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B. S.

Bewertungen

Insgesamt 123 Bewertungen
Bewertung vom 21.12.2022
Das letzte Versprechen
Lind, Hera

Das letzte Versprechen


schlecht

Eine bewegende Lebensgeschichte, deren literarische Umsetzung enttäuscht

Basierend auf Tagebucheinträgen von Anna Eckhardt wird das tragische Schicksal der Banatdeutschen aus Sicht von Anna erzählt. Man folgt Anna "Anni", wie sich ihr Leben nach Weihnachten 1944 auf das Schrecklichste ändert. Jugoslawische Partisanen trennen sie von ihrer Mutter, die nach Sibirien in ein Arbeitslager geschickt wird. Anni kommt in ein Kinderheim und wird mit Hunger und Grausamkeiten konfrontiert. In dieser Zeit steht ihre Großmutter ihr bei. Als sie später nach Deutschland kommt, werden die Folgen des seelischen Traumas deutlich, auch folgen weitere Schicksalsschläge.

"Das letzte Versprechen" von Hera Lind ist ein historischer Roman über das erlittene Leid der Banatdeutschen, der aus der Perspektive der fünfjährigen Anni erzählt wird. Das Einzige, das für den Roman spricht, ist, dass er auf ebenjenes Leid aufmerksam macht. Die literarische Umsetzung des wichtigen und interessanten Themas kann jedoch weder stilistisch noch inhaltlich überzeugen.

Von Beginn an hat der extrem einfach gehaltene Schreibstil es mir schwer gemacht, eine emotionale Nähe zu den Charakteren, allen voran Anni, aufzubauen, was bezüglich der Fülle an Leid und erlittener Qualen schon erstaunt. Wenn aber versucht wird, ein fünfjähriges Mädchen nur durch einen kindlichen Schreibstil darzustellen, sie dann aber von den einen zum anderen Moment sehr erwachsen und reif agiert, um dann wieder als naives, unschuldiges Kind beschrieben zu werden, wirkt das Endprodukt nur kitschig, oberflächlich und wenig authentisch.
Durch zeitliche Sprünge in der Handlung und Kapitel aus Sicht von Annis Mutter zu Beginn des Buches wird darüber hinaus nicht wirklich eine zusammenhängende Geschichte erzählt. Es liest sich anfangs eher als eine Aneinanderreihung von grausamen Ereignissen und dann später weiteren Schicksalsschlägen, die Anni zu erleiden hat. Einen roten Faden sucht man vergeblich.

Der Roman arbeitet zudem gern mit extremer Emotionalisierung und Dramatisierung der Ereignisse, um Betroffenheit und Empathie bei den Leser:innen hervorzurufen. Dadurch lassen sich die vor allem am Anfang beschriebenen zahlreichen Grausamkeiten und die späteren Schicksalsschläge Annis erklären. Natürlich bewegt das Geschriebene einen, aber wenn auf Dauer immer die gleichen einfachen Bilder bzw. stilistischen Mittel verwendet werden, fragt man sich, ob die Autorin nicht die Leser:innen unterschätzt, da sie denkt, nur so eine emotionale Geschichte erzählen zu können. Eine gute und berührende Geschichte braucht mehr als nur eine Aneinanderreihung von Leid und Drama, der Roman hat jedoch diesbezüglich nicht mehr zu bieten.

Der Geschichte fehlt es eindeutig auch an Komplexität im Bezug auf die Darstellung des Erlebten. Am Anfang herrscht eine schwarz-weiß Malerei bezüglich Partisanen und Banatdeutschen vor und später wird immer wieder darauf hingewiesen, was Anni alles für Leid erfahren musste, wodurch sie in eine Art Opferrolle gedrängt wird. Doch wird das Bild Anni gerecht? Ich habe da meine Zweifel. Der Glaubwürdigkeit der Geschichte wird so ebenfalls kein Gefallen getan.
Bedenkt man die Fülle an Tatsachenromanen, die Hera Lind bis jetzt veröffentlicht hat, wundert es zudem auch nicht, dass es mit der Faktizität nicht weit her ist und dass sich Frau Lind eher eine tragische Lebensgeschichte einer Frau nutzt, um den Markt für emotionale Bücher mit bewegenden Frauenschicksalen zu bedienen. Authentizität und eine kritische Einordnung in den zeitgeschichtlichen Gesamtkontext spielt da eine untergeordnete Rolle. Dazu ins Bild passt ebenso die Eigenwerbung von Hera Lind am Ende, wo bei einem historischen Roman, der auf einer wahren Geschichte beruht, meist weitere Recherchequellen erwähnt werden. Nimmt man sich eines historischen Themas an und hat zudem noch ein Tagebuch voller Erinnerungen zur Verfügung, sollte man doch etwas mehr an weiterer Recherchearbeit und Quellenforschung erwarten, bevor man mit der Bezeichnung Tatsachenroman wirbt.

Insgesamt ist "Das letzte Versprechen",
ein fragwürdiger, kitschiger und stilistisch wenig ansprechender Roman, der seine Chance auf das Schicksal der Banatdeutschen aufmerksam zu machen, nicht annähernd nutzt.

Bewertung vom 21.12.2022
Ginsterhöhe
Caspari, Anna-Maria

Ginsterhöhe


gut

Eindringlich erzähltes Schicksal eines Dorfes mit inhaltlichen Schwächen

3.5 von 5 Punkten

Mit feinem Gespür für das Innenleben der handelnden Charaktere erzählt die Anna-Maria Caspari in ihrem Roman "Ginsterhöhe", wie der junge Bauer Albert Lintermann stark versehrt durch eine Kriegswunde im Gesicht nach Ende des 1. Weltkriegs in sein Heimatdorf Wollseifen zu seiner Frau Bertha und seiner restlichen Familie zurückkehrt. Als Leser:in folgt man ihm dabei, wie er und Bertha nach deren anfänglichen Abscheu Alberts und seiner Wunden gegenüber wieder näherkommen und wie das Dorf Wollseifen trotz wirtschaftlicher schwerer Jahre aufblüht. Doch mit der Ausbreitung des Nationalsozialismus in Deutschland brechen dunkle Zeiten für die Dorfbewohner und auch das Dorf an. Veranschaulicht werden die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland und die fiktiven Lebensschicksale der Dorfbewohner durch Tagebucheinträge des Lehrers Martin Faßbender.

Der Roman hat es mir beim Lesen nicht leicht gemacht.
Einerseits hat mir die gefühlvolle Charakterisierung Alberts sowie der unaufgeregte und zugleich eindringliche Schreibstil gut gefallen, aber andererseits konnte mich der Roman leider inhaltlich nicht komplett begeistern. Zunächst sprach mich die Idee an, die reale Geschichte von Wollseifen anhand von fiktionalen Personen und deren Schicksale, die eng mit der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland nach dem Ende des 1. Weltkrieges bis zum Ende des 2. Weltkrieges verknüpft sind, zu erzählen. Jedoch konnte mich nur die Beschreibung der Zwischenkriegszeit überzeugen, da ab dann als (wie es so schön im Klappentext heißt) "die Nationalsozialisten in die karge ländliche Idylle einfallen", die Geschichte deutlich an Tiefe verliert. Bedingt durch größere zeitliche Sprünge kratzt die Darstellung der Ereignisse und die Charakterisierung der handelnden Personen teils nur an der Oberfläche. Zudem macht sich ein Schwarz-weiß-Denken breit. Der böse Nazi auf der einen und die guten Dorfbewohner auf der anderen Seite ist zu einfach gedacht und lässt eine kritischere Auseinandersetzung der damaligen Verhältnisse vermissen.

Insgesamt ist "Ginsterhöhe" ein thematisch interessanter und sprachlich überzeugender Roman, der inhaltlich nur bedingt überzeugen kann. Für Fans von historischen Romanen, die zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg spielen, ist er nichtsdestotrotz empfehlenswert.

Bewertung vom 04.12.2022
Blutmond / Harry Hole Bd.13
Nesbø, Jo

Blutmond / Harry Hole Bd.13


ausgezeichnet

Hochspannung mit Harry Hole

Harry Hole ist zurück und gleich mit einem Fall, der nichts für schwache Nerven ist.

