Freund Sebastian, die Beziehungen innerhalb Eleanors Familie, insbesondere auch in Bezug auf Vivianne (und auch sie selbst als Person) und warum der Kontakt so schwierig war.
Grundsätzlich finde ich so etwas gar nicht so schlimm, weil dadurch auch die Spannung erhöht werden kann, hier hat es mich aber gestört.

Denn trotz des wirklich spannenden Settings konnte mich die Geschichte nicht ganz packen. Auf Solhöga herrscht schon eine unheilvolle Atmosphäre, dann kommt noch ein Schneesturm hinzu, Eleanor fühlt sich verfolgt, nicht alleine im Haus… Das alles ließ mich doch relativ unberührt.

Hinzu kommt, was mich wirklich sehr geärgert hat, dass im Klappentext etwas „verraten“ wird, das letztendlich erst nach der Hälfte des Buches passiert und so von Beginn an einen Teil der Spannung nimmt. Ich weiß nicht, ob es da einen Zusammenhang gab, aber tatsächlich nahm das Buch für mich erst so ab der Hälfte an Fahrt auf und wurde dann auch immer spannender.

Fast am besten haben mir tatsächlich die Tagebucheinträge gefallen, die zwischendurch immer mal wieder eingeschoben werden und von einer Bediensteten auf Solhöga namens Annuschka ab dem Jahr 1965 erzählen. Diese bringen ganz langsam etwas Licht ins Dunkel und führten dazu, dass ich unbedingt wissen wollte, was damals passiert ist und was das alles mit den Geschehnissen heute zu tun an.

Die Auflösung fand ich dann schon recht konstruiert und passend gemacht bzw. teilweise sehr gewollt irreführend. Allerdings hat mich das Ende auch noch eine Weile beschäftigt und berührt.

Bewertung vom 10.06.2022
Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1
Jürgensen, Dennis

Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1


sehr gut

Bei einem Spaziergang im Watt werden der Lehrer Lasse und sein Schüler Villads nicht nur vom Nebel, sondern auch von einem Leichenfund überrascht. Hierbei wird Lasse von einer unbekannten Person niedergeschlagen, Villads verschwindet spurlos.
Da die Leiche auf dem Grenzgebiet zwischen Dänemark und Deutschland gefunden wird, bekommt die junge dänische Ermittlerin Lykke Teit Unterstützung von Rudi Lehmann aus Deutschland. Bald finden die beiden heraus, dass in dem kleinen Dorf Melum vor nicht allzu langer Zeit schon einmal ein Kind verschwand. Hängen die Fälle zusammen?

Nachdem mich das erste Kapitel richtig mitgerissen hatte und ich die Atmosphäre im Watt mit dem aufkommenden Nebel und dem gruseligen Fund der Leiche regelrecht spüren konnte, verlief der Beginn danach etwas holpriger.
Denn zunächst mussten erst einmal die verschiedenen Zuständigkeiten geklärt werden und wer jetzt eigentlich an welchem Fall ermittelt. Das hat es für mich schwer gemacht, in die Geschichte reinzukommen.

Ab der Hälfte wurde es dann aber immer spannender, auch wenn ich weiterhin manchmal das Gefühl hatte, mir fehlen (wichtige) Informationen, sodass ich mehr als einmal zurückblättern musste weil ich dachte, ich hätte etwas überlesen (was ich nicht hatte).
Vielleicht lag das auch an den teilweise widersprüchlichen Dialogen, einmal hieß es erst, es gebe keinen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Fällen, nur um dann einige Absätze später zu sagen, dass es sich beim Täter um ein und dieselbe Person handelt. Möglicherweise ist das auch der Übersetzung geschuldet, gestört hat es mich allerdings schon.

Das Ermittlerteam Lykke/Rudi hat mir gut gefallen, beide haben ihr Päckchen zu tragen, aber es gehört ja mittlerweile fast zum guten Ton, dass Polizisten teilweise traumatische Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht haben; hier war das Ganze in meinen Augen auf jeden Fall gut dosiert und stimmig.

Die Auflösung ging dann (im Gegensatz zu den Ermittlungen vorher) relativ schnell vonstatten und wirkte vielleicht ein bisschen konstruiert, im Großen und Ganzen allerdings schon glaubwürdig.

Alles in allem fand ich „Gezeitenmord“ aber wirklich unterhaltsam und spannend (von den oben beschriebenen „Schönheitsfehlern“ abgesehen, die im Gesamteindruck allerdings nicht extrem negativ auffielen) und ich werde gerne auch einen eventuellen Folgeband lesen!

Bewertung vom 23.05.2022
Das verschlossene Zimmer
Givney, Rachel

Das verschlossene Zimmer


ausgezeichnet

Krakau, Anfang 1939: Die siebzehnjährige Marie hat es satt, dass ihr Vater Dominik Karski sich weigert, Fragen über ihre Mutter zu beantworten. Warum verschwand diese als Marie noch ein Kleinkind war? Hat ihr Vater vielleicht sogar etwas damit zu tun? Marie ist fest entschlossen, endlich Antworten zu bekommen. Also bricht sie in das stets verschlossene Zimmer ihres Vaters ein…

Das Buch beginnt damit, dass Marie versucht, in das Zimmer ihres Vaters einzubrechen um etwas über ihre Mutter herauszufinden. Schon da war ich fasziniert von ihrer Beharrlichkeit und ihrem Willen. Danach lernt man Dominik Karski kennen, Maries Vater, einen renommierten und sehr fortschrittlichen Arzt. Und unweigerlich stellt sich natürlich die Frage, warum er seiner Tochter solche wichtigen Informationen vorenthält.

Das erzeugt von vornherein eine gewisse Dramatik, aber das war nicht der einzige Grund, warum ich das Buch, einmal angefangen, kaum noch aus der Hand legen wollte. Die Autorin schafft es, dass ich direkt in der Geschichte drin war und obwohl erst einmal gar nicht so viel passiert, fand ich es richtig spannend, das Leben von Marie und auch ihrem Vater mitzuverfolgen.

Zwischendurch gibt es dann noch Rückblenden in die Vergangenheit, als Maries Eltern sich kennenlernten. So erfährt der Leser Stück für Stück, was damals geschehen ist, während Marie in der Gegenwart weiter nach Antworten sucht und langsam aber sicher der Krieg nach Polen kommt.

Das Thema Krieg ist zwar immer wieder präsent, im Vordergrund steht aber die Geschichte von Marie und damit auch die Geschichte ihrer Eltern, eingebettet in die historischen Ereignisse.
Es gab auch immer wieder wirklich tolle und berührende Szenen, die ich teilweise mehrmals gelesen habe, weil sie so schön waren. Überhaupt kann ich mir gut vorstellen „Das verschlossene Zimmer“ irgendwann noch einmal zu lesen, was bei mir tatsächlich nicht so oft vorkommt.

Das Ende hat mich dann wirklich überrascht und noch einmal sehr berührt – sogar ein paar Tränen sind geflossen. Für mich ist „Das verschlossene Zimmer“ auf jeden Fall ein Jahreshighlight!