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Test-LR

Bewertungen

Insgesamt 182 Bewertungen
Bewertung vom 04.12.2023
Vom Himmel die Sterne
Walls, Jeannette

Vom Himmel die Sterne


sehr gut

Eine starke Frau in harten Zeiten

Inhalt:
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"Nach Mamas Tod, als kleines Mädchen, versuchte ich mit aller Kraft, den Duke als meinen größten Helden zu sehen, einen, der mir die Sterne vom Himmel holen kann. Es gab also vieles, was ich nicht sehen wollte. Eigentlich schon mein ganzes verdammtes Leben lang." (S. 399)

Sallie Kincaid ist ca. 3 Jahre alt, als ihre Mutter unter mysteriösen Umständen stirbt. Ihr Vater, von allen nur "der Duke" genannt, ist ein mächtiger Mann im Claiborne County in Virginia zu Zeiten der amerikanischen Prohibition. Sie wächst bei ihm und ihrer Stiefmutter Jane auf mit ihrem neuen Halbbruder Eddie. Ihren Vater vergöttert sie. Doch dann passiert ein Unfall und sie wird zu ihrer Tante Faye auf Land gebracht. Erst mit 17 darf sie nach Hause zurück und freut sich. Doch dann stirbt ihr Vater und plötzlich muss sie sich nicht nur vielen neuen Herausforderungen stellen, sondern auch den vielen Familiengeheimnissen, die nach und nach zutage treten. Doch Sallie findet ihren eigenen Weg, sich in der harten, von Männern dominierten Welt zu behaupten.

Mein Eindruck:
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»Weißt du noch«, sagt sie, »wie du in Hatfield jedes Jahr gegen Ende des Winters mit der ersten Blutwurz des Jahres in der Hand nach Hause gerannt kamst? Diese Bergblumen sehen zart aus, aber sie sind zäh, und die kleine Blutwurz hat sich von nichts und niemandem aufhalten lassen, hat sich durch den gefrorenen Boden ans Licht gekämpft, um uns zu zeigen, dass der Frühling trotz der bitteren Kälte nah war. Du musst wie diese kleine Blutwurz sein, Sallie. Du musst dich durch Kälte und Dunkelheit nach oben kämpfen. Und wenn du es schon nicht für dich selbst tun willst, dann tu’s für diejenigen, die dich brauchen. Also iss.« (S. 204, Tante Faye zu Sallie)

Ich war angesichts der Beschreibung unsicher, ob das ein Buch nach meinem Geschmack wäre. Doch kaum hatte ich die ersten Kapitel gelesen, übte die Handlung eine Sogwirkung auf mich aus. Die Geschichte ist aus der Ich-Perspektive von Sallie geschrieben. Man merkt ihr die Ehrfurcht an, mit der sie ihren Vater vergöttert und ihm nachzueifern versucht. Entsprechend enttäuscht ist sie, als er sie wegschickt, nachdem ihr Bruder einen Unfall hatte. Der Leser erlebt dabei die Zeit der Prohibition nach dem Ersten Weltkrieg direkt aus Sallies Perspektive mit. Man taucht ein in die Atmosphäre und lernt viel über die Lebensweise der Menschen zu dieser Zeit. Hier herrschten oft raue Sitten, Menschen brannten und schmuggelten illegal Alkohol, vor allem Whiskey, um über die Runden zu kommen. Es gab Bandenkriege unter den Whiskeybrennern und Frauen hatten in dieser Welt nicht viel zu sagen. Sallie aber schafft es, sich durchzusetzen, indem sie quasi "ihren Mann steht". Sie kann gut Auto fahren und schießen und läuft auch öfter in Männerkleidung durch die Gegend, sodass sie von allen Seiten Respekt erfährt. Aber, wie sie selber sagt: "Ich bin nicht furchtlos. Ich fürchte mich bloß vor anderen Dingen als die meisten Menschen." (S. 382)

Hier ist der Punkt, in dem ich manchmal schwer Zugang zu ihr fand. Auf der einen Seite ist sie vom Tod naher Angehöriger erschüttert, aber greifbar und spürbar werden ihre Gefühle nicht beschrieben. Sie fürchtet sich vor Beziehungen, vor allem vor Männern, weil sie zu viele schlechte Erfahrungen in ihrem Umfeld mitbekommen hat. Sie will nie heiraten und doch gibt es den ein oder anderen Verehrer, dem sie etwas näher kommt. Aber das alles wird aus einer gewissen innerlichen Distanz heraus beschrieben. Ihr Handeln scheint stets vernünftig und nüchtern, auch wenn die Umstände oft dramatisch und tragisch sind, so konnte ich nie wirklich fühlen, was wohl in ihr vorging.
Das ist der einzige Kritikpunkt. Ansonsten passieren so viele Dinge in diesem Roman, dass ich das Buch bis zum Ende kaum aus der Hand legen konnte. Es kommen immer mehr tiefe Abgründe aus der Vergangenheit des Duke hervor und ich habe Sallie bewundert, wie sie nie aufgibt, für alles eine Lösung findet und am Ende ihren Weg geht.
Aufschlussreich war auch das Nachwort der Autorin, die darin erklärt, welche realen Figuren und Ereignisse für den Roman Pate gestanden haben. Ich habe dabei sehr viel über die Prohibition gelernt, über die ich bis dato noch nicht viel wusste.