Bevor man jedoch Hole und seinem außergewöhnlichen Ermittlerteam bestehend aus einem krebskranken Psychologen, einem korrupten Polizisten und einen drogendealenden Schulfreund bei der Aufklärung der äußerst grausamen Morde an zwei Frauen folgt, trifft man Harry Hole in L.A. an, wo er versucht, sich totzutrinken. Als die mexikanische Drogenmafia Lucille, eine Freundin von ihm und ehemalige Schauspielerin, mit dem Tod bedroht und eine Million von ihr verlangt, nimmt Hole den Auftrag eines Anwalts an, der ihm eine Menge Geld anbietet, wenn er den Ruf seines Mandanten, einen bekannten Immobilienmakler aus Oslo, schützt. Der Makler wird verdächtig mit dem Mord an den zwei Frauen etwas zu tun zu haben.
In Oslo macht Hole sich als Privatermittler an die Arbeit und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Erzählt aus verschiedenen Perspektiven, darunter auch die des Täters, steigert sich die Spannung von Beginn an, um dann konstant hochgehalten zu werden und in einem nervenaufreibenden und wendungsreichen Finale zu enden.
Dank des atmosphärisch düsteren und eindringlichen Schreibstils des Autors folgt man gebannt, wie neben der Polizei, Harry Hole gemeinsam mit seinem Ermittlerteam jeweils knapp vor der Auflösung des Falles zu stehen scheint, um dann festzustellen, dass der Täter ihnen einen Schritt voraus ist und immer noch ein weiteres Puzzleteil zur Lösung fehlt.
Kurze Kapitel, eine gute und authentische Charakterzeichnung sowie mit Hole einen liebenswerten Antihelden, machen den Thriller von Anfang bis Ende lesenswert.

Nicht nur Fans von Harry Hole kommen bei "Blutmond" auf ihre Kosten, hat dieser Thriller doch alles, was einen guten Thriller ausmacht. Ein konstant hoher Spannungsbogen, zahlreiche falsche Fährten, der ein oder andere Schockmomente sowie ein außergewöhnlicher Fall sorgen für fesselnde Lesestunden. Nur einen empfindlichen Magen sollte man nicht haben.

Bewertung vom 04.12.2022
Der Strand - Vermisst / Engelhardt & Krieger ermitteln Bd.1
Sander, Karen

Der Strand - Vermisst / Engelhardt & Krieger ermitteln Bd.1


gut

Kurzweiliger Auftakt einer Kriminaltrilogie mit Potenzial nach oben

"Der Strand - Vermisst" von Karen Sander ist der spannend erzählte Auftakt einer neuen dreiteiligen Krimireihe rund um den Kriminalhauptkommissar Tom Engelhardt und die Kryptologin Mascha Krieger.

Im beschaulichen Sellnitz passiert normalerweise nicht viel an Verbrechen, bis zu dem Tage, an dem die gehörlose 19-jährige Lilli Sternberg auf ihren Weg zum Strand verschwindet, ebenjenen Strand, an dem ihre Mutter vor vielen Jahren ermordet wurde. Die einzige Spur, was mit Lilli passiert sein könnte, erhält Lillis Freundin. Es handelt sich dabei um ein auf ihr Smartphone zugesendetes Foto, das eine in den Sand geschrieben kryptische Zeichenfolge zeigt. Ist es ein Hinweis von Lilli oder des Täters? Um den Fall zu lösen, erhält Kriminalhauptkommissar Tom Engelhardt Unterstützung von der Kryptologin Mascha Krieger vom LKA.

Ein leicht zu lesender und bildhafter Schreibstil gepaart mit kurzen Kapiteln aus verschiedenen Perspektiven erzählt, die meistens auf einen (kleinen) Cliffhanger enden, sorgen für ein kurzweiliges und spannendes Leseerlebnis. Trotz der häufig wechselnden Charakterperspektiven kann man sich vor allem von den Hauptpersonen ein gutes Charakterbild machen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten finden Tom und Mascha gut als Ermittlerpaar zusammen und man folgt ihnen auf der wendungsreichen Suche nach Lilli, die leider etwas abrupt endet und mehr Fragen aufwirft, als dass sie löst. Damit soll gezielt der Leser zum Lesen des zweiten Bandes gebracht werden, wenn er irgendeine Art von Fallaufklärung sich wünscht. Und genau diese Wahl der künstlichen Spannungserzeugung zusammen mit den kurzen Cliffhanger-Kapiteln lassen mich zwiespältig zurück trotz der an sich guten Story und Schreibstils. Ich bevorzuge Krimis, die, wenn sie Teil einer mehrteiligen Reihe sind, einige Fragen bezüglich des Falles lösen, sodass man zwar gespannt auf den weiteren Band ist, aber dennoch das Gefühl bekommt, dass ein Teil des Falles gelöst wurde.

So ist der Kriminalroman "Der Strand - Vermisst" nichts Halbes und nichts Ganzes und handlungstechnisch schwer richtig zu beurteilen, da so viele Fragen noch offen sind. Dementsprechend kann ich das Buch nur all denjenigen empfehlen, die von vornherein gewillt sind, die komplette Trilogie zu lesen und die Sprache und den Aufbau des Krimis mögen.

Bewertung vom 03.12.2022
Through my Heart - Ich begehre nur dich / Hidalgo Brothers Bd.2
Godoy, Ariana

Through my Heart - Ich begehre nur dich / Hidalgo Brothers Bd.2


weniger gut

Liebesgeschichte voller Klischees

Leider war "Through my Heart" von Ariana Godoy überhaupt nicht mein Fall. Die ersten Seiten sprachen mich noch an und ich habe mich auf eine kurzweilige Liebesgeschichte gefreut, doch schon bald verlor ich das Interesse an der Geschichte. Einzig der leicht zu lesende Schreibstil und die relativ kurz gehaltenen Kapitel.

Die Geschichte wird aus der Sicht der beiden Hauptfiguren Artemis und Claudia erzählt, die ineinander übergehen, sodass man besser versteht, was sie denken oder warum sie ihre Entscheidungen treffen. Das Buch beginnt damit, dass Artemis nach Abschluss seines Studiums nach Hause zurückkehrt und Claudia ihn seit seiner Abreise nicht mehr gesehen oder besser gesagt, nicht mehr mit ihm gesprochen hat. Aber sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll, ihn wiederzusehen. Ebenso erfährt man Teile der Lebensgeschichte von Claudia, als sie als kleines Mädchen war und ihrer Zeit im Haus der drei Brüder Artemis, Ares und Apollo.

Meiner Meinung nach wurde zu sehr auf das Aussehen der Charaktere eingegangen und dies nicht auf eine sehr oberflächliche Art und Weise, auch war es teilweise voller Klischees und ziemlich kitschig, von den Sex-Szenen möchte ich gar nicht sprechen, elektrisierend oder erotisch waren diese für mich eher nicht.
Ich hatte von vornherein keine zu große Tiefe erwartet, aber ein bisschen mehr schon die Rückblicke in die Vergangenheit von Claudia zeigten, dass diesbezüglich Potenzial vorhanden gewesen wäre, das leider nicht genutzt wurde. Stattdessen blieben mir eher die schon genannten negativen Aspekte der Geschichte und das vor allem anfangs toxische Denken und Verhalten von Artemis im Gedächtnis, wodurch ich schnell die Lust am Roman verlor.

Wer nicht zu viel von einer Liebesgeschichte erwartet, sich nicht an Oberflächlichkeiten, gekünstelter Spannung und Fan des ersten Teils ist, findet bestimmt mehr Vergnügen an dem Roman.

Bewertung vom 28.11.2022
Die Siegel des Todes
Orontes, Peter

Die Siegel des Todes


sehr gut

Fesselnder Ausflug ins Mittelalter des 14. Jahrhunderts

Mit "Die Siegel des Todes" entführt Peter Orontes einen beim Lesen in das Mittelalter des 14. Jahrhunderts und schafft es hierbei, eine fesselnde Handlung mit einem toll gezeichneten Sitten- und Gesellschaftsgemälde der damaligen Zeit zu vereinen.

Auf rund 700 Seiten folgt man gebannt wie der Waisenjunge Elias, der außer einem kupfernen Medaillon mit einer lateinischen Inschrift keine weitere Erinnerung an seine Kindheit hat, wie er über die Jahre nach und nach das Geheimnis über seine Herkunft löst. Parallel dazu wird die Geschichte von Ranghild erzählt, die ihre ganze Familie bei einem äußerst brutalen Überfall verloren hat. Eine Kräuterfrau nimmt sich ihrer an und lehrt ihr den Umgang mit verschiedenen Heilkräutern und die Kunst des Heilens. Als sich Jahre später die Wege von Ranghild und Elias kreuzen, wird so manches Geheimnis über ihrer beider Vergangenheit gelüftet.

Erzählt mittels einer der Zeit entsprechenden Sprache und aus verschiedenen Perspektiven, taucht man in das Leben im 14. Jahrhundert im Schwarzwald, in Salerno und in Regensburg mit Umgebung ein und wird anhand detaillierter sowie bildhafter Beschreibungen Zeuge der damaligen Herrschaftsverhältnisse und der Ständegesellschaft. Neben dem gut recherchierten und gut dargestellten historischen Hintergrund kann auch die glaubwürdige und lebendige Charakterzeichnung sowie die wendungsreiche und leicht mysteriöse Handlung überzeugen.
Einzig durch manche langatmige Passage leidet der Spannungsverlauf besonders im Mittelteil etwas.

Nichtsdestotrotz handelt es sich bei "Die Siegel des Todes" um einen packenden und authentischen historischen Mittelalterroman, der nicht nur bei Liebhaber ebenjener Romane für fesselnde Lesestunden sorgt.

Bewertung vom 15.11.2022
EAST. Welt ohne Seele / Jan Jordi Kazanski Bd.1
Jensen, Jens Henrik

EAST. Welt ohne Seele / Jan Jordi Kazanski Bd.1


gut

Agenten-Thriller ohne Thrill

"EAST. Welt ohne Seele" von Jens Henrik Jensen ist ein mittelmäßig gelungener Agenten-Thriller und der Auftakt um eine neue Reihe um den CIA-Agenten Jan Jordi Kazanski, dem eindeutig der Thrill und die Tiefe fehlen.

Klingt die Handlung zunächst noch vielversprechend und nach einem rasanten Katz-und-Maus-Spiel zwischen Agenten mit wechselnden Loyalitäten und einer berüchtigten Unterweltgröße mit dem ominösen Namen "das Weib" von Krakau quer durch Europa Ende der 90er-Jahre, werden die Erwartungen auf einen spannenden Agenten-Thriller nach Lesen der ersten Seiten schnell enttäuscht.

Oberflächliche und stereotypische Charaktere, unnötige Ortsbeschreibungen und ständige Perspektivenwechsel sorgen eher für Desinteresse und Verwirrung als für ein fesselndes Lesen. Wenn der Protagonist Kazanski mal nicht trinkt oder mit irgendjemanden schläft, entkommt er nur knapp einem Anschlag auf sein Leben oder findet mehr durch Zufall als durch wirklicher Ermittlungsarbeit Hinweise, um wen es sich bei dem "Weib" handeln könnte. Kein Wunder, dass die CIA ihn beurlaubt hat, Sympathien kann er jedenfalls nur schwer wecken. Besonders in der Beschreibung der weiblichen Charaktere und dem häufigen Gebrauch von vulgären Ausdrücken merkt man dem Thriller an, dass es sich hierbei um ein älteres Werk des Autors der OXEN-Reihe handelt, wirken diese doch ziemlich aus der Zeit gefallen.
Immerhin nimmt etwa ab Mitte des Handlungsverlaufes die Geschichte endlich an Fahrt auf und zeigt sein Potenzial eines actionreichen Thrillers. Was insgesamt leider etwas spät ist, um mich für Kazanski zu erwärmen und seiner weiteren Agententätigkeit in weiteren Bänden.

Mit interessanten Themen wie illegaler Autohandel, konkurrierenden Geheimdiensten und einem interessanten Setting in Krakau waren gute Voraussetzungen für einen fesselnden Agenten-Thriller gegeben, der leider in der Umsetzung mich nicht wirklich überzeugen konnte.

Bewertung vom 12.11.2022
Die Kraft der Reue
Pink, Daniel H.

Die Kraft der Reue


sehr gut

Ein Buch, das man nicht bereut zu lesen

Wie der Titel des leicht verständlichen und anschaulich geschriebenen Sachbuchs "Die Kraft der Reue" von Daniel H. Pink andeutet, kann das oft als negativ betrachtete Gefühl des Bereuens für positive und erfüllende Ergebnisse im Leben genutzt werden, sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Bereich.
Der Autor untersucht tiefgehend eines der meist missverstandenen Gefühle, das Gefühl der Reue auf wissenschaftliche und systematische Art und Weise und gibt den Leser*innen Tipps an die Hand im Umgang mit Reue. Bevor er sein Buch abschließt, gibt Pink noch einige praktische Tipps, um die Last der Reue zu überwinden.

Auf 288 Seiten erklärt Pink, warum Reue oft missverstanden wird, wie man sie zu seinem Vorteil nutzen kann, in welche vier Kategorien Reue unterteilt werden kann und wie man mit dem Gefühl des Bedauerns produktiv umgehen kann. Denn auch wenn viele gerne behaupten, sie bereuen nichts, ist das nicht wirklich wahr. Des Weiteren geht er auf die Gefahr ein, wenn das Bereuen vorwegnimmt, so denken z. B. viele Menschen, dass sie es bereuen werden, wenn sie ihre erste Antwort in einem Test ändern, aber Untersuchungen zeigen, dass die meisten Änderungen von der falschen zur richtigen Antwort erfolgen. Insgesamt ist Pink der Meinung, dass Reue eine produktive Emotion ist und zu Veränderungen im Leben führen kann, die sich positiv auswirken.

Man merkt dem Buch an, dass der Autor aus Amerika kommt, so werden Beispiele genannt mit Bezug auf Amerika, die sich nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen lassen. Die Allgemeingültigkeit seiner Aussagen leidet darunter jedoch nicht.
Untermalt wird das wissenschaftliche Konzept durch viele Beispiele davon, was viele verschiedene Menschen in ihren Leben bereut haben. Pink konnte hierbei auf einen Fundus von mehr als 20.000 Erfahrungen zurückgreifen, die er und andere Wissenschaftler im Rahmen einer Studie zum Thema Reue gesammelt haben. Die vielen Beispiele lockern das Buch auf und man fühlte sich nicht so alleine, wenn man sieht, dass es viele Menschen gibt, die das gleiche in ihrem Leben bereuen wie man selbst.

Alles in allem ist "Die Kraft der Reue" ein aufschlussreiches und hilfreiches Buch über das Gefühl der Reue und wie man am besten damit umgeht, um es positiv für einen selber zu nutzen, denn wie man auf Reue reagiert, ist der Schlüssel zum eigenen Wohlbefinden. Ignorieren ist gleichbedeutend mit Täuschung und die Fixierung auf das Gefühl des Bedauerns führt zu Verzweiflung. Hingegen das Nachdenken darüber führt zu umsetzbaren Maßnahmen, die künftige Entscheidungen verbessern oder eine Lösung für abgeschlossene Ereignisse bieten können.

Bewertung vom 31.10.2022
Vilma zählt die Liebe rückwärts
Skretting, Gudrun

Vilma zählt die Liebe rückwärts


sehr gut

Kurzweiliger Roman voller Herz und Humor

In "Vilma zählt die Liebe rückwärts" von Gudrun Skretting begegnet man der 35-jährigen unnahbaren und auf den ersten Blick etwas seltsam wirkenden Vilma, einer Musiklehrerin. Vilma, die Angst vor radioaktiven Bananen hat, wird plötzlich mit drei Männern in ihrem Leben konfrontiert:
-Ihr unbekannter und toter Vater hat ihr Briefe hinterlassen, in denen er ihr von seinem Leben und wie er Vilmas Mutter kennengelernt hat, erzählt.
-Ein Sektionsassistent namens Robert mit Tourettesyndrom sowie
-ein Pfarrer mit warmen Händen.

