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marcialoup

Bewertungen

Insgesamt 99 Bewertungen
Bewertung vom 23.07.2023
Der Trost der Schönheit
Arnim, Gabriele von

Der Trost der Schönheit


ausgezeichnet

Aushalten von Ambivalenz in der Weltwirklichkeit

Gabriele von Arnim schreibt mit einer unfassbaren Schönheit von Worten den Leser sprachlos.
Sinnhaft eingestreute Zitate im Buch verstärken die Worte der Autorin, wobei man als Leser gern ständig diese schönen Sätze der Autorin zitieren möchte.
Man kann dieses Buch nicht in einem Atemzug durchlesen, zu tiefsinnig und mächtig sind die Sätze und Wortkreationen, die man wirken lassen muss und möchte.
„Weltwirklichkeit“ – ein Wort, das ich sofort umsetzen konnte in ein eigenes Gefühl. Das eigene Innere und die Verbundenheit mit dem Äußeren der Welt, manchmal zu nah, zu übergriffig, und dann muß man das „Aushalten von Ambivalenz“ lernen.

„Es fehlt die Lustkraft für Neues … es fehlt die davongeflogene Zeit.“ Empfindungen die man kennt, wenn Zeit rennt und man irgendwann erschrocken feststellt, dass Zeit unaufholbar verloren ist.
Sätze, die wie kleine Pfeile ins Herz treffen und das Innere berühren.
Aber auch Sätze, die wie Sonnenstrahlen in die Seele wandern und sie wärmen.

„Trost heißt, am Schmerzfluss Ufer bauen, Liegeplätze, an denen man den Kahn anbinden, aussteigen und sich ausruhen kann.“ So liebevoll gestaltete Worte, dass man das fließende Gewässer vor sich sieht und das Grün der erholsamen Wiese fast riechen kann, den Schmerz vergißt und in Natur versinkt.
Dieser und viele weitere Sätze schaffen in mir lieblich-betroffene Momente, in denen ich Trost sofort spüre.

„Atmen, tiefatmen. Einatmen, Ausatmen. Atmen.“
Diese automatisch ablaufende Lebensbedingung in einen Satz zu kleiden zeigt notwendige Erkenntnis. Als Duftstoff-Allergikerin ist frische, saubere Luft atmen für mich ein wichtiges Lebenselexier geworden, das heutzutage leider nicht mehr oft gegeben ist und somit die Weltwirklichkeit meine eigene kleine Welt trifft, die ich in Einklang bringen muß und dabei immer wieder an Grenzen stoße.
Die Schönheit liegt in einzelnen Momenten, in individuellen Geschehnissen, in innerer Achtsamkeit. Mit ihr kann man Widersprüchlichkeiten der Welt erträglicher machen.
Es ist schwierig, dieses Buch zu rezensieren ohne Zitate daraus hervorzuholen, die prägnant sind, denn sie geben diesem Buch ihre gewisse Schönheit.

Von schlichter tiefer Schönheit geprägt ist auch das Cover, das für mich die inneren Strukturen eines Blattes darstellt. Aber hier mag jeder eventuell etwas anderes darin sehen bzw. erkennen.
Die Farben in Rot und Rosa spenden direkt Wärme und damit vielleicht schon Trost. Obwohl Rot eine Warnfarbe ist, erzeugt sie dies auf dem Cover nicht.

Gabriele von Arnim ist eine erkenntnisreiche, tiefsinnige Lektüre gelungen, die auch das Altern und Alleinsein anspricht, mit der man sich aber gern auseinandersetzt und in sich selbst und in die Welt hineinhorcht.

Bewertung vom 16.07.2023
Kontur eines Lebens
Robben, Jaap

Kontur eines Lebens


ausgezeichnet

Ein Leben mehr!

Wow, was für ein Buch … !
Die ersten Tränen kamen mir gleich zu Beginn bei der herzzerreißenden Szene als Frieda’s Mann Louis starb. Kurz darauf fand sich die 81-jährige Frieda im betreuten Wohnen wieder.
Für Frieda war der Umzug ins betreute Wohnen noch frisch und zieht sich durchs Buch, denn Tobias, ihr Sohn, der in Kürze Vater werden wird, räumt die Wohnung seiner Eltern aus und organisiert den Umzug von Frieda.
Allein in ihrem Zimmer kommen Erinnerungen an Zeiten der jungen Frieda auf und zwischen Abschied und Neubeginn schleicht sich die verbotene Geschichte ihres Lebens, die sie noch einmal erleben kann, dieses Mal frei von Konventionen.

Mit eindringlicher Sprache beschreibt Jaap Robben das Alt-sein, Abschiede und das Jung-sein in den 60er-Jahren. Dabei nimmt er Leser und Leserin gekonnt mit. Für mich war es wie ein Sonntagsbesuch dort bei Frieda, die mir ihre Lebensgeschichte erzählt, denn ich habe das Buch tatsächlich an einem einzigen Tag gelesen!

Die 60er Jahre und ihre strenge Familie ziehen Frieda ein Kleid an, das ihr nicht paßt. Dadurch wird Frieda eine starke Frau, die aber innerlich immer zerbrochen bleibt und nun das Kleid aufknöpft, um endlich Luft zu bekommen. Sie wurde zu Entscheidungen getrieben, die nicht ihre waren. Das zu bereuen holt sie an ihrem Lebensabend ein und sie fängt an, ihr altes Leben zu suchen und stößt dabei auch auf Unverständnis … der eigene Sohn, wie schon damals ihre Eltern – allein gelassen in einer Situation, die sie nur härter machen konnte.
Erschreckend die Reaktionen der Menschen von damals, wie sie über Frieda’s Leben entschieden haben in den 60er-Jahren – aufwühlend, tief.
Dann hatte ich wieder feuchte Augen bei der Geburt von Frieda’s erstem Kind sowie bei den Grausamkeiten, die sie erfuhr.
Kapitel 46 … nur ein Satz … so herzergreifend!
Atemlos liest man bis zur letzten Seite, ein Buch, das lange nachhallt.

Der Schmutzumschlag zeigt ein wunderschönes Cover und ein perfekter Titel rundet es ab, beides könnte nicht besser zum Inhalt eines langen Lebens passen, das in Erinnerung wieder an den Stellen lebendig wird, die unterdrückt wurden und nun endlich verarbeitet werden dürfen.
Das Cover zeigt Bruchstücke wie Puzzleteile einer hübschen Blume, deren schönste Blüte sich immer widerspiegelt. In grau gehalten der Teil der Blüte, der nicht so leben durfte, wie er wollte und ein kleines Stück davon in zarter Farbe, die herausgearbeitet wurde.
Die Puzzleteile sind in verschiedenen Rosatönen auf dem Hardcover selbst wiederzufinden.
Die Ich-erzählende Protagonistin Frieda wirkt sehr sympathisch und als Leser/in begleitet man sie gern durch ihre Lebensgeschichte.

Bewertung vom 15.07.2023
Nachts erzähle ich dir alles
Landsteiner, Anika

Nachts erzähle ich dir alles


sehr gut

all the women in me...

Beim ersten Anblick dieses Buches wird man von dem leicht verträumten, gedankenverlorenen Blick der Protagonistin eingeladen, sich zu ihr an den Tisch im Café zu setzen, sich mit ihr zu unterhalten und über das Leben zu sinnieren. Im Hintergrund nuanciert das Meer in einer Bucht mit satten, kräftigen, warmen Farbtönen eine mediterrane Stimmung.
Und so ist das Buch – eine Unterhaltung mit dem Leben. Dabei begegnet die Protagonistin Léa vielen Geschichten, Wahrheiten und Fragen, findet Antworten und neue Erkenntnisse.

Léa führt ein Café mit französischen Spezialitäten, ein Traum, den sie sich erfüllt hatte. Während ihrer Auszeit in Frankreich, die Léa auf dem Familiensitz ihres Großvaters an der Côte d’Azur verbringt, begegnet sie in der ersten Gartennacht zufällig dem jungen Mädchen Alice, die sich des nachts in den Garten geschlichen hatte ohne damit zu rechnen, plötzlich jemanden vorzufinden. Aus dieser überraschenden Begegnung entwickelt sich ein sympathisches Gespräch, das noch lange in Léa nachhallen wird, denn Alice ist am nächsten Tag tot.
Kurz darauf lernt sie Émile kennen, Alice’s Bruder, der herausfinden möchte, was mit seiner Schwester geschehen ist.
In einer ersten vorsichtigen Unterhaltung nähern sie sich einander. Intensive Dialoge entstehen – vielschichtig, tiefgehend, aufwühlend und erinnernd blättern Léa und Émile ihre Leben voreinander auf. Sie brauchen einander, um Alices’ Tod zu verstehen und werden dabei über sich selbst und ihre eigene Vergangenheit klarer.
Zwischendurch bringen Briefe von Claire, eine Freundin von Léa’s Mutter Brigitte, neue Offenbarungen.

Mit Lea’s Leben kann ich mich zwar nur in Teilen identifizieren: auch ich habe ein Café mit französischen Spezialitäten, das ein Traum von mir war… auch ich beborzuge es, im Hintergrund zu stehen und meine Kochkünste in den Vordergrund zu stellen bzw. die Gäste kulinarisch zu verwöhnen… auch ich war in Nizza, Èze und Antibes... und das sind unsere Gemeinsamkeiten. Dieser Roman holt eine ganz wundervolle Erinnerung an meine Zeit dort hervor, und ich tauche ein in die sonnendurchflutete, meeresberauschende Kulisse Südfrankreichs.

Anika Landsteiners Roman ist eine sommerleichte, berührende aber anspruchsvolle Lektüre. Ihre Worte zaubern einen klugen Roman einer Frau, deren Ich’s im Inneren ausgebrannt sind, die an vielen Stellen angekommen ist, wo sie so nicht hinwollte. Und das Zitat auf der ersten Seite ist für mich treffender als der Titel selbst: all the women in me (are tired)...

Bewertung vom 04.06.2023
Wo du mich findest
Barns, Anne

Wo du mich findest


sehr gut

Das Buch ist für dich

Geschmeidig schöner Anfang der Ich-Erzählerin Sophie, die während ihres Urlaubs in einem Büchercafé auf einen Mann trifft, so sehr, dass sie ihn versehentlich mit Kaffee überschüttet, aus dem Becher, den sie in ihrer Hand hält, als sie aus der Tür tritt; so sehr, dass er nicht mehr weggeht – der Mann – nicht aus ihren Gedanken, nicht aus ihren Träumen. Bis sie anfängt, in ihren Träumen zu leben.
Die Geschichte ist geschrieben aus Sicht der Ich-Erzählerin, oder besser gesagt, die Geschichte wird erzählt, denn der Klang der Sprache entwickelt sich wie eine Erzählung, der man lauscht, zuhört, obwohl man liest.
Mit viel Beobachtungsgabe werden kleine Details ins Licht gerückt und lassen beim Lesen Achtsamkeitsmomente zu. Oder es entstehen ganze Bilder von Umgebungen. Und auch das Gefühlsleben ist intensiv. Wobei man manchmal den Eindruck hegen könnte, dass die Ich-Erzählerin und die Autorin miteinander verschmelzen.
Melodisch melancholisch beschreibt die Autorin Anne Barns den Werdegang der Liebe Sophies zu einem Mann in ihrem Traum, einem Traummann. Mit kraftvollen Sätzen flüchtet die Protagonistin aus ihrem Alltag und lebt und fühlt mit geschlossenen Augen. Bis sie erwacht… und den Traum versucht, mit Realität zu füllen:
Sophie reist zurück auf ihre Urlaubsinsel um Dich zu suchen. Wird sie dich finden?
Es ist gleichermaßen eine Geschichte von Verlusten, die schmerzhaft und auch unverhofft plötzlich da stehen und den Leser treffen, manchmal mehr als Sophie selbst. Und man fühlt sich fast ein bißchen alleingelassen mit diesen Gefühlen.
Auf den ersten Blick scheint das Cover nicht ganz zum Stil der Geschichte zu passen, einerseits – durch mehrere Blicke von anderer Seite betrachtet zeigt es die gedankenverlorene Abwesenheit einer Frau in einem Meer von Wasser und verstärkt damit das geschriebene Wort der nachfolgenden Seiten.
Ein besonderer Roman, mit dem man gern ein paar Stunden verbringt, auch wenn sich zwischendurch einige Längen auftun.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2023
Here With Me / Die Adairs Bd.1
Young, Samantha

Here With Me / Die Adairs Bd.1


gut

Bezauberndes Cover verspricht prickelnden Lesegenuss

Zuerst muß ich diesen wunderschönen Farbschnitt lobend erwähnen, der sich so hervorragend ins Cover einschmiegt und ein traumhaftes Outfit des Buches ergibt.
Innen wird es jedoch sehr abwechslungsreich:
Es geht um Robyn, die nach langer Zeit ihren Vater besuchen will, der in den Highlands bei einer reichen Familie angestellt ist. Dort trifft Robyn auf Lachlan Adair, einem gut aussehenden Hollywood-Star, der ihr, ohne dass sie es möchte, den Kopf verdreht. Trotz innerer Abneigung fühlt sie sich zu ihm hingezogen und sie können nicht voneinander lassen. Die Szenen wechseln schnell zwischen prickelndem Sex, gefühltem Herzschmerz, schwierigen Familienverhältnissen und idyllischen Landschaften. Ein offenes Ende verspricht Fortsetzung.

Die Sprache der Autorin ist leicht zugänglich und wenig schnörkelhaft.
Es war ok, einmal solch einen Roman zu lesen, es ist nicht mein Genre und ich brauche die Fortsetzung nicht.
Für Liebhaber dieser Romane ist es ein empfehlenswerter Auftakt für mehr aus dieser Reihe.

Bewertung vom 16.04.2023
Das Café ohne Namen
Seethaler, Robert

Das Café ohne Namen


gut

Wiener Caféhaus in den 60ern

Kriegskind Robert Simon ist Kriegswaise, hat Vater und Mutter im Krieg verloren, hat auch die Schulzeit größtenteils verloren, weil eine Bombe seine Schule zerstört hat. Danach hat er dann lieber gearbeitet in dem ein oder anderen Job, hat sich dann Mitte der 60er einen Traum erfüllt und eine heruntergekommene, kriegsverstaubte Gastwirtschaft Nähe des Karmelitermarktes in Wien gepachtet. Klein fängt Robert Simon an, mit ein paar Getränken und Schmalzbrot, was den Menschen aber vollkommen ausreicht, um nach den Wirren des Krieges wieder zu sich selbst zu finden und vor allem wieder einen Ort der Gemeinsamkeit zu haben. So macht es niemandem etwas aus, dass das Café keinen Namen hat.
Im 5. Kapitel lernen wir Mila kennen, eine junge Frau, die nach Verlust ihrer Arbeitsstelle als Näherin bei Simon anheuert.

Zunächst einmal sicher kein leichtes, dieses Buch zu rezensieren, denn es hat mich insgesamt nicht so angesprochen wie erhofft. Was aber nicht unbedingt an Robert Seethaler liegt, denn das Buch ist gut gemacht, fließt in seinen Wörtern mit Wiener Charme dahin und erzählt eine gute Geschichte im Neuanfang nach Kriegszeiten. Überrascht hat mich, dass Robert Seethalers Buchfigur Robert Simon heißt, was mich zuweilen durcheinander brachte, zumal er im Roman überwiegend nur Simon genannt wurde.
Die Geschichte selbst ist ok und Robert Seethaler zeichnet in dem Café ein Zeitgeschehen der Nachkriegsjahre, der Aufbaujahre, des Neuanfangs, in dem einzelne Café-Gäste gekonnt detailreich dargestellt werden in ihren Eigenarten durch ihre Lebensgeschichten und erzeugt dadurch ein Bildnis eines für diese Zeit wichtigen Ortes - dem Café ohne Namen - wo große und kleine Probleme gewälzt werden, Dramen passieren, wo kleine Hoffnung auf große Liebe im Raum steht, wo Neues entsteht und Altes abgestreift wird, wo das einfache Beisammensein ein freies und gemeinschaftliches Gefühl entstehen läßt. Auch Ängste und Sorgen haben Eintritt, finden immer ein Ohr bei Irgendwem. Es passiert viel in diesem Roman und doch auch irgendwie nicht. Deshalb bin ich etwas zwiegespalten, was ich davon halten soll.

Das Cover gefällt mir in seiner Schlichtheit und man stellt sich vor, die Person, die abgebildet ist, ist Robert Simon, quasi im Nichts, das er verwandeln wird in einen Ort, den jeder braucht.

Bewertung vom 02.04.2023
Going Zero
Mccarten, Anthony

Going Zero


ausgezeichnet

Ein modernes Katz- und Mausspiel

Anthony McCarten hat sich selbst übertroffen. Was für ein genialer Roman!
Auch das Cover ist perfekt und in seiner Schlichtheit aussagekräftig genug, es passt ideal zum Inhalt.
Mich erinnert „Going Zero“ ein wenig an „Hand aufs Herz“, ebenfalls von Anthony McCarten. Die Struktur der Grundidee scheint ähnlich zu sein, doch der Aufbau dieser Geschichte ist ein völlig anderer:

Cy, schon sein Name klingt wie die Abkürzung einer hochtechnisierten Überwachung, verfolgt neben neun anderen Kandidaten Kaitlyn (Zero 10) eine Bibliothekarin, die versucht, im Nirvana der digitalisierten Welt zu verschwinden.
Das ganze ist ein Spiel, aufgerufen von der FUSION, ein hochmodernes Überwachungssystem, das Cy mit dem CIA zusammen entwickelt hat.
Zehn freiwillige Teilnehmer sollen sich innerhalb von 2 Stunden unsichtbar machen, quasi aus sämtlichen Radarsystemen verschwinden und nirgends digitale Fußabdrücke oder sonstige Spuren hinterlassen, also Going Zero. Nach 2 Stunden dann beginnt die Jagd, denn Cy wird mit seiner Firma und all seiner Macht sowie jeglicher Technik versuchen, diese zehn Zero-Kandidaten innerhalb von 30 Tagen aufzuspüren. Nicht nur das extrem hohe Preisgeld reizt Kaitlyn dabei…
Die echte Realität ist messerscharf in diesem Roman enthalten und wird offensichtlich als Spiegel vorgehalten. Langsam in eine atemlose Spannung hineingezogen, kann man diese Verfolgungsjagd nicht mehr beiseite legen.
Interessant, wie nach und nach die zehn Zero-Teilnehmer aufgespürt werden und mit welchen Mitteln und Ideen diese zehn, aus dem Alltag herausgegriffenen Menschen wie du und ich, sich der digitalen Welt entziehen (wollen), in der Hoffnung, ihr Plan sei perfekt genug, nicht gefunden zu werden. Wird Kaitlyn es schaffen, unentdeckt zu bleiben? Ihre Strategien muß sie dabei immer wieder ändern und überdenken.
Erschreckend wie durchsichtig ein jeder von uns geworden ist! Überall hinterlassen wir Spuren ohne es zu merken und ohne je zu vermuten, wo wir sie überall hinterlassen, wo sie später wieder auftauchen können, was mit ihnen geschieht und wer davon profitieren kann!
Individualität und eigenbestimmtes Leben geht immer mehr verloren, auch weil zu wenig darüber nachgedacht wird, wie man mit sich, seiner Um-welt und seinen Daten umgeht…

Going Zero könnte einen neuer Begriff im Umgang mit einer gewissen Lebensweise prägen. Bemerkenswert auch, dass der Roman im Deutschen seinen Original-Titel behalten durfte, es hätte nichts besser gepasst!
Ich werde nun wohl öfter mal Going Zero sein.

Bewertung vom 26.03.2023
Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
George, Nina

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu


ausgezeichnet

Liebe Bücher

Schon das Cover lädt dazu ein, sofort mit auf das Bücherschiff zu steigen und eine Lesereise ins Herz eines jeden Bücherfreunds zu unternehmen. In Lila gehalten waren schon die beiden Cover der Vorgänger-Bücher „Das Lavendelzimmer“ und „Südlichter“, im Hintergrund gemischt mit einer anderen anmutenden Farbe. Nina George macht Lila zu einer Lieblingsfarbe, weil die Geschichte in den Büchern zu Lieblingsbüchern werden.

Entzückend die Idee, zwischen den Kapiteln „Die Große Enzyklopädie der Kleinen Gefühle“ einzuarbeiten. Jean Perdu, bekannt aus dem Lavendelzimmer, arbeitet an dieser Bücher-Apotheke und man spürt darin seine Hingabe zur Literatur. Ebenso ist "Das Bücherschiff" ein Wiedertreffen anderer Bekannter aus dem Lavendelzimmer. Jean Perdu nimmt auf Anraten seiner Freunde das Bücherschiff wieder an sich, um seine Bücher-Apotheke darin zu eröffnen.
Die Enzyklopädie beschreibt herzerwärmende Erkenntnisse rund ums Lesen und Leben, erklärt die Liebe zur Literatur und zu Büchern, und als Buchliebhaber findet man sich darin immer wieder und wieder … und will auch nicht aufhören, davon zu kosten.
Zudem sind diese Lesehäppchen charmante Seelenheiler und Gut-Tuer.
Es wird von Seite zu Seite bezaubernder, in Jean Perdu‘s Bücherschiff einzutauchen sowie in die leise aber dennoch kraftvolle und kluge Sprache der Autorin zu versinken, tief hinein in die Geschichte.
Kein Wort ist stark genug um wiederzugeben, was mit einem Buchliebhaber passiert, wenn er hierin liest. Kaum ein Außenstehender vermag zu verstehen, was passionierte Leser hierin finden. So viele unfassbar schöne Wortreihen schmücken die Seiten, man möchte sie beinahe herausreißen, doch besser noch abschreiben, kopieren, fotografieren, damit sie immer bei einem bleiben. Man liest manche Absätze vorsichtshalber zweimal, um sie zu konservieren, im Kopf einzubrennen, damit sie abrufbar bleiben in verschiedenen Lebenslagen, in denen sie etwas anderes erträglicher machen und man sich an die glückseligen Momente im Genuss dieser Leseabschnitte erinnern kann.
Dieses ist eins der Bücher, bei denen man traurig ist, wenn es zu Ende gelesen ist, weil man es einfach nicht loslassen möchte!

Wenn man in Worten baden möchte, die wie sanfte Schaumkronen auf glitzerndem Wasser tänzeln und einen liebevoll umschmiegen, ist man bei Nina George genau richtig! Wie von einem wärmenden Schutzmantel umhüllt wird man noch Stunden nach dem Leseerlebnis von der ruhigen Stimme der Autorin begleitet. Einzigartig!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.03.2023
30 Tage Dunkelheit
Madsen, Jenny Lund

30 Tage Dunkelheit


gut

atmosphärisches Cover

Ein sehr lebendiges Cover zieht den Blick auf sich durch die Spiegelung des Gletschers im Wasser, durch die Polarlichter über den Bergen in so klaren Farben, dass man die frische Kälte des Sees spürt. Dieses atmosphärisch schöne Cover hat in stimmungsvollen Farben und mit vielversprechendem Klappentext den Reiz gelegt, dieses Buch lesen zu wollen. War auch ok, aber mehr nicht.

Hannah wird von ihrem Lektor nach Island geschickt. Dort soll sie einen Krimi schreiben, in 30 Tagen. Dieses Schicksal ist aus ihrer Torheit heraus entstanden, als sie einen bekannten Krimi-Autor verurteilt hat, dass man in 30 Tagen keinen guten Krimi schreiben kann und schwups – hatte Hannah eine neue Aufgabe, und das mitten in ihrer Schreibflaute als Roman-Autorin. Ein Krimi! Wo anfangen? Wie anfangen?
Hannah wohnt für diese 30 Tage in Island bei einer Bekannten ihres Lektors – Ella. Der Krimi läßt nicht lange auf sich warten, denn Ella‘s Neffe Thor wird kurze Zeit später tot aufgefunden. Die Ermittlungen zum Ertrinken des Jungen führt der einzige Polizist im Ort. Doch Hannah geht selbst auf Spurensuche. Die einheimische Bevölkerung des kleinen isländischen Dorfes macht es Hannah nicht leicht, doch sie findet so einiges, was andere nicht sehen wollen und kommt dabei einigen Bewohnern sehr nahe. Ella drängt Hannah dazu, die Saga zu lesen, die sie ihr bei Ankunft ihres Besuchs gegeben hat. Was hat es mit dieser Saga auf sich?

Ich hatte mich auf einen spannenden Krimi gefreut, in dem es nebenbei um Bücher und Schreiben geht. Ja, es war ok. Die Protagonistin Hannah macht es dem Leser aber nicht sofort leicht, sie zu mögen.
Die Übersetzung aus dem Dänischen mag auch eine Herausforderung sein, der Text fließt zwar leicht und gut, aber es gibt einige Stellen, wo man als Leser überrascht über die Wortwahl ist.
Authentisch gut sind kurze Dialoge in isländischer Sprache.

Ein Stern von meiner Bewertung gilt komplett nur dem hervorragend gelungenem und sehenswertem Cover, das ich, jedesmal wenn ich das Buch zur Hand nahm, eine Zeitlang betrachten musste.

Bewertung vom 24.02.2023
Dein Taxi ist da
Guns, Priya

Dein Taxi ist da


ausgezeichnet

Unverschnörkelt ehrlich

Der Beginn des Romans knallt direkt ins Gehirn mit unverschnörkelten Worten eines harten Lebens. Die Taxifahrerin Damani erzählt aus ihrem Alltag, der einem Arbeiten-um-gerade-so-Überleben-zu-können gleicht. Trotz oder gerade wegen ihrer ehrlichen und offenen Art ist die Protagonistin auf Anhieb sympathisch. Man fährt sofort mit ihr, durch verschiedene Situationen und Lebensgeschichten.
Ihre Fahrgäste werden durch detailreiche, aber nie langweilige, Beschreibungen zu individuellen Persönlichkeiten, die man alle wie einen eigenen Gast begrüßt.
Berührungspunkte zwischen allen Schichten werden in schillernden Farben erzählt. Arm und reich geben sich die Taxiklinke in die Hand. Einsamkeiten, Probleme und Gefühle aller Art versickern während der Taxifahrten in die Sitze und prasseln auf Damani ein.
Die dunkelsten und hellsten Ecken einer Stadt, die austauschbar ist, präsentieren sich in krassen Gegensätzen, holen Verborgenes ans Licht und lassen Verwegenes in Dunkelheit versinken.
Für jede Lebenslage gerüstet, hält Damani alle möglichen Utensilien für oder gegen ihre Fahrgäste im Auto bereit, sei es Pfefferspray, Klebeband, Schere, Taschentücher oder auch einen Eimer für Angetrunkene – zur eigenen Sicherheit in jeder Hinsicht.
Rasant lenkt die Taxifahrerin Situationen in verschiedene Richtungen, um das Leben erträglich zu machen und Dingen auszuweichen oder sich ihnen zu stellen, doch manchmal wird sie von den Situationen gelenkt… Sie trifft auf Jolene und eine Liebesgeschichte beginnt.

Das Cover ist genauso einschlagend wie die ersten Seiten des Romans: der obligatorische Duftbaum, der flammend seinen Duft im Auto verströmen soll, um die „Leichen“-Gerüche im Taxi zu überdecken. Bemerkenswert, dass einer Stammgästin die das Taxi täglich nutzt, dies sofort auffällt, als sie ins Taxi steigt, eine sehr alte Dame mit Lavendelduft, die morgens immer zum Bingo fährt.
Auf den ersten Seiten vor Roman-Beginn findet uns ein nachdenklich stimmender Spruch „Wenn diejenigen, die haben, nicht geben, müssen diejenigen, die nicht haben, nehmen.“
Und dann noch die Bitte (an uns alle): Fahrt immer vorsichtig - ein irgendwie rührender Satz zu Beginn einer intensiven Lebensgeschichte.

Die Autorin Priya Guns hat ein hervorragendes Talent, Wörter ins richtige Licht zu rücken und geradeheraus auszuschmücken, sei es bunt und lebhaft, klar und genau, aber auch knallhart und direkt. Präzise zeichnet sie ein ehrliches Zeitgeschehen, drückt den Finger in Wunden, nimmt ihn wieder heraus und zeigt damit auf Unregelmäßigkeiten in der Gesellschaft. Dabei ist der Klang ihrer Sprache eindringlich, aber auch locker und mit gekonntem Witz angereichert und macht beim Lesen immens viel Spaß!
Ein starkes Stück Literatur!