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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lara89
Wohnort: 
Münster
Über mich: 
Geschichten sind das Größte

Bewertungen

Insgesamt 94 Bewertungen
Bewertung vom 22.02.2023
Wovon wir leben
Birnbacher, Birgit

Wovon wir leben


sehr gut

Frauenarbeit - Frauenleben
Arbeitslos - was jetzt? Krankenschwester Julia (37) zieht zunächst zurück zu ihren Eltern in das österreichische Dorf, in dem sie aufgewachsen ist. Die Verhältnisse im Dorf, das inzwischen voller Arbeitsloser ist, sind urtümlich und patriarchal. Selbstverständlich wird von Julia erwartet, dass sie nun für den Vater den Haushalt führt. Aber so einfach ist das nicht.
Die Sprache der Bachmann-Preisträgerin ist sehr angenehm zu lesen. gelegentliche Mundart-Ausdrücke stören den Lesefluss nur wenig. Die Protagonistin erzählt ihre Geschichte selbst und kommt uns dadurch sehr nah. Es werden so viele Themen angesprochen, dass man kaum weiß, auf welches es der Autorin ankommt. Das Leben rund um die Lohnarbeit, die Care-Arbeit der Frauen, das Aussitzen von familiären Fragen und Problemen - glücklich ist in diesem Ort niemand. Aber es sind alles ganz normale Leute, wie sie jeder kennt. Und wie soll man es denn machen? Wie kann es für Julia nun weiter gehen?
Eine düstere Geschichte, mit einem sehr kleinen Lichtblick am Ende. Highlight ist wohl das Schwimmen im See, ein Moment, den auch das Cover zeigt. Dafür leben wir.

Bewertung vom 12.02.2023
Jetzt ist Sense
Rath, Hans

Jetzt ist Sense


sehr gut

Humorvoll
Olivia ist Psychotherapeutin mit eigener Praxis. Eines Tages klingelt der Sensenmann bei ihr - es ist Thanatos, der Gott des sanften Todes. Normalerweise holt er Todgeweihte ab, um sie zu seinem Bruder Hades zu geleiten. Aber eigentlich hat er keine rechte Lust mehr auf seinen Job, denn er macht ihn schon allzu lange.
Wir befinden uns in der heutigen Welt. Die Verknüpfung mit den antiken Göttern und ihren Aufgaben wird bis zum Ende konsequent durchgehalten. Sie sind mitten unter uns! Das ist anfangs schwer zu akzeptieren, nicht nur für Olivia. Doch sie erkennt die Wahrheit und hilft ihm schließlich.
Denn hier läuft wirklich ein griechischer Gott mitten in Berlin herum. Er hadert mit seiner Aufgabe und streitet mit seinen Geschwistern wie ein ganz normaler Mensch. Genau so haben sich Götter auch in der Antike verhalten: menschlich. Wer sich darauf einlassen kann, dass das hier und heute ganz genauso passiert, findet eine humorvolle, ziemlich verrückte Geschichte um Tod, Leben und Psychologie. Denn der Tod versteht auch eine Menge vom Leben.

Bewertung vom 06.02.2023
Als Großmutter im Regen tanzte
Teige, Trude

Als Großmutter im Regen tanzte


sehr gut

Schwere Kost

Juni nimmt eine Auszeit auf einer kleinen norwegischen Insel, auf der sie das Haus ihrer Großmutter Tekla geerbt hat. Sie findet alte Fotos und beginnt, Fragen zu stellen. Die Geschichte der Großmutter wird geschildert, die sich in einen deutschen Soldaten verliebte und Norwegen nach dem Krieg verließ. Sie reisen nach Demmin, wo seine Familie einen Hof besaß. Parallel weitererzählt wird die Geschichte Junis, die aus einer gewalttätigen Ehe geflohen ist und sich nun auf den Weg nach Deutschland macht, um nach Spuren ihrer Großmutter zu suchen.

Was wie eine besinnliche, fast poetische Erinnerungsreise beginnt, führt zu einer Schilderung der Brutalitäten, die russische Soldaten in dem ostdeutschen Städtchen Demmin begingen. Aus Angst vor den Massenvergewaltungungen oder mit der Erfahrung dessen nahmen sich hier viele hundert Menschen das Leben, meist Frauen, die ihre Kinder mitnahmen. Die Gräueltaten werden aus moderner Sicht erklärt, fast könnte man sagen: gerechtfertigt. Wie die Menschen danach damit gelebt haben, wird eindringlich geschildert, aus der Perspektive von Tekla und aus der der nachforschenden Enkelin. Doch auch die Nachkriegszeit in Deutschland mit ihren Erinnerungen, Schuldzuweisungen und Dingen, die verschwiegen werden, sind Gegenstand der Geschichte Junis.

Das ist schwere Kost. Die Autorin hat gründlich in Deutschland und Norwegen recherchiert. Wer sich dem aussetzen möchte, ist zum Schluss erneut dankbar für den Frieden in unserem Land. Eine gute Geschichte aus schlimmen Zeiten.

Bewertung vom 24.01.2023
Der Riss
Winter, Thilo

Der Riss


sehr gut

Sehr spannender, gut recherchierter Antarktis-Thriller
Antonia Rauwolf, Vulkanologin, kommt auf die antarktische Neumayer-Station, um Vulkane zu untersuchen, die in der Westantarktis entdeckt wurden. Aber zunächst macht sie sich auf die Suche nach ihrem im Eis verschollenen Bruder. Doch auch eine Gruppe mordender Diamantensucher ist unterwegs.
Das Ganze ist ein wilder Ritt mit sehr unterschiedlichen Protagonisten: Da sind die Wissenschaftler*innen und die Faszination des eisigen Kontinents, und auf der anderen Seite die Diamantensucher, die nur an Reichtümern interessiert sind und dafür über Leichen gehen. Das ist sehr spannend erzählt, und die Gefahr für die Beteiligten ist groß. Cliffhanger unterbrechen den Lesefluss immer wieder. Das Erzähltempo ist sehr hoch, man kommt buchstäblich kaum zu Atem.
Die Diamentensucher wirken manchmal etwas albern vor dem Hintergrund einer globalen Gefahr, auch wenn diese nicht so richtig erklärt wird. Schön wäre es gewesen, mehr über die Zusammenhänge und die einzigartige Natur zu erfahren. Doch dies ist ein Spannungsroman, und als solcher ist er durchaus gelungen.

Bewertung vom 20.01.2023
Ohne mich
Schüttpelz, Esther

Ohne mich


sehr gut

Jung, frei und unentschlossen
Das Leben ist nicht einfach, wenn man gerade zu Ende studiert hat und darüber hinaus frisch getrennt ist. Zwischen Studium, Party, Drogen, Sex und Praktikum scheint die Erzählerin vollkommen verloren. Sie schildert ihre wirre Gefühle und Gedanken, und machmal fragt sie sich, wo soll es hingehen und warum.
Die Ich-Erzählerin ist ebenso namenlos wie ihr Ex, der nur als "der Ehemann" bezeichnet wird. Sie beschreibt das Jahr, das nach dieser Trennung ins Land geht. Das ist flüssig geschrieben und lässt sich gut lesen. Eine echte Geschichte ist es nicht, eher die Darstellung eines Schwebezustandes und einer Lebensweise: Die Studierenden leben in Wohngemeinschaften, gehen nachts auf Partys und nehmen sehr viel Alkohol und Drogen zu sich. Manche gehen nach Berlin oder ins Ausland, andere in die Provinz. Oder sie bleiben. Nicht alle schließen das Studium ab.
Ganz am Ende hat die Erzählerin eine Idee davon, worauf es ankommt, und dass in dieser ganzen Zeit doch wichtige Dinge passiert sind. Endlich nennt sie auch ihren Ex wieder beim Namen. Seine Funktion hat er nicht mehr inne.
Ein Buch für Studierende und solche, die es einmal waren.

