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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lara89
Wohnort: 
Münster
Über mich: 
Geschichten sind das Größte

Bewertungen

Insgesamt 112 Bewertungen
Bewertung vom 15.06.2023
Vom Ende der Nacht
Daverley, Claire

Vom Ende der Nacht


sehr gut

Schön, zart, anrührend
Will und Rosie lernen sich in der Schule kennen. Sie spielt Klavier und singt, er liebt Motorräder und arbeitet in einer Werkstatt. Doch beide tragen tiefe innere Verletzungen in sich, von denen man zum Teil erst mitten im Buch erfährt. Dann geschieht ein schweres Unglück.
Die Geschichte ist abwechselnd aus der Sicht der beiden Hauptpersonen erzählt, doch es ist immer sehr klar, wessen Sichtweise wir gerade lesen. Mir hat gefallen, dass nicht versucht wird, irgendeinem Ideal von Liebe oder Beziehung zu entsprechen oder sich an irgendwelchen Verhaltensregeln zu orientieren. So wirken die Gefühle, mit denen die beiden umgehen, immer echt. Beide Personen erleben eine Menge auf ihren unterschiedlichen Lebenswegen. Sie nähern sich an und entfernen sich wieder von einander. Und oft ist der andere nur einen Handyanruf weit weg.
Das ist anrührend und emotional geschildert. Die Entwicklung der Personen bis zum Ende ist glaubhaft. Mich hat die Geschichte gut unterhalten und insbesondere der Schluss sehr berührt.

Bewertung vom 10.06.2023
Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen
Ironmonger, John

Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen


gut

Ein Klimaroman
Der Autor hat sich bereits mit „Der Wal und das Ende der Welt‟ und „Das Jahr des Dugong‟ einen Namen gemacht. Nun also ein Eisbär.
Ein Politiker und ein Student wetten in einer Kneipe in Cornwall, dass das Haus des Politikers in 50 Jahren durch den Anstieg des Meerespiegels (nicht) überflutet sein wird. Der Roman umfasst tatsächlich Zeiträume, die für ein Menschenleben sehr lang sind. Die letzten Szenen spielen 80 Jahre später.
Der Stil ist sehr distanziert. Der Autor schildert seine Personen wie ein Theaterregisseur, der sein Personal auf einer Bühne platziert. Mir hat das beim Lesen wenig Freude gemacht. Einzig der zentrale Abschnitt, in dem auch der Eisbär auftritt, ist so geschrieben, dass man wirklich dabei ist. Hier findet sich auch eine Schilderung des Karbonzeitalters und der weiten Entwicklung der Erdgeschichte. Das zeigt die Bedeutung des Kohlendioxids für unser Klima, auf sehr populäre und verständliche Weise. Einzig eine namenlose Mikrobe habe die Erde für uns bewohnbar gemacht.
Sosehr mich dieser Abschnitt begeisterte, so wenig überzeugend fand ich den Roman als Ganzes. Dazu trägt auch bei, dass die Zeitsprünge manchmal sehr groß sind, was vielleicht weges des Klimathemas auch sein müssen.
Mein Fazit: Klima taugt nicht als Thema für einen Roman. Hier klappt es jedenfalls nicht.

Bewertung vom 06.06.2023
Anne auf Green Gables
Montgomery, Lucy Maud;Marsden, Mariah

Anne auf Green Gables


sehr gut

Kesse kleine Kanadierin
Die Geschichte von Anne ist ein Klassiker im englischsprachigen Raum und wurde vielfach aufgelegt und verfilmt. Es gibt mehrere Fortsetzungen. Dies ist ein Comic, eine Graphic Novel.
Ende des 19. Jahrhunderts kommt das Waisenkind Anne auf den Hof der Geschwister Cuthbert. Mit ihrer Lebhaftigkeit und ihrer Fantasie bringt sie das Leben der beiden gehörig durcheinander.
Die Darstellungen sind etwas gewöhnungsbedürftig. Es sind farbige Zeichnungen, die Augen teilweise nur Punkte oder Striche, die Gesichter eher angedeutet. Doch Haltung, Kleidung und Gesichtsausdrücke der Menschen machen ihre Gefühle und ihr Selbstbild sehr deutlich. Es gibt mehr ausdrucksstarke Bilder anzuschauen als Worte und Sprechblasen zu lesen. Die Farben sind angenehm kräftig, ohne grell zu sein. Die starken Emotionen der Hauptfigur prägen die Geschichte. Mir hat gefallen, wie überschwenglich Anne auf die Farben der Natur reagiert – ein Gegenstand, der für die Menschen, die in dem Ort leben, Alltag ist.
Ein schönes Kinderbuch, besonders für Erwachsene.

Bewertung vom 31.05.2023
Kleine Schule des Fliegens
Walker, Christina

Kleine Schule des Fliegens


sehr gut

Zurück ins Leben
Alexander kommt nach einer Krebserkrankung in die Wohnung seines Bruders, um sich zu erholen. Gegenüber bauen Saatkrähen ihre Nester in den Platanen. Zwischen ihm und den Vögeln sowie zwischen seinen Halluzinationen und Realitäten kommt es zu eigentümlichen Verschiebungen.
Das liest sich wunderschön. Die Krähen sorgen dafür, dass in diesem Kammerspiel eine Menge passiert. Sie „füllen die Leere zwischen den Ästen mit einem Fundament für ihre Nester‟, während „der Hund mit dem Gummibaum in Sachen Phlegma wetteifert‟. Die Sprache ist angenehm, leicht und poetisch. Alexanders Fantasie, Erinnerung und Realität sind eng miteinander verwoben.
Einerseits ist der Nestbau der Krähen eine Parallele zu Alexanders Gesundung, andererseits erzeugen sie eine Spaltung in der Nachbarschaft. Die einen wollen die Vögel vertreiben, wegen der Verschmutzung und des Lärms, die mit ihnen einhergehen. Das geht bis zur Anwendung offener Gewalt. Die anderen erfreuen sich an den sozialen Tieren und füttern sie. Ganz nebenbei wird auch Wissen über sie vermittelt.
Ein schönes Buch! Ich habe mich gefreut, es zu lesen.

Bewertung vom 27.05.2023
Zwischen Himmel und Erde (eBook, ePUB)
Rodrigues Fowler, Yara

Zwischen Himmel und Erde (eBook, ePUB)


gut

Schwer zu lesen
Catarina kommt 2016 aus Brasilien nach London, um ihre Dissertation abzuschließen. Sie zieht in die Wohngemeinschaft Melissas, die brasilianische Wurzeln hat. Erinnerungen führen beide zurück in die Zeit der brasilianischen Militärdiktatur.
Die Autorin hat ebenfalls brasilianische Wurzeln und wuchs in London auf. Sie gilt als ein vielversprechendes Talent und hat bereits Preise gewonnen.
Dies hätte eine schöne, spannende Geschichte sein können, wenn der Stil nicht so eigenartig wäre. Zwar schreibt die Autorin seitenweise „klassisch‟, das heißt ganze Sätze, Absätze und gefüllte Seiten. Aber vieles wird wie ein Liedtext dargestellt und soll auch so klingen. Dann wieder stehen Emotionen und Eindrücke im Mittelpunkt, die in Form einzelner Wörter daher kommen, Zeile für Zeile. Schließlich geht es um Revolution und Politik. Das alles ist nicht immer einfach zu lesen. Wer sich darauf einlