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haberlei
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Wien
Über mich: 
Begeisterte Leserin von Krimis, Thrillern, Humorvollem, historischen (Frauen-)Romanen, Biografien

Bewertungen

Insgesamt 278 Bewertungen
Bewertung vom 06.04.2024
Himmelgeist
Wilmes, Frank

Himmelgeist


ausgezeichnet

Die Psyche des Täters

„Himmelgeist“ von Frank Wilmes ist nach „Ein letzter Frühling am Rhein“ der zweite Band der Reihe, in der der Düsseldorfer Kriminalhauptkommissar Kilian Stockinger und sein Team ermitteln.

Worum geht es?
Ein Immobilienmakler wurde mitten auf der Straße erschlagen. Wie sich bald herausstellt, war er kein liebenswerter Mensch, sondern einer, der seine Ziele ohne Rücksicht auf andere Menschen verfolgte, macht- und geldgierig. Der Kreis jener, die ihn verabscheuten oder gar hassten, ist groß. Die Suche nach dem Motiv und dem Täter erweist sich als mühsam und schwierig.

Das Cover in den dunklen Tönungen ist mir zu dezent, die Hardcover-Ausführung wirkt dafür edel. Das Buch erschien 2024, die Handlung spielt in der Gegenwart. Die Kapitel sind angenehm kurz, der Schreibstil flüssig, besticht sprachlich durch malende Wortschöpfungen und launige Dialoge der Ermittler. Der Roman kann im Übrigen problemlos ohne Kenntnis des Vorgängerbandes gelesen werden.

Der Schwerpunkt des Krimis liegt auf der Polizeiarbeit, auf Befragungen, dem Zusammentragen von Informationen. Das Ermittlerteam ist überschaubar, besteht aus drei Personen: Kilian Stockinger, Cosima Wagner und Miko Reichenhall. Im Prinzip ist es ein Whodunit-Krimi, basierend auf der Suche nach dem Motiv, nach dem Täter. Was dieses Buch für mich aber so spannend machte, dass ich es kaum aus der Hand legen wollte, waren keine Actionszenen, Cliffhanger oder beängstigenden Gefahrenmomente, sondern die Art und Weise, wie die Kommissare agierten.

Anfangs wissen sie nichts über den Ermordeten, nur seinen Namen. Er erscheint wie ein weißes Blatt, das sie durch Recherchen seines geschäftlichen und privaten Umfelds füllen müssen, in akribischer polizeilicher Kleinstarbeit. Was herauskommt, ist ein Mensch mit facettenreichen Wesenszügen. Ein rücksichtslos agierender, menschenverachtend seinen eigenen Visionen folgender, mit krimineller Energie behafteter Mann mit privaten Macken und undurchsichtigen Geschäftskontakten. Er hat sich eher Feinde als Freunde gemacht. Es sollte somit weder an Motiven noch an Verdächtigen mangeln, aber es ergibt sich nichts Offensichtliches. Was mich aber so faszinierte, waren die Gedankenspiele, die sich in den Köpfen der Kommissare/in formierten, die verschiedenartigsten Theorien, die sie aufstellten und wieder verwarfen und wieder neue kreierten. Auch die Ausdauer ihrer Nachforschungen, dieses unermüdliche Suchen nach weiteren Ermittlungsansätzen, nach Zusammenhängen, Verbindungen. Zudem gibt ein weiterer Todesfall Rätsel auf. Und stets ist Psychologie mit im Spiel: nicht nur bei ihrem Bestreben, das Wesen des Ermordeten zu ergründen und das Motiv des Täters aufzuspüren, sondern ich genoss auch die Befragungen, wenn sie ihr Gegenüber beobachten, jede Mimik, jede Geste interpretieren, Menschen aufgrund des Äußeren einschätzen und ihre Taktik darauf einstellen. Man fühlt sich stets als stiller Teilnehmer. Bis fast zur letzten Seite erahnt man den Täter nicht, die Lösung ist tragisch aber schlüssig.

Mit hinein verwoben ist sehr anschaulich der städtebauliche Wandel, der Erneuerungstrend, der alte Viertel, das Dörfliche, das Gemütliche zerstört, ärmere Menschen aus ihrer vertrauten Umgebung vertreibt, weil Immobilienhaie alte Gebäude erwerben, um sie in Luxuswohnungen umzugestalten. In diesem Zusammenhang spielt auch Lokalkolorit mit hinein – man erfährt einiges über die Düsseldorfs Stadteile Himmelgeist und Oberbilk.

Die Charaktere, sowohl der Ermittler als auch jene der Befragten, sind nicht nur äußerlich gut vorstellbar beschrieben, sondern sie wirken generell lebendig, zeigen markante Wesenszüge, Reaktionen und Emotionen. Kilian, Cosima und Miko bilden ein sympathisches Team, insbesondere durch deren Umgang miteinander, wo man sich durchaus auch mal aufzieht und auch nach Dienstschluss noch freundschaftlich Kontakt miteinander pflegt.

„Himmelgeist“ gefiel mir noch besser als der erste Band. Die Art und Weise, wie man in diesem Roman den Mordfall aufklärt, fesselte mich, weil die Auflösung primär auf den „grauen Zellen“ basiert, auf den Rückschlüssen der Ermittler, ihrer Fantasie und psychologischen Überlegungen. Für mich war es ein sprachlicher und inhaltlicher Lesegenuss. Es ist dies ein nicht alltäglicher Krimi, den ich gerne jenen weiterempfehle, für die zu einem guten Krimi nicht unbedingt Action, Blut und prickelnde Spannung gehören muss.

Bewertung vom 06.04.2024
Orkantief / Himmel und Holle ermitteln Bd.2 (eBook, ePUB)
Bergstedt, Susanne

Orkantief / Himmel und Holle ermitteln Bd.2 (eBook, ePUB)


sehr gut

Spurlos verschwunden

„Orkantief“ von Susanne Bergstedt ist bereits der zweite Band der unterhaltsamen Ostsee-Krimi-Reihe mit den Ermittlerinnen Telse Himmel und Wanda Holle.

Worum geht es?
Seit drei Jahren sind Kalli und seine Mutter Anne verschwunden. Ein Sturm lüftet das Geheimnis um Kallis Verbleib. Doch von seiner Mutter fehlt nach wie vor jegliche Spur. Die Polizei sieht keinen Grund für Nachforschungen, also ermitteln die beiden Freundinnen Telse und Wanda auf eigene Faust.

Das strahlende Blau des Covers sticht positiv ins Auge, hat mich sofort angesprochen. Das Buch erschien 2024. Die Handlung spielt in der Gegenwart. Die Kapitel sind angenehm kurz, ohne Zeit- oder Ortsangaben. Der Schreibstil ist locker und flüssig. Die Autorin fängt detailliert und gut beschreibend sowohl Stimmungen als auch das Lokalkolorit ein, thematisiert gut in die Handlung verwoben sowohl Klimawandel bzw. Naturschutz, als auch häusliche Gewalt. Sehr geschätzt habe ich die Landkarte der Kieler Bucht, wodurch ich mich als Ortsunkundige sehr gut zurechtgefunden habe. Besonders originell fand ich die Schnitzeljagd, durch die man en passant Sehenswertes vor Ort kennenlernt.

Auch wenn man, wie ich, den ersten Band „Quallenplage“ nicht kennt, kommt man problemlos in die Geschichte hinein. Jedes Buch steht für sich alleine. Auch den Personenkreis überblickt man problemlos. Es ist ein ruhiger, unblutiger Krimi mit kaum prickelnden Spannungsmomenten. Auch wenn man von Anfang an ahnt, dass Anne nicht mehr lebend gefunden wird, ist es dennoch spannend zu verfolgen, wie in kleinen Schritten der Verdacht von Tesla und Wanda immer mehr untermauert wird, sich die Hinweise auf einen Mord verdichten und auf den Täter. Besonders fesselnd empfand ich die Suche nach der Leiche, auf die die beiden schließlich in einem schaurig anmutenden Showdown stoßen.

Die beiden sympathischen Protagonistinnen sind nicht mehr die Jüngsten, aber sehr agil und engagiert; sie verfolgen hartnäckig ihre Ziele, verlassen auch schon mal ihre Komfortzone, scheuen auch vor anstrengenden Aktionen nicht zurück und verfügen über gute Spürnasen. Sie wirken authentisch, zeigen Stärken und Schwächen und Emotionen. Auch die übrigen handelnden Personen wirken lebendig und sind gut vorstellbar gezeichnet.

„Orkantief“ ist ein Cosy-Regional-Krimi, der mit der liebenswürdigen Atmosphäre rund um die Ermittlerinnen und landschaftliche Schönheiten punktet, und durch das Einflechten ernsthafter Themen auch eine gewisse Tiefe gewinnt.

Bewertung vom 02.04.2024
Schatten des Todes (eBook, ePUB)
Korten, Astrid

Schatten des Todes (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Filmwelt und Realität im Jahr 1929

„Schatten des Todes“ von Astrid Korten ist ein historischer Roman, der sehr eindrucksvoll in die Berliner Filmszene der 1930er Jahre entführt, eingebettet in die politisch schwelende Umbruchphase.

Worum geht es?
Die Universal-Filmstudios drehen einen neuen Film. Als eine Bühnenbildnerin tot im Studio aufgefunden wird, erscheint es den Umständen gemäß allen als ein Unfall. Die Polizei legt den Fall ad acta. Harry Schneider, der Sicherheitschef der UFA, hegt jedoch Zweifel und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Er stößt dabei auf allerlei Seltsames, Geheimnisvolles und Übles.

Das Cover zeigt sehr gut passend die Komponenten des Buches: eine geheimnisvolle Frau, einen Mann, der ihr folgt, sie quasi beschattet, das Ganze umrahmt wie ein Filmstreifen. Das Buch erschien 2024. Die Handlung spielt 1929. Der Roman gliedert sich in kurze Kapitel, jeweils übertitelt, jedoch ohne Datums- oder Ortsangaben. Der Schreibstil ist flüssig, sprachlich jener Zeit angepasst und detailreich, ohne in Längen auszuufern. Sehr anschaulich wird das Geschehen sowohl am Filmset, als auch außerhalb, im Berlin der damaligen Zeit beschrieben: Glanz und Glamour, gepaart mit Dekadenz, einerseits, politisches Machtstreben und Unruhe andererseits. Man spürt generell, wie akribisch recherchiert wurde. Man erfährt von Theorien und wissenschaftlichen Ideen und Bestrebungen der damaligen Zeit, manches zukunftsweisend, manches fühlt sich abstrus und irregeleitet an, zeigt aber deutlich die Basis für jene politische Wendung, die noch bevorsteht. Abgerundet wird der Roman durch eine Personenliste der realen und fiktiven Persönlichkeiten sowie durch die aufrüttelnden Anmerkungen der Autorin zum Rechtsextremismus und zu den Parallelen zur heutigen Zeit.

Ich kannte bislang von der Autorin bereits die extrem fesselnden Thriller aus der Overkill-Reihe, musste mich daher erst darauf einstellen, dass ein historischer Roman nicht denselben Spannungsbogen haben kann. Dafür ist in diesem Buch unheimlich viel Atmosphäre dieser Zeit verpackt. Man spürt sehr deutlich das lauernde Böse zwischen den Zeilen, Bedrohliches, Unheilvolles, Unheimliches und Gruseliges. Es gibt Action und Gefahrenmomente, überraschende Wendungen. Die historischen Persönlichkeiten wirken erstaunlich und manchmal erschreckend lebendig. Man hat stets das Gefühl, Harry Schneiders Begegnungen live mitzuerleben, dass es wirklich so war, wie es hier beschrieben und nicht der Fantasie entsprungen ist.

Die Charaktere sind unwahrscheinlich authentisch und mit Leben erfüllt eingefangen, was mich besonders bei den realen Protagonisten faszinierte, egal ob es sich um Personen der Filmbranche, Wissenschaftler oder politisch tätige Menschen handelt. Noch einfühlsamer und umfassender sind die Wesenszüge von Lara, der zweiten Hauptperson neben Harry Schneider, gezeichnet, schillernd, erotisch, geheimnisumwittert, zerrissen. Harry Schneider ist inmitten all den Intrigen und bösen Schwingungen ein Lichtblick, die gute Seele des Romans. Ein sympathischer Held, der sich von den Bösen weder kaufen oder fehlleiten lässt. Er lässt sich nicht beirren, bis er Motiv und Täter ermittelt hat. Unerwartet, aber nachvollziehbar ist das Ende.

Ich bin durch den Roman „Schatten des Todes“ in eine mir völlig fremde Welt eingetaucht und eingesogen worden, habe sehr viel über die Hintergründe, damals grassierende Ideologien, seltsame Sekten und verrückt anmutende Theorien erfahren, nebenbei Harry Schneiders Suche nach der Wahrheit mitverfolgt und in seinem Beisein Bekanntschaft mit Menschen gemacht, deren Namen mir zwar bislang ein Begriff waren, denen durch diesen Roman nun aber irgendwie Leben eingehaucht wurde. Vor allem wird man sehr nachdenklich, zu vieles heutzutage ähnelt den damaligen Anfängen.
Ein Buch, das man unbedingt lesen sollte! 5 Sterne.

Bewertung vom 30.03.2024
Gnadenkalt
Klink, Isa

Gnadenkalt


ausgezeichnet

Düstere Geheimnisse der Vergangenheit

„Gnadenkalt“ von Isa Klink ist nach „Steinkalt“ der zweite spannende Fall, in dem Kriminalpsychologin Cora Brecht und Kriminalhauptkommissar Till Moritz ermitteln.

Kurz zum Inhalt:
In unmittelbarer Nachbarschaft von Cora Brecht finden Jugendliche In einer verfallenen Lungenanstalt, einem sogenannten Lost Place, mumifizierte Leichen. Im Zuge von Coras Recherchen mit dem Cold Case Team dringen nicht nur Verbrechen der Vergangenheit ans Tageslicht, sondern ergeben sich Hinweise auf jenen aktuellen Mordfall, den Till Moritz zu lösen hat.

Das Cover, in einem ähnlichen Grünton gehalten wie Band 1, was einen ausgezeichneten Wiedererkennungswert vermittelt, zeigt schemenhaft Teile einer brüchigen Statue, sehr stimmig zu den Leichenfunden passend. Das Buch erschien 2024, die Handlung spielt in der nicht näher beschriebenen Gegenwart. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft, detailreich. Die Handlung ist durch stetige Perspektiven- und Ortswechsel abwechslungsreich und lebendig gestaltet. Durch die Kürze der Kapitel fliegen die Seiten nur so dahin, man will das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Es handelt sich um einen in sich abgeschlossenen Fall. Soweit erforderlich, sind Hinweise zur Vorgeschichte der Protagonisten vorhanden.

Man wird von Beginn an in die Geschichte hineingesogen. Es beginnt gleich unheimlich und bedrohlich mit einem Mord. Danach wird es mystisch, esoterisch und gruselig, als eine Gruppe junger Geisterjäger in der verfallenen Lungenheilanstalt nahe Coras Zuhause ihr Unwesen treiben und dabei zufällig mumifizierte Leichen entdecken. Scheinbar zwei total verschiedene Fälle. Wie es sich bald zeigt, sind es komplizierte Fälle, denn es gibt kaum Ansatzpunkte für die Polizei. Die grauenhaften Verbrechen, die bei Coras Recherchen bezüglich der alten Klinik so nach und nach zutage kommen, machen betroffen. Je mehr Fakten vorliegen, desto klarer wird, dass Tills aktueller Mordfall mit den Übeltaten der Vergangenheit zusammenhängt, sowie dass es jemanden gibt, der verhindern will, dass die Geschehnisse der Vergangenheit aufgedeckt werden. Primär wird aus Coras Sicht erzählt, wobei man als Leser durch zwischengeschobene Einblicke in die Aktionen der Täterseite über einen Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern verfügt. Dennoch, selbst als ich wusste, wer die Täter sind, blieb es bis zuletzt infolge gefährlicher Situationen spannend, und schließlich sorgten unerwartete Wendungen für Überraschungsmomente.

Die Charaktere sind generell gut vorstellbar und lebendig gezeichnet. Im Mittelpunkt stehen Cora und Till, ein sympathisches Ermittler-Duo, das nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen zeigt, sowohl beruflich als auch privat. So vorteilhaft Coras Engagement und unbeugsamer Wille, den Fall zu lösen, die Hintergründe aufzudecken, auch sind, in manchen Situationen ist sie einfach zu unvorsichtig und impulsiv, hat in gefährlichen Situationen stets mehr Glück als Verstand. Als Psychologin verfügt sie über ein gutes Gespür für Menschen, ist feinfühlig und empathisch. Dennoch durchschaut sie Tills Ausflüchte erst relativ spät. Till liebt Cora sicher sehr, das zeigt sich in seiner Besorgnis um sie. Aber er hätte von Anfang an offen ihr gegenüber sein müssen. Ich bin gespannt, wie sich die von Zweifeln und Unsicherheit überschattete Liebesbeziehung weiterentwickeln wird.

„Gnadenkalt“ hat mir nicht nur fesselnde, sondern auch sehr emotionale Lesestunden beschert, denn die geschilderten Verbrechen lassen einen nicht unberührt. Mit Vorfreude sehe ich weiteren Fällen dieses Ermittler-Duos entgegen. 5 Sterne!

Bewertung vom 30.03.2024
Der Baron
Schneider, Siegfried

Der Baron


sehr gut

Für und wider Pferderennsport

„Der Baron“ von Siegfried Schneider ist bereits der dritte Band mit den Südtiroler Ermittlerteams rund um Lukas Farner von der Staatspolizei und Giovanni Terranostra von Seiten der Carabinieri.

Worum geht es?
Der Unternehmer und Rennstahlbesitzer Berthold Warstein, von den meisten „der Baron“ genannt, wird zwei Tage vor dem „Großen Preis von Meran“ erschossen. Sein Rennpferd wäre Siegeranwärter gewesen. Wie sich bald herausstellt, war der „Baron“ nicht allseits beliebt. Farner und Terranostra müssen in viele Richtungen ermitteln.

Das Cover lässt bereits ahnen, dass der Pferderennsport im Mittelpunkt des Geschehens steht. Die Gestaltung ähnelt sehr den beiden Vorgängerbänden, was den Wiedererkennungswert stärkt. Für mich war dies nach „Der Banker“ das zweite Buch dieser Reihe. Obwohl jeder Fall dieser Reihe für sich alleine gelesen werden kann, würde ich dennoch raten, die Bände in chronologischer Reihenfolge zu lesen, allein um die Vorgeschichte und Entwicklung von Farner und Terranostra zu durchschauen.

Das Buch erschien 2024. Die Ermittlungen der Polizei laufen vom 24.9. bis 2.10.2010. Die Kapitel sind mit Tag und Monat übertitelt, allerdings ohne Jahreszahl. Letztere ergab sich für mich aus gewissen im Buch erwähnten Ereignissen, wie z.B. dem Todestag von Tony Curtis am 29.9.2010 (Seite 188). Der Schreibstil ist nicht nur flüssig, sondern ist durch humorvolle Dialoge aufgelockert. Das Südtiroler Lokalkolorit wird durch italienische Begriffe verdeutlicht, die im Glossar übersetzt bzw. erklärt werden, aber auch durch Beschreibungen von besonderen Örtlichkeiten. Dadurch, dass sich die Ermittlungen auch auf das Pferderennsport-Milieu erstrecken, erfährt man so nebenbei auch eine Menge darüber. Sehr vorteilhaft erweist sich im Übrigen die Personenliste – denn die personalstark besetzten Polizeiteams sind nur damit einigermaßen durchschaubar.

Grundsätzlich ist es ein typischer Whodunit-Krimi mit Schwerpunkt auf der Polizeiarbeit – die Spannung kreiert sich primär aus der Frage nach Motiv und Täter. Es wird, wie es so schön heißt, nach allen Richtungen ermittelt. Zahlreichen Hinweisen wird nachgegangen, Spuren werden verfolgt, jeder mit dem Ermordeten in Verbindung Stehende wird überprüft, von den Familienangehörigen angefangen über die Beschäftigten in seiner Firma und Geschäftskontakte bis zum Umfeld seines Rennstalls. Es wird so manches Geheimnis aufgedeckt, doch das meiste ist nicht hilfreich für die Lösung des Falles. Die mühsame polizeiliche Kleinarbeit bzw. die Zusammenarbeit der beiden Polizeiapparate wird durch die nach wie vor schwelende Animosität bzw. Rivalität zwischen Farner und Terranostra nicht gerade erleichtert, obwohl die beiden mittlerweile sehr professionell und beherrscht miteinander umgehen. Die Ermittlungserfolge lassen auf sich warten, eine Spur nach der anderen führt in die Irre, bis sich die Hinweise auf einen Verdächtigen verdichten. Mit diesem Täter hatte ich nicht gerechnet, sein Motiv war nachvollziehbar für mich. Mord ist nie gerechtfertigt, aber es gibt auch positive Tatmotive.

Chefinspektor Farner als zentrale Figur wirkt sympathisch, es herrscht ein lockerer Ton mit seinem Team, für Privatleben hat er wenig Zeit. Man fragt sich, wie lange ihm die verständnisvolle Freundin wohl bleiben wird. Generell sind die Personen, wohl auch bedingt durch die Vielzahl der Figuren, eher oberflächlich beschrieben, man kann sie sich optisch ganz gut vorstellen, aber charakterlich weisen sie wenig Tiefe auf.

„Der Baron“ ist ein ruhiger, unblutiger Regionalkrimi, mit unterhaltsamen Dialogen, der mich lange im Unklaren ließ, mir Raum ließ für eigene Theorien. Der Fall ist zwar gut aufgebaut, wartet mit unerwarteten Wendungen auf, doch leider sind die Spannungsmomente rar. Ich hätte mir ein paar Szenen gewünscht, die einen mitfiebern lassen, die Prickeln erzeugen. Nichtsdestotrotz hat mir das Buch kurzweilige Lesestunden beschert.

Bewertung vom 28.03.2024
Das Blut der Nordsee / Jaspari & van Loon ermitteln Bd.2
Jacob, Fynn

Das Blut der Nordsee / Jaspari & van Loon ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Land unter an der Nordseeküste

„Das Blut der Nordsee“ von Fynn Jacob ist ein packender Kriminalroman, der so nebenbei sehr viel Wissen über den Hochwasserschutz an der Nordseeküste vermittelt. Es ist der zweite Fall mit dem deutsch-niederländischen Ermittler-Duo Jaspari und van Loon.

Worum geht es?
Die deutsche Journalistin Teeske Saathoff aus Föhr wird in den Niederlanden ermordet aufgefunden. Sie hat bezüglich eines umstrittenen, politisch brisanten Küstenschutz-Projektes recherchiert. Hat sie deswegen sterben müssen? Welches Geheimnis umgibt Teeskes Familie?

Bereits das Cover stimmt auf die Nordseeküste, die ungestüme und gefährliche Kraft des Meeres ein. Das Buch erschien 2024. Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel sind kurz, jeweils mit Orts- und Zeitangaben versehen, was ich stets sehr schätze, weil man sich sowohl örtlich als auch chronologisch bestens zurechtfindet. Abgesehen vom Rückblick auf ein Ereignis im Jahr 1976 spielt die Handlung in der Gegenwart. Es handelt sich um einen in sich abgeschlossenen Fall. Soweit erforderlich, sind Hinweise zur Vorgeschichte der Protagonisten vorhanden. Sehr anschaulich ist nicht nur das Lokalkolorit eingefangen, sondern auch die Thematik des Klimawandels und der erforderliche Schutz der Meeresküsten mit dem Kriminalfall verwoben. Als Österreicherin habe ich wenig Bezug zu den Gefahren, die aus der Meeresnähe erwachsen. Daher haben mich die Ausführungen über die Deichprojekte sehr beeindruckt – informativ, wissenserweiternd, auch für Laien gut verständlich.

Das Buch ist ab der ersten Seite spannend. Nach einem kurzen Rückblick auf Teeske als Kind, in dem man hautnah spürt, wie bedrohlich und unheimlich eine Sturmflut ist, ist man bereits mitten im Geschehen der Gegenwart. Wenn eine Deutsche in den Niederlanden tot aufgefunden wird, ist dies ein Fall für das länderübergreifende Ermittlungsteam mit Jaspari und van Loon, die jeweils vor Ort vorwiegend getrennt agieren – Jaspari im Umfeld ihrer Familie, van Loon bei Teeskes Recherchequellen in den Niederlanden. Durch die daraus entstehenden stetigen Perspektiven- und Ortswechsel gestaltet sich die Handlung abwechslungsreich und lebendig. Zudem sorgt die Kürze der Kapitel dafür, dass die Seiten nur so dahin fliegen; man will das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Im Zuge der Recherchen und der Verfolgung diverser Spuren vergrößert sich die Zahl der Verdächtigen zusehends, das gibt der Leserschaft Raum zum Miträtseln, leitet sie (wie die Ermittler) auf so manch falsche Spur. Bis sich Motiv und Täter in einem dramatischen Showdown offenbaren – für mich total überraschend.

Das Ermittler-Duo, die routinierte Iska und der jüngere, noch nicht so erfahrene Marten bilden ein gut zusammenarbeitendes Team. Sie wirken beide sympathisch und gehen voll und ganz in ihrem Beruf auf, zulasten ihres Privatlebens, das gut dosiert in den Fall einfließt und ihre Persönlichkeiten abrundet. Sie zeigen beide Stärken und Schwächen, Emotionen, Zweifel und Unsicherheiten, was sie lebendig und menschlich macht und ihre Handlungen nachvollziehbar.

„Das Blut der Nordsee“ war für mich ein Pageturner, eine exzellente Kombination eines mysteriösen Kriminalfalls mit der Atmosphäre der Nordseeküste. Gerne empfehle ich dieses Buch weiter und vergebe 5 Sterne.

Bewertung vom 23.03.2024
Eine leise Ahnung von Glück
Lange, Kerstin

Eine leise Ahnung von Glück


ausgezeichnet

Packend und ergreifend – Krieg und Liebe

In „Eine leise Ahnung von Glück“ schildert Kerstin Lange einerseits die sehr berührende Geschichte einer Liebe mitten in den Kriegswirren, andererseits deren Auswirkungen auf die Nachkommen in der Gegenwart.

Kurzer Inhalt:
Im Jahr 1940 besetzen die Deutschen Frankreich. Caroles generelle Abneigung gegen die Besatzer wandelt sich, als sie den bei ihr und ihrem Vater einquartierten Offizier Manfred näher kennenlernt. Sie verlieben sich ineinander. Ihnen ist nur „eine leise Ahnung von Glück“ vergönnt.
Im Jahr 2023 stößt Louisa bei einer Familienfeier auf ein Geheimnis aus der Vergangenheit ihres Vaters und begibt sich auf Spurensuche.

Das Cover in den Pastelltönen sticht vielleicht nicht sofort ins Auge, doch harmoniert es vorbildlich mit dem Titel – es ist quasi „leise“, unaufdringlich. Das Buch erschien 2024 und gliedert sich in angenehm kurze Kapitel, die jeweils mit Orts- und Zeitangaben versehen sind, was den stetigen Wechsel zwischen den Zeitebenen sehr übersichtlich gestaltet. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Sowohl bedrohliche Szenen, bewegende Stimmungen als auch der historische Hintergrund sind so packend beschrieben, dass man in das Leben der Protagonisten richtiggehend hineingezogen wird.

Die Geschichte wird kapitelweise abwechselnd in zwei Handlungsebenen erzählt. Zwei verschiedene Welten fließen geschickt ineinander über. Die Perspektiven- bzw. Ortswechsel steigern die Spannung und die Neugier, treiben zum Weiterlesen an. Im Mittelpunkt stehen jeweils junge Frauen, die Französin Carole und die Deutsche Louisa; beide leben mit problematischen verwitweten Vätern zusammen. Caroles Lebensumstände im Frankreich zur Zeit der Résistance sind mitreißend erzählt, die sich zaghaft entwickelnde Liebe zu dem deutschen Offizier Manfred berührt sehr. Louisas Leben, geprägt von der Disharmonie mit ihrem Vater und der Sorge um ihn, verändert sich, als sie beginnt, den Wurzeln ihrer Familie nachzuforschen. Nicht nur die berührende Liebesgeschichte hat dieses Buch zu einem Lesehighlight für mich gemacht, sondern vor allem die fesselnde historische Darstellung mit all ihren dramatischen Momenten. Es wird ein Abschnitt der Geschichte, nämlich Frankreich zur Zeit der Résistance, thematisiert, über den ich bislang noch nicht viel gelesen habe. Somit wurde auch mein Wissen erweitert und das Interesse geweckt, sich etwas intensiver mit dieser Zeit zu beschäftigen. Der in der Gegenwart spielende Part wiederum behandelt ein Thema, das heutzutage für viele ein Problem darstellt: die Obsorge für betagte Eltern. Am Ende werden die Handlungsfäden sowohl beglückend als auch überraschend zusammengeführt und die Zusammenhänge geklärt.

Die Charaktere der beiden Protagonistinnen sind facettenreich gezeichnet, mit Stärken und Schwächen, Glücksmomenten und Ängsten, Zweifeln und Hoffnung. Zudem zeigen sie im Laufe der Handlung eine namhafte Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Beide Frauen sind sympathisch, allerdings bewegte mich Caroles Schicksal mehr. Ich liebte, litt und hoffte mit ihr. Mich hat insbesondere auch die Figur der Madame Pirotte sehr beeindruckt, die als gute Seele die Fäden für Caroles Schicksal zieht, stets hilfsbereit und uneigennützig für andere da ist und sich risikobereit in der Résistance engagiert. Auch Nebenfiguren, wie z.B. die beiden Väter, Louisas Verwandte und Freundinnen oder die unterschiedlichsten Typen von deutschen Besatzungssoldaten, kann man sich gut vorstellen, sie weisen markante Eigenschaften auf, wirken lebendig, authentisch.

Für dieses wunderbare vielschichtige Buch gibt es von mir eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 22.03.2024
Im Schatten des Thronfolgers
Neumeyer, Christine

Im Schatten des Thronfolgers


ausgezeichnet

Die Geheimagenten ermitteln in Artstetten

„Im Schatten des Thronfolgers“ von Christine Neumeyer ist bereits der dritte Band ihrer historischeren Krimireihe aus der Kaiserzeit, mit Polizeiagent Pospischil und Dr. Frisch als Ermittler.

Worum geht es?
Im Schloss Artstetten wird bei Bauarbeiten für eine Familiengruft ein grausiger Fund entdeckt. Da dies die Sommerresidenz des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gattin Sophie ist, ist Diskretion und Geheimhaltung vonnöten, somit werden Geheimagent Pospischil und sein Assistent Dr. Frisch als Ermittler nach Artstetten entsandt. Im Zuge der Recherchen stoßen die beiden auf allerlei unehrenhafte Machenschaften …

Das Cover wirkt etwas düster, symbolisiert die zu erwartenden dunklen Geheimnisse. Das Buch erschien 2024, die Handlung spielt im Jahr 1909. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, ist sprachlich der Zeit angepasst, der gut dosiert eingesetzte Dialekt macht das Lokalkolorit noch stimmiger. Die Kapitel sind angenehm kurz und – was ich persönlich stets sehr schätze – mit Orts- und Zeitangaben versehen. Die Handlung schließt unmittelbar an die Ereignisse des Vorgängerbandes „Der Kuss des Kaisers“ an. Es sind jedoch jeweils abgeschlossene Fälle, somit auch für Quereinsteiger problemlos voneinander unabhängig zu lesen.

Was ich so besonders an dieser Krimireihe schätze, ist, wie die Autorin die Atmosphäre jener Zeit einfängt, mit vielen manchem Leser vielleicht zu unwesentlich vorkommenden Details, die es aber meiner Meinung nach gerade sind, die das Zeitbild authentischer machen und zeigen, wie intensiv die Recherchen betrieben wurden. Vieles befindet sich im Umbruch, wozu auch die Technik einiges beiträgt. Automobile sind selten, am Land kaum Telefonleitungen verlegt, es fahren noch Dampfeisenbahnen und Kommunikation ist umständlich, der Polizeiarbeit sind ermittlungstechnisch noch viele Grenzen gesetzt. Sehr augenscheinlich werden nicht nur die Klassenunterschiede aufgezeigt, sondern insbesondere auch die damalige Stellung der Frauen, deren Sinn und Zweck primär Hausfrau und Mutter war. Doch manche jungen Frauen streben bereits nach Selbstständigkeit. Schloss Artstetten und dessen Park sind anschaulich beschrieben. Wunderbar eintauchen kann man auch in die malerische Landschaft des Nibelungengaus, Appetit machen die Köstlichkeiten der Region - ob es sich nun um die ausschweifenden Festlichkeiten der Adeligen dreht oder das einfache, bodenständige Essen. Last but not least wird die politische Situation angesprochen, die Veränderungen, die man sich von Erzherzog Franz Ferdinand als zukünftigen Kaiser erwartete.

Was die Spannung anbelangt, so ist es ein eher ruhiger Verlauf, von einigen Spannungsmomenten abgesehen. Perspektiven- und Szenenwechsel gestalten die Handlung dennoch abwechslungsreich, offenbaren verdächtige Gestalten und zwielichtige Machenschaften, lassen sowohl Ermittler als auch Leserschaft lange im Dunkeln tappen. Erst ein weiterer Mord führt zum wahren Täter.

Die agierenden Personen wirken lebendig und authentisch in ihrem jeweiligen Umfeld. Das Ermittler-Duo ist sympathisch, empathisch und behandelt die Menschen nie herablassend. Pospischil ist der erfahrene Polizeibeamte, er agiert ruhiger, besonnener, verfügt über große Menschenkenntnis. Dr. Frisch zeichnet sich durch Fachwissen, modernes Know-how aus, ist aber bei Befragungen oft noch zu ungeduldig und zu direkt. Die beiden verkörpern in gewisser Weise den Umbruch der Jahrtausendwende. Der schon beinahe pensionierte Pospischil ist misstrauisch der modernen Technik gegenüber, er ist noch ein typischer Beamter des Kaiserreiches, während Dr. Frisch für alles Neue aufgeschlossen ist, ihm kann der Fortschritt gar nicht schnell genug voranschreiten. Beide zeigen Gefühle, ebenso der jungverheiratete Dr. Frisch, als auch Pospischil, der sich trotz seines Alters auf Freiersfüßen bewegt.

„Im Schatten des Thronfolgers“ war ein historischer Krimi nach meinem Geschmack, der mir mit den liebenswürdigen Charakteren und dem stimmigen historischem Ambiente genussvolle Lesestunden beschert hat. Ich freue mich schon auf den nächsten Fall.

Bewertung vom 13.03.2024
Die Kälte der Mur
Wieser, Gudrun

Die Kälte der Mur


ausgezeichnet

Leichenteile in der Mur

„Die Kälte der Mur“ von Gudrun Wieser ist ein historischer Kriminalroman, der zweite Band der Reihe mit dem Gendarm Wilhelm Koweindl und der Hauslehrerin Ida Fichte als Ermittler.

Klappentext:
Graz, 1882. Immer wieder werden Körperteile am Ufer der Mur angespült, und keiner weiß, zu wem sie gehören. Gendarm Wilhelm Koweindl steht vor einem Rätsel – und erhofft sich einmal mehr Rat von Hauslehrerin Ida Fichte. Kurz darauf verschwinden das Hausmädchen von Idas Dienststelle und dann die gnädige Frau höchstselbst. Wilhelm und Ida stürzen sich in die Ermittlungen, doch als sie erkennen, dass sie einer falschen Fährte folgen, ist es beinahe zu spät …

Das Cover ähnelt optisch dem ersten Band, gibt der Reihe somit einen gewissen Wiedererkennungswert. Obwohl es keinen Bezug zum Inhalt herstellt, hat es mich irgendwie angesprochen. Das Buch erschien 2023, die Handlung spielt im Jahr 1882 in Graz. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, zu Beginn wird in einem Satz kurz das Kommende angekündigt. Der Schreibstil ist flüssig. Nicht nur die Sprache ist der Zeitepoche angepasst, es sind generell die Standesunterschiede, die Macht und Überheblichkeit der Reichen und das Leben der einfachen Bevölkerung, aber auch der Stand kriminalistischer Ermittlungen zur damaligen Zeit gut vorstellbar dargestellt.

Auch ohne Kenntnis des Vorgängerbandes findet man sich nicht nur in der Handlung problemlos zurecht, sondern überblickt auch den relevanten Personenkreis in Kürze. Soweit nötig, finden sich Hinweise zur Vorgeschichte. Es gibt zwei Handlungsstränge. Einerseits beschäftigen die grausigen Funde, Leichenteile von mehreren Frauen werden aus der Mur geborgen, die Gendarmerie. Andererseits ist Ida Fichte, die Hauslehrerin von Theodor Lahothny, mit dem merkwürdigen Verhalten ihres Schülers und anderen Eigenheiten im Hause ihrer Dienstgeber konfrontiert. Durch die Perspektiven- bzw. Ortswechsel gestaltet sich die Handlung abwechslungsreich und die Spannung wird am Köcheln gehalten. Anfangs scheinen nur die über reine Sympathie hinausgehenden Gefühle von Wilhelm und Ida füreinander die Verbindung zu sein. Es bleibt auch alles lange Zeit sehr mysteriös. Da zur damaligen Zeit die Beamten nur über begrenzte Möglichkeiten verfügten, kommen die beiden Gendarmen Wilhelm und Leopold in ihren Ermittlungen nur mühsam voran. Die Identität der Opfer bleibt ein Rätsel, keinen kümmert es, wenn Frauen aus dem einfachen Volk verschwinden. Erst als sich Zeugen finden, die nachts seltsame Aktivitäten am Ufer der Mur beobachtet hatten, kommen Wilhelm und Leopold der Sache näher. Verdachtsmomente verdichten sich. Gleichzeitig spitzen sich auch die Ereignisse im Hause Lahothny zu. Nicht nur ein Dienstmädchen, sondern die Hausherrin ist verschwunden. Nun ergreift auch Ida die Initiative. Es beginnt eine dramatische Suche, ein Wettlauf gegen die Zeit, der letztlich mit einer unerwarteten Lösung endet.

Die Charaktere sind lebendig und anschaulich gezeichnet. Die Menschen zeigen Stärken, Schwächen und Emotionen. Im Mittelpunkt stehen Wilhelm und Ida, doch auch die Nebenfiguren sind gut vorstellbar, mit markanten Eigenschaften, beschrieben. Die Protagonisten zeigen auch eine Entwicklung. Wirkt Wilhelm anfangs etwas steif und geistig träge, so entwickelt er im Lauf der Geschehnisse erstaunliche Energie, ohne Rücksicht auf Vorschriften und allfällige spätere Zurechtweisungen durch Vorgesetzte. Mit Leopold, einem aufgeweckten, intelligenten junger Mann, an seiner Seite bilden die beiden ein harmonisches und tatkräftiges Team. Ida Fichte ist natürlich, wie es für eine alleinstehende Frau, von Beruf Hauslehrerin, in der damaligen Zeit erwartet wird, auf den ersten Blick sehr ernsthaft, züchtig und zurückhaltend, verantwortungsbewusst und selbstständig. Wenn es die Situation erfordert, weiß sie sich durchzusetzen und zu wehren. Ich bin gespannt, wie sich diese Beziehung weiterentwickeln wird.

„Die Kälte der Mur“ beinhaltet nicht nur eine spannende Geschichte, sondern lässt einen gekonnt in das 19. Jahrhundert versinken. Mir hat diese Reise in die Vergangenheit sehr gefallen. Eine klare Leseempfehlung meinerseits mit 5 Sternen.

Bewertung vom 10.03.2024
Falsches Spiel in Valencia
Izquierdo-Hänni, Daniel

Falsches Spiel in Valencia


ausgezeichnet

Spurlos verschwunden

„Falsches Spiel in Valencia“ von Daniel Izquierdo Hänni ist der zweite Band mit Vicente Alapont als Protagonisten, einem ehemaligen Inspektor bei der Mordkommission, der nun Taxi fährt und nebenbei privat ermittelt.

Worum geht es?
Die Gattin eines einflussreichen Speditionsunternehmers beauftragt Alapont, ihren spurlos verschwunden Gatten aufzuspüren. Alapont stößt bei seinen Nachforschungen im Umfeld des Mannes und in dessen Firma auf allerlei zwielichtige Machenschaften wie Geldwäsche und politische Intrigen.

Das Motiv am Cover ist der Bahnhof Estación del Norte, eines der bedeutendsten, im Jugendstil erbauten Gebäude Valencias. Somit unterstreicht das Cover nicht nur den Titel, sondern stimmt auch auf den Inhalt ein. Denn die Krimihandlung ist harmonisch eingebettet in viel Lokalkolorit. Abgesehen von spanischen Ausdrücken erfährt man einiges über die Stadt Valencia, wird auf besonders schöne Plätze hingewiesen, kulinarische Köstlichkeiten und Gebräuche, wie z.B. dass der 9. Oktober in Valencia als lokale Alternative zum Valentinstag gefeiert wird – man beschenkt andere mit Süßigkeiten. Es wird die spanische Lebensart, Lebensfreude und Lockerheit, ebenso dass auch manche gesetzlichen Bestimmungen nicht so genau genommen werden, wunderbar vermittelt.

Der Schreibstil ist flüssig, selbst die ausführlichen Schilderungen von Land und Leuten lesen sich flott und leicht. Die Kapitel sind kurz, lediglich nummeriert, ohne Zeit- oder Ortsangaben. Der 2024 erschienene Roman spielt in der nicht näher bezeichneten Gegenwart. Das Buch kann problemlos ohne Kenntnis des Vorgängerbandes gelesen werden, soweit nötig sind Erklärungen zur Vorgeschichte vorhanden. Im Hinblick auf den großen Personenkreis mit durchwegs schwierig zu merkenden Namen wäre eine Personenliste wünschenswert.

Man ist von Beginn an mitten im Geschehen. Dass der Roman im Präsens verfasst ist, verdeutlicht dieses Gefühl des Dabeiseins. Durch Perspektivenwechsel lernt man so nach und nach die wichtigsten handelnden Personen kennen, deren Bezug zum Vermissten und erahnt bereits die Intrigen und Machenschaften. Solange keine Leiche auftaucht, steht auch nicht fest, ob der Unternehmer tatsächlich ermordet wurde. Im Mittelpunkt der Handlung steht Vicente Alapont, der hartnäckig Fragen stellt und so nach und nach nicht nur zweifelhafte Geschäftspraktiken, sondern auch geheim gehaltene private Beziehungen aufdeckt. Ein nicht ungefährliches Unterfangen. Abgesehen von einigen brenzligen Situationen ergibt sich die Spannung primär aus der Frage nach Täter und Motiv. Denn der Gesuchte hatte so einige Widersacher, es mangelt nicht an Verdächtigen. Als Leser tappt man bis am Schluss im Dunkeln, kann gut miträtseln. Alapont ist trotz Rücksprachen mit ehemaligen Kollegen bei der Polizei mehr oder weniger auf sich allein gestellt. Diese wird erst aktiv, als es Alapont in einem geschickten Schachzug gelingt, den Täter zu überführen.

Vicente Alapont ist sympathisch charakterisiert, ein Familienmensch und geschätzt bei seinen ehemaligen Kollegen. Er genießt einerseits das Leben, auch seine Ungebundenheit als Taxifahrer, andererseits reizt es ihn doch nach wie vor, zu ermitteln. Er ist mutig, manchmal fast ein wenig zu leichtsinnig, kann sich aber schlagfertig und einfallsreich immer wieder aus heiklen Situationen retten. Gute Menschenkenntnis und exzellenter Spürsinn sind die Basis für seine Erfolge. Auch die übrigen Figuren sind gut vorstellbar, mit markanten Eigenschaften, dargestellt.

Bei „Falsches Spiel in Valencia“ handelt es sich wie beim ersten Band „Mörderische Hitze“ um einen Wohlfühlkrimi mit einem nicht alltäglichen Kriminalfall, solider Spannung und spanischem Ambiente, das Sehnsucht nach Urlaub im sonnigen Süden weckt. Mir hat das Buch angenehme Lesestunden beschert. Gerne empfehle ich das Buch weiter, vor allem Lesern, die ruhige, unblutige Krimis mögen, mit viel Lokalkolorit.