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marcialoup

Bewertungen

Insgesamt 114 Bewertungen
Bewertung vom 21.01.2024
Sachen suchen - Englisch lernen
Zorell, Bea

Sachen suchen - Englisch lernen


ausgezeichnet

Here we go!

Wie eine Art Wimmelbuch aufgebaut, zeigt das Buch „Sachen suchen und Englisch lernen“ bunte Bilder, die verschiedene Situationen zeigen – in der Küche, im Zoo, auf dem Spielplatz, Kindergeburtstag, am Bahnhof usw.
Die vorkommenden Gegenstände sind thematisch im Seitenbereich mit dem jeweils deutschen und englischen Begriff dargestellt. Diese können auch im Wimmelbild gesucht werden.
Eine ganz hervorragende Art und Weise, spielerisch Englisch zu lernen. Je früher begonnen wird, desto einfacher, denn die erlernten Begriffe im Vorschulalter verinnerlichen sich besser als dass sie später „nur“ haften bleiben.

Meine Nichte ist 4 Jahre. Das Buch ist ab 2 Jahre ausgewiesen.
Tatsächlich finde ich persönlich 2 Jahre ein bißchen zu früh für das Buch. Es ist schon ziemlich umfangreich mit großem englischen Wortschatz (über 100 Wörter)!
Der Aufbau des Buchs ist pädagogisch wertvoll, wenn ich so sagen darf.
Spielerisch konnte meine Nichte ihren Wortschatz so schon mit englischen Wörtern erweitern und sie ist neugierig auf mehr. Das komplette Buch haben wir gemeinsam noch nicht durch“gearbeitet“, doch sie war schon nach den ersten 3 Seiten total angetan. Und sie schaut immer wieder gern auch allein hinein oder fragt sogar, wie dieser oder jener Gegenstand in Englisch heißt, wenn ihr außerhalb des Buches etwas auffällt, was sie gern wissen möchte. Da haben wir ja was ins Rollen gebracht! Ein ganz tolles Buch!

Bewertung vom 09.01.2024
OUTLIVE
Attia , Peter

OUTLIVE


ausgezeichnet

Für ein gesundes langes Leben

Über 600 Seiten! Ich fragte mich zu Beginn, ob ich diesen Wälzer mit einem Sachbuch gut schaffen werde, aber Dr. Attia nimmt den Leser sofort mit auf seine Reise durch die Medizin und eigentlich auch durch den Körper jedes Lesers, um jedem die Chance für ein langes gesundes Leben zu ermöglichen. Sehr anschaulich und wirklich spannend erzählt er anhand von zahlreichen Beispielen, wie man eine bessere Lebensqualität in einem längeren und damit gesünderen Leben erreichen kann. Es geht nicht darum, ewig zu leben, aber lange GESUND zu leben und nicht lange krank zu leben…

Teil 1 ist stellenweise etwas zähfließend, da man auch viel über die medizinisch-geschichtliche Entwicklung verschiedenster Methoden und Forschungen erfährt.
Teil 1 ist mehr eine Erklärung der Funktionsweise und wiederholter Einblick in die Medizin, was stellenweise langatmig anmuten kann, was aber im späteren Verlauf wichtig wird! Dr. Attia hat aber die Gabe, dies auf unterhaltsame Weise darzubieten.
Er teilt die Medizin in 2.0 und 3.0 auf, wobei 3.0 die neue Denk- und Herangehensweise sein sollte, die völlig anders strukturiert ist als 2.0. Es ist sicherlich nicht neu, dass die jetzige Medizin nur auf kurzfristige und schnelle Lösungen, oft medikamentös oder operativ eingreift, ohne die Ursache bei der Wurzel zu fassen. Medizin 3.0 beinhaltet auch ein individuelles Eingehen auf den Menschen und dessen Problem, um maßgeschneiderter helfen zu können. Das würde jedoch auch viel Engagement jedes einzelnen Patienten voraussetzen. Was jeder selbst schon im eigenen Maße und mithilfe dieses interessanten Buchs von Dr. Attia in Angriff nehmen kann…
Sehr spannend, welche Werte in einer Blutuntersuchung eigentlich viel mehr Aufschluß über die wirkliche Gesundheit eines Menschen geben können, damit man schon in einem frühen Stadium eingreifen kann, bevor die Volkskrankheiten ausbrechen! Diese werden allerdings in der heutigen Medizin nicht untersucht…
Ich bin nun so neugierig gemacht worden, dass ich meinen Arzt einmal bei der nächsten Blutuntersuchung auf weiterführende Parameter einer Blutuntersuchung ansprechen werde.