Fazit:
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Sallie Kincaid ist eine Feministin zu Zeiten der Prohibition - spannend und aufschlussreich geschrieben!

Bewertung vom 30.11.2023
Der Totengräber und der Mord in der Krypta / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.3
Pötzsch, Oliver

Der Totengräber und der Mord in der Krypta / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.3


ausgezeichnet

Spannender 3. Fall für Leo und Julia

Cover:
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Auch das Titelbild des 3. Bandes passt gut zur Reihe. Diesmal ist es ein grünlicher Schimmer, der sich vom Sarg aus über Wien ergießt. Guter Wiedererkennungswert und es wirkt leicht mystisch und macht neugierig. Sehr gelungen.

Inhalt:
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Gerade als Inspektor Leopold von Herzfeldt Julia zu ihrem Geburtstag in die Oper entführt, um dort die berühmte Operndiva Maria Vanotti zu bewundern, werden sie von ihrem Chef Oberpolizeirat Moritz Stukart abgefangen. Es ist ein heikler Fall, um den sich Leo kümmern soll: Es wurde ein Toter in der Krypta unter dem Wiener Stephansdom gefunden. Dieser war der beste Freund von Stukart. Er hatte sich viele Feinde gemacht, da er zum einen Jude war und zum anderen ein Gelehrter, der Betrug hinter spiritistischen Sitzungen aufdeckte. Stukart bittet Leo persönlich darum, den Fall aufzuklären. Kurze Zeit später erscheint ein Junge auf dem Friedhof von Augustin Rothmayer und bricht blutüberströmt zusammen. Er ist ein Bekannter von Augustins Adoptivtochter Anna und hinterlässt Hinweise, dass im nahe gelegenen Waisenhaus immer wieder Jungen verschwinden. Es heißt, der Nachtkrapp hätte sie geholt. Und dann verschwinden auch ab und zu Totenschädel aus den Friedhofsgräbern. Leo hat zunehmend den Verdacht, dass die Fälle miteinander zusammenhängen könnten. Und natürlich mischen sich auch immer wieder Julia und Augustin in die Ermittlungen ein, ohne Rücksicht auf die Gefahr, in die sie sich begeben.

Mein Eindruck:

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"Die Leute erzählen sich, auf diesem Friedhof würde es spuken. Tatsächlich gibt es in Wien und Umgebung keinen Ort, wo mehr Spukphänomenen gesichtet werden. Und wen wundert's? So viele ungeklärte Schicksale, so viel Schmerz und Traurigkeit ... Vielleicht ist Spuk ja nichts anderes als die Traurigkeit über einen unerwarteten Tod von jemandem, der mitten aus dem Leben gerissen wurde. Eine Aura, die in der Luft zurückbleibt wie ein schlechter Geruch." (S. 67)

Ich habe die ersten beiden Bände mit Genuss verschlungen und war auf diesen Band sehr gespannt. Wie in jedem Band beginnen einige Kapitel mit Auszügen aus dem neuen Buch, das der Totengräber Augustin Rothmayer gerade schreibt. Dieses Mal geht es um "Spuk und Geistererscheinungen". Durch diese Passagen erfährt man einiges Interessantes aus der frühen Forschung zum Thema Spukerscheinungen und zudem hat der Ausschnitt auch immer etwas mit dem Inhalt zu tun und man liest neugierig weiter. Zu Beginn jedes Kapitels findet man ein Pentagramm, sodass das Thema Séance und Geister auch optisch präsent ist. Leo hat es diesmal mit sehr vielen mysteriösen Ereignissen zu tun. Trotz aller Versuche, eine logische Erklärung zu finden, ist mir beim Lesen doch immer mal wieder ein Schauer über den Rücken gelaufen. Der Fall bzw. die einzelnen Fälle sind sehr verzwickt und es gibt einige überraschende Twists mit einer unvorhersehbaren, aber schlüssigen Aufklärung.
Die Beziehung zwischen Leo und Julia bekommt zwar einerseits frischen Wind durch einen alten Freund von Julia, der Leos Eifersucht entfacht, aber so richtig weiter entwickelt sie sich nicht. Als Ermittler sind sie jedoch nach wie vor ein gutes Team, wenngleich die Kommunikation zwischen den beiden manchmal zu unnötigen Gefahrensituationen führt.
Besonders gefallen hat mir das Auftauchen eines gewissen berühmten englischen Krimiautors, der einen wesentlichen Anteil am Gelingen des Falles hat. Die gelegentlich eingestreuten Anspielungen auf britische Krimiliteratur und die Briten an sich sorgten bei mir für einige amüsante Momente. Das kurze Glossar der wienerischen Sprache sowie das aufklärende Nachwort des Autors am Ende des Buches hat das Ganze für mich rund gemacht. Ich bin schon sehr gespannt, welches Thema dem nächsten Fall zugrunde gelegt wird und hoffe, dass die Beziehung von Leo und Julia endlich eine wesentliche Weiterentwicklung erfährt.

Fazit:
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Spannender Fall im historischen Wien rund um Spuk und Séancen mit überraschenden Twists und schlüssiger Auflösung.

