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Ingrid von buchsichten.de
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Erkelenz

Bewertungen

Insgesamt 328 Bewertungen
Bewertung vom 15.05.2023
Ist es Liebe? Nein - es ist ... Unmöglich
Lotz, Sarah

Ist es Liebe? Nein - es ist ... Unmöglich


sehr gut

Der Roman „Ist es Liebe? Nein – es ist … unmöglich“ von Sarah Lotz ist keine gewöhnliche romantische Komödie, sondern überrascht mit wissenschaftlich-technischen Spekulationen, die dem weiteren Verlauf der Handlung eine vollkommen andere Richtung geben. Es beginnt damit, dass der Protagonist Nick sich bei der Eingabe einer Mailadresse vertippt und seine Nachricht daher versehentlich ins Postfach der Protagonistin Bee gerät. Nach einem kurzen Austausch über das Versehen stellen die beiden fest, dass ihnen der Schreibstil des jeweils anderen gefällt. Zusehens wächst durch den weiteren Mailverkehr der Wunsch, sich persönlich kennenzulernen. Doch ihr vereinbartes Treffen wird zu einem Fiasko und sie erkennen die Undurchführbarkeit ihres Anliegens aufgrund der Unerreichbarkeit der Lebenswelt des anderen.

Der Genremix der Autorin erstaunte mich, brachte mir als Queerbeetleserin aber ein zusätzlich angenehmes Vergnügen mit einer gelungenen Umsetzung. Im Folgenden stürzt Sarah Lotz ihre beiden Protagonisten von einem Gefühlschaos ins nächste. Sie lässt Nick und Bee die Kapitel im Wechsel selbst erzählen, wodurch ich nicht nur ihren Gedankengängen folgen, sondern auch dabei sein konnte, wenn sie entsprechend handelten. Die Figuren haben Ecken und Kanten, sind Neuem gegenüber aufgeschlossen und setzen sich für den Erhalt ihrer Freundschaften ein, wobei ihre Toleranz auch Grenzen hat. Jedoch war ich ihrem Vorgehen nicht immer zugeneigt.

Sarah Lotz schreibt in einem saloppen Stil, immer mal wieder mit geklammerten Bemerkungen, die für Erheiterung sorgen. Die Schilderung des Geschehens wechselt immer wieder hin zum Mailverkehr zwischen den Protagonisten, der ebenfalls meist amüsant ist, aber auch ernstere Töne anschlägt. Die Ideen im Spiel mit dem Science-Fiction-Element sind ansprechend und stimmen nachdenklich. Die Autorin konfrontiert ihre Hauptfiguren mit ständig neuen Problemen, während diese weiterhin versuchen, eine Lösung zu finden, um einander zu sehen. Dabei ergeben sich leichte Längen.

Die Geschichte der beiden Protagonisten Bee und Nick des Romans „Ist es Liebe? Nein – es ist … unmöglich“ von Sarah Lotz hat seinen ganz eigenen Charme aufgrund eines unerwarteten Elements, der den Störfaktor in der Beziehung der beiden bildet. Als Lesender sollte man offen sein für ungewöhnliche Überraschungen und Wendungen jenseits des normalen Verständnissen und wird belohnt mit einer bewegenden und mitreißenden Erzählung von Freundschaft und Liebe über alle Hindernisse hinweg.

Bewertung vom 15.05.2023
Menschen, die wir noch nicht kennen
Sampson, Freya

Menschen, die wir noch nicht kennen


ausgezeichnet

Elizabeth Anne Nicholls, kurz Libby genannt, hat sich von ihrem Freund getrennt. Mit dem in London verkehrenden Bus der Linie 88 ist sie auf dem Weg zur Familie ihrer Schwester, wo sie ein paar Tage Unterkunft findet, bevor sie entscheidet, wie es nun für sie weitergehen wird. Auf der Fahrt lernt sie Frank kennen, der bereits über 80 Jahre alt ist. Sie kommen ins Gespräch und er erzählt ihr von einer jungen Frau, die er vor sechzig Jahren im Bus auf derselben Linie getroffen hat. Leider hat er damals ihre Telefonnummer verloren und seitdem hat er die Hoffnung nicht aufgegeben, sie auf einer seiner Busfahrten wiederzusehen. Das Gespräch mit ihr hat ihn dazu gebracht, entgegen den Vorstellungen seiner Eltern seinem lange gehegten Berufswunsch nachzugehen.

Libby und Frank sind die Protagonisten im Roman „Menschen, die wir noch nicht kennen“ der Engländerin Freya Sampson. Der Titel nimmt Bezug auf die spannenden Momente, die sich ergeben können, wenn man mit unbekannten Personen ins Gespräch kommt und deren Geschichten erfährt, was gut in Bus und Bahn möglich ist.

Für Libby ergeben sich in Folge des Gesprächs mit Frank einige Änderungen im Leben. Mit ihren fast 30 Jahren hat sie ihre Arbeitsstelle im Büro ihres Freunds nach der Trennung von ihm aufgegeben. Ihre Schwester bittet sie, für das erkrankte Kindermädchen einzuspringen. Um den Tag mit einer anderen Aufgabe zu füllen, beschließt sie, Frank bei seiner Suche behilflich zu sein. Sein Vorgehen bei der Berufswahl hat sie zum Nachdenken über ihre eigenen Möglichkeiten gebracht.

Zunächst ist Libby nicht bewusst, dass ihr aufgrund der festgestellten Demenz von Frank nur wenig Zeit für die Suche bleibt. Bei der Umsetzung erster Ideen lernt sie Personen kennen, denen sie von ihrem Engagement erzählt und die ihr anbieten, sie zu unterstützen. Vor allem Dylan, der Frank stundenweise dabei hilft, den Alltag zu bewältigen, wird zu ihrer großen Hilfe. Er ist ein Punk und seine Vergangenheit birgt eine schwierige Kindheit. Die Sympathie zwischen Libby und ihm gleicht einer Achterbahnfahrt, was der Romanhandlung Würze verleiht.

Immer wieder sind Kapitel eingeschoben, in denen eine dem Lesenden unbekannte Peggy als Ich-Erzählerin fungiert. Mit und mit konnte ich mir anhand verschiedener Details ein Bild von ihr und ihrem Umfeld schaffen. Es bleibt lange verborgen, in welchem Zusammenhang sie zu Frank und Libby steht. Meine erste Vermutung erwies sich als Irrtum.

Frank hat als junger Mann nach dem Gespräch mit der von ihm bis heute gesuchten Die Geschichte kann als Aufforderung gesehen werden, den Menschen in der Umgebung mehr Aufmerksamkeit zu schenken und nicht nur über Soziale Medien zu kommunizieren. Die Autorin hat die Handlungen der Figuren glaubhaft und einfühlsam gestaltet. Sie zeigt, dass Freundschaften unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und Aussehen bestehen. Einige unerwartete Wendungen überraschten mich beim Lesen.

Der Roman „Menschen, die wir noch nicht kennen“ von Freya Sampson ist eine einfühlsame Erzählung mit Figuren, die trotz oder gerade aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit in Freundschaft zueinander finden und sich gegenseitig Hilfe bieten. Die Protagonistin Libby erhält dadurch den Rückhalt, den sie benötigt, ihr Leben neu auszurichten und zu sich selbst zu finden. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 12.05.2023
Als wir Vögel waren
Banwo, Ayanna Lloyd

Als wir Vögel waren


sehr gut

In ihrem Debütroman „Als wir Vögel waren“ nahm mich die gebürtige Trinidadierin Ayanna Lloyd Banwo mit in ihre Heimat. Teile der Geschichte sind von Mythen der Insel umrankt. Das Cover zeigt den Übergang zwischen Schattenwelt und unserer Farbenwelt. Sowohl die Protagonistin Yejide wie auch der Protagonist Emmanuel sind alten Familientraditionen verhaftet.

In einem Rückblick auf ihre Kindheit, erfuhr ich zu Beginn des Romans von der magischen Herkunft der Familie von Yejide, die einer Sage nach von Corbeaux, den Rabenvögeln abstammt. Darauf bezieht sich der Buchtitel. Sie haben das Fliegen nicht verlernt und geben jeweils von Mutter zu Tochter das Wissen über den Umgang mit Jenseitigen weiter. Viel zu früh ist Yejides Mutter ihrer Zwillingsschwester in die Ewigkeit gefolgt, weswegen sie sich um deren Begräbnis kümmern muss. Infolgedessen erwirbt sie auf mysteriöse Weise, die seit vielen Generationen in der Familie gehüteten Geheimnisse.

Emmanuel, der mit seinem Nachnamen Darwin gerufen wird, ist ein Nasiräer, der so wie seine Vorfahren nach einem bestimmten Codex lebt. Zu den Regeln gehört, dass er sich den Toten und Gräbern nicht nähern soll. Aber die einzige offene Arbeitsstelle, die er nach langer Wartezeit angeboten bekommt, ist die eines Totengräbers in der nächstgelegenen Stadt. Ohne eine Aussicht auf die Besserung seiner Lebensverhältnisse übernimmt er den Job.

Die Autorin verknüpft in ihrem Roman karibische Lebensart nicht nur mit fiktivem Geschehen an erfundenen Handlungsorten, sondern auch mit bestehenden und erdachten Sagen, vor allem Schöpfungsgeschichten. Einfühlsam beschreibt sie das Eintauchen von Yejide in eine ihr fremde Vorstellungswelt, vor der ihre Mutter sie bisher in Schutz genommen hat. Aber sie hat keine Möglichkeit, sich dem Zugriff der ihr zukommenden Fähigkeit zu entziehen. Als Leserin benötigte ich einige Zeit, um ihre Gedanken zu verstehen.

Darwin hat im Gegensatz zu ihr eine Wahl und kann sich nach seinen Prioritäten bewusst entscheiden, ob er das Gelübde brechen und auf eine andere Weise leben möchte. Während man Yejide ihre Besonderheit nicht ansieht, offenbart Darwin mit seinen Rastas auch nach außen hin seine Einstellungen. Auf dem Friedhof begegnet er Kollegen, die ihm den Zugang zu einem anderen Lebensbereich öffnen. Es entwickelt sich eine gewisse Spannung, ob er sich darauf einlassen und damit in Verbindung mit offensichtlich kriminellen Elementen kommen wird.

Durch die Geschichte zieht sich die Liebe in unterschiedlicher Form. Nicht nur zwischen Yejide und Darwin entwickeln sich zarte Bande, sondern es ist auch die Liebe zu den Traditionen, verwandtschaftliche Bande und in besonderem Maße zu den Müttern. Beide Protagonisten sind ohne den leiblichen Vater aufgewachsen. Während Darwin für seine Mutter Zuneigung empfindet, hat Yejide ein differenziertes Verhältnis zu ihrer. Beiden gemeinsam ist der respektvolle Umgang mit dem mütterlichen Elternteil.

In ihrem Debüt „Als wir Vögel waren“ beschreibt Ayanna Lloyd Banwo die ungewöhnliche Liebesbeziehung zweier junger Menschen auf Trinidad, die familiär bedingt einem Brauch anhängen. Sie umspinnt ihre Geschichte mit existierenden und selbst erdachten Mythen und füllt sie mit der kreolischen Lebenskultur. Dabei zeigt sie, wie wichtig die Vorfahren für die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität ist. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 08.05.2023
Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
George, Nina

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu


ausgezeichnet

Für den Buchhändler Jean Perdu sind vier Jahre vergangen, seit er mit seinem Bücherschiff, einem Frachtkahn mit Namen Lulu, von Paris aus in den Süden Frankreichs geschippert ist. Sein Schiff liegt momentan mitsamt den Büchern im Hafen von Aigues-Mortes vertäut und wird von Freunden als Bistro genutzt. Perdu lebt inzwischen in der Provence mit der Bildhauerin Catherine zusammen und arbeitet als Makler für geheime Manuskripte. Der letzte Wunsch eines Autors bringt ihn dazu, seine „Pharmacie Littéraire“ wieder herzurichten und mit ihr nach Paris zu fahren. Auch Cathrine findet, dass er nur dann glücklich sein wird, wenn er das tut, was er immer schon geliebt hat.

Im Roman „Das Bücherschiff des Monsieur Perdu“ schildert Nina George seine Reise über die Kanäle und Flüsse Frankreichs. Bevor Perdu jedoch zu seiner Reise aufbricht, erfuhr ich von der Autorin, was aus den FreundInnen und Bekannten des Buchhändlers seit den fiktiven Ereignissen, die sie im Buch „Das Lavendelzimmer“ beschrieben hat, geworden ist. Es war schön, wieder von Max, Victoria, Samy, Cuneo und Madame Gulliver zu lesen.

Auf seiner Fahrt lernt Perdu weitere interessante Personen kennen, die das Leben auf sein Bücherschiff spült und von denen einige an seiner Seite bleiben. Dazu gehören ein noch wenig vorbereiteter und daher ängstlicher zukünftiger Vater, ein pubertierender Teenager mit romantischen Wünschen und ein traumatisiertes Kind. Es hat mir gefallen, dass Perdu weniger den Gedanken an seine frühere Beziehung nachhängt und stattdessen mehr mit gegenwärtigen Problemen beschäftigt ist. Die Autorin beschreibt die Sinneseindrücke im Umfeld des Buchhändlers so intensiv, dass man sie beim Lesen zu riechen und zu hören glaubt und alles vor Augen hat. Sie lassen das Leben an Bord in der Vorstellung lebendig werden.

Mit wenigen Fragen versteht Perdu es, die Probleme seiner KundInnen ausfindig zu machen. Mit seinen umfassenden literarischen Kenntnissen wählt er dann treffsicher die passende Lektüre aus und verhilft einigen dazu, Balsam für ihre Sorgen darin zu finden. Die dabei genannten Bücher, sehe ich auch selbst als Leseempfehlung.

Schon während seiner Zeit auf dem Bücherschiff in Paris hat Perdu begonnen eine Enzyklopädie der Kleinen Gefühle zu schreiben. Im Buch findet sich in jedem Kapitel, meist am Ende, die Erklärung einer besonderen Empfindung wie beispielsweise Kalenderblues, Übergangstaumel oder auch Lese-Lampenfieber. Zwar unterbrechen die Einschiebungen den Lesefluss, aber nach eigener Wahl kann man die Zusätze überspringen und die Schiffsreise ununterbrochen fortsetzen. Die Einträge aus dem Handbuch sollten aber im Anschluss unbedingt ebenfalls leserisch genossen werden. Einige der Ideen, die sie für den Buchhändler zum Verkauf seiner Bücher entwickelt, finde ich für Buchläden zur Umsetzung empfehlenswert.

Mit ihrem gefühlsbetonten und poetischen Schreibstil versteht Nina George in ihrem Roman „Das Bücherschiff des Monsieur Perdu“ ihre Leser und Leserinnen erneut mit auf eine Reise über die Wasserwege Frankreichs an Bord der einzigartigen pharmazeutischen Buchhandlung des Protagonisten zu nehmen. Mit dabei sind einige bereits aus dem vorigen Teil bekannte Figuren, aber auch liebenswert gestaltete neue. Auf seinem Weg hat Jean Perdu einige Schwierigkeiten zu überwinden. Zum Ende hin gibt es mehrere Schreckminuten für ihn und den Lesenden, die bangen lassen, ob er sein Schiff an den alten Liegeplatz in Paris zurückbringen kann. Sehr gerne empfehle ich diese ansprechende und erbauende Lektüre weiter.

Bewertung vom 02.05.2023
Das Meer und ich
Randau, Tessa

Das Meer und ich


ausgezeichnet

Tessa Randau beschreibt in ihrem Ratgeber in Romanform „Das Meer und ich“ die Suche einer unbenannten Protagonistin zu sich selbst. Die Hauptfigur ist mittleren Alters und seit längerem verheiratet. Mit ihrem Mann hat sie zwei adoleszente Kinder. Trotz ihres Halbtagsjobs fühlt sie sich nicht in dem Maße gebraucht wie früher. Sie betrachtet sich im Spiegel und ist nicht zufrieden mit dem, was sie dort sieht. Durch eine Reise auf eine Insel im Norden Deutschland mit ihrer besten Freundin will sie Abstand zu ihrem Alltag gewinnen. Ihre Freundin muss im letzten Moment absagen. Der Protagonistin eröffnet dieser Umstand ungewollt Möglichkeiten sich mehr für unbekannte Personen zu öffnen, um auf der Insel nicht allein zu bleiben. Durch Zufall lernt sie Lene kennen, die seit längerem auf der Insel lebt und bald die Unzufriedenheit und die Traurigkeit ihres Gegenübers erkennt.

Dadurch, dass der Hauptcharakter unbenannt bleibt und aus der Ich-Perspektive erzählt, konnte ich mich gut in diesen einfinden. Die Autorin erzählt von einem Urlaub am Meer, wie ihn sicher viele der Lesenden bereits erlebt haben. Die Erinnerungen an das Gefühl von Sand zwischen den Zehen, das Kreischen der Möwen und die herrliche Meerluft werden geweckt. Vor diesem Hintergrund zum Wohlfühlen nahm ich als Leserin den Kummer der Protagonistin deutlich wahr. Durch lange Gespräche, guten Ratschlägen und real umsetzbaren Handlungsvorschlägen von Lene gewinnt die Hauptfigur immer mehr die Hoffnung darauf, wieder glücklich sein zu können. Ihre Selbstreflexion lässt ihre Gedanken zu wunden Punkten in ihrer Vergangenheit wandern und erst durch deren Benennen gelingt es ihr, sie zu verarbeiten. Mit der Zeit wird sie sich darüber klar, welche Dinge ihr im Leben wichtig sind.

Die Ratschläge von Lene sind auch für den Lesenden leicht anzuwenden und daher ist das Buch „Das Meer und ich“ von Tessa Randau vor allem empfehlenswert für Frauen mittleren Alters, die durch Änderungen in ihrem Umfeld in eine Krise geraten sind. Die Anregungen von Lene sind eingebunden in eine einfühlsame Geschichte an einem behaglichen Ort und daher werden noch viele weitere Leser und Leserinnen sich gerne von der Erzählung auf die Insel mitnehmen lassen. Wie bereits bei den vorigen Büchern der Autorin hat Ruth Botzenhardt mit ihren Illustrationen für eine ansprechende und schöne optische Aufmachung gesorgt.

Bewertung vom 02.05.2023
°C - Celsius
Elsberg, Marc

°C - Celsius


sehr gut

Steigende Temperaturen mit zunehmender Trockenheit, verheerende Unwetter – wohin wird uns die Klimakrise noch führen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Marc Elsberg in seinem Thriller „°C-Celsius“, in dem er einige zukünftige, spannend gestaltete Zukunftsszenarien entwirft.
Auf der ganzen Welt schaut man fassungslos zu, wie riesige Flugobjekte sich von China aus auf einen südlichen Kurs begeben. Fay, eine Wissenschaftlerin vom Klimasekretariat der Vereinten Nationen in Bonn, klärt innerhalb kurzer Zeit darüber auf, dass es sich dabei nicht um einen militärischen Angriff handelt. Stattdessen dienen die Flieger dazu, ein wichtiges Gut in die Stratosphäre zu transportieren, um es dort abzuladen. Der Hintergrund liegt in dem Ziel, die viel zu warmen Temperaturen abzusenken. Die Länder unserer Erde sind maßlos erstaunt, denn keines von ihnen hat von dem Aufbau des Klimaprogramms gewusst. Nachdem der ostasiatische Staat sein geplantes Konzept vorgestellt hat, gibt es nicht nur Befürworter, denn einigen Staaten wird darin eine düstere Zukunft prophezeit. Darum wollen sie die Kontrolle über das Weltklima nicht allein China überlassen.
Marc Elsberg spielt in seinem Buch mit den Möglichkeiten des Geoengineering. Die bisher bestehenden Methoden und Technologien, mit denen das Klimasystem beeinflusst werden kann, sind deutlich ausbaufähig. Der Autor nutzt diesen Umstand, um einige Visionen zu entwerfen, auf welche Weise sich Temperaturen ändern lassen. Bis zur Hälfte des Buchs verbleibt er in einer scheinbar greifbaren Zukunft und schildert, wie die Welt auf die neue Technik reagieren könnte. Dabei verdeutlicht er auch, dass die bisherig gesetzten Klimaziele nicht erreicht wurden. Bei den bisherigen Klimakonferenzen waren es nur kleine Schritte, die erreicht werden konnten. Wie beängstigend der fehlende Fortschritt ist, wird fast jeder Lesende aus eigener Erfahrung bestätigen können.
Die Kapitel der verschiedenen Teile des Buchs sind meist kurz und springen zwischen verschiedenen ProtagonistInnen hin und her. Zu den Figuren, die immer wieder im Fokus stehen, gehört neben Fay, der Präsident der USA, ein ihn beratender geldschwerer Unternehmer, ein Korrespondent und eine Klimaaktivistin. Ein Personenverzeichnis zu Beginn des Buchs vereinfacht die Zuordnung über die Seiten hinweg. Durch die zunächst bestehende Verwirrung bezüglich der Flugobjekte baut sich schnell Spannung auf, die noch dadurch gesteigert wird, als ein Film auftaucht, der vor vielen Jahren unter äußerster Geheimhaltung gedreht wurde und ebensolche Flieger zeigt. Die Beziehung der Figuren zueinander und ihr Mitwirken bei den Szenarien fand ich nicht immer eindeutig erklärt.
Während die Staaten diskutieren, wie sie auf die neuen Gegebenheiten reagieren sollen, nehmen einige der Hauptfiguren an einer Filmvorführung teil, die ein Szenario der Welt in fünfzehn Jahren präsentiert. Nach diesem Teil des Buchs sprang die Handlung mehrmals zwischen Präsentationen einer Vision der Zukunft und der mit utopischen Elementen versehenen Gegenwart hin und her, was meinen Lesefluss durch die vielen Wechsel der Zeiten, Orte und Figuren leicht ausbremste. Dennoch bin ich gerne mit dem Autor auf Ausflüge in die ferne Zeit gegangen und seinen Gedankenspielen gefolgt. Dabei veranschaulicht er, welche verheerenden Auswirkungen auf das Klima sich auf die unterschiedlichen Bereiche unserer Erde, sei es im Norden, Süden oder den Ländern am Äquator, sich durch verschiedenste Aktivitäten einzelner Staaten oder Vereinigungen ergeben könnten.
In seinem Roman „°C-Celsius“ versteht es Marc Elsberg anhand einiger faszinierender Szenarien, von denen es nach meinem Empfinden mehr als genug gibt, dem Lesenden aufzuzeigen, welche Auswirkungen auf das Klima es haben könnte, wenn wir mit unserer Welt weiterhin so umgehen wie bisher. Aufbauend auf recherchierten Daten und Fakten wirkt die Anwendung fiktiver Möglichkeiten des Geoengineering verstörend und rüttelt gleichzeitig auf. Das Buch bietet spannende Unterhaltung für Science Fiction-Lesende mit Interesse für den Klimawandel, denen ich es gerne empfehle.

Bewertung vom 20.04.2023
Tod in Siebenbürgen / Paul Schwartzmüller ermittelt Bd.1
Werrelmann, Lioba

Tod in Siebenbürgen / Paul Schwartzmüller ermittelt Bd.1


sehr gut

Das Buch „Tod in Siebenbürgen“ von Lioba Werrelmann ist ein Kriminalroman mit mysteriösen Elementen und der erste Band einer Serie mit dem Journalisten Paul Schwartzmüller als Ermittler. Das Cover und der Titel verraten dem interessierten Betrachter einen der Handlungsorte der Geschichte. Auf Schloss Bran, der Heimat des Grafen Dracula, wird eine Leiche gefunden, die auf ungewöhnliche Weise zu Tode kam.

Der in Bukarest aufgewachsene, jetzt in Köln lebende, 49 Jahre alten Paul Schwartzmüller hat gerade erst die Zusage erhalten, dass er als festangestellter Chef vom Dienst bei einer Zeitung beginnen kann, als er den Brief einer Anwaltskanzlei aus Siebenbürgen erhält. Ihm wird mitgeteilt, dass seine Tante, bei der er jeden Sommer seiner Kindheit verbracht hat, verstorben ist und ihm ihre Landwirtschaft hinterlassen hat. Paul ist erstaunt, denn sein Vater hat ihm nach der Flucht nach Deutschland vor 35 Jahren mitgeteilt, dass die Tante tot sei. Bis zum Antritt der neuen Stelle bleiben ihm ein paar Tage und daher macht er sich unverzüglich auf den Weg, sein Erbe anzutreten. Doch bald schon kommen ihm Bedenken.

Paul lässt die Frage nicht los, warum sein Vater ihn belogen hat. Bevor er die Wahrheit um seine Vergangenheit herausfindet, taucht er auf dem geerbten Bauernhof in Erinnerungen tief in seine Kindheit ein. Der Hof wird inzwischen von einer jungen Frau betrieben, die seiner Tante schon lange zur Hand ging, an die er sich aber nicht erinnern kann. Paul ist verwundert darüber, wie nachlässig sie sich kleidet und wie befremdlich sie mit Tieren umgeht. Er findet keine gemeinsame Gesprächsebene mit ihr.

Als sein bester Freund aus Kindertagen verhaftet wird, verspricht er ihm, dessen Unschuld zu beweisen. Aufgrund seiner Begriffsstutzigkeit fallen Paul die Ermittlungen nicht leicht, zumal sich herausstellt, dass die Polizei nicht mit ihm kooperiert, ganz im Gegenteil. Paul muss feststellen, dass im Land immer noch Korruption betrieben wird. Auch früher hat er bestimmte Dinge nicht verstanden, was aber eher seinem jugendlichen Alter zugerechnet werden kann, aber leider begreift er immer noch nicht alle Dinge, die in seinem Umfeld geschehen, was häufiger zu gruseligen, aber auch amüsanten Situationen führt. Die Zeit vor Ort in Siebenbürgen scheint während seiner Abwesenheit stillgestanden zu sein. Der ehrgeizige Plan eines Investors eine Touristenattraktion zu bauen, sticht daher besonders hervor, ist aber nicht allen Dorfbewohnern genehm und dem Protagonisten suspekt.

Einerseits wird Paul von den Einheimischen in ihren Kreis einbezogen, dann fühlt er sich daheim, auf der anderen Seite beäugen sie ihn misstrauisch, in diesen Fällen glaubt er, ein Außenseiter zu sein. Die Figuren sind eigenartig in ihrem Umgang und eher schweigsam, wodurch sie mir nicht nahekamen. Gerne lässt Paul sich von allen beköstigen und schwelgt in den vorgesetzten Genüssen, die Kindheitserinnerungen in ihm heraufbeschwören. Als Leserin wurde ich in die Siebenbürgische Küche eingeführt und neugierig auf die Köstlichkeiten gemacht. Die Autorin baut dank guter Recherche einiges an Lokalkolorit ein. Sie führt an historische Schauplätze und nutzt die reiche Sagenwelt, um rätselhafte Begebenheiten zu schaffen.

In ihrem Buch „Tod in Siebenbürgen – Paul Schwartzmüller ermittelt“ nahm Lioba Werrelmann mich mit zu einem sagenumwobenen Landstrich. Dort versucht der arglose Ermittler, die Unschuld seines früher besten Freunds zu beweisen und eine Antwort zu finden, warum ihn sein Vater über den Grund der Flucht nach Deutschland vor vielen Jahren belogen hat. Umspannt wird die Geschichte von moralisch fragwürdigen Gestalten an einem rückständigen Ort. Insgesamt bietet das Buch vielfältig unterhaltsame Lesestunden. Gerne empfehle ich das Buch an Leser und Leserinnen ab etwa 16 Jahren weiter, die Sinn für Okkultes besitzen.

Bewertung vom 19.04.2023
Einfach leben / Glückstöchter Bd.1
Schuster, Stephanie

Einfach leben / Glückstöchter Bd.1


sehr gut

Der erste Band der Trilogie „Glückstöchter“ von Stephanie Schuster trägt den Untertitel „Einfach leben“, worin sich ein Leben im Einklang mit der Natur widerspiegelt. Dahinter steht aber auch die Frage, was man braucht, um glücklich zu sein. Die beiden Protagonistinnen der Geschichte sind auf ihre je eigene Art auf der Suche nach einer Antwort. Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen.
Die kurz vor ihrer Volljährigkeit stehende Anna lebt im Jahr 1910 auf Gut Dreisonnenquell in Wessobrunn, einem Dorf im Oberbayrischen. Seit dem Tod ihrer Mutter vor zehn Jahren hat eine Gouvernante sich um ihre Erziehung gekümmert. Ihrem Vater, einem bekannten, weitgereisten Botaniker, geht sie gerne zur Hand und möchte eines Tages in seine Fußstapfen treten. Doch mit dem Besuch einer ihr unbekannten Frau, die ihr Vater aber ins Herz geschlossen hat, ändert Anna ihre Pläne, denn sie sieht keine Zukunft mehr für sich auf dem Gut, wenn sie ein selbstbestimmtes Leben führen möchte.
Über sechs Jahrzehnte später geht Eva, die bald 22 Jahre alt wird, eifrig ihrem Pharmaziestudium in München nach. Sie hat eine feine Nase, die sie dazu einsetzt, Düfte zu bestimmen. Für die Kundinnen im elterlichen Frisörbetrieb in Murnau rührt sich auch gerne mal eine Creme an. Ein Dachbodenfund bringt sie aus dem Gleichgewicht. Voller Zorn lässt sie ihr Elternhaus hinter sich, zieht zu ihrer neuen Freundin Maja in die Bayrische Landeshauptstadt und gründet wenig später mit ihr eine größere Wohngemeinschaft gründet.
Die Autorin bindet die Themen Umwelt und Natur durchgehend in ihren Roman ein und zeigt dadurch, wie sie ihr am Herzen liegen. Bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts gab es Bewegungen, die sich mit Nachhaltigkeit und ökologischer Bewirtschaftung beschäftigt haben. Anna begegnet bei ihrer Suche nach einem für sie genehmen Beruf, bei dem sie ihre auf dem Gut erworbenen Fähigkeiten einsetzen kann, einigen Personen, die den allgemeinen Umgang mit der Tier- und Pflanzenwelt hinterfragen. Von deren Denken wird sie inspiriert. Jahrzehnte später erhält Eva durch ihre neuen Freundschaften Einblicke in Fair-Trade, praktiziert freie Liebe und schließt sich der Anti-Atomkraftbewegung an.
Anna konnte schon bald durch das Aufbegehren gegen das für sie vorgesehene Schicksal Sympathiepunkte bei mir gewann. Leider blieb mir teilweise das Verhalten von Eva nicht nachvollziehbar, wie beispielsweise bei ihrer Reaktion auf den Dachbodenfund. Mit dem Loslösen vom Elternhaus beginnt für sie ein umtriebiges Leben in den in einiger Hinsicht bunten 1970ern. Nicht immer stehen dabei der Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Vordergrund. Die Vorstellung der damaligen Ideen rund um einen naturverbundenen Lebensstil und Frieden sowie deren Einbindung in die Handlung fand ich ansprechend und informativ. Die Geschichte ist nicht in sich abgeschlossen und endet mit einigen offenen Fragen.
Beim Hörbuch versteht Elisabeth Günther es, ihre Stimme so zu modulieren, dass die einzelnen Figuren bei Dialogen gut zu unterscheiden sind. Mit dem Ausdruck, den sie in den gesprochenen Text legt, fängt sie die Stimmungen der verschiedenen Szenarien gekonnt ein und transportiert sie zu den Zuhörern.
Im Roman „Glückstöchter – Einfach leben“ beschreibt Stephanie Schuster auf zwei Zeitebenen den schicksalhaften Weg ihrer fiktiven Protagonistinnen, die sich zunehmend ein naturnahes Leben wünschen. Einige Illustrationen der Autorin verschönern das Buch. Wer sich für den Schutz unserer Umwelt und den Erhalt unserer Natur interessiert, wird im Buch in einigen interessanten Beispielen erfahren, was dazu bereits zu viel früheren Zeitpunkten umgesetzt wurde.

Bewertung vom 17.04.2023
Seemann vom Siebener
Frank, Arno

Seemann vom Siebener


ausgezeichnet

Im Roman „Seemann vom Siebener“ wirft Arno Frank einen genaueren Blick auf einen einzelnen heißen Sommertag, der aus verschiedenen Anlässen mehreren Personen vermutlich im Gedächtnis bleiben wird. Es ist der letzte Freitag der Schulferien in dem fiktiven Ort Ottersweiler in der Pfalz in einem gegenwärtigen Jahr.

Renate hat wie üblich in ihrem Kassenhäuschen Platz genommen, während der Haus- und Bademeister Kiontke nach dem Rechten sieht. Der Siebener ist seit längerer Zeit gesperrt, weil er Anlass für einen Unfall war. Dennoch möchte eine unbenannte Jugendliche, die von ihrem Bruder begleitet wird, sich gegenüber anderen sich selbst behaupten. Sie will entgegen dem Verbot von dort oben einen besonderen Sprung wagen.

Im Bad treffen auch durch Zufall die früheren Klassenkameradinnen Josefine und Melanie aufeinander. Die eine ist gerade erst gar nicht so unglücklich verwitwet, die andere betreut eine Gruppe Kindergartenkindern, die zur Seepferdchen-Prüfung antreten werden. Überraschenderweise ist auch ihr früherer Mitschüler, der international erfolgreiche Fotograph Lennart vor Ort. Eine ältere, zunehmend demente Witwe und der Kioskbesitzer, sind jeden Tag im Bad anzutreffen, so auch an diesem besonderen Sommertag.

Arno Frank beschreibt die Ereignisse, die sich an verschiedenen Plätzen im Schwimmbad abspielen, in einer zeitlichen Abfolge, während er von einer handelnden Person zur nächsten springt. Dabei erzählt das wagemutige Mädchen als einzige aus der Ich-Perspektive. Auf diese Weise kann sich der Lesende selbst eine Meinung bilden, ob ihr Vorhaben durchdacht, klug oder unvernünftig ist und während des Lesens so wie ich hoffen oder bangen, dass ihr Sprung zur Ausführung kommen wird.

In Rückblicken der Figuren erfuhr ich, warum jeder einzelne an ebendiesem Tag sich vor Ort aufhält. Ich las von psychischen Problemen, Traumata, einer nur noch auf dem Papier bestehenden Ehe und Alkoholabhängigkeit, also alle Sorgen, die nicht am Eingang zum Vergnügungsbad abgegeben werden können. Aber die Anwesenheit von vielen Personen mit gleichem Anliegen und das schöne Wetter führen ebenfalls zu einem Wohlbefinden eigener Art.

Arno Frank wechselt in seinem Roman „Seemann vom Siebener“ nach kurzen Erzählabschnitten zwischen seinen ProtagonistInnen in einem Pfälzer Freibad hin und her, denen nicht immer Gutes im Leben widerfahren ist. Auf einem abgegrenzten Areal, dass sich seit Jahrzehnten kaum verändert hat, arbeiten sie, suchen nach Abstand vom Alltag oder nach einer Portion Glück. Auf einfühlsame Weise hat der Autor es bestens verstanden, mich zu unterhalten. Die Geschichten der Figuren sind bewegend und nahegehend. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 13.04.2023
Die Bibliothek der Hoffnung
Thompson, Kate

Die Bibliothek der Hoffnung


ausgezeichnet

Der Titel des Romans „Die Bibliothek der Hoffnung“ von Kate Thompson weist darauf hin, dass das Eintauchen in Buchgeschichten für viele Londoner im Zweiten Weltkrieg zu einer Flucht aus dem Alltag wurde. Allerdings ist es keine übliche Bücherei, die im Fokus der Erzählung steht, denn sie befindet sich in der noch nicht fertiggestellten U-Bahn-Station Bethnal Green im Londoner East End.

Nachdem zu Beginn des Blitz, wie die deutschen Luftangriffe in dieser Zeit genannt werden, eine Bombe in das Dach der öffentlichen Leihbibliothek des Viertels eingeschlagen ist, wird die Idee umgesetzt, die Ausleihe unterirdisch weiterzubetreiben. Die ungenutzten Gleise werden mit Holzbohlen abgedeckt und in der Station entsteht nicht nur eine Bücherei, sondern auch andere kulturelle Angebote und außerdem die Möglichkeit für tausende Londoner, die inzwischen obdachlos geworden sind, in Stockbetten zu übernachten. Dieser Teil der Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten.

Die Autorin kreiert mit den beiden Protagonistinnen Clara und Ruby zwei interessante Figuren, die beste Freundinnen sind. Beide arbeiten als Bibliothekarinnen und sind Mitte Zwanzig. Die verwitwete Clara leitet die unterirdische Bücherei. Ihr Herz schlägt vor allem für Kinder, die sie in jeder Form ans Lesen heranführen möchte. Im Vergleich mit ihr ist Ruby offener damit, eine Liebschaft einzugehen und putzt sich gerne heraus. Sie liebt Romanzen und gönnt jedem älteren Lesenden eine leichte Lektüre, um sich von der Realität abzulenken. Immer wieder kommen den zwei Freundinnen neue Ideen, wie sie Leser und Leserinnen jeden Alters und gleich welchen Stands gewinnen können. Ihren Aufgaben gehen sie mit viel Engagement und Herz nach.

Obwohl die beiden versuchen, es den Kunden der Bibliothek gegenüber nicht zu zeigen, hat jede von ihnen ihre ganz eigenen privaten Probleme. Auf diese Weise bringt Kate Thompson die damaligen Konventionen in ihren Roman ein sowie die bittere Tragik des Krieges. Dennoch stellt sie den Protagonistinnen Figuren zur Seite, die ihnen in Zeiten dunkler Gemütsverfassung behilflich sind, wobei die Liebe nicht fehlen darf. Gleichzeitig schildert sie auch manch amüsante Geschichte als Kontrast zu den verheerenden Folgen des Krieges unter denen fast jede handelnde Person leidet.

In der U-Bahn-Bücherei Londons ist zu Kriegszeiten eine Schicksalsgemeinschaft entstanden, die Kate Thompson in ihrem Roman „Die Bibliothek der Hoffnung abbildet. Persönliche Verluste wollen überwunden werden, Missverständnisse von Liebenden geklärt und die eigene Position verteidigt werden. Durch gute Recherche und mit einigen geschickten Konstruktionen gelingt ihr ein beeindruckend wirklichkeitsnahes Bild der unterirdisch Zuflucht suchenden Gesellschaft, das beim Lesen berührt und mitreißt. Gerne empfehle ich das Buch uneingeschränkt weiter.