Ab Teil 2 wird es richtig gut! Sehr intensiv, sehr detailreich, teilweise wissenschaftlich-medizinisch, aber auch sehr informativ, spannend, mit Aha-Effekten und man merkt, wie die Kapitel aufeinander aufbauen.
Das metabolische Syndrom z.B. wird sehr gut durchleuchtet und auseinandergenommen.
Die 100-jährigen sind immer wieder Thema, warum sie denn gesund dieses Alter erreichen.
Was (falsche) LEBENS-Mittel mit uns anrichten (können), weiß man irgendwie, man muß aber für konsequente Umsetzung selbst sorgen.
Ein fundiertes Medizin-Wissen wird anschaulich an guten Beispielen dem Laien übermittelt. Plötzlich versteht man Abläufe im Körper! Das eigene Körperbewusstsein wird angeregt und die Neugier gefördert, Dinge darüber mehr zu beleuchten oder zu hinterfragen.
Gern überschaut man dann seine eigene Situation einmal und kann anfangen, etwas zu verbessern bzw. zu verändern.
Diese 600 Seiten (wovon über 60 Seiten auch Quellen- und Literaturverzeichnisse sind) waren manchmal spannend wie ein Thriller, sehr unterhaltsam und auf jeden Fall lesenswert.

Bewertung vom 31.12.2023
Wellness
Hill, Nathan

Wellness


ausgezeichnet

Wellness bereitet mir dieser Roman nicht...

Es ist keine leichte Schreibweise, die Nathan Hill dem Leser ans Herz legt. Ganz tief ins Geschehen versinken kann man nicht so ohne weiteres und es kostet stellenweise Mühe, am Ball zu bleiben.
Der Roman schwankt zwischen Nähe und Distanz, ich habe mich manchmal überwinden müssen, weiterlesen zu wollen. Dann wiederum war ich jedoch gefangen zwischen den Zeilen...
Titel und Cover erscheinen zunächst zusammenhanglos, und werden vielleicht erst später verstanden.
Wir lernen den Kunst-Fotografen Jack kennen und Elizabeth, die Psychologin, ganz zu Beginn, als sie noch studieren und dürfen ihren Werdegang ganz von Beginn an verfolgen. Die Entwicklung ihres eigenen und gemeinsamen Lebens und dessen um sie herum – in den 90ern, aus den 90ern, zehn Jahre später, usw. erleben wir die innerlichen und äußerlichen Veränderungen.
Von Beginn an schaut man als stiller Beobachter von gegenüberliegenden Fenstern zu, so wie Jack und Elizabeth. Anfangs wird man mitgerissen, mitten in die 90er, in die Staaten, dort wo die Musik spielt und der Grunge rockt, den man selbst kennt und liebt.

Nathan Hill hat in diesem Roman eher eine beschreibende Erzählweise und entwirft ein Bild einer Ehe, deren Details vielleicht bei dem ein und anderen ähnlich sein könnte. Passend zu ihrem Beruf als Psychologin interpretiert und integriert Elizabeth dies gern in ihren Alltag hinein.. Jack als Fotograf hinkt ein bißchen hinter seiner Frau her, könnte man meinen. Ihr Sohn Toby wird mit viel psychologischem Hintergrund erzogen … manchmal erscheint es wie eine Studie in Romanform…
Ihr Sohn Toby ist anders als sie sich wünschen oder vorstellen und so bekleiden sie ihn mit ADHS oder auch nicht, weil die Tests es nicht bestätigen...

Der Roman ist in mehrere Teile gestückelt, die jeweils mit einem Foto und einer Überschrift beginnen und damit zwischen den Zeiten hin- und her“scrollt“.
Bei diesen Kapitel-Wechseln fehlt mir ob ein Übergang, Erzählungen aus der Zwischenzeit. Den Faden vom Anfang des Buchs kann man schnell verlieren, man wird oft in ein anderes Geschehen hineinkatapultiert, aber das ist dann wiederum so intensiv und detailliert beschrieben, das alltägliche Themen fast übertrieben in Einzelteile zerlegt werden. Die „Themen“ ihrer Ehe werden analytisch genau beleuchtet, während bei den Charakteren selbst eine gewisse Distanz zum Leser bleibt.

Wellness ist das Institut für Placeboforschung, in dem Elizabeth arbeitet und an gesundheitlichen Auswirkungen von Placebo-Effekten forscht.
Wellness vertreibt raffiniert auf den Patienten bzw. Kunden zugeschnittene Präparate, die einzig durch Placeboeffekt wirken, was die Kunden jedoch nicht wissen, da ihnen verbal etwas anderes verkauft wird.
Daher der Titel?
Oder „weil Wellness ein Wort war, das bedeuten konnte, was immer man hineininterpretieren wollte“ (Zitat Seite 184).

Das Auseinandernehmen der Funktionsweise von Algorithmen anhand des sehr gut dargestellten Beispiels der facebook-Freundschaft zwischen Jack und seinem Vater zeigt Zufälle, Beeinflussungen, Anpassungen und Manipulation auf.
Gut recherchiertes Wissen, das romanartig einfließt, dadurch aber auch zu Längen beiträgt und damit wieder Distanz schürt.

Der letzte Abschnitt im Buch ist echt schön! Nicht nur, weil man über 700 Seiten geschafft hat...

Bewertung vom 04.12.2023
Die Unbestechliche
Welser, Maria von;Horbas, Waltraud

Die Unbestechliche


sehr gut

Authentisch-spannende Zeitreise in die 70er

Von marcialoup
Das Cover der „Unbestechlichen“ ist in seinen Farben der Zeit entsprechend gestaltet, in der der Roman spielt. Die schreibende (interviewende?) Frau, deren Rücken und halbes Gesicht verdeckt sind, der fragende, beharrliche Blick, das alles passt hervorragend zu der emanzipierten Alice. Nach dem Lesen erkennt man, dass der Roman kein passenderes Cover hätte bekommen können.

Schon als Kind entwickelte Alice in der Nachkriegszeit ein immenses Gespür für Sprache, Geschehnisse und Ungesagtes. Sie las immer gern mit ihrem Vater zusammen die Tageszeitung. Durch ihre Aufgeschlossenheit ist Alice ein sehr kluges und aufmerksames Kind.
Ein Zitat, das Alice beschreibt, findet sich auf Seite 31: „Sie lernte unbewusst, die Kranheitszeichen zu erkennen die die Sprache ihrer Umwelt durchsetzten. Alice hörte die leisen Zwischentöne, das Ungesagte, das sich manchmal so erschreckend zwischen den Wörtern auftat.“

Sehr authentisch sind die Zeitungsartikel, die vor die Kapitel der jeweiligen Zeit eingestreut sind und die die Ereignisse der Jahre 1968 bis 1977 als Zeitzeugen wieder aufleben lassen. Überraschend und erschreckend wie diese Zeitdokumente phragmentartig auch noch 50 Jahre später in das Geschehen der Welt passen.

Anfang der 70er-Jahren nimmt Alice eine Stelle als Volontärin in einer Zeitungsredaktion an. Diese Stellung ist alles andere als einfach, denn Alice ist eine Frau. Doch stark und zielbewußt läßt sie sich nicht unterkriegen und mischt die Arbeitswelt der Männerwelt überraschend auf.
Ihrer kleinen Tochter Elena möchte sie eine gute und moderne Mutter sein, anfangs übersieht sie dabei die Zwischentöne, die ihre Ehe flüstert. Doch auch dem muß Alice sich irgendwann stellen und gewinnt eine neue Freiheit.
Alice kämpft sich in die Welt des Journalismus, wird mit verschiedenen Themen betreut, auf die ihre männliche Kollegen entweder keine Lust haben oder hoffen, dass Alice den Themen nicht gewappnet ist – die olympischen Spiele 1972 und ihre Folgen oder ein Interview mit der Ehefrau eines kandidierenden Politikers und das darauffolgende Drama. Doch Alice läßt sich nicht einschüchtern, die ihr anvertrauten Themen werden signifikant von ihr hinterfragt und fließen manchmal provozierend in ihre redaktionellen Texte ein, womit sie ihre männlichen Kollegen oft an Grenzen der zu schuldenden Antworten bringt.

Stellenweise ist das Buch etwas anstrengend. Die Unbestechliche ist dem Leser gegenüber manchmal ein bißchen unnahbar, doch dies ändert sich im Verlauf des Romans. Die Stimmung der 70er-Jahre ist allerdings sehr gut erfasst. Geschürt von Ängsten gegenüber der Männerwelt und der Öffentlichkeit schlucken Frauen noch zu viel Unterdrückung. Einst kühl und bedeckt im Hintergrund, beginnt die Fassade der Frau zu bröckeln, aber so leise, dass der Aufbruch noch keinen Durchbruch darstellt. Langsam und zögerlich rücken Dinge in den Fokus, die noch davor unter dem Teppich verfaulten. Emanzipation und Selbstbestimmung erwachen.

Ein wirklich facettenreicher Roman, bei dem es lohnt, auch die wenigen Längen mitzulesen, die letztendlich zur Dichte des Romans beitragen!

Bewertung vom 10.11.2023
Was ein gutes Leben ausmacht
McGarey, Gladys

Was ein gutes Leben ausmacht


ausgezeichnet

Zu ihr würde ich gern in die Sprechstunde kommen!

Was ein gutes Leben ausmacht erzählt uns Dr. Gladys McGarey in beeindruckender Weise aus ihrem 102-jährigen Leben, das voller Erlebnisse, Höhen und Tiefen, Kraft und Mut, Ziele und Interessen, Geborgenheit und Liebe ist.
Ihre herzliche Schreibweise nimmt den Leser sofort mit.
Mit anschaulichen spannenden Beispielen führt sie uns durch ihr 70-jähriges Praxisleben als Ärztin, zu ihren Patienten und deren Schicksalen und wie sie mit ihnen gemeinsam Lösungen für ein gutes oder besseres, gesünderes Leben gefunden hat. Dabei sind ihre Worte leicht verständlich und schweifen nie in ärztlich-medizinische Begriffe ab.

Dr. Gladys McGarey hat eine liebevolle und angenehme Art uns mit ihrer Erzählung einzuhüllen, man lauscht ihren wohlwollenden Worten gern und fühlt sich aufgehoben und geborgen. Naturheilkundliche und osteopathische Ansätze stehen der Schulmedizinisch in nichts nach und sie beweist, wie sehr Physisches und Mentales miteinander verbunden ist und wie oft sich beides löst, wenn eine der Blockaden aufgehoben wird.
Lebenssaft ist Lebenskraft – ein Motto von Dr. McGarey und der eigene Lebenssaft ist immer wieder Thema, denn er ist bei jedem vorhanden, mal fließt er stärker, mal schwächer und dann gibt es etwas zu tun, um ihn am Leben zu erhalten.
Fantastisch sind auch die praktischen Übungen am Ende der Kapitel, die man ganz leicht selbst durchfüren kann.
Es lohnt, sie auszuprobieren, manchmal spürt man eine sofortige Wirkung!

Ein besonderer und etwas anderer Ratgeber der Lebensphilosophie und ganzheitlichen Medizin, der im Bücherregal nicht fehlen sollte!

Bewertung vom 29.10.2023
Eine Frau, ihr Bus und der unverschämt kluge Plan
Janson, Karin

Eine Frau, ihr Bus und der unverschämt kluge Plan


sehr gut

eine etwas andere Reise durch Schweden

Schweden, ein roter Bus, eine Frau in den mittleren Jahren, die eine Auszeit braucht… Trockner, öder, gleichbleibend dahinfließender Alltag in Grau, gespickt mit Eheproblemen läßt Annie durch eine spontane Schnapsidee ihrer Arbeitskollegin aus der Routine ausbrechen.
Nachdem Annie ihren Job als Altenpflegerin verloren hat, kauft sie einen roten Oldtimerbus, der einem verstorbenen Klienten von ihr gehörte. Nun will sie mit diesem roten Bus durch Schweden fahren und Unterwäsche verkaufen…

Marten, ihr Ehemann, kommt recht reserviert und fast ein bißchen gleichgültig rüber.
Annie hat sich durch eine Brustkrebserkrankung gekämpft und ist manchmal noch etwas schwach, doch ihr Vorhaben weckt neue Energie in ihr.
Herzallerliebst verfolgt man, wie Annie ihre erste Kundin, eine alte Dame, bedient. Es war ein wunderbares Gespräch, während Annie geschickt passende Größe und Farbe auswählt und eine entzückende alte Dame mit neuem Gewand glücklich machte.
Die Kundschaft ist sehr unterschiedlich und kunterbunt mit verschiedenen Wünschen und aus unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Jeder hinterläßt einen eigenen Eindruck und eine eigene Geschichte.
Ich hätte nie gedacht, dass es so viel Spaß macht, mit Annie BH’s und Unterwäsche zu verkaufen. Anfangs fand ich ihre Idee ein bißchen absurd, aber die tollen Begegnungen, die sie unterwegs hat, bereiten einfach nur Freude. Zunächst…
Im Hintergrund schweben und schwelen jedoch verschiedene Probleme aus ihrem Alltag, ihrer Familie, ihrem Mann und auch die Brustkrebserkrankung, an die sie immer wieder erinnert wird. Interessant, dass Annie ausgerechnet BH’s verkauft...

Die Charaktere sind so beschrieben, dass sie bei den ersten Erwähnungen schon ganz offen auf den Leser zugehen. Lebendige Szenen unterstreichen das. Man fühlt sich nach Schweden versetzt und geht mit Annie auf die Reise.
Jedoch merkt man, dass die Übersetzung aus dem Schwedischen sicher nicht immer leicht war. Manche Wörter klingen übersetzt und passen nicht ganz so harmonisch in Gesamtbild. Vielleicht merken das auch nur Viel-Leser und es macht den Roman deshalb auch nicht schlechter, da es einfach nur eine schöne Unterhaltungslektüre ist.

Bei diesem Cover wird man allerdings ein bißchen vom Titel und der übergroßen Frau "erschlagen". Ein roter Bus mit ein bißchen mehr Schweden im Hintergrund hätte dem Cover gut getan. Aber der Klappentext hat Interesse geweckt und die Farbe rot fällt ja definitiv ins Auge...

Bewertung vom 27.10.2023
Unsereins
Mahlke, Inger-Maria

Unsereins


sehr gut

Anspruchsvoll und mit viel Atmosphäre aus dem vergangenen Jahrhundert

Historische Romane sind nicht mein Genre und trotzdem habe ich mich an Inger-Maria Mahlke’s Roman herangetraut, weil es in der Zeit um 1890 in der wunderschönen und reizvollen Stadt (damals noch Staat) Lübeck spielt und das Cover ein einzigartiger Blickfang für mich war.
Das bezaubernde in grautönen gehaltene Cover mit den akkurat angeordneten Bildern an der Wand und dem ordentlich aufgestellten Kaffee- oder Tee-Gedeck lädt dazu ein, sich zu den Menschen an den Tisch zu setzen und ihren Erzählungen aus früheren Zeiten zu lauschen – Geschichten von Unsereins.
Lebendig beschriebene Szenarien und interessant gezeichnete Charaktere lassen uns Leser/innen eine Zeitreise machen in eine Welt, so anders als heute und doch so aktuell.

Ein anspruchsvolles Buch mit viel Atmosphäre aus der damaligen Zeit empfängt die Leser in eine „alte“ aber nicht vergangene Welt und bittet darum, genau hinzuhören und Feinheiten zu entdecken. Es ist kein Roman zum Verschlingen sondern zum konzentriert Lesen und sich auf die unterschiedlichen Figuren, die mehr oder weniger in verschiedenen Gesellschaftsschichten miteinander verwoben sind, einzulassen, um in dieser Zeit anzukommen und ins Buchgeschehen aufgenommen zu werden.

Auf den ersten Seiten werden die mitwirkenden Personen in einer Liste vorgestellt, was im späteren Verlauf für mich immer wieder eine gute Hilfe war, wenn ich zwischendurch manchmal den Faden verloren hatte, da manche Charaktere nicht so leicht zugänglich sind.
Isenhagen und Ida waren mir sehr zugänglich und auch die „Gnädige“ war schnell da…
Trotz bildhafter Sprache war es für mich jedoch nicht leicht, tief ins Buch einzutauchen. Es brauchte einen Moment, den eigenen Lesefluß zu finden in der an die Zeit um 1890 angepassten Sprache. Für die ersten ca. 150 Seiten benötigte ich viel Geduld. Insgesamt habe ich das Buch eher gelesen anstatt es mitzuerleben.

Subjektiv gesehen ist UNSEREINS nicht meins, weil es für mich schwierig war, echten Zugang zu erhalten und viele Charaktere sich für mich nicht geöffnet haben. Zudem ist das Buch insgesamt gesehen nicht leicht zu lesen.

Objektiv betrachtet ist UNSEREINS für Liebhaber dieses Genres ein gutes Buch, das detailreich und bildhaft in ein Lübeck des vergangenen Jahrhunderts entführt und eine gutbürgerliche Familiengeschichte erzählt, die aber auch zu den Problemen der heutigen Zeit passt.

Bewertung vom 23.10.2023
Dieses schöne Leben
Brammer, Mikki

Dieses schöne Leben


sehr gut

Ein berührendes Thema

Der Titel zielt auf „ein schönes Leben“ ab. Das Cover ist hübsch gestaltet und paßt von der Farbgebung auch nicht unbedingt zum Thema Sterben. Dahinter verbirgt sich Clover, ein hinreißendes Mädchen, das seine Eltern schon in jungen Jahren durch einen Unfall verloren hat. Sie wuchs bei ihrem Großvater auf.
In der Schule war sie dabei, als ihr Lehrer an einem Herzinfarkt im Klassenzimmer starb. Sie wurde schon früh mit dem Tod konfrontiert und erlebte viele Schlüsselmomente, die sie zur Sterbebegleiterin werden ließen.
Clover war immer eine Einzelgängerin, die Bücher liebt und Menschen lieber aus dem Weg geht. Rückblickend erfahren wir aus ihrer Kindheit und aus dem Leben an der Seite ihres Großvaters.
Durch die Sterbebegleitung gibt es jedoch Kehrtwendungen in Clovers Leben, denen sie sich stellen muß und möchte.
Das Thema selbst finde ich ziemlich wichtig, denn Sterbebegleitung sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Es sollte mehr in die Öffentlichkeit rücken und jedem zustehen. Ein berührendes Thema, dass durch Clovers sympathische Art intensiver dargestellt wird.

Die Autorin Mikki Brammer versteht es, den Leser mit in Clovers Leben zu nehmen. Sie schafft lebendige Situationen durch kluge Wortwahl, reibungslosen Lesefluss und bildhafte Darstellung. Liebevolle Beschreibungen und nette Charaktere hauchen dem Buch eine angenehme Wärme ein, denn es geht nicht nur ums Sterben.
Aber auch einige Längen muß sich die Autorin zugestehen. In manchen Kapiteln hätte ich mir gewünscht, dass mehr passiert oder dass eine andere Herangehensweise an Situationen mehr Abwechslung und Farbe in den Verlauf der Geschichte bringt. 400 Seiten sind vielleicht ein bißchen zu viel…
Doch wenn man am Ende das Buch zuschlägt fühlt es sich trotzdem so an, als ob man die Haustür von guten Freunden zumacht, mit denen man eine nette gemeinsame Zeit verbracht hat.

Bewertung vom 08.10.2023
Memoria
Beck, Zoë

Memoria


gut

Thriller? Entwickelt sich anders als gedacht

Harriet lebt in einer heutigen Zukunftsvision, in der die Welt immer wieder brennt und die Klimakatastrophe schon weiter vorangeschritten ist. Gießen, Frankfurt und München sind die zentralen Städte dieses Romans.
Harriet’s Wohn- und Arbeitssituation sind arm und noch nicht ganz aktuell aber gut vorstellbar.
Bei einem heftigen Brand rettet sie eine alte Dame aus deren Haus, das kurze Zeit später von den Flammen aufgefressen wird. Diese Frau meint Harriet zu kennen, kurz bevor sie in Ohnmacht fällt. Daraufhin kramt Harriet erschrocken in ihren Erinnerungen, die sie nicht zu fassen kriegt. Dann wiederum streitet die gerettete Frau ab, dass sie Harriet jemals zuvor begegnet war. Doch je tiefer Harriet in ihren eigenen Erinnerungen bohrt, desto mehr wollen diese ans Licht. Oft sind auch Träume verwirrende Gegenspieler, sodaß Harriet nicht weiß, ob es real Erlebtes war oder nur ein Traum. Ein immer gleicher Traum quält sie oft im Schlaf. Wir Leser gehen mit Harriet auf Spurensuche und begleiten sie nach München in ihr Elternhaus. Dort erlebt sie eine Überraschung und Kehrtwende in ihrem Leben.

Die Geschichte um Harriet, die der Roman uns vorspielt, braucht ein bißchen Zeit, adaptiert zu werden, um sich darin zurechtzufinden. Die Szenarien sind teilweise spannend, teilweise aber auch mit Details bestückt, die zu langatmig werden. Die meisten Romanfiguren sind für mich zu schwach und farblos dargestellt, ich werde mit vielen Personen in dem Roman leider nicht warm.

Das Cover ist bunter als der Roman selbst. Die dargestellten brennenden Wälder in furiosem Feuer, das in allen Rotschattierungen am Rand in Dunkellila ausläuft, könnten die verborgenen Erinnerungen Harriets’ darstellen. Ich finde aber keine richtige Parallele zwischen Cover und Romaninhalt.
Es war mein erster Roman von Zoe Beck, und ich würde ihn nicht als Thriller bezeichnen…