Bewertung vom 22.11.2023
Vogel ohne Flügel
Hintermann-Famos, Seraina

Vogel ohne Flügel


ausgezeichnet

Wie ein Vogel mit gestutzten Flügeln

Cover:
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Eine Frau im Rollstuhl sitzend, schaut auf dem offenen Feld der auf- oder untergehenden Sonne entgegen und über ihr fliegen Vögeln in den Himmel. Dieses Bild passt sehr gut zur Stimmung im Buch: Sehnsucht gepaart mit Hoffnung.

Inhalt:
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Seraina Hintermann-Famos ist ausgebildete Logotherapeutin und Psychologin. Sie ist Pfarrfrau und dreifache Mutter und grundsätzlich eine sehr optimistische Person. Vor über 20 Jahren erhält sie die Diagnose, dass sie eine aggressive Form der Krankheit Multipler Sklerose (MS) hat. Diese Krankheit schränkt sie im Verlauf der Zeit immer weiter ein, es fühlt sich an wie das stetige Stutzen von Flügeln. Dennoch versucht sie, das Positive zu sehen, anderen zu helfen und das Beste aus der verbleibenden Mobilität zu machen. Unterstützt wird sie dabei von ihrer Familie, aber auch Gemeindemitgliedern und Pflegekräften.
In diesem Buch gibt sie Einblicke in ihren Alltag und erläutert ihre Krankheit anhand von Fachartikeln. Zudem schildert sie auf mal nachdenkliche, mal humorvolle Art, wie sie sich ihren Optimismus bewahrt anhand von Glauben an Gott, aber auch mithilfe der Logotherapie und lässt ihren Mann und ihre Freundin und Co-Autorin zu Wort kommen.

Mein Eindruck:
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Ich hatte schon von MS gehört, aber keinen näheren Kontakt zu erkrankten Personen. Welche Formen es gibt und wie sich die Krankheit auswirken kann, wusste ich bis dato nicht. Daher wollte ich dieses Buch lesen. Trotz der Schwere der Krankheit, die man besonders im beschriebenen Alltag bemerkt, empfand ich ihre Schilderungen als sehr lebendig und lebensbejahend. Sie hat eine klare Art, die Dinge auf den Punkt zu bringen und dabei blitzt auch immer wieder Humor durch, der alles etwas leichter macht.
Durch ihr Studium der Psychologie und Weiterbildung zur Logotherapeutin hat sie selbst zuvor Menschen in schweren Situationen geholfen. Bei sich selbst ist dies natürlich immer etwas schwerer, aber sie ist eine Kämpfernatur. Schon vorher hat sie sich durchboxen müssen, hatte es nicht leicht in der Schule und hat sich ihr Studium hart erarbeitet. Den Glauben an Gott hat sie auch erst im Erwachsenenalter gefunden. Man merkt, dass der Glaube eine tragende Kraft für sie ist, aber sie sagt selber, dass dieser nicht für alle Menschen so sein muss. Die von ihr angewendeten Methoden der Logotherapie kann jedoch jeder anwenden, auch in anderen Krisensituationen als bei Krankheit. Ich hatte davon noch nie was gehört, aber jede Menge gelernt und gute Tipps auch für meinen Alltag darin gefunden. Klasse fand ich auch ihre Reisefreudigkeit: Sie haben bis heute kein Auto und Reisen hat sie mit ihrer Familie bzw. mit ihrem Mann immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln, vor allem mit dem Zug zurückgelegt. Auch im Rollstuhl: Was für eine logistische Leistung!
Gut gefiel mir auch die Darlegung ihrer Zweifel. So setzt sie sich auch mit dem Thema Sterbehilfe auseinander, weil es ihr unangenehm ist, auf andere angewiesen zu sein und ihnen zur Last zu fallen. Auch Probleme mit Ärzten und Pflegepersonal und unangenehme Situationen in Pflegeheimen kommen zur Sprache.
Mein Highlight waren noch die Fotos in der Buchmitte. Sie sind chronologisch angeordnet, sodass man die einzelnen Stadien ihres Lebens und der Krankheit mitverfolgen kann.
Zum Schluss ging es um das Thema Resilienz und die Auswirkung der Krankheit auf ihre Ehe. Hier sind sowohl sie als auch ihr Mann sehr offen und ehrlich, das hat mir imponiert.
Obwohl vieles angesprochen wurde in dem Buch, hätte ich mir an mancher Stelle noch etwas tiefere Einblicke gewünscht, so wie z. B. die Kämpfe mit den Krankenkassen, den Antragswahn für Pflegemittel o. ä. Die Gedichte am Ende hätte es m. E. nicht gebraucht. Trotzdem ein sehr mutmachendes und erhellendes Buch!

Fazit:
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Kleines, aber feines Buch mit gutem Einblick in das Leben mit MS und Tipps zum positiven Umgang mit Krisensituationen

Bewertung vom 21.11.2023
Workbook Gendern
Andrea Görsch; Katha Rosenbohm

Workbook Gendern


ausgezeichnet

Gendern verständlich für alle

Kurzrezension:
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Dies ist ein Arbeitsheft, das mit gut 40 Seiten im DIN-A4-Format alle wichtigen Beispiele und Erläuterungen zum Thema Gendern aufführt.