Bewertung vom 16.01.2023
Die Henkerstochter und die Schwarze Madonna / Henkerstochter Bd.9
Pötzsch, Oliver

Die Henkerstochter und die Schwarze Madonna / Henkerstochter Bd.9


ausgezeichnet

Spannend und detailreich
Altötting, Bayern, 1681: Kurfürst Max Emaunel und Kaiser Leopold 1. treffen sich im bayerischen Wallfahrtsort Altötting, und gemeinsam in der Gnadenkapelle zu beten und eine Allianz gegen die Türken zu schmieden. Das ist eine hochpolitische und sehr brisante Angelegenheit. Auf Betreiben des Kurfürsten ist auch die Familie Kuisl vor Ort, einer als Spion, ein anderer als Arzt. Da macht sich ein Attentäter bemerkbar.
Die Romane um die Tochter des Schongauer Henkers Jakob Kuisl und ihre Familie gehen hiermit in die neunte Runde. Man kann diesen Band lesen, ohne die anderen zu kennen; die handelnden Personen werden auch insgesamt nicht so zahlreich, dass der Überblick verloren ginge in diesem dicken Werk. Die private Familiengeschichte wird auf geschickte Weise mit der großen Politik verwoben.
Sehr detailreich erfahren wir, wie die Menschen damals lebten, auf Burgen, in Bürgerhäusern, in Klostern und in Spelunken, und wie normal auch das Töten und Sterben war. Besonderes interessant ist der Einblick in die Medizin der damaligen Zeit; in der Familie gibt es einen Arzt, einen Medizinstudenten und eine Hebamme. Der Beruf des Henkers ist zwar notwendig, aber nicht sehr angesehen, und so sind die Kuisls eher einfache Leute, die sich aber zum Teil hochgearbeitet haben.
Die Geschichte um das historisch verbürgte Treffen in Altötting ist aufgebaut wie ein moderner Krimi. Wir erhalten einen Einblick in eine düstere Gedankenwelt, aber wir erfahren bis kurz vor Schluss nicht, warum hier gemordet wird. Parallel wird aus mehreren verschiedenen Perspektiven erzählt. Schließlich geraten auch die Kuisls ins Fadenkreuz. Werden sie überleben? Können sie die Morde aufklären?
Definitiv eines der spannendsten Bücher des Jahres.

Bewertung vom 15.01.2023
AETERNA
Lundt, Mikael

AETERNA


sehr gut

Dimensionen - spannende Geschichte mit überraschendem Ende

Daniel Slovac arbeitet in einer Forschungsstation in den Schweizer Bergen, wo er Neutrinos aus dem Weltall aufzufangen hofft. Eines Tages misst er etwas Unerwartetes. Zugleich will Polizistin Isabella Cassini in Rom einen Informanten treffen, der ihr etwas über eine kriminelle Sekte erzählen will, aber er wird ermordet. Was scheinbar so wenig miteinander zu tun hat, ist eng miteinander verbunden.
Lundt verknüpft einen uralten mystischen Kult mit moderner Wissenschaft und einem sonderbaren Naturphänomen zu einer spannenden Geschichte. Er erzählt anschaulich und flüssig, das Lesen macht Freude. Die Figuren und ihre Umgebung kann man sich gut vorstellen. So kommt man gut ins Geschehen hinein. Die Auflösung stimmt nachdenklich.
Der Autor ist Selfpublisher und hat schon einige Wissenschaftskrimis veröffentlicht. Das Buch wurde professionell lektoriert, sodass der Lesefluss nicht durch Schreibfehler gestört wird. Die naturwissenschaftlichen Fakten sind verständlich dargestellt, und man kann der Geschichte gut folgen.

Bewertung vom 07.01.2023
Erin / Die Giganten Bd.1
Lylian

Erin / Die Giganten Bd.1


ausgezeichnet

Mutige Heldin, fantastische Naturwesen

Schlägt man diesen Comic auf, ist er erst einmal grün. Das passt gut, denn es geht um Pflanzenmagie.
Erin hat ihre Eltern verloren und wächst bei Onkel und Tante auf. Alles was sie pflanzt, wächst und trägt Früchte, selbst Kiwis in Schottland. Im Wald lernt sie ein magisches Wesen kennen, das auf besondere Weise mit ihr verbunden ist: den Pflanzenriesen Yrso. Giganten wie ihn gibt es noch mehr auf der Welt. Sie werden verfolgt, und einer von ihnen hat Böses vor.
Erin ist eine Heldin, mit der man sich leicht identifizieren kann. Sie ist neugierig und wenig ängstlich, trägt aber die Trauer um ihre Eltern mit sich. Die Zeichnungen sind professionell, farbig und schön anzusehen. Besonders Yrso ist faszinierend, eine riesige, zerzauste, baumartige Gestalt.
Fünf Bände, fünf Giganten folgen noch. Jeder ist mit einem besonderen Kind magisch verbunden. Sehr zu empfehlen, auch für Erwachsene.

Bewertung vom 02.01.2023
Das glückliche Geheimnis
Geiger, Arno

Das glückliche Geheimnis


gut

Autobiografie eines Schriftstellerlebens - mäßig unterhaltsam, manchmal weise

Der Autor durchsucht regelmäßig die Altpapiertonnen in seiner Umgebung. Manchmal findet er wertvolle Bücher, aber wichtiger sind ihm die Sammlungen privater Briefe der unterschiedlichsten Menschen aus den verschiedensten Milieus. Hieraus speist Geiger sein Schreiben. Jahrzehntelang gehören diese Touren zu seinem Leben.
Der Titel lässt mehr Glück und Spannung erwarten, als das Buch liefert. Geiger reflektiert sich durch mehr als zwei Jahrzehnte Leben und Schreiben. Seine Beobachtungen und Erlebnisse auf den immergleichen Wegen sind ein Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen. Die Veränderungen in seinem eigenen Leben sind die, die so ziemlich jeder Mensch erlebt: man wird erwachsen, die langjährige Liebesbeziehung wird auf die Probe gestellt, die Eltern sterben, schließlich stellt sich beruflicher Erfolg ein. Geiger schildert das alles sehr sensibel, nachdenklich, und auch selbstkritisch. Seine Gedanken reichen dabei weit über die eigenen Befindlichkeiten hinaus. Gelegentlich blitzt Weisheit auf. Als Geschichte liest sich das allerdings wenig spannend.

Bewertung vom 02.12.2022
Die Siegel des Todes
Orontes, Peter

Die Siegel des Todes


sehr gut

Schöner historischer Schmöker
Schwarzwald, ab 1323: Elias ist ein Waisenjunge und auf der Flucht. An seine Herkunft hat er keine Erinnerung. Ein Wasenmeister (Abdecker) findet ihn im Wald und nimmt ihn auf. Zugleich wird andernorts der kleine Bauernhof von Ranghilds Eltern überfallen. Das Mädchen kann fliehen.
Ohne von einander zu wissen, schlagen sich beide über die Jahre im mittelalterlichen Schwarzwald durch, später auch in Regensburg. Ranghild gelangt bis ins italienische Salerno, wo sie Medizin studiert. Sie gewinnen Freunde und Unterstützer, aber sie haben auch Feinde. Erst als Erwachsene begegnen sie einander und es wird klar, warum hier von beiden erzählt wird.
Das ist unterhaltsam und detailreich geschildert. Man erfährt eine Menge über den Alltag der Menschen im späten Mittelalter. Held und Heldin sind intelligente Kinder ihrer Zeit, die Dinge hinterfragen, sich aber auch anpassen können. Sie überleben und bewähren sich in den unterschiedlichsten Umgebungen, was immer wieder interessant und spannend zu lesen ist.
Gegen Ende hat die Geschichte Längen, was bei einem Umfang von knapp 800 Seiten nicht überrascht. Die Auflösung ist vorstellbar und umfassend, aber nicht erfreulich.
Ein Buch für Mittelalter-Fans, zu genießen bei elektrischem Licht und eingeschalteter Zentralheizung.