Bewertung vom 01.10.2023
Tränen, Liebe, Lebensgier
Hagen, Kimberly

Tränen, Liebe, Lebensgier


ausgezeichnet

Wackelpudding-Knie, Present Moments, Krafttiere und ganz viele Tränen

Eine bunt schillernde Libelle schmückt ein ganz zauberhaftes Cover, hinter dem sich eine tief emotionale, bewegende, berührende und besondere Geschichte verbirgt. Kimberly hat einen Liebesmenschen verloren, ihr Mann starb bei einer OP, unverhofft. Tags zuvor hat Kimberly sich noch auf seine Entlassung gefreut. Doch von einer Sekunde auf die andere, ist ihre Welt eine andere. Es sind immer nur Sekunden…
Extrem intensiv begegnet man den Gedanken, Gefühlen und Erlebnissen, die Kimberly beschreibt, wenn eine geliebte Person stirbt. Es ist die schonungslose Realität, die die, die weiterleben „dürfen“, aushalten müssen. Kimberly will es nicht nur aushalten sondern durchleben, um danach weiterleben zu können ohne unterzugehen.
Ihre Worte gehen direkt über ins Fühlen. Ein Weg voller Mut und Stärke, ohne Schnörkel, mit scharfen Kanten und harten Ecken – ein vergleichloser Kraftakt auf dem gezwungenen Weg zu einem neuen Selbst. Und mit ganz viel Weinen, nicht nur Kimberley laufen in diesem Buch die Tränen…
Was es mit der Libelle auf sich hat, erfahren wir im Verlauf des Buches.
Die Natur ist ein immenser Kraftspender: Waldbaden, Bachabtauchen und immer wieder Libellen.
Die Erzählung von Kimberley erscheint phasenweise sehr bunt, beflügelt, besonders und vielfältig, so wie das Leben – und das ist es ja (für sie) auch. Doch die stillen Herz- & Schmerzmomente sind immer wieder eingestreut, prägnant und heftig.
Wackelpudding-Knie, die Zeit des reinen Funktionierens direkt nach dem Tod, der Schockzustand und als er nachläßt, die Realität, die plötzlich mit Wucht Einzug in den Alltag nimmt, Ablenkungen, Angstzustände & Panikattacken, aber auch klare Momente… und immer wieder Tränen, die einfach so laufen, bewußt und unbewußt und auch, um zu verarbeiten und zu heilen.
Kimberly hat ein starkes Netzwerk um sich herum, das sicher dazu beiträgt, irgendwo und irgendwie aufgefangen zu werden. Ein Stück Selbstöffnung gehört dazu. Wie geht es aber Menschen, die allein dort hineinfallen…?

Das Buch macht traurig und es macht angst, weil man sich ungern damit auseinandersetzen möchte, es macht aber auch neugierig, wie man damit umgehen kann und es birgt Überraschendes.
Unweigerlich wird man in die Tiefe des Erlebens und die Schmerzen der Trauer hineingerissen, aber auch in das Auftauchen und die Verarbeitung. Es ist krass. Weinen tue ich bei diesem Buch sowieso, aber diesen Schmerz ertragen als Betroffene?!
Zwischendurch mußte ich ein paar Tage Lesepause einlegen, denn man fühlt sich mit zunehmender, gelesener Seitenzahl wie eine Trauerbegleitung an Kimberley’s Seite und muß erst mal verarbeiten, was man mit ihr „erlebt“ und durchatmen.
An manchen Stellen ist ihr Alltag sehr bunt und quirlig, was vielleicht der Ablenkung dient, was aber fast ein bißchen überdreht erscheint. Das Buch ist ein Werdegang, Heilung durch Selbstheilung, und Kimberley ist eine sympathische Mut-machende Meisterin!
Ein sehr intensives Buch... man muß wissen, ob man es schafft, diese Schritte mit ihr zu gehen.
Zitat (S. 126):
Nichts hat mehr mit meinem Leben zu tun, weil es mein Leben nicht mehr gibt, obwohl ich am Leben bin!

Auf jeden Fall bitte Taschentücher bereitlegen!