Man kann dem Thema Gendern gegenüber kritisch eingestellt sein. Das bin ich zugegebener Maßen auch. Dennoch führt kein Weg drum herum, sich in der heutigen Zeit damit zu beschäftigen.
An dieser Stelle kommt das Workbook ins Spiel, bei dem dieses Thema in einem kompakten Rundumschlag behandelt wird. Im Einstieg werden zunächst alle Möglichkeiten des Genderns aufgeführt. Dann geht es auch schon in den Praxisteil mit dem Werkzeugkasten. Hier wird jedem Gender-Werkzeug ein Kapitel gewidmet, in dem Beispiele, Vor- und Nachteile des Werkzeugs übersichtlich erörtert werden. Zum Schluss erhält man einige gute Argumentationshilfen für das Gendern und es gibt einen größeren Block zum Üben und Vertiefen der Materie. Am Ende ist Platz für eigene Notizen und es werden eine Reihe weiterführender Bücher, Internetlinks und Workshops aufgeführt zur intensiveren Bearbeitung der Thematik.
Als Arbeitshilfe bei der täglichen Arbeit finde ich das Heft sehr gelungen, hier hat man alles übersichtlich und verständlich direkt zur Hand. Um sich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist u. a. die erwähnte Literatur zu dem Thema zu empfehlen.

Fazit:
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Eine übersichtliche und praxistaugliche Arbeitshilfe für alle, die sich mit dem Thema Gendern befassen wollen oder müssen

Bewertung vom 17.11.2023
Insel der wandernden Flüche - Skys Gabe
Blase, Tina

Insel der wandernden Flüche - Skys Gabe


ausgezeichnet

Sky Lamar und die Flüche

Gestaltung:
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Das Buch ist megaschön! Das Titelbild ist in blauen und violetten Tönen gehalten. Es wirkt alles etwas gruselig, aber vor allem geheimnisvoll. Die Schrift ist hervorgehoben und fühlt sich haptisch gut an. Natürlich darf der tolle Farbschnitt nicht unerwähnt bleiben, der das Titelbild über die Seiten weiterführt. Ein weiteres Schmuckstück für mein Regal.

Inhalt:
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Sky Lamar lebt bei ihrer Mutter, die als Hotelmanagerin von einem Ort zum nächsten zieht, über Kontinente hinweg. Der Vater ist unbekannt. Als sie für einen Job nach Afrika ziehen will, möchte Sky nicht mit. Sie möchte lieber ein neues Zuhause auf der schottischen Insel Sidh finden. Ihre Mutter vor vielen Jahren aus der Heimat weggezogen und möchte nicht mehr zurückkehren. Aber Skys Großvater und ihre Großtante wohnen noch dort und bei Ihnen fühlt sich Sky wohl. Allerdings nicht auf Dauer, denn gleich am ersten Tag trifft sie Rory MacLeod, den Sohn eines Clans, der mit den Lamars seit ewigen Zeiten verfeindet ist. Und dann geschehen seltsame Dinge auf der Insel und Sky erfährt, dass die Insel verflucht ist. Doch nicht nur das: Sie scheint mit den Flüchen auf seltsame Weise verbunden zu sein. Je mehr sie versucht, den Dingen auf den Grund zu gehen, desto gefährlicher wird es für sie.

Mein Eindruck:
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"Sie träumt von der Welt draußen, einer Welt ohne Flüche und Clanfehden, einer Welt, in der wir frei sein können. Aber ich glaube, so einfach ist es nicht. Ich glaube, Flüche gibt es auf die eine oder andere Weise überall, nicht nur auf Sidh, und Freiheit beginnt zuallererst in unseren Köpfen." (S. 227)

Ich wurde zunächst durch die schöne Gestaltung und den geheimnisvollen Klappentext auf das Buch aufmerksam. Doch kaum hatte ich die ersten Sätze gelesen, zog mich auch die Geschichte in ihren Bann. Die Handlung ist aus Skys Perspektive in der Ich-Form geschrieben. So ist der Leser nicht nur mitten im Geschehen, sondern auch in ihren Gefühlen und Gedanken. Die Handlung ist spannend bis zum Schluss, vor allem weil die Flüche und Skys Reaktionen darauf immer wieder für neue Spekulationen sorgen.
Zwischen Rory und Sky knistert es von Beginn an, aber die Begegnungen sind nie kitschig, sondern häufig humorvoll und mit einem überraschenden Twist versehen.
Außerdem gelingt es der Autorin, interessante Fakten über die Traditionen, Gebräuche und die Historie der Schotten passend in den Plot einzuflechten.
Die Auflösung, wer hinter den neuen Flüchen steckt, hat mich überrascht und war aufregend erzählt und schlüssig. Am Ende bleibt jedoch ein kleiner Cliffhanger, der mich jetzt schon gespannt auf den zweiten Band hoffen lässt, der leider erst in einem Jahr erscheinen soll. Obwohl ich lange aus dem Zielgruppenalter raus bin, hat mich dieser Jugendroman restlos begeistert.

Fazit:
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Toller Auftakt zu einer spannenden Trilogie über Schottland, Flüche und die Magie der Freundschaft

Bewertung vom 13.11.2023
Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2
Yokomizo, Seishi

Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Kosuke Kindaichi ermittelt wieder!