Klingt abgedreht? Ein bisschen ist die Geschichte es auch, aber auf eine liebenswürdige Art und Weise und besonders wenn man die Wahrheit über Vilmas Vater, ihrer Mutter und ihrer Geburt aus den Briefen des Vaters erfährt sowie über die kleine Vilma, der die Liebe fehlte, zeigt der Roman auch eine Tiefe, die man so aufgrund des Humors so vielleicht anfangs nicht erwartet hätte. Im Verlauf der Handlung lernt Vilma folglich die Wahrheit über sich selbst und sich so zu akzeptieren, wie sie ist und man als Leser*in folgt ihr gerne dabei und schließt Vilma so immer mehr ins Herz.
Flüssig und angenehm geschrieben liest der Roman sich leicht und lässt auch ein paar schwächere kleinere Abschnitte vergessen machen. Es ist kein Buch, das das Rad in Bezug auf die Veränderung bzw. die Selbstfindung der Protagonistin durch ein unerwartet eintretendes Lebensereignis sich ändert, neu erfindet, aber eines, wenn man sich darauf einlässt, durchaus positiv überraschen kann.

Insgesamt ist "Vilma zählt die Liebe rückwärts" ein humorvoller Roman, der trotz des heiteren Grundtons auch ernste Momente aufweist sowie mit liebenswerten und originellen Charakteren aufwartet. Locker und eingängig geschrieben sorgt die Geschichte rund um die Protagonistin Vilma für heitere und kurzweilige Lesestunden und eignet sich somit perfekt für die gute Unterhaltung für zwischendurch.

Bewertung vom 31.10.2022
Kalt und still / Hanna Ahlander Bd.1
Sten, Viveca

Kalt und still / Hanna Ahlander Bd.1


sehr gut

Spannende Mordermittlungen im hohen Norden Schwedens

"Kalt und still" von Viveca Sten ist ein spannender und atmosphärischer Krimi aus dem hohen Norden und der Auftakt einer neuen Krimireihe um die Ermittlerin Hanna, der Lust auf die Folgebände macht.

Die 34-jährige Hanna Ahlander ist an einem persönlichen und beruflichen Tiefpunkt angelangt, als sie nach Are in das Ferienhaus ihrer Schwester flieht. Verlassen und betrogen von ihrem Freund und dazu gedrängt, den Dienst bei der Stockholmer Polizei zu quittieren, braucht sie Zeit für sich. Doch dann wird sie auf eine Vermisstenmeldung einer Jugendlichen aus der Gegend aufmerksam. Sie beginnt sich bei der Suche um die verschwundene Amanda bei Minus 20 Grad zu beteiligen und später als eine Leiche auftaucht auch bei den Mordermittlungen und die bringen so einiges Dunkles an Licht...

Gleich von Beginn an schafft es die Autorin mit ihrem bildhaften und flüssig zu lesenden Schreibstil in den Bann zu ziehen. Hinzu kommt das tolle Setting. Handlungsort ist nicht wie so oft, Stockholm, sondern der Ort Are in der Provinz Jämtland im hohen und kalten Norden Schwedens. Dementsprechend atmosphärisch wird alles beschrieben, sodass man förmlich die Kälte spürt.
Doch nicht nur das Drumherum, auch die Charaktere können überzeugen. Durch wechselnde Perspektiven bekommt man einen guten Eindruck und Einblick in die Gedanken und Gefühle einiger wichtiger handelnder Personen, darunter vor allem Hanna und Daniel und man kommt ihnen so näher.
Ebenso kann die Krimihandlung an sich überzeugen, von Anfang an wird Spannung aufgebaut und die Auflösung des Falls folgt einen logischen und glaubwürdigen Verlauf.

Alles in allem ist "Kalt und still" von Viveca Sten ein solider Krimi mit einer neuen, selbstbewussten und sympathischen Ermittlerin und einen Fall, der es in sich hat. Authentisch und glaubwürdig gezeichnete Charakter runden diesen spannend geschriebenen und gut durchdachten Krimi ab. Kurze Kapitel und wechselnde Perspektiven sorgen für ein fesselndes Krimierlebnis, das sich perfekt für die kalten Tage eignet.