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Sophie

Bewertungen

Insgesamt 162 Bewertungen
Bewertung vom 30.08.2022
Herr Janosch, wie drückt man Liebe aus, die so groß ist, dass man keine Worte dafür findet?
Janosch

Herr Janosch, wie drückt man Liebe aus, die so groß ist, dass man keine Worte dafür findet?


ausgezeichnet

Ein zauberhaftes kleines Büchlein für Janosch-Fans und Verliebte

Dieses kleine Buch mit dem langen Titel („Herr Janosch, wie drückt man Liebe aus, die so groß ist, dass man keine Worte dafür findet? Wondraks kleine Liebeserklärungen für jeden Tag“) nimmt Lesende mit in die pastellbunte und augenzwinkernde Welt von Janosch. In einem oft (selbst-)ironisch angehauchten, manchmal aber auch zuckersüßen Frage-Antwort-Format wird die Beziehung von Luise und Wondrak liebevoll auseinandergenommen. Dabei geht es nicht um unbedingte Harmonie, sondern um einen liebevoll-kritischen Blick auf Beziehungen und ihre Mechanismen. Das Highlight jeder Seite sind die Illustrationen in Janoschs unverwechselbarem Stil, die Phantastik und Realität in unaufgeregten Pinselstrichen vereinen und den Figuren Leben einhauchen – und auch die Tigerente darf hier und da natürlich nicht fehlen.

Eine zauberhafte Geschenkidee für junge und alte Paare, aber auch für alle, die ein wenig schmunzeln und fühlen möchten.

Bewertung vom 09.08.2022
Willkommen in Wisewood
Wrobel, Stephanie

Willkommen in Wisewood


ausgezeichnet

Ein psychologischer Thriller, der unter die Haut geht

Mit „Willkommen in Wisewood“ entführt Stephanie Wrobel ihre Leserschaft auf eine einsame Insel in Nordamerika, wo sich mehrere auf schicksalhafte Weise verbundene Lebenswege kreuzen. Gekonnt verwebt die Autorin Vergangenes mit Gegenwärtigem, lässt Geheimnisse unter der Oberfläche brodeln und schafft eine konstant bedrohliche Atmosphäre, die noch lange nachhallt.

Das Buch erzählt die Geschichte von drei Frauen, die ähnliche Kämpfe auszufechten haben: Sie hadern mit ihrer Kindheit und ihren Eltern, mit ihrer Identität und mit gesellschaftlichem Druck. Kit möchte einfach raus aus alldem und entschließt kurzerhand, sich für das Wisewood-Resort anzumelden, das verspricht, sie in einem sechsmonatigen Programm von ihren Ängsten zu befreien. Dagegen muss sie nur den Kontakt zur Außenwelt eintauschen. Als ihre Schwester Nat nach langer Funkstille eine bedrohliche Nachricht aus Wisewood bekommt, folgt sie ihrer Schwester und findet sich in einer merkwürdigen Parallelwelt mit sektenartigen Zügen wieder. Ab der ersten Sekunde fühlt sie sich in Wisewood unwohl, aber Kit scheint dort ihren neuen Lebensmittelpunkt gefunden zu haben. Und dann ist da noch die geheimnisvolle Dritte, deren traumatischer Lebensweg ab der Kindheit nach und nach aufgerollt wird. Wie fügt sie sich in Wisewood ein?

Stephanie Wrobel beherrscht das Spiel mit den Erwartungen perfekt. Erst nach und nach fügt sich aus allen drei Perspektiven ein Bild von Wisewood zusammen, das der Wahrheit vielleicht am nächsten kommt. Ihre Charaktere sind komplexe Frauenfiguren, voll Sehnsüchten und Widersprüchlichkeiten, deren Urteil wir als Leser*innen nie so recht trauen können. Jede von ihnen hat eine eigene Sicht auf die Dinge: Ist Wisewood nun die Rettung oder eine manipulative Sekte? Und was bedeutet es, ohne Angst zu leben? Wie viel von seinem alten Leben muss man dafür ablegen? Und ist es das wert?

„Willkommen in Wisewood“ ist weder ein reiner Schauerroman noch ein einfacher Thriller, sondern ein vielschichtiges Buch, das auch vor den ganz großen Fragen nicht zurückschreckt. Am Ende bleibt eine düstere Ahnung zurück. Ein Buch für anspruchsvolle Leser*innen, die nicht einfach nur den schnellen Thrill suchen, sondern bereit sind, sich auf die Psyche der Figuren wirklich und wahrhaftig einzulassen und den Horror darin zu finden.

Bewertung vom 09.08.2022
AETERNA
Lundt, Mikael

AETERNA


sehr gut

Nicht der beste Mikael Lundt, aber spannend bis zum Schluss!

„AETERNA – die schwarze Flamme“ ist der neueste Wissenschafts-/Sci-Fi-Thriller aus der Feder von Mikael Lundt. Auch in diesem neuesten Werk geht es wieder rasant zu, allerdings bleiben die Figuren im Vergleich zu Lundts vorigen Werken etwas blass. Der spannenden Handlung tut dies jedoch glücklicherweise keinen Abbruch.

Bei der Aufklärung des Mordes an einem Informaten stößt Interpol-Ermittlerin Isabella Cassini auf den mysteriösen Geheimorden Aeterna und heftet sich an seine Fersen. Etwa zur gleichen Zeit macht Teilchenforscher Daniel Slovak eine unglaubliche Entdeckung – die auch Aeterna brennend zu interessieren scheint. Schnell muss Daniel feststellen, dass er sich im Fadenkreuz skrupelloser Ordens-Mitglieder befindet. Die beiden tun sich zusammen, um herauszufinden, was es mit alldem auf sich hat, aber die Zeit arbeitet gegen sie. Denn Daniels Entdeckung lässt eine Katastrophe globalen Ausmaßes befürchten …

Wie immer bei Mikael Lundt steckt auch dieses Buch voll spannender Einblicke in die Welt der Physik, ohne dabei langatmig zu werden. Dass dieses Mal auch ein finsterer Geheimorden eine Rolle spielt, treibt die Spannung ordentlich in die Höhe. Da wird oft kurzer Prozess gemacht, und die Protagonisten müssen sich durch halb Europa jagen lassen. Ein wenig zu kurz kommt bei diesem stark handlungsgetriebenen Roman, der ein rasantes Tempo an den Tag legt, die Figurenentwicklung. Bündnisse sind recht schnell geschlossen, Figuren entwickeln sich nur wenig weiter, und auch die dem Autor sonst so leicht von der Hand gehenden Schlagabtausche zwischen den Figuren bleiben etwas dünn. „Aeterna“ ist dadurch insgesamt weniger humorvoll als Lundts andere Bücher, allerdings bekommt die Geschichte dadurch eine viel gewaltigere Dimension, die auch ganz essenzielle Fragen nach der Natur der Welt aufwirft.

„Aeterna – die schwarze Flamme“ ist gewohnt gute Unterhaltung von einem Autor, der sein Handwerk wahrlich versteht und auch weniger geübte Sci-Fi-Lesende und Nicht-Physik-Fans für seine Geschichte zu begeistern versteht. Von mir eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 09.08.2022
My Home Hero Bd.1
Yamakawa, Naoki

My Home Hero Bd.1


gut

Humorvoller, aber eher flacher Start in eine neue Reihe

Der erste Band von „My Home Hero“, der neuen Manga-Reihe von Naoki Yamakawa und Masashi Asaki, bildet den Einstieg in ein bizarres Yakuza-Abenteuer, in dem Familie ganz groß geschrieben wird. So ganz kann der Band aber sein Versprechen von Spannung und Humor nicht einlösen, wenngleich er durchaus gute Unterhaltung bietet.

Familienvater Tetsuo fühlt sich von seiner Tochter Reika etwas vernachlässigt, seit sie von zu Hause ausgezogen ist, und versucht, den Kontakt zu intensivieren. Dabei muss er mit Entsetzen feststellen, dass Reika in unangenehme Gesellschaft geraten ist: Sie hat sich mit einem Yakuza-Mitglied eingelassen, das alles andere als edle Motive hat. Ohne groß zu überlegen, springt Tetsuo für sie in die Bresche und muss sich bald mit den Konsequenzen seines voreiligen Handelns herumschlagen …

Die Komik von „My Home Hero“ liegt ganz klar in der Figur des eher zurückhaltenden, ängstlichen Tetsuo, der neben seiner unspektakulären Karriere auch sich schlecht verkaufende Kriminalromane schreibt. Das dadurch recherchierte Wissen weiß er bald gut einzusetzen und wird dabei von seiner Ehefrau tatkräftig unterstützt. Diese kuriose Konstellation einer braven, bürgerlichen Familie, die in kriminelle Machenschaften verstrickt wird, bietet immer wieder Momente zum Schmunzeln. Dabei bleiben die Story sowie die Charaktere jedoch leider recht oberflächlich und stereotyp, was durch die sehr einfach gehaltenen, teils fast skizzenhaften Zeichnungen unterstützt wird. Der Manga wirkt dadurch häufig übereilt und hastig zu Papier gebracht.

Insgesamt ein unterhaltsamer Einstieg mit einer humorvollen Prämisse, aus der sich aber durchaus mehr machen ließe. Es bleibt zu hoffen, dass das Potenzial der Serie in den folgenden Bänden mehr ausgeschöpft wird.

Bewertung vom 09.08.2022
Der Schrank
Sailer, Simon

Der Schrank


gut

Ein reizvolles Büchlein, jedoch kein großer Wurf

Nach „Die Schrift“ und „Das Salzfass“ ist „Der Schrank“ die dritte Novelle aus einer lose zusammenhängenden Reihe von bizarren Geschichten aus der Feder von Simon Sailer, kongenial illustriert von Jorghi Poll. Hinter der Brillanz von „Die Schrift“ bleibt „Der Schrank“ jedoch trotz eindeutiger Stärken etwas zurück.

Der nüchterne Titel dieses kleinen Büchleins ist Programm: Es geht um einen Schrank. Genauer gesagt, um einen ziemlich schweren und aufwendig verzierten Schrank, den Lena und ihre Kollegen vom Umzugsdienst kurz vor Feierabend noch dringend an eine Adresse in Wien liefern müssen. Während Lena als einzig Vernünftige der Truppe versucht, ihre kleine Mannschaft auf Trab zu halten, beginnen merkwürdige Dinge zu passieren. Was hat der geheimnisvolle Schrank in ihrem Laster damit zu tun?

In gewohnt trockenem Erzählton berichtet Sailer von etwas Wundersamem, das seine Figuren recht nonchalant hinnehmen. Dieser Kontrast macht viel vom Humor und der surrealen Stimmung der Novelle aus. Jedoch wirken die Ereignisse von „Der Schrank“ fast ein wenig zu banal, als dass sich ein echtes Gefühl von Phantastik einstellen könnte. Gerade die erste Hälfte des Buchs plätschert relativ ereignislos vor sich hin, und als die Wendung sich einstellt, bietet sie irgendwie zu wenig, um alles noch einmal gänzlich auf den Kopf zu stellen. Ein großer Pluspunkt in Sachen Atmosphäre sind da die realistisch-kuriosen Illustrationen, die die Geschichte begleiten und ganz nebenher politische Botschaften einwerfen, die sich mit dem Text zu einer größeren Botschaft verweben lassen.

Insgesamt ein durchaus reizvolles kleines Buch, das einiges zum Nachdenken mitgeben kann, literarisch jedoch nicht der große Wurf, den man sich vom Autor erwartet hätte.

Bewertung vom 11.07.2022
Kaltherz
Faber, Henri

Kaltherz


sehr gut

Ein emotionaler Thriller mit vielen Wendungen

Nach „Ausweglos“ ist „Kaltherz“ der zweite Thriller von Henri Faber und spielt (genau wie sein Erstlingswerk) mit der menschlichen Psyche und zwischenmenschlichen Beziehungen. Dabei kann das Buch einerseits durch seine Emotionalität und viele unerwartete Wendungen punkten, verliert sich manchmal aber auch in den Gedankengängen und Gefühlen seiner Figuren.

Die eigentlich aus dem Polizeidienst ausgeschiedene Ermittlerin Kim Lansky bekommt eine letzte Chance, ihre Karriere zu retten – indem sie die kleine Marie wiederfindet, die auf einem Parkplatz aus dem Auto ihrer Mutter entführt wurde. Lanskys unorthodoxe Ermittlungsmethoden und ihr schwieriger Charakter sind Segen und Fluch zugleich, denn sie findet zwar eine vielversprechende Spur, manövriert sich aber durch Alleingänge schnell selbst ins Aus. Zugleich zerbricht die Beziehung von Maries Eltern an dem Verlust ihrer Tochter, und es stellt sich heraus, dass beide Geheimnisse hüten …

Geheimnisse sind ein großes Thema in Henri Fabers Thrillern, und er schafft es meisterhaft, sie anzudeuten, ohne zu früh zu viel zu verraten, sodass ein dauerhaftes Gefühl von „Da steckt noch mehr dahinter!“ mich als Leserin bei der Lektüre begleitet. Die Figuren, durch deren Augen „Kaltherz“ erzählt wird (Maries Eltern, Kim Lansky und das entführte Kind), bekommen jeweils eine ganz eigene Stimme, was sie zu plastischen und nachvollziehbaren Charakteren werden lässt. Leider wird bei dieser Charakterzeichnung hin und wieder auch mal übers Ziel hinausgeschossen. Lange innere Monologe und intensive Gefühlsschilderungen, bei denen sich einiges wiederholt, lassen manche Episoden etwas zäh wirken. Die persönlichen Charakterschwächen der einzelnen Figuren nehmen dabei so viel Raum ein, dass eine Identifizierung mit den erwachsenen Charakteren schwerfällt, da sie allesamt extrem unsympathisch wirken – was ihre Glaubwürdigkeit jedoch zugleich erhöht. Eine schockierende Wendung im letzten Drittel des Buchs kann für einige dieser Kritikpunkte jedoch weitgehend entschädigen.

Insgesamt fühlte ich mich von „Kaltherz“ vor allem aufgrund seiner überraschenden Wendungen gut unterhalten und konnte über die kleinen Schwächen gut hinwegsehen. Ein solider zweiter Thriller von Henri Faber, der Lust auf das nächste Werk des Autors macht.

Bewertung vom 11.07.2022
Die Leiche am Deich / Die Friesenbrauerin ermittelt Bd.1
Jensen, Joost

Die Leiche am Deich / Die Friesenbrauerin ermittelt Bd.1


weniger gut

Mehr Lokal als Lokalkrimi

In „Die Leiche am Deich“ lässt Joost Jensen in einem beschaulichen friesischen Dörfchen ein Mutter-Tochter-Gespann in einem Mordfall ermitteln: die Brauerin Gesine und ihre Tochter Wiebke, ihres Zeichens Polizistin vor Ort. Was als uriger Regionalkrimi mit viel lokalem Flair beginnt, wird jedoch leider schnell ermüdend und eintönig.

Am Sünnumer Strand wird die Leiche der Frau des örtlichen Groß-Milchbauern angespült. Gesine, von ihrer Kundschaft liebevoll „Tüdelbüdel“ genannt, mischt sich ohne großes Zögern in die Ermittlungen ein, die eigentlich ihre Tochter Wiebke führen soll – die ist gar nicht erfreut davon, weist ihre Mutter jedoch auch nicht in ihre Schranken. Der Mordfall selbst ist einigermaßen unspektakulär, und so richtig Interesse an den Ermittlungen will auch nicht aufkommen. Dafür ist man als Leser*in viel zu abgelenkt von der Überdosis Lokalkolorit, wobei „Lokal“ hier im doppelten Wortsinn zu verstehen ist. Denn eine ganze Menge Seiten gehen für das ausschweifende Lob und den Genuss des örtlichen Tüdelbräus drauf. Das mag zu Beginn noch recht urig sein, aber mit sich häufenden Kneipenszenen und untermalendem Geplänkel sorgt diese Form des Humors bald nur noch für Augenrollen.

Da hilft es auch wenig, dass Gesine nicht unbedingt als Sympathieträgerin daherkommt: Sie überschreitet in einem fort Grenzen, stets in der festen Überzeugung, das stehe ihr zu, und ohne Rücksicht darauf, was ihre Alleingänge anrichten können. Sogar ihre eigene Tochter bringt sie mehrfach in arge Bedrängnis, ohne irgendeine Form von Schuldbewusstsein zu zeigen. Dabei erweisen sich ihre Einmischungen durchweg als überflüssig – sie zeigen nur, dass sie ihrer Tochter die Lösung des Falls nicht zutraut. Überhaupt enthält „Die Leiche am Deich“ erstaunlich wenig Krimi-Handlung, sodass sich ein Gefühl von Mitfiebern nicht so recht einstellt. Das Buch schafft es nicht, Spannung zu erzeugen, sondern verharrt eher auf komischen Elementen und dem erwähnten Lokalkolorit.

Wer Friesland und die örtliche Kneipenkultur mag, wird vielleicht in „Die Leiche am Deich“ eine kurzweilige Lektüre für zwischendurch finden. Krimi-Fans wird dieses Buch allerdings vermutlich nicht zu begeistern wissen.

Bewertung vom 11.07.2022
Als das Böse kam
Menger, Ivar Leon

Als das Böse kam


gut

Spannendes Setting mit leider nur mittelmäßiger Handlung

Ivar Leon Mengers Debütroman „Als das Böse kam“ überzeugt auf den ersten Seiten mit einem extrem mysteriösen Setting, das viel Spannung verheißt. Leider wird dieses Versprechen im weiteren Verlauf des Romans nicht eingelöst, sodass es am Ende ein eher durchschnittliches Buch bleibt.

Die 16-jährige Juno, durch deren Augen wir die Geschichte erleben, lebt mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder Boy völlig isoliert auf einer kleinen Insel. Sie verstecken sich vor „Fremdlingen“ aus dem geheimnisvollen „Südland“, die der Familie Böses wollen – so zumindest die Geschichte, die Junos Eltern stets erzählen. Aber dieses Szenario beginnt, Risse aufzuweisen, und Junos Vertrauen in ihre Eltern schwindet allmählich. Also begibt sie sich auf eigene Faust auf die Suche nach der Wahrheit und gerät dabei in schreckliche Gefahr …

„Als das Böse kam“ bietet durch sein Set-up das Potenzial für ein grandioses Verwirrspiel, bei dem Leser*innen immer wieder hinters Licht geführt werden und unklar ist, wem Glauben geschenkt werden darf. Diese Verheißung erfüllt sich jedoch nicht, denn bereits nach einem guten Drittel des Romans ist klar, wie sich die Sachlage wirklich verhält, und daran wird auch nicht mehr gerüttelt. Das Warten auf eine interessante finale Wendung lohnt sich nicht. Nichtsdestotrotz hat der Roman seine Momente: Der knappe, nüchterne Erzählstil sorgt für einen guten Lesefluss und lässt die raue Natur der einsamen Insel und den monotonen Alltag der Familie plastisch vor dem inneren Auge zum Leben erwachen. Während im großen Erzählbogen die Spannung fehlt, wird sie im Kleinen immer wieder hervorragend erzeugt – hier tritt deutlich die Vergangenheit des Autors in der Filmbranche zutage. So bietet das Buch immer wieder Anreize zum Weiterlesen, was das Leseerlebnis selbst spannend macht. Schade ist nur, dass zuletzt nicht viel davon übrig bleibt und zum Schluss eine gewisse Enttäuschung einsetzt.

Kurz gesagt: eine tolle Grundidee, deren Potenzial leider nicht ausgeschöpft wird, dafür aber ein angenehm flüssiger Schreibstil, der durchaus Lesevergnügen aufkommen lässt.

Bewertung vom 29.06.2022
Schreib oder stirb
Fitzek, Sebastian;Beisenherz, Micky

Schreib oder stirb


gut

Stand-up-Comedy meets Thriller – mit eher mittelmäßigem Ergebnis

Wenn der Name Sebastian Fitzek auf einem Buchcover steht, greift man als Thriller-Fan gern einfach gedankenlos zu. Auf „Schreib oder stirb“ taucht zugleich aber auch der Name des Comedians Micky Beisenherz auf und gibt die Richtung für diesen Comedy-Thriller vor: Es geht nicht ganz ernsthaft zu. Dass das leider nur so mittelprächtig funktioniert, stellt sich vor allem auf den ersten Seiten heraus, in denen das Comedy-Element eindeutig die Oberhand hat.

David Dolla ist erfolgreicher Literaturagent und gerät unversehens mitten in einen Kriminalfall: Der mutmaßliche Entführer eines kleinen Mädchens fordert von ihm einen Verlagsvertrag und die Abfassung einer Biographie im Tausch gegen Informationen über ihren Aufenthaltsort. Als Dolla sich weigert, sich auf den abstrusen Deal einzulassen, gerät er samt seines persönlichen Umfelds unversehens in Gefahr – denn offenkundig hat der in der Psychiatrie sitzende Verdächtige seine Augen und Ohren sowie Helfershelfer überall …

Als Thriller ist „Schreib oder stirb“ ein wenig überzogen, aber durchaus spannend. Eine Reihe unvorhergesehener Wendungen sorgt gegen Ende für Überraschungsmomente und Nervenkitzel. Dort muss man jedoch erst einmal hingelangen. Denn gerade der Anfang verliert sich in einer schier endlosen Aneinanderreihung erzwungener Pointen und Witzchen, die nur lose an den Verlauf der Geschichte angeknüpft sind. Viele dieser Episoden rufen sofort Assoziationen an eine Stand-up-Bühne hervor und fügen sich weder in ihrem Duktus noch inhaltlich organisch in den Text ein. Es wirkt, als habe man das Gerüst eines Thrillers zwanghaft mit humorigen Episoden aufgefüllt. Diese Vorgehensweise verliert sich ab der Mitte etwas, wo es dann hauptsächlich um die Weiterentwicklung der Thrillerhandlung geht und der leicht flapsige Ton und mitunter trockene Formulierungen sich viel besser an die Handlung anpassen. Ab hier gelingt es dem Duo, ihre beiden Stile deutlich besser zu einem organischen Ganzen zu vereinen, bei dem die Thrillerhandlung im Vordergrund steht und von humoristischen Elementen untermalt wird (nicht andersherum wie zu Beginn des Buches).

Hätten Fitzek und Beisenherz diesen Stil von Anfang an durchgehalten, wäre „Schreib oder stirb“ insgesamt ein gut gelungener Comedy-Thriller geworden. So funktioniert das Buch eher mittelprächtig und erfordert gerade beim Einstieg einiges an Durchhaltevermögen, bis man sich durch die Flut an platten Pointen à la „Im Licht von Umkleidekabinen sieht jeder furchtbar aus“ zum spannenden Teil vorgekämpft hat. Der funktioniert dann aber tatsächlich richtig gut und belohnt die Geduld mit einem spannenden Showdown und einem unerwarteten Aha-Erlebnis.

Bewertung vom 12.06.2022
Der Fluch des Hechts
Karila, Juhani

Der Fluch des Hechts


ausgezeichnet

Mystisch, humorvoll, fabelhaft – ein Buch wie ein Fiebertraum

„Der Fluch des Hechts“ von Juhani Karila ist eines dieser Bücher, die man nur einmal im Leben findet. Ein echter Schatz, der im Regal für Lieblingsbücher landen und immer wieder aufs Neue hervorgeholt werden kann, denn dieser phantastische Roman wird wohl nie etwas von seinem Zauber einbüßen.

Schon die Frage, wovon der Debütroman des Finnen Juhani Karila handelt, lässt sich gar nicht so leicht beantworten: von der Einöde Lapplands und ihren kuriosen Charakteren und Wesenheiten, würden vielleicht die einen sagen. Von einer getriebenen Frau, die auf der Suche nach dem Sinn ist, würden vielleicht die anderen behaupten. Fakt ist einzig, dass dieses Stück Literatur aus dem Bereich magischer Realismus etwas ganz Einzigartiges ist. Ein Roman, der auf nonchalante und stets augenzwinkernde Art und Weise Mystisches mit Realem verbindet, Tragisches mit Humorvollem, Wahrheit mit Fiktion.

Magie gehört in dem kleinen Dorf in Ostlappland, in dem die Geschichte an wenigen Sommertagen spielt, so selbstverständlich zum Leben wie die Naturwesen, die sich mit schöner Regelmäßigkeit aus den Wäldern und Sümpfen in die Wohnstätten der Menschen wagen. Niemand ist mehr so recht verwundert von dem Näck, der zum Kartenspiel mit hohem Einsatz einlädt, oder dem Pejooni, der Schabernack treiben möchte. Aber für Elina Ylijaako sind es nicht nur diese Fabelgestalten, die ihr die Rückkehr in ihr Heimatdorf und die Erfüllung ihrer Aufgabe erschweren. Es ist ihre Vergangenheit und die Menschen darin. Verbissen macht Elina sich daran, einen Hecht aus einem Teich zu angeln – eine Aufgabe, die alles für sie bedeutet. Daran hindern sie nicht nur einige mannigfaltige Wesen, sondern auch ihre Weigerung, sich ihrer Vergangenheit und ihren eigenen Taten zu stellen.

Der Zauber von „Der Fluch des Hechts“ besteht darin, dass alles ganz selbstverständlich geschieht. Das Wundersame kommt in alltäglicher Gestalt daher und vermag niemanden so recht zu verwundern. Auf unaufgeregte Weise erzählt Juhani Karila ein absolut phantastisches Hirngespinst und vermag seine Leserschaft so direkt und unmittelbar in ein mystisches Lappland zu versetzen. Ein Wahnsinnsbuch!