Gestaltung:
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Titel und Titelbild sind passend zur Reihe in schwarzen und roten Tönen gehalten. Die Silhouette des Mädchens von oben macht sehr neugierig. Der weiße Kreis in der Mitte bietet Wiedererkennungswert. Insgesamt ist die ganze Gestaltung wie bei Band 1 sehr hochwertig. Der Umschlag ist wieder ungewöhnlich: vorne wie ein Hardcover, innen durch zwei Klappen die Andeutung eines Schutzumschlags. Insgesamt ist die Gestaltung auch hier wieder sehr gelungen.

Inhalt:
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Japan im September 1946: Seit dem ersten Fall "Die rätselhaften Honjin-Morde" ist einige Zeit vergangen. Detektiv Kosuke Kindaichi wurde indessen im Zweiten Weltkrieg eingezogen und kehrt nun zum Glück unversehrt zurück. Bei seiner Rückkehr macht er einen Umweg über die Insel Gokumon. Der Name bedeutet "Höllentor". Er soll dort Familienangehörigen von Chimata, seinem Freund aus Kriegstagen, mitteilen, dass dieser verstorben ist. Chimata hatte ihn vor seinem Tod darum gebeten. Des weiteren bat er Kosuke darum, Chimatas drei Schwestern davor zu bewahren, ermordet zu werden. Kaum hat Kosuke den Angehörigen seine Botschaft übermittelt, fällt bereits die erste Schwester einem Mord zum Opfer. Ihr Tod gibt Kosuke einige Rätsel auf und bei diesem einen Mord bleibt es leider nicht.

Mein Eindruck:
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Zu Beginn empfängt den Leser ein umfangreiches Personenregister, das durch sein Volumen auf mich erst mal etwas abschreckend wirkte. Doch beim Lesen kam ich nach und nach rein und fand mich zwischen den Charakteren immer besser zurecht.
Die Geschichte beginnt sehr ruhig und auch nachdem der erste Mord geschehen ist, steigern sich die Ereignisse nur in mäßigem Tempo. Dennoch empfand ich es nie als langweilig, weil ich beim Lesen die ganze Zeit miträtseln konnte. Zudem vermag der Detektiv mich mit seinem trockenen Humor und seiner Art wie Columbo immer wieder zu amüsieren. Die Auflösung des Falles war überraschend, vielleicht etwas zu sehr konstruiert und wirklichkeitsfremd, aber dies ist bei japanischen Krimis wohl so üblich. Da tickt die japanische Kultur anders als die europäische. Dennoch hat mir der Schluss gut gefallen, bei dem sich alle Puzzleteile zu einem Ganzen fügten.
Ich hatte bereits den ersten Band mit Genuss gelesen und mochte sowohl den ruhigen Erzählstil eines unbekannten Ich-Erzählers als auch die Tatsache, dass ähnlich wie bei Agatha Christie eher das Rätselraten im Vordergrund steht und man nebenher einiges über die japanische Geschichte und Tradition erfährt. Diesem Stil ist der Autor auch im zweiten Teil treu geblieben.
Am Ende des Buches gibt es ein Glossar, in dem die japanischen Begriffe sowie einige historische Hintergründe erläutert werden. Dies empfand ich als sehr aufschlussreich, auch wenn es den Lesefluss etwas gehemmt hat. Fußnoten wären m. E. hier die bessere Wahl gewesen, aber das ist leider außerhalb wissenschaftlicher Publikationen aus der Mode gekommen.
Insgesamt hat mir die Fortsetzung genauso gut gefallen wie Band 1. Die Übersetzerin hat auch hier tolle Arbeit geleistet und ich freue mich auf die weiteren Fälle.

Fazit:
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Auch der zweite Fall von Kindaichi konnte mich überzeugen!

Bewertung vom 13.11.2023
Mit kalter Präzision / Die Sabine Yao-Reihe Bd.1
Tsokos, Michael

Mit kalter Präzision / Die Sabine Yao-Reihe Bd.1


gut

Erster Fall für Sabine Yao

Inhalt:
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Rechtsmedizinerin Dr. Sabine Yao hat vorher an der Seite von Dr. Fred Abel gearbeitet und tritt nun seine Nachfolge an. In ihrem ersten eigenen Fall befasst sie sich zunächst mit dem Tod der Ehefrau des Schönheitschirurgen Roderich Kracht. Da dieser ein sehr einflussreicher und angesehener Mann ist, ist der Fall besonders heikel. Alles deutet zunächst darauf hin, dass Kracht nichts mit dem Tod zu tun hat. Doch dann ergeben sich Unstimmigkeiten bei der Bestimmung des Todeszeitpunkts und auf einmal merkt Yao, dass es möglicherweise auch bei anderen Todesfällen Zusammenhänge mit Kracht geben könnte. Doch dies gerichtsfest nachzuweisen ist nicht so einfach. Und während der Ermittlungen merkt Yao nicht, dass sie sich selbst in tödliche Gefahr begibt.

Mein Eindruck:
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Ich hatte schon viel über Michael Tsokos und seine Gerichtsthriller gehört. Dennoch war dies der erste Roman, den ich von ihm gelesen hatte. Somit musste ich mich erst mal mit der Protagonistin Sabine Yao vertraut machen und auch ihr Chef Prof. Paul Herzfeld und ihr Ex-Kollege Dr. Fred Abel kommen dieses Mal wieder vor. Diesbezüglich ist es Herrn Tsokos gelungen, mich abzuholen. Die Charaktere werden ausreichend beschrieben und ich kam schnell in die Handlung hinein.
Eigentlich lese ich gerne Krimis mit realen Hintergründen und bin auch an rechtsmedizinischen Themen sehr interessiert. Obwohl der Fall sehr raffiniert ist und man dabei viel über Todesstarre und deren Beeinflussung sowie über Gifte und Möglichkeiten der Strangulation erfährt, empfand ich viele Passagen als zu ausführlich und vor allem zu nüchtern ausgeführt. Der Lesefluss wurde durch zu detaillierte Beschreibungen der Tatorte und der medizinischen Details immer wieder unterbrochen. Es wirkte, als wäre der Autor einen Tick zu bemüht, sein umfangreiches Fachwissen unbedingt in die Handlung einbringen zu müssen. Durch die Einschübe, in denen die Handlung sich mit der Schwester von Sabine Yao befasst, die in einer psychiatrischen Klinik verweilt und um die sie sich sehr sorgt, hätte es meiner Ansicht nach auch nicht bedurft. Sie ziehen die Handlung unnötig in die Länge.
Sabine Yao wirkt auf mich wie der perfekte Mensch, der seine Emotionen immer unter Kontrolle hat und für den Arbeit stets an erster Stelle steht. Es mag solche Charaktere geben, aber für mich ist sie dadurch einen Hauch zu perfekt und unnahbar und ich konnte wenig Empathie für sie aufbringen.
Alles in allem ist dies für mich weniger Thriller als gerichtsmedizinischer Krimi. Erst gegen Ende nimmt die Spannung stark zu, aber das betrifft nur geschätzt das letzte Viertel des Romans.

Fazit:
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Ein Krimi mit zu viel Detailverliebtheit und Szenen, die die Handlung unnötig in die Länge ziehen. Gerichtsmedizinisch sehr aufschlussreich!

Bewertung vom 27.10.2023
Bei euch ist es immer so unheimlich still
Schröder, Alena

Bei euch ist es immer so unheimlich still


ausgezeichnet

Schweigen ist nicht immer das Beste!

Inhalt:
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Die 33-jährige Silvia hat vor kurzem ein Kind bekommen. Der Mann hat sich direkt nach der Bekanntgabe der Schwangerschaft getrennt. Silvia fühlt sich in ihrer Berliner WG eingeengt und hat angesichts der Geburt ihrer Tochter Hannah den Wunsch, mit ihrer Mutter Evelyn zu reden. Seit sie vor vielen Jahren ihre Heimatstadt Ildingen verlassen hat, hatten sie keinen Kontakt zueinander. Es gab zu viele unausgesprochenen Verletzungen und einige Geheimnisse, die bis heute unbeantwortet blieben. Wird es Silvia gelingen, mit ihrer Mutter, ihrer Vergangenheit und auch mit sich selbst ins Reine zu kommen?

Mein Eindruck:
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"Kurz hatte Silvia den Impuls, Hannah zu schnappen und sie Evelyn in die Arme zu legen. So wie an ihrem ersten Tag zu Hause in Ildingen. Wie eine Wärmflasche, aber für den Gefühlshaushalt. Vielleicht würde dieser Eisberg ja doch ein bisschen antauen. Vielleicht würde dann ja doch etwas ins Rutschen geraten. Es wäre allerhöchste Zeit."

Die Geschichte beginnt in der Zeit kurz vor dem Mauerfall 1989, die Aufbruchstimmung ist spürbar. Die Handlung wird dabei abwechselnd von der Zeitebene erzählt, in der Evelyn ihren Mann kennenlernt und eine Familie gründet (1950er-Jahre) und der, in der Silvia wieder auf ihre Mutter trifft. Die Perspektiven wechseln hauptsächlich zwischen Silvia und Evelyn, aber auch andere Perspektiven wie die von Silvias Tante Betti, Silvias Vater und einigen Nebenfiguren werden eingestreut. Die Erzählstränge der unterschiedlichen Zeitebenen sind so gestaltet, dass permanent Spannung aufgebaut wird. Spätestens ab dem ersten Drittel konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Es gab so viele Geheimnisse, die nach und nach aufgedeckt wurden und die vielen Fäden fügten sich am Ende auf überraschende Weise schlüssig zusammen, dass das Buch von Anfang bis Ende eine Sogwirkung auf mich ausübte.

"Als Silvia später wieder in ihrem alten Kinderzimmer auf dem Bett saß und ihre schlafende Tochter betrachtete, fasste sie einen Entschluss. Wenn sie das nächste Mal Frau Hagerle besuchen würde, wollte sie Hannah mitnehmen. Und auch wenn sie noch nicht wirklich wusste, was für ein Leben sie sich für sich und ihre Tochter vorstellte, war sie doch wild entschlossen, ihr Kind nicht in Sprachlosigkeit und Stille aufwachsen zu lassen. Hannah sollte sich niemals zur Nachbarin flüchten müssen, um ein bisschen Chaos und Lebendigkeit und Wärme zu erleben."

Mir gefiel der Sprachstil sehr gut. Die Autorin verwendet treffende Worte, um die Sprachlosigkeit in der Familie, die unausgesprochenen Erwartungen und die Konsequenzen der betroffenen Personen zu beschreiben. Besonders das Leben nach dem Zweiten Weltkrieg wird gut eingefangen: Traumata der Kriegsrückkehrer, der Zwiespalt der Frau, einerseits Hausfrau und Mutter sein zu müssen, gleichzeitig aber durch Berufstätigkeit nach mehr Anerkennung und Karriere zu streben oder lieber ohne Mann das Glück zu versuchen. Auf dem Land deutlich schwieriger als in der Stadt, da hier gilt, das man von den Nachbarn stets beobachtet und be- oder gar verurteilt wird. Das mag an mancher Stelle klischeehaft scheinen, aber ich denke, dass es tatsächlich häufig so der Tatsache entsprach.
Durch Zufall habe ich durch die Leseprobe am Ende des Buches entdeckt, dass dies der 2. Teil der Borowski-Familienerzählung ist, also der Nachfolger von "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid". Diesen kenne ich noch nicht, aber nachdem ich die Geschichte um Silvia und ihre Mutter verschlungen habe, werde ich mit Sicherheit auch die von Hannah, ihrer Großmutter und deren Mutter in Erfahrung bringen wollen. Die Reihenfolge ist dabei sicherlich egal, denn es stehen unterschiedliche Beziehungsebenen in den Romanen im Fokus.

Fazit:
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Fesselnd erzählte Geschichte über unausgesprochenen Erwartungen, Sehnsüchte und die Neufindung einer Mutter-Tochter-Beziehung

Bewertung vom 27.10.2023
Die Schwabinger Morde / Fräulein Anna, Gerichtsmedizin Bd.2
Aicher, Petra

Die Schwabinger Morde / Fräulein Anna, Gerichtsmedizin Bd.2


ausgezeichnet

Anna und Fritz ermitteln wieder!

Inhalt:
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1914: Nach ca. 2 Jahren hat sich Anna gut in der Münchner Gerichtsmedizin eingearbeitet. Aber dann landet ein toter Säugling auf dem Obduktionstisch und der Fall geht Anna näher, als sie möchte. Die Mutter ist nicht auffindbar, und als sie mithilfe von ihrem Freund Fritz Nachtwey die Ermittlungen aufnimmt, stößt sie auf unerwartete Geheimnisse der Münchner Gesellschaft und es gibt weitere Tote.

Mein Eindruck:
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»Auch die Aussetzung eines Kinds ist schließlich strafbar. Die Zahl der Kindstötungen steigt in letzter Zeit leider an. Weil die Männer im Krieg sind, wissen viele Frauen anscheinend kaum noch, wie sie die Kinder ernähren sollen, die sie haben. Geschweige denn, wie sie ein weiteres Mäulchen stopfen könnten, das sie noch dazu daran hindert, eine Stelle anzunehmen. Das wird in den nächsten Monaten sicher noch schlimmer werden.« Er lächelte bitter. »Einmal ganz abgesehen davon, dass sicher viele Verlobte in der Nacht, bevor sie sich den Tornister auf den Rücken schnallten, von ihren Mädchen zärtlichen Abschied genommen haben. Mit manchen unerwünschten Folgen.«

Nachdem ich den ersten Teil bereits verschlungen habe, musste ich unbedingt wissen, wie es mit Fritz und Anna weitergeht. Dabei stand im ersten Band das Verbrechen zugunsten der Beziehungsgeschichte der beiden anfangs eher im Hintergrund. Mir gefiel vor allem, dass sich trotz der vielen Plänkeleinen der beiden eher eine feste Freundschaft anbahnt als eine Liebesbeziehung. In diesem Band ist diese Freundschaft bereits gefestigt und mir gefiel auch, dass sich die Beziehug zwischen der Polizei und dem privat ermittelnden Duo Anna und Fritz gebessert hat. Auf diese Weise bieten sich für den Fall noch bessere Ermittlungsmöglichkeiten. Diesmal hält der Fall den Leser durchgehend in Atem. Bis fast zum Schluss tappte ich im Dunkeln, wer der tatsächliche Täter und das Motiv bei all dem ist. Es werden einige falsche Spuren gelegt und erst nach und nach fügen sich die Puzzleteile zueinander.

"Und ja, Friedrich hatte sie genutzt. Seit Johann Senftls Firmen einen großen Teil ihrer Produktion auf Erzeugnisse für die Armee umgestellt hatten, akzeptierte man höheren Orts offenbar, wenn die gesamte Familie der Ansicht war, ihre Schuldigkeit fürs Vaterland getan zu haben. Weynand war freigestellt worden, ohne auch nur darum ersucht zu haben. Sehr zur Beschämung seines Vaters, dem das Deutsche Reich über alles ging, selbst über das Königreich Bayern, und seines Bruders Otto, der als Kavallerieoffizier irgendwo unter dem Oberbefehl des Kronprinzen Rupprecht in Belgien stand."

Neben dem Kriminalfall gibt es noch einiges Interessantes aus der Gesellschaft der damaligen Zeit zu entdecken. Auch das Kriegsgeschehen und die persönlichen Einschläge, die es bei den Protagonisten hinterlässt, sind spürbar.
Ich finde diesen Teil fast noch besser als den ersten. Da ich aber keine sechs Punkte geben kann, gebe ich auf jeden Fall gerne die volle Punktzahl und kann den nächsten Teil kaum erwarten!

Fazit:
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Ein gelungener historischer Krimi vor der Kulisse des Ersten Weltkriegs in München: Noch fesselnder als Band 1!

Bewertung vom 24.10.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


sehr gut

(Über-)Leben in den Hamptons

Cover:
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Das Titelbild wirkt nüchtern mit der ausgestreckten Hand vor grünem Hintergrund. Leider kein Eyecatcher.

Inhalt:
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Alex ist eine getriebene junge Frau. Sie wohnt in der Stadt in einer WG. Ihr Leben scheint von allen möglichen Drogenarten durchzogen, die allergrößte Droge sind jedoch Affären mit Männern, die ihr als Unterhalt dienen und die nie eine dauerhafte Beziehung versprechen. Sie verschwinden genauso schnell, wie sie in ihr Leben traten. Das ändert sich, als Alex Simon kennenlernt. Er ist attraktiv und erfolgreich und lädt sie ein, zu ihm in die Hamptons zu kommen, ein Wohlhabendenviertel außerhalb der Stadt. Er möchte sie als Gast bei einer großen Party, die eine Woche später stattfinden soll. Für Alex scheint es der Sprung raus aus ihrem bisherigen in ein besseres Leben zu sein. Doch dann gibt es Streit, Alex wird rausgeworfen und ein Mann aus ihrer Vergangenheit ist plötzlich hinter ihr her. Doch Alex klammert sich an die Einladung von Simon. Ihr Ziel: Durchhalten bis zum besagten Tag der Party, in der sie Simon sicher wieder in seine Arme nehmen wird.

Mein Eindruck:
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"Sie hatte schon früh gelernt, dass es notwendig war, eine gewisse Distanz zu wahren. Ein paar Unwahrheiten aufrechtzuerhalten. Es war einfach und wurde immer einfacher. Und war es nicht besser, den Leuten zu geben, was sie wollten? Ein Zwiegespräch als reibungslose Transaktion geführt - ein seidenweiches Hin und Her ohne Einbruch der Realität. Fast alle bevorzugten die Geschichte. Alex hatte gelernt, sie zu liefern, hatte gelernt, wie man die Leute in den Bann zog mit einer Vision ihrer selbst, erkennbar, aber zehn Stufen höher gedreht, verstärkt zu etwas Besserem. Hatte gelernt, auf ihre eigenen Begierden anzuspielen, als wären es gemeinsame Begierden. Irgendwo, tief in ihren Hirnen, feuerten die Synapsen und tuckerten in die Richtung, die sie vorgab. Die Leute waren erleichtert, dankbar, sich einzuklinken in etwas Größeres, Leichteres.
Und es tat gut, jemand anders zu sein. Zu glauben, und sei es nur einen halben Moment lang, die Geschichte sei anders. Alex hatte sich ausgemalt, was für eine Person Simon gefallen würde, und das war die Person, die Alex ihm vorgab zu sein. Alex' ganze abgeschmackte Vergangenheit wurde herausgelöst, bis es sogar ihr selbst allmählich so vorkam, als wäre nichts davon je passiert."(S. 26)

Dieser Roman hat von Anfang an einen großen Sog auf mich ausgeübt. Dabei ist der Schreibstil beschreibend und nüchtern. Alex selber ist mir unsympathisch, schon aufgrund ihres Lebensstils. Und dennoch fieberte ich von Kapitel zu Kapitel mit ihr. Zum einen liegt das an ihrem Durchhaltevermögen. Sie klammert sich mit aller Kraft an die Vorstellung, dass sie mit Simon wieder vereint wird und ein besseres Leben führen wird. Zum anderen ist es immer wieder überraschend und auch amüsant, wie sie von einer Situation in die nächste rutscht, Menschen der höheren Gesellschaftsschicht kennenlernt und mit den unausgesprochenen Gepflogenheiten und Erwartungen der anderen spielt. So schafft sie es immer wieder, ihren Aufenthalt in den Hamptons zu verlängern. Ich fieberte die ganze Zeit mit, was als nächstes kommt und vor allem erwartete ich das Finale mit großer Spannung.

"Mh", machte Alex, ein hinreichend wertneutraler Lückenfüller, und dies schien völlig akzeptabel. Unglaublich, wie wenig man tatsächlich geben musste. Die Leute wollten einfach nur sich selbst reden hören, und die Reaktion des Gegenübers war ein Komma zur Gliederung ihres Monologs. (S. 52f)

Besonders gefiel mir an diesem Roman der scharfe und oft ironische Blick der Autorin auf unsere Gesellschaft bzw. vielmehr auf die "High Society" Amerikas. Da werden so viele Klischees aufgedeckt und damit gespielt, dass ich oft schmunzeln musste. Leider war genau zum erwarteten Ende plötzlich die Luft raus und das Ende des Romans ließ mich enttäuscht zurück. So als hätte man die Luft plötzlich aus einem Ballon entweichen lassen. Sehr schade, dafür gibt es einen Punkt Abzug.

Fazit:
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Gesellschaftskritischer Roman über die High Society Amerikas mit hoher Sogwirkung, aber enttäuschendem Ende