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Leseigel
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Villingen

Bewertungen

Insgesamt 975 Bewertungen
Bewertung vom 12.06.2024
Long Island
Tóibín, Colm

Long Island


gut

Man kann die Zeit nicht zurück drehen
Eilis hat vor 20 Jahren ihre irische Heimat verlassen und lebt mit Mann und Kindern auf Long Island. Ihr Mann Tony ist Italiener und die ganze Verwandtschaft lebt nur wenige Meter auseinander. Eilis ruhiges Leben findet ein Ende, als herauskommt , dass ihr Mann Tony ein uneheliches Kind gezeugt hat, das nach der Geburt in ihrer Familie leben soll. Eilis will das auf keinen Fall. Um Abstand zu gewinnen, reist sie zum ersten Mal seit 20 Jahren in ihre Heimat. Dort trifft sie auf den Pub-Besitzer Jim, mit dem sie damals einen wunderbaren Sommer verbracht hat. Auch ihre damalige beste Freundin Nancy läuft ihr über den Weg. Alle drei verbindet die Vergangenheit und diese stellt nun die Gegenwart auf die Probe. Entscheidungen müssen getroffen werden, die das weitere Leben verändern werden.

Der Roman, der sich sehr angenehm lesen lässt, beginnt mit einem Paukenschlag. Eilis erfährt auf sehr unschöne Weise vom Seitensprung ihres Mannes Tony. Ich konnte völlig nachvollziehen, dass sie nicht willens war, das fremde Kind aufzuziehen. Entsetzt war ich über die Reaktion der Familie, die Eilis Bedenken beiseite wischt und willens ist, das Kind in die Familie aufzunehmen.

Dann der Ortswechsel nach Irland und ich lerne Jim und Nancy näher kennen. Beide sind einsam und auf eine unbestimmte Weise mit ihrem Leben unzufrieden. Jim möchte nicht mehr allein sein und geht eine Beziehung mit Nancy ein mangels Alternativen. Als Eilis zurückkommt, hofft er , mit ihr dort weiter machen zu können, wo ihre Beziehung vor 20 Jahren abrupt geendet hat.

Nancy träumt von einem Bungalow außerhalb der Stadt und dass sie nicht mehr arbeiten muss. Sie glaubt durch Jim, ihre Träume verwirklichen zu können Eilis ist im Zweifel, wie es mit ihrer Ehe weiter gehen soll. Wäre Jim ein Ausweg ?

Ich bin hin und her gerissen, was meine Meinung über das Buch betrifft. Es ist gut geschrieben. Die Gefühlslagen der einzelnen Personen wird sehr gut dargestellt und ich konnte sie nachempfinden, wenn auch nicht immer gut heißen. Viele der Überlegungen und Wünsche waren insoweit realistisch, als sie sich nicht von denen anderer Menschen unterscheiden.. Was mich aber immer mehr genervt hat, war, dass alle drei die Dinge in der Schwebe hielten. Ich wusste genau über ihr Innenleben Bescheid, aber nach außen drang so gut wie nichts. Es entsteht eine Atmosphäre von Heimlichkeiten, Lügen , was in meinen Augen nur zu Verletzungen führen kann. Am Ende bleiben alle wichtigen Fragen offen, weil niemand miteinander redet. Ich befürchte, dass keiner der drei wirklich werden wird. Dafür bleibt zu viel ungesagt und die Erwartungen stimmen nicht überein. Aber vielleicht spricht genau das für den Roman. Wir Menschen neigen dazu, wichtigen Entscheidungen auszuweichen und müssen dann mit den Folgen leben.

Bewertung vom 11.06.2024
Ihr letztes Spiel
Dessaul, Arne

Ihr letztes Spiel


sehr gut

Kein Sommermärchen für Mike Müller
Mike Müller betreibt eine Detektei in Bochum. Gerade ist er in Hochstimmung. Er hat drei Fälle abgeschlossen, die ordentlich Geld in die Kasse gespült haben und er freut sich auf das 1. Spiel der Fußball EM . Gute Gründe seine Lebensgefährtin Alice zum Essen auszuführen. Als diese ihr vergessenes Handy holen will und nicht wiederkommt. katapultiert das Mike ins Jahr 2006 und zu Ereignissen, die er sein Trauma nennt. Auch damals, er war noch Student, lief alles super. Eine tolle Freundesclique, Vorfreude auf die WM und Valerie war seine Freundin. Plötzlich war Valerie spurlos verschwunden und er machte sich auf die Suche nach ihr. Das Ende war ein einziger Albtraum, den er bis heute verdrängt hatte.

Der Autor lässt Mike Müller die Ereignisse selber erzählen. Er ist wie fast ganz Deutschland im Fußballfieber. Zufällig trifft er seinen ehemaligen Freund Simon , der 2006 eine wichtige Rolle gespielt hat. Und Mike erinnert sich. Er berichtet, wie er Valerie kennengelernt hat und wie sie sich ineinander verliebten. Das war schön zu lesen, aber wo bleibt die Krimihandlung ?. Die drängt sich in den Vordergrund, als Valerie verschwindet und in der Gegenwart Alice nicht zurückkommt. Die Suche nach den beiden Frauen war sehr gut und spannend beschrieben und ich konnte Mikes wachsende Verzweiflung gut nachvollziehen.

Gelungen fand ich, dass es Zwischenkapitel gab, in denen eine Gefangene ihre Gefühle und Gedanken schildert. Dabei bleibt der Autor vage. so dass ich nicht wusste, ist es Valerie oder Alice. Durch einen glücklichen Zufall kommt Mike auf die richtige Spur und findet das Versteck der Entführer. Damals wie heute, ist es gelinde gesagt eine Überraschung, was uns im Haus erwartet. Mike und ich haben einige Zeit gebraucht, die Dinge richtig zu erfassen. Ich war über die Kälte und Grausamkeit der Täter einfach nur entsetzt. Und zusammen mit Mike stelle ich mir die Frage, warum sind Menschen so abgrundtief böse und wem kann man noch trauen.

Der Bezug zu den großen Fußballereignissen war in meinen Augen gering. Trotzdem fand ich es schön, dass einiges in Erinnerung gerufen wurde. Wer war eigentlich Neuville ? Ebenfalls haben die Kapitelüberschriften zu meiner Lesefreude beigetragen. Es sind Songtitel, von denen ich einige kenne. Ich habe mich dabei ertappt, wie ich begann, die Lieder vor mich hin zu summen.

Der Krimi war spannend, auch wenn er etwas länger braucht. Er hat mich gut unterhalten und Erinnerungen geweckt, was mir persönlich gut gefallen hat.

Bewertung vom 10.06.2024
Orangentörtchen trifft Limone
Schweigkofler, Mirjam

Orangentörtchen trifft Limone


gut

Eine Liebesgeschichte zum Wohlfühlen und Träumen
Aurora lebt auf der Insel Elba. Sie ist dort glücklich. Zwar gab es gerade eine unschöne Trennung von ihrem Freund Marco, dafür hat sie ihre Freunde Pippo und Bea immer an ihrer Seite. Auch beruflich hat sie ihren Traumjob gefunden. Sie arbeitet als Konditorin in einem Cafe. Als ihr gekündigt wird, bricht erstmal eine Welt für sie zusammen. Doch wie so oft eröffnet ein Unglück auch neue Wege. Aurora findet eine neue Stelle in Limone am Gardasee, neue Freunde und eine neue Liebe. Von Anfang an war ich begeistert von den schönen anschaulichen Landschaftsbeschreibungen, die sofort den Wunsch in mir geweckt haben, selbst dorthin zu reisen, sowohl nach Elba als auch Limone. Aurora ist eine junge Frau, die gerne mit ihren Freunden zusammen ist und das Leben genießen will. Was sie für mich zu etwas besonderem macht, ist ihre Hingabe an ihren Beruf. Allein die Schilderungen der Köstlichkeiten, die sie zaubert, ließen mir das Wasser im Mund zusammen laufen und ich glaubte, ihren Duft riechen zu können. Aurora trifft den Bademeister Elia, der im selben Hotel arbeitet wie sie. Aus Abneigung wird Zuneigung und bis zum Happyend sind einige Hindernisse zu überwinden. Ich habe mich gefreut, dass Aurora in Emilia eine neue beste Freundin gefunden hat, die sie unterstützt und tröstet. Das Buch liest sich leicht und man kann sich vom Alltag wegträumen. Was mich gestört hat, mir hat ein wenig die Dramatik gefehlt. Aber auf der anderen Seite, wer möchte schon Schwierigkeiten in seinem Traumurlaub erleben ?

Bewertung vom 10.06.2024
Tote Augen weinen nicht (Thriller)
Schwarz, Gunnar

Tote Augen weinen nicht (Thriller)


ausgezeichnet

Ein neuer schwerer fall für Bekker und Meislow
Eine Sozialarbeiterin wird grausam ermordet. Die Tatumstände lassen befürchten, dass es weitere Opfer geben wird. Doch wo mit den Ermittlungen beginnen ? Der Täter hat keine Spuren hinter lassen. Als es kurz darauf tatsächlich eine weitere Leiche gibt, wissen die beiden Ermittlerinnen Charly Bekker und Stella Meislow, dass ihnen nicht viel Zeit bleibt, wenn sie weitere Morde verhindern wollen. Doch die Opfer scheinen nichts gemeinsam zu haben.

Erneut ist der Thriller nichts für Zartbesaitete., denn die Leichen und ihre Todesumstände werden sehr genau geschildert. Dafür lässt der Autor den Täter persönlich zu Wort kommen und mich die letzten Sekunden im Leben des Opfers miterleben. Mir macht das nichts aus, weil es in meinen Augen keine Effekthascherei ist, sondern zum Fall passt. Außerdem weiß man , was einem erwartet, wenn man Bücher des Autors liest - auf jeden Fall kein Cozy Crime.

Die Hochspannung des Falles ergibt sich zum einem daraus, das die Zeit drängt und die Ermittlerinnen völlig im Dunklen tappen. Der andere Aspekt ist das Ermittlerduo selbst. Charly ist taff, nur keine Gefühle zulassen. Regeln gibt es, aber man muss sich nicht zwingend daran halten. Stella ist die korrekte, oft im Zweifel über ihren eigenen Wert und Stellung im Team und dabei eine akribische Sucherin nach der Lösung des Falles.

Ich lerne hier nun eine neue Seite an Charly kennen. Sie ist empathischer, als sie nach außen zeigt und kommt durch die ins Leere laufenden Ermittlungen an ihre Grenzen. Außerdem muss sie sich Sorgen um ihren ehemaligen Kollegen und Ersatzvater Vinny, einen Polizeibeamter im Ruhestand, machen.

Die Person des Täters war für mich eine echte Überraschung, obwohl es Hinweise gab, die ich , wie die beiden Ermittlerinnen, nicht als solche wahrgenommen habe. Trotz der tragischen Umstände fällt es mir schwer, Verständnis für die Motive des Mörders aufzubringen. Alles in allem wieder ein überzeugender und fesselnder Fall der beiden Ermittlerinnen.

Bewertung vom 10.06.2024
Die Bahnhofsmission
Rusch, Veronika

Die Bahnhofsmission


ausgezeichnet

Die Bahnhofsmission - SchicksalsortBerlin 1945 Der Krieg ist zu Ende. Die Stadt liegt in Trümmern und die Menschen versuchen, sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden. 38 Jahre sind seit den dramatischen Ereignissen in der Bahnhofmission am Schlesischen Bahnhof vergangen und die Freundinnen von damals haben unterschiedliche Lebenswege beschritten.

Alice ist in Berlin geblieben, hat als Hilfskrankenschwester beim Roten Kreuz während des Krieges gearbeitet. Nun muss sie ihr Leben neu ordnen . Angesichts all des Elends wächst in ihr der Entschluss, die Bahnhofsmission wieder zum Leben zu erwecken. Und so macht sie sich tatkräftig wie immer an diese Herkulesaufgabe. Ihr erster Weg führt sie zum Pfarrhaus gegenüber des Bahnhofes. Dort trifft sie zu ihrer großen Freude auf ihre ehemalige Mitstreiterin Marthe, die sofort ihre Unterstützung zusagt. Es gelingt auch den russischen Kommandanten Wulkow von der Idee, zu überzeugen. Wieder wird Tee gekocht, Stullen geschmiert, Wunden versorgt und Trost gespendet. Nach und nach finden die ehemaligen Weggefährtinnen den Weg zurück zur Bahnhofsmission. Auch Natalie, die damals bei Nacht und Nebel verschwand, ist zurück auf der Suche nach den losen Enden von damals.

Man kann diesen 2. Band gut lesen, ohne den ersten zu kennen. Da der 1. Band genauso lesenswert ist wie das vorliegende Buch, kann ich es nur jedem ans Herz legen. Die Autorin zeichnet ein sehr anschauliches und lebendiges Bild vom zerstörten Berlin in den ersten Wochen nach Kriegsende. Zerstörte Wohnungen, vermisste Familienangehörige, Hunger, Angst vor Vergewaltigung - all dasmuss eine unmenschliche Belastung dargestellt haben. Hinzu kommen erlittene Kriegstraumata vielfältiger Natur. Gleichzeitig liegt auch Hoffnung und Aufbruch in der Luft .

Ich habe Alice und ihre Mitstreiterinnen sehr bewundert, dafür wie sie sich mit aller Kraft dem Elend entgegen stellen. Gleichzeitig nutzt die Autorin das Schicksal einzelner, um mir einige Aspekte des Krieges und deren Auswirkungen nahe zu bringen und für mich sichtbar zu machen. Besonders berührt hat mich Babettes Schicksal, die in einem KZ als Lagerhure benutzt wurde.

Natalie muss sich mit der eigenen Vergangenheit auseinander setzen. Ihre Tochter Claire begleitet sie und stellt Fragen, auf die es nur unliebsame Antworten gibt. Am Ende gibt es für alle ein versöhnliches Ende. Für die eine oder andere vielleicht zu viel des guten, aber nach all dem Leid und Schrecken haben sie es sich in meinen Augen redlich verdient.

Der Roman weckt eine unterschiedliche Bandbreite an Gefühlen und beschäftigt sich mit vielen Aspekten der damaligen Zeit. Indem die Autorin diese mit einzelnen Personen verknüpft, erfüllt sie nackte Tatsachen mit Leben und weckt mein Verständnis und Mitgefühl. Trotzdem ist es vor allem ein gelungener Unterhaltungsroman, der gefangen nimmt und eine packende Geschichte erzählt.

Bewertung vom 05.06.2024
Nichts bleibt verborgen (eBook, ePUB)
von Beck, A.

Nichts bleibt verborgen (eBook, ePUB)


sehr gut

Last der Vergangenheit
Hannah lebt ein Leben ohne zwischenmenschliche Beziehungen und ist freiberuflich tätig. Als sie eine Leiche findet, ist mit einem Schlag ihre Vergangenheit präsent, die sie bisher erfolgreich verdrängt hat. Ihre Schwester jette verschwand vor 30 Jahren spurlos und ihr Schicksal ist weiterhin ungewiss. Der Tote war der Bürgermeister des kleinen Dorfes, in dem sie einige Jahre ihre Kindheit verbracht hat und wo Jette verschwand. Ihr wird schmerzhaft bewusst, dass sie nie mit den damaligen Ereignissen abgeschlossen hat und dies für ihr jetziges Leben verantwortlich ist. Wenn sie ihren Seelenfrieden finden will, muss sie wissen, was damals passiert ist. Der Krimi erzählt eine Geschichte von Schuld, Verdrängung, falsch verstandener Loyalität und später Rache. Hannahs Ort der Kindheit ist ein kleines Dorf mit wenigen Einwohnern. der Schauplatz ist in meinen Augen gut gewählt, weil dadurch der Personenkreis der Verdächtigen überschaubar ist und jeder jeden kennt. Hannahs Ankunft löst Unruhe im Dorf aus und reißt alte Wunden auf. Hannah nimmt Kontakt zu alten Bekannten auf, um sie nach ihren Erinnerungen zu befragen. Man begegnet ihr mit vordergründigen Freundlichkeit. Ich hatte ständig das Gefühl, es wird etwas verheimlicht. Aus kleinen Puzzleteilen setzt Hannah die Geschehnisse von damals zusammen. Ich fand es erschreckend, wie die Vergangenheit das Leben der Betroffenen dominiert. Das fand ich durchaus nachvollziehbar, weil jeder in der Angst lebt, die Wahrheit kommt ans Licht. Auch Hannahs Wunsch, die Wahrheit zu erfahren, auch wenn sie möglicherweise schmerzhaft ist, fand ich verständlich. Was mich gestört hat, war die Person des Täters und seine Motivation. Das war für mich aufgrund der bisherigen Ereignisse nicht stimmig. Aber bis dahin war der Krimi spannend mit einigen Überraschungen und hat mich gut unterhalten.

Bewertung vom 03.06.2024
Weißglut
Quast, Tobias

Weißglut


ausgezeichnet

Spannende und humorvolle Mördersuche in Finnland

Sarah Fuchs ist fester Bestandteil der Münchner Schickeria. Nachdem ihr Mann seinen Seitensprung in einer Boulevardzeitung öffentlich gemacht hat, rächt sie sich an ihm und flieht in das finnische Kaff Sysmä.
Onni, ein Student an der Uni Helsinki, fühlt sich als Außenseiter. Als er eine Möglichkeit sieht, berühmt zu werden und der Gegenstand, den er dafür braucht, sich in Sysmä befinden soll, macht er sich kurz entschlossen auf den Weg dorthin.
Matti, der sein Leben mit kriminellen Geschäften finanziert , lebt in Sysmä und findet dort sein vorzeitiges gewaltsames Ende. Dummerweise findet Sarah seine Leiche und nun geschieht, was sie unbedingt vermeiden wollte. Sie steht im Mittelpunkt des Interesse der ländlichen Bevölkerung und unter Mordverdacht.
Zu Beginn der Handlung war ich etwas verwirrt , denn ich konnte mir nicht vorstellen, wie die sehr unterschiedlichen Handlungsstränge zusammen passen sollten. Was sie auf jeden Fall schon mal anzubieten hatten, war jede Menge Spannung und unterschwelligen Humor. Beides begleitet mich zu meiner großen Freude während der gesamten Geschehnisse.
Dreh-und Angelpunkt ist Sarah, die so gar nicht in die ländliche Gegend passt mit ihrer Designerkleidung und Highheels. Dabei hat sie das Herz am rechten Fleck. Mutig und dilettantisch versucht sie den wahren Mörder zu finden, weil sie es der Polizei nicht zutraut. Ich fand sie sehr sympathisch.
Der Krimi lebt in meinen Augen von falschen Vorstellungen und Erwartungen, die die einzelnen Personen gegenüber den anderen hegen. Da ich als Leser weiß, was der andere tatsächlich denkt und sein Gegenüber mit seinen Vermutungen komplett falsch liegt, entstehen für mich skurrile Szenen, die bei mir einen Lachanfall auslösen. Das tolle ist, jeder der Anwesenden ist verdächtig - außer Sarah, die einzige von der ich mit Sicherheit weiß, dass sie Matti nicht getötet hat.
Der Autor lässt den Mörder ebenfalls zu Wort kommen und schildert seine Aktionen, macht es aber so geschickt, dass es immer auf verschiedene Personen zutreffen könnte. Die Auflösung hat mich kalt erwischt, weil der Täter für mich eigentlich schon raus war. Das lag vermutlich daran, dass ich nicht mit seiner Skrupellosigkeit und manipulativen Fähigkeiten gerechnet habe.
Für mich war der Krimi eine echte und erfreuliche Entdeckung. Trotz aller Irrungen und Wirrungen löst sich am Ende alles logisch auf und es gibt sogar eine Art Happyend. Deshalb von mir eine aufrichtige und von Herzen kommende Leseempfehlung.

Bewertung vom 31.05.2024
Schmerzensstille (eBook, ePUB)
Friewald, Gerlinde

Schmerzensstille (eBook, ePUB)


sehr gut

Gerechtigkeit oder Rache ?
Dr. Nick Stein ist Profiler und gemeinsam mit seinem Team muss ich einen verstörenden und in seiner Grausamkeit kaum auszuhaltenden Fall lösen. Drei Männer und drei Frauen, alle schon älter, wurden über einen längeren Zeitraum gefoltert, gekreuzigt und tot in einer Wiener Villa tot aufgefunden. Die Suche nach Gemeinsamkeiten beginnt und damit auch nach einem Motiv. Alle Opfer waren in den 70ziger Jahren in einem Kinderheim tätig. Um mehr über diese Jahre zu erfahren, wird nach ehemaligen Bewohnern des Heimes gesucht. Diese berichten von strengen Erziehungsmethoden, ansonsten schweigen sie. Man ahnt, dass da was gewesen sein muss. Das Ausmaß der damaligen Schrecken übersteigt jede Vorstellung.

Schon nach wenigen Seiten war mir klar, der Krimi ist keine leichte Kost. Das begann mit dem Auffinden der sechs Leichen und deren Beschreibungen und setzte sich fort mit den Andeutungen über die Vorfälle in der Vergangenheit. Und dennoch überwog bei mir die Neugierde, der Wunsch, zu erfahren warum, zu verstehen und zugegeben auch der Nervenkitzel. Gelungen fand ich die Idee, den Ausgangspunkt des Falls weit in die Vergangenheit zu legen, weil es die Opfer somit aus heiterem Himmel traf und ein Szenario von damals zu entwerfen, das sehr realistisch ist. Die Ermordeten waren wohlhabend , angesehen und wohl gelittene Mitglieder der Gesellschaft. Doch der Anschein trügt.

Die Lösung des Falles war nachvollziehbar, gab mir aber keinen Anlass zu Jubel. Waren die Morde ein Akt der Gerechtigkeit ? Ich für mich habe die Frage bei allem Verständnis, Mitgefühl und auch Wut dennoch verneint. Zumal der Kopf der Tätergruppe ein ungutes Gefühl bei mir ausgelöst hat und ich erhebliche Zweifel an seinen Motiven hege.

Der Krimi ist definitiv schwere Kost und dabei fesselnd und auf eine morbide Weise unterhaltsam.