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Benutzername: 
dorli
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Berlin
Buchflüsterer: 

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Insgesamt 883 Bewertungen
Bewertung vom 13.09.2021
Thirteen / Eddie Flynn Bd.4
Cavanagh, Steve

Thirteen / Eddie Flynn Bd.4


ausgezeichnet

In seinem Justizthriller „Thirteen“ lässt Steve Cavanagh zwei Gegenspieler aufeinanderprallen, die beide sehr ausgebufft und intentional agieren.

Gleich im Prolog lernt man den Serienkiller Joshua Kane kennen. Die ersten Seiten lassen den Leser bereits erahnen, dass er es hier mit einem ganz besonders abgebrühten Kerl zu tun bekommt. Joshua ist überaus intelligent und böswillig. Um seine Ziele zu erreichen, geht er ohne Skrupel und zudem äußerst akribisch und geduldig vor. Ein gewissenloser Perfektionist, der nichts dem Zufall überlässt.

Im Folgenden wird Eddie Flynn - ein ehemaliger Trickbetrüger, der heute als ausgefuchster Strafverteidiger für die einfachen Leute in New York tätig ist - von Staranwalt Rudy Carp gebeten, ihn bei der Verteidigung des aufstrebenden Schauspielers Robert Solomon zu unterstützen. Robert wird des Mordes an seiner Frau und dessen vermeintlichen Liebhaber bezichtigt. Der Hollywoodstar bestreitet die brutale Tat, doch die Beweise gegen ihn sind erdrückend. Da Eddie zunächst nicht von Roberts Unschuld überzeugt ist, will er seinem moralischen Kodex folgend Rudys durchaus lukratives Angebot ablehnen, entscheidet sich dann aber doch, das Mandat zu übernehmen.

Steve Cavanagh versteht es ganz ausgezeichnet, die Spannung in diesem Thriller schon nach wenigen Seiten auf ein enorm hohes Level zu katapultieren. Obwohl man als Leser von Anfang an weiß, dass Joshua Kane der wahre Täter ist, und er sich in die Jury eingeschlichen hat, um von dort aus die Fäden in dem spektakulären Mordprozess zu ziehen, ist es absolut fesselnd zu beobachten, wie Eddie Joshua Schritt für Schritt auf die Schliche kommt und Joshua sich seinerseits mit Raffinesse und perfiden Tricks gegen seine Enttarnung stemmt.

Überraschende Wendungen sowie immer neue Anhaltspunkte und Ereignisse halten das Geschehen lebendig und sorgen dafür, dass die Sogwirkung des Thrillers bis zum Schluss nicht abreißt.

„Thirteen“ hat mir sehr gut gefallen – ein raffiniert gestrickter Justizthriller randvoll mit nervenkitzliger Spannung.

Bewertung vom 18.08.2021
Ein Männlein liegt im Walde
Minck, Lotte

Ein Männlein liegt im Walde


ausgezeichnet

In „Ein Männlein liegt im Walde“ - dem bereits 14. Fall für die genauso sympathische wie pfiffige Hobbyermittlerin Loretta Luchs - steht Lorettas Lebensgefährte Dennis Karger im Mittelpunkt des Geschehens.

Von dem anfänglichen Schock, dass Dennis Vater einer mittlerweile fast 20-jährigen Tochter sein soll, erholen sich sowohl Dennis selbst wie auch Loretta relativ schnell, doch dass Dennis kurze Zeit später der einzige Verdächtige in einem Mordfall ist, zieht beiden den Boden unter den Füßen weg. Wie gut, dass Loretta ein hervorragendes kriminalistisches Gespür ihr Eigen nennt und die beiden sich zudem felsenfest auf die tatkräftige Unterstützung ihrer Freunde verlassen können – denn im Gegensatz zur Polizei, die sich aufgrund der Indizienlage sicher ist, mit Dennis den richtigen Täter dingfest gemacht zu haben, sind Loretta und ihr Umfeld davon überzeugt, dass Dennis einer raffiniert ausgetüftelten Inszenierung zum Opfer gefallen ist…

Lotte Minck beweist auch in dieser Ruhrpott-Krimödie wieder, dass sie nicht nur ein Händchen für eine gut ausbalancierte Mischung aus Humor und Spannung hat, sie versteht es auch ganz ausgezeichnet, ihr Personal echt und lebensnah darzustellen. Neben der Stammbelegschaft wirken auch alle anderen – wie zum Beispiel Dennis’ vermeintliche Tochter Miri, die dem Influencer-Wahn verfallen ist und glaubt, mit ein paar Fotos zu Ruhm und Reichtum zu kommen oder auch deren Mutter Angie, die sich selbst als Künstlerin sieht - absolut authentisch und überzeugen mit einem unterhaltsamen Zusammenspiel.

Es hat mir wieder wahnsinnig viel Spaß gemacht, mit „Hornbrillen-Girl“ und „Minipli-Man“ auf Verbrecherjagd zu gehen – „Ein Männlein liegt im Walde“ hat mich durchweg begeistert und mir ein paar vergnügliche Lesestunden beschert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.07.2021
Billy Summers
King, Stephen

Billy Summers


sehr gut

Billy Summers ist ein Auftragskiller mit einem strengen Moralkodex – er tötet nur schlechte Menschen. Sein Auftrag in Red Bluff soll sein letzter Coup werden, danach will er sich zur Ruhe setzen und sein Leben neu ordnen. Schon während der Vorbereitungen spürt er, dass sein Auftraggeber Nick Majarian ein falsches Spiel mit ihm spielt und es auch ihm selbst an den Kragen gehen soll. Billy trifft Vorkehrungen und ist gewappnet.

Nach Ausführung seines Auftrags entkommt Billy sowohl der Polizei wie auch Nicks Schergen. Während er in einem Haus in einer abgelegenen Gegend von Red Bluff auf den richtigen Zeitpunkt wartet, um die Stadt zu verlassen und seine ganz persönliche Rachemission zu starten, wird direkt vor seiner Haustür eine junge Frau aus einem Auto gestoßen – Alice Maxwell wurde das Opfer einer Gruppenvergewaltigung. Billy rettet die junge Frau nicht nur, er rächt auch den brutalen Übergriff auf sie und nimmt sie schließlich mit auf seine weitere Reise…

Im Gegensatz zu anderen Romanen von King ist mir der Einstieg in dieses Buch recht schwer gefallen – die Vorbereitungen, die Billy für seinen letzten Auftrag trifft, waren für mich wenig spannend. Die Geschichte nimmt erst richtig Fahrt auf, als Billy realisiert, dass er nach der Erledigung des Auftrags ausgeschaltet werden soll. Ab hier beginnt er mit der Planung, seine Auftraggeber auszutricksen und bereitet seine Rache an den Hintermännern vor. Ab hier hat mich das Geschehen Seite um Seite mehr gefesselt.

Besonders gelungen finde ich Kings Idee, seinen Protagonisten zur Tarnung als Schriftsteller auftreten zu lassen, während er auf die Ankunft seiner Zielperson in Red Bluff wartet. Um sich die Wartezeit zu verkürzen, beginnt Billy, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben – für den Leser ergibt sich daraus die Möglichkeit, nicht nur Billys Werdegang vom kleinen Jungen über die Ausbildung zum Scharfschützen bei den US-Marines bis hin zum Auftragskiller mitzuverfolgen, sondern gleichzeitig auch sein Wesen und seinen Charakter kennenzulernen, an seinen Gedanken und Gefühlen teilzuhaben und von seinen zum Teil erschreckenden Erlebnissen zu erfahren, die er über die Jahre hinweg durchmachen musste und die seinen Sinn für Recht und Gerechtigkeit geschliffen haben.

„Billy Summers“ hat mit sehr gut gefallen – ein Roman, der - typisch King - nie vorhersehbar ist, weil man bis zur letzten Seite nicht weiß, ob es nicht doch noch einen Twist gibt, der alles auf den Kopf stellt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.07.2021
Zu Befehl, Frau Doktor!
Witemeyer, Karen

Zu Befehl, Frau Doktor!


sehr gut

Karen Witemeyer beginnt diese unterhaltsame Wild-West-Komödie mit einem grausamen Prolog – sie beschreibt das Massaker von Wounded Knee am 29. Dezember 1890. Ich habe nicht mit einem so heftigen Einstieg gerechnet, halte diesen aber für sehr gelungen, weil er nicht nur als Begründung dafür dient, warum Hauptmann Matthew Hanger und drei seiner Soldaten den Militärdienst quittiert haben, sondern auch deren starken Zusammenhalt und ihre Einstellung zu Recht und Unrecht erklärt.

Die vier Männer haben nach dem Ausstieg aus der Kavallerie die „Hangers Reiter“ gegründet und ziehen als Söldner durch Texas, um Kriminelle und Gesetzlose zur Strecke zu bringen. Als bei der Verfolgung von Viehdieben einer von ihnen von einer Kugel getroffen wird, empfiehlt jemand Matt, den Verletzten nach Purgatory Springs zu Dr. Jo zu bringen. In dem beschaulichen Ort angekommen, treffen die Männer in der Arztpraxis allerdings nicht wie erwartet auf einen dicklichen älteren Herrn, sondern werden von der attraktiven, schlagfertigen und äußerst kompetenten Dr. Josephine Burkett in Empfang genommen. Obwohl Josie und Matt sich sofort zueinander hingezogen fühlen, finden beide – wie sollte es zu Beginn einer romantischen Liebesgeschichte anders sein? - ausreichend Gründe, die es ihnen unmöglich machen, ein Paar zu werden. Und so reiten die Reiter neuen Aufgaben entgegen, nachdem der verletzte Mark Wallace wieder einigermaßen hergestellt ist, während Josie in Purgatory Springs zurückbleibt. Doch dann erfährt sie, dass ihr Bruder Charlie entführt wurde und ihr Vater nicht bereit ist, auch nur einen Cent Lösegeld für seinen nichtsnutzigen Sohn zu zahlen. Josie muss schnell handeln und wer könnte ihr bei der Befreiung ihres Bruders besser behilflich sein, als Matt und seine Reiter? Sie folgt dem Quartett - und ein genauso unterhaltsames wie spannendes Abenteuer nimmt seinen Lauf…

Karen Witemeyer hat einen frischen, humorvollen Schreibstil. Die Autorin erzählt die Geschichte im lockeren Wechsel mal aus Josies, mal aus Matts Sicht, so dass man als Leser bestens mitverfolgen kann, was beide über den jeweils anderen und die unterschiedlichen Situationen denken.

Die Wild-West-Atmosphäre ist Karen Witemeyer hervorragend gelungen; Texas wird genauso dargestellt, wie es in meiner Vorstellung in den 1890er Jahren gewesen sein muss: Staubige Straßen, galoppierende Pferde, rauchende Colts, ratternde Eisenbahnen, übles Gesindel, das sich in einsamen Schluchten versteckt usw. Ein gutes Händchen hat die Autorin auch für ihr Personal – alle Akteure bis hin zu kleinen Randfiguren bekommen schnell ein Gesicht und handeln entsprechend den ihnen zugedachten Rollen.

Besonders gut gefallen haben mir die stets an passender Stelle eingefügten Psalme und kleinen Gebete, die der Geschichte einen angenehmen christlichen Anstrich geben und die Handlung immer wieder bereichern.

Der Humor ist nicht so ausgeprägt, wie man es aus anderen Romanen der Autorin kennt. Es gibt anfangs den einen oder anderen munteren Schlagabtausch zwischen den Hauptfiguren, doch die Dialoge zwischen den beiden verlieren nach und nach das neckische Geplänkel. Josie tritt zwar sowohl gegenüber Matt und seinen Reitern wie auch im Lager der Banditen selbstbewusst und wortgewandt auf, dennoch ist ihr Auftreten nicht so kommandierfreudig, wie ich es aufgrund von Titel und Klappentext erwartet hatte.

„Zu Befehl, Frau Doktor!“ hat mir sehr gut gefallen. Eine leicht zu lesende, unterhaltsame Liebesgeschichte, eingebettet in eine herrliche Wild-West-Atmosphäre. Es hat Spaß gemacht, die Akteure auf ihren Wegen zu begleiten und ihr Miteinander und Gegeneinander zu beobachten.

Bewertung vom 11.05.2021
Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1


sehr gut

In seinem ersten Kriminalroman „Der Donnerstagsmordclub“ nimmt Richard Osman den Leser mit nach Coopers Chase, einem ehemaligen Kloster, das zu einer luxuriösen Seniorenresidenz umgebaut wurde und ganz idyllisch inmitten der grünen Hügellandschaft der Grafschaft Kent liegt. Das Freizeitangebot für die hier lebenden Senioren ist vielfältig, für vier der Bewohner allerdings nicht spannend genug. Deshalb haben sie den Donnerstagmordclub gegründet.

Elizabeth, die immer noch so zielgerichtet agiert, wie zu ihren Geheimdienstzeiten, Ron, der seinen Biss als ehemaliger Gewerkschaftsführer noch nicht verloren hat, Ibrahim, der früher Psychiater war und den Dingen auch heute noch gerne auf den Grund geht und Joyce, die viele Jahre als Krankenschwester gearbeitet hat und äußerst geschickt ist, wenn es darum geht, erhitzte Gemüter abzukühlen, treffen sich einmal wöchentlich, um über Akten mit unaufgeklärten Mordfällen zu brüten und nach Hinweisen zu suchen, die bei den offiziellen Ermittlungen womöglich übersehen wurden. Als der ortsansässige Bauunternehmer Tony Curran quasi direkt vor ihrer Haustür ermordet wird, gibt es für das muntere Quartett kein Halten mehr – sie stürzen sich in die Ermittlungen und legen dabei eine Raffinesse an den Tag, die ihnen niemand zugetraut hätte…

Richard Osman lässt seine Hobbydetektive ohne Hektik und Action, dafür aber mit viel trockenem britischem Humor ermitteln. Genauso geruhsam, wie man sich das Leben im englischen Hinterland vorstellt, sind auch die Nachforschungen - Fragen stellen, Hinweisen nachgehen, beobachten, spekulieren und kombinieren, so versucht der Club nach und nach dem Täter auf die Spur zu kommen. Auch wenn der Krimi nicht mit nervenaufreibender Höchstspannung daherkommt, lädt das mit einigen Wendungen und Überraschungen gespickte Geschehen den Leser zum Mitfiebern und Miträtseln ein.

Neben dem Kriminalfall spielen die persönlichen Belange und Befindlichkeiten sowie das Miteinander und Gegeneinander der Akteure eine große Rolle. Sowohl das Leben in und um der Seniorenresidenz mit all seinen unterschiedlichen Facetten wie auch der Alltag und die privaten Angelegenheiten der polizeilichen Ermittler sind eng mit den Ermittlungen verwoben und machen einen nicht unerheblichen Teil der Handlung aus.

„Der Donnerstagsmordclub“ hat mir sehr gut gefallen – es hat Spaß gemacht, mit den rüstigen Senioren auf Verbrecherjagd zu gehen. Wer amüsante Krimis mit genauso originellen wie warmherzigen Figuren mag, kommt hier voll auf seine Kosten.

Bewertung vom 04.05.2021
Nordseegeheimnis
Denzau, Heike

Nordseegeheimnis


ausgezeichnet

Föhr. Kaum hat Raphael Freersen den Entschluss gefasst, die geerbte Friesendetektei weiterzuführen, flattert auch schon ein Auftrag auf seinen Tisch: er soll - als Patient eingeschleust - in der Kurklinik am Kliff eine Diebstahlserie aufklären. Gleich an seinem ersten Abend schließt er sich einigen feierlustigen Patienten an. Als er sich in der Nacht angetrunken und etwas später als der Rest der Truppe durch den Keller in die Klinik zurückschleicht, rutscht er auf etwas Feuchtem aus, stürzt und kann gerade noch einen leblosen Menschen ertasten, bevor er das Bewusstsein verliert. Als er am nächsten Morgen in seinem Zimmer aufwacht, bekommt er erste Zweifel an seinem nächtlichen Erlebnis. Da es nirgendwo in der Klinik eine Spur von einem Verletzten oder gar Toten gibt und auch niemand vermisst wird, war die blutüberströmte Person wahrscheinlich nur ein mieser Traum. Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl und Raphael beschließt, ein wenig nachzuforschen…

„Nordseegeheimnis“ beginnt mit einem spannenden Prolog, der den Leser einen Blick auf ein 30 Jahre zurückliegendes Ereignis werfen lässt: Frederick beobachtet einen Unfall mit Fahrerflucht. Obwohl er genau weiß, wer am Steuer des Käfers saß und die 16-jährige Heidi überfahren hat, macht er eine Falschaussage…

Heike Denzau wartet auch in ihrem zweiten Krimi mit dem Föhrer Privatdetektiv Raphael Freersen mit einer abwechslungsreichen Handlung auf. Neben den spannenden Ermittlungen in der Kurklinik – bei denen der Leser prima über Täter und Motiv miträtseln kann – spielen auch die privaten, meist recht turbulenten Aktivitäten des Jung-Detektivs eine große Rolle.

Es sind die herrlichen Figuren, die dieser Krimiserie eine besondere Note geben. Die Akteure - allen voran natürlich Raphael selbst - beleben mit ihren Eigenarten, Macken und Besonderheiten die Szenerie und tragen mit ihrem lebhaften Zusammenspiel kräftig zur Unterhaltung bei. Raphael hat im Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder Johannes ein ausgeprägtes Flegel-Gen. Er ist ein Mann, der Probleme frontal angeht und gerne ganz unverblümt die Wahrheit sagt. Obwohl er situativ durchaus charmant sein kann und bei Menschen, die er wirklich mag, ein mitfühlendes Herz zeigt, bestimmen machomäßige Kommentare, flapsige Antworten und ein oft ungehobeltes Benehmen sein Auftreten - dass sein Gegenüber sich dabei vor den Kopf gestoßen fühlen könnte, ist ihm schnurz. Besonders amüsant wird die Handlung immer dann, wenn der rüpelhafte Raphael Gegenwind bekommt und auf Leute trifft, die sich schlagfertig zu behaupten wissen.

„Nordseegeheimnis“ hat mir sehr gut gefallen – lebhafte Charaktere, unterhaltsame Situationskomik und eine knifflige Krimihandlung sorgen für ein kurzweiliges Lesevergnügen.

Bewertung vom 17.04.2021
Die Wahrheit der Dinge
Thiele, Markus

Die Wahrheit der Dinge


ausgezeichnet

Hamburg, 2015. Frank Petersen ist mit Leib und Seele Strafrichter. Er war bisher davon überzeugt, dass er seine Arbeit gut und richtig macht, wenn er durch sachliches und professionelles Prüfen der Fakten und Tatbestände die Wahrheit ans Licht bringt und dann entsprechend der Gesetze urteilt. Er glaubte bisher fest an die Objektivität seiner Urteile. Dass der Bundesgerichtshof in den letzten zwei Jahren vier seiner Urteile wegen mangelnder Tatsachenfeststellung aufgehoben hat, traf ihn hart. Als er jetzt mit einem weiteren umstrittenen Urteil in die Kritik gerät und sogar seine Familie sich mit den Vorwürfen, er wäre überheblich, gefühlskalt und lasse sich von Vorurteilen leiten von ihm abwendet, gerät seine Welt vollends ins Wanken. Petersen beginnt, seine Denkweise zu hinterfragen. Als Auslöser für seine Krise sieht er einen vor fünf Jahren erlittenen Schock, als er während einer Verhandlung nicht achtsam genug war…

Corinna Maier hat durch rechtsextreme Gewalt die Liebe ihres Lebens verloren – 1990 wurde der Vater ihres damals ungeborenen Sohnes brutal zu Tode geprügelt. Damit nicht genug, Corinna musste miterleben, dass der Täter nicht als Mörder verurteilt wurde, sondern mit einer milden Strafe davonkam. Als knapp 20 Jahre später auch ihr Sohn ermordet wird, will sie kein weiteres Mal Ungerechtigkeit erleben müssen. Sie wartet das Urteil – Petersens Urteil – nicht ab, sondern erschießt den Mörder ihres Sohnes im Gerichtssaal…

„Die Wahrheit der Dinge“ hat mich von der ersten Seite an fest im Griff gehabt. Der Roman über Vorurteile, Fremdenhass und Selbstjustiz wird mitreißend erzählt und besticht durch die gekonnte Verknüpfung von Realität und Fiktion. Markus Thiele hat sich von zwei wahren Rechtsfällen inspirieren lassen: dem Fall Marianne Bachmeier - Bachmeier beging 1981 Selbstjustiz und erschoss im Lübecker Landgericht den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter - sowie dem Fall Amadeu Antonio Kiowa - Kiowa wurde im Dezember 1990 in Eberswalde von einem rechten Mob brutal ermordet.

Markus Thiele beginnt diesen Roman mit einem kurzen Prolog – dem Tag, als Corinna Maier in Petersens Gerichtssaal zur Waffe greift. Im Folgenden gibt es zwei Handlungsstränge – zum einen Petersen, sein rotierendes Gedankenkarussell und die Aufarbeitung seines Traumas und zum anderen die Erlebnisse der Medizinstudentin Corinna Maier von ihrer ersten Begegnung mit dem Gastdoktoranden Steve Otremba aus Pretoria im Jahr 1989 bis zu ihrer Haftentlassung 2015.

Der Part, in dem Corinna Maiers Geschichte erzählt wird, hat mich besonders berührt. Ihre Trauer und ihre Wut waren für mich greifbar. Natürlich darf Selbstjustiz nicht sein – keine Frage! Dennoch konnte ich ein Stück weit Verständnis für sie aufbringen und nachvollziehen, warum sie kein Vertrauen in die Justiz hatte und es aus ihrer Sicht keinen anderen Weg gab.

Markus Thiele zwingt den passionierten Strafrichter zum Grübeln über Schuld, Recht und Gerechtigkeit und lässt ihn reflektieren, welchen Stellenwert die Menschlichkeit bei aller Sachlichkeit hat, und ob es hinsichtlich einer Straftat wirklich immer nur die eine unumstößliche Wahrheit gibt oder ob Wahrheit nicht doch eine Frage der Perspektive ist. Gleichzeitig lädt der Autor auch den Leser ein, über diese Dinge nachzudenken und sich ein eigenes Bild zu machen.

„Die Wahrheit der Dinge“ hat mir sehr gut gefallen – ein tiefgründiger Roman, der dem Leser einen Blick hinter die Kulissen des Richteramtes gewährt und zudem die Grauzonen unseres Rechtssystems beleuchtet.

Bewertung vom 12.04.2021
Bevor ich dich traf
Hedlund, Jody

Bevor ich dich traf


ausgezeichnet

England, Mai 1862. Mercy Wilkins ist im Londoner Armenviertel Shoreditch aufgewachsen. In der Hoffnung, sich selbst und ihrer in einem Arbeitshaus lebenden Schwester ein besseres Leben zu ermöglichen, beschließt sie, das Angebot der Columbia-Missionsgesellschaft anzunehmen und nach British Columbia auszuwandern. Sie begibt sich an Bord der Tynemouth – dass es sich dabei um ein Brautschiff handelt und von ihr erwartet wird, nach ihrer Ankunft einen der unzähligen in der Kolonie lebenden ledigen Männer zu heiraten, erfährt Mercy erst, als sie bereits unterwegs ist…

Lord Joseph Colville ist Arzt geworden, weil er noch nicht bereit ist, sein Erbe anzutreten und den Platz in der Gesellschaft einzunehmen, der für ihn vorgesehen ist. Als Kapitän Alfred Hellyer ihm die Möglichkeit bietet, als Schiffsarzt auf der Tynemouth anzuheuern, sagt er daher ohne zu zögern zu…

Jody Hedlund wartet in ihrem Roman „Bevor ich dich traf“ mit einer wunderbaren Mischung aus Historie und Liebesgeschichte auf. Grundlage für diesen ersten Band ihrer Brautschiff-Saga sind die realen Begebenheiten rund um die Fahrt des Brautschiffes Tynemouth von England nach Victoria/British Columbia im Jahr 1862. Zudem widmet Jody Hedlund sich intensiv den gesellschaftlichen und sozialen Strukturen des 19. Jahrhunderts und zeigt auf, wie tief das Standesdenken in den Menschen verwurzelt war.

Der Autorin gelingt es ganz hervorragend, die schrecklichen Lebensumstände in Londons Armenvierteln mit wenigen Worten anschaulich zu schildern. Armut, Elend, Hunger, womöglich Prostitution – angesichts solch düsterer Zukunftsaussichten kann man gut nachvollziehen, dass eine junge Frau es vorgezogen hat, eine Reise ins Ungewisse zu wagen und sowohl die grausamen Strapazen einer monatelangen Überfahrt wie auch die Verpflichtung, einen völlig fremden Mann zu heiraten, in Kauf zu nehmen.

Die Geschichte von Mercy und Joseph wird fesselnd erzählt und steckt voller mitreißender Emotionen. Beide Protagonisten sind äußerst liebenswert – Mercy kümmert sich selbstlos um diejenigen, denen es noch schlechter geht, als ihr selbst. Sowohl in London wie auch auf dem Schiff ist sie für jeden da, der Hilfe braucht. Und Joseph legt keinen Wert auf die Privilegien seines Standes, sondern ist mit Leib und Seele Arzt und versorgt aufopfernd jeden Patienten, unabhängig davon, wer er ist und woher er kommt. Es ist faszinierend zu beobachten, wie Jody Hedlund das Band zwischen diesen beiden Menschen, die aus so gänzlich unterschiedlichen Welten kommen, immer stärker werden lässt. Das gemeinsame Pflegen und Heilen der Kranken und Verletzten auf der Tynemouth schweißt Mercy und Joseph zusammen. Sie fühlen sich mehr und mehr zueinander hingezogen. Dennoch ist beiden bewusst, dass die Standesunterschiede eine gemeinsame Zukunft unmöglich machen…

„Bevor ich dich traf“ hat mir sehr gut gefallen - der lebendig erzählte Mix aus historischen Fakten und fiktiver Liebesgeschichte ist durchweg fesselnd und hat mich bestens unterhalten.

Bewertung vom 10.04.2021
Alles, was wir wissen und was nicht

Alles, was wir wissen und was nicht


ausgezeichnet

„Alles, was wir wissen und was nicht“ ist ein genauso informatives wie unterhaltsames Nachschlagewerk, das sich mit seinen farbenprächtig gestalteten Seiten von anderen Enzyklopädien abhebt. Herausgeber Christopher Lloyd möchte mit diesem Lexikon das Interesse an den unterschiedlichsten Themen wecken und Neugierige jeden Alters anspornen, die Welt zu erkunden.

Acht spannende Kapitel ermöglichen dem Leser/Betrachter einen facettenreichen Einblick in die Entstehung des Universums und das Leben auf der Erde. Man erfährt allerlei Wissenswertes über die Natur und Naturgewalten. Über Menschen und Tiere. Über die Entwicklung vom Altertum bis in die heutige Zeit. Und man kann einen Blick auf die Welt von morgen werfen. Jedem Kapitel ist eine kurze, neugierig machende Einleitung vorangestellt, so dass man sofort Lust bekommt, in dem Themenbereich zu stöbern.

Die mehr als 1000 Grafiken, Fotos, Karten und Zeichnungen sind übersichtlich angeordnet und mit prägnanten Erklärungen und Hinweisen versehen. Ergänzt werden die Abbildungen durch kurze, leicht verständliche Texte sowie Zeitleisten, Listen, erstaunliche Fakten und Kommentare von Experten. Eine großartige Vielfalt, so dass es auf keiner der fast 400 Seiten langweilig wird.

Neben der abwechslungsreichen Gestaltung haben mir die Querverweise am Ende jeder linken Seite besonders gut gefallen. Sie weisen auf verwandte Themen hin und laden zum weiteren Schmökern ein – es macht großen Spaß, durch das Buch zu „surfen“ und dabei immer wieder etwas Neues zu entdecken.

Bewertung vom 09.04.2021
Tödliche See / Liv Lammers Bd.5
Weiß, Sabine

Tödliche See / Liv Lammers Bd.5


ausgezeichnet

Ein ungeklärter Todesfall auf der Versorgungsplattform eines Windparks knapp achtzig Kilometer vor der Küste Sylts wird für Liv Lammers und ihr Team zu einer besonderen Herausforderung. Nicht nur die ohnehin schon widrigen Bedingungen inmitten der tosenden Nordsee machen den Ermittlern zu schaffen, auch der Leichenfundort - der ermordete Taucher Dennis Marzen hängt im Gestänge unter der Plattform fest - erschwert die Spurensuche. Zudem ist Eile geboten, weil der turnusmäßige Wechsel der 44-köpfigen Windpark-Crew kurz bevorsteht. Während Liv und Bente sich mit Hochdruck an die Befragungen der Mitarbeiter der Offshore-Anlage machen, begibt ihr Kollege Hennes sich nach Sylt und nimmt den Firmensitz des Windparkbetreibers genauer unter die Lupe…

„Tödliche See“ ist bereits der fünfte Fall für Liv Lammers von der Mordkommission Flensburg, der Krimi ist aber auch ohne Kenntnis der vorherigen Bände bestens verständlich.

Ich lese gern verzweigte Geschichten und mag es, wenn ich in einem Krimi nicht nur intensiv an den Ermittlungen teilhaben kann, sondern mir auch das Drumherum ausführlich geschildert wird. So ein abwechslungsreiches Geschehen hat mir Sabine Weiß in ihrem neuen Sylt-Krimi geboten – die Autorin wartet nicht nur mit einem äußerst spannenden Fall auf und lässt mich an den privaten Angelegenheiten des Ermittler teilhaben, sie ermöglicht mir auch vielfältige Einblicke in die Windindustrie. Neben den alltäglichen Abläufen und den Schwierigkeiten, mit denen die Belegschaft eines Offshore-Windparks ständig zu kämpfen hat, wird die gefährliche Arbeit der Berufstaucher besonders hervorgehoben. Die aktuelle Forschung sowie die technischen und wirtschaftlichen Aspekte der Windbranche werden erläutert und auch die Gegner der Windkraft kommen zu Wort, so dass man im Verlauf der Handlung ein umfassendes Bild zum Thema Offshore-Windenergie erhält.

Die Ermittlungen im Mordfall Marzen erweisen sich als äußerst knifflig und halten nicht nur Liv & Co., sondern auch mich als Leser durchweg in Atem. Warum wurde die Überwachungsanlage manipuliert? Was ist dran an den Mobbingvorwürfen gegen Marzen? Ist eine heimliche Beziehung der Grund für den Mord? Oder haben die Windkraftgegner ihre Finger im Spiel? Diese und zahlreiche weitere im Handlungsverlauf auftauchende Fragen haben mir viel Platz zum Miträtseln und Mitgrübeln über Motiv und Identität des Täters gegeben. Falsche Fährten, viele Verdächtige, überraschende Wendungen sowie immer neue Anhaltspunkte und Ereignisse halten das Geschehen lebendig und sorgen dafür, dass die Sogwirkung des Krimis bis zum Schluss nicht abreißt.

„Tödliche See“ hat mir sehr gut gefallen - ein abwechslungsreicher, gut durchdachter Krimi, der von der ersten bis zur letzten Seite spannende Unterhaltung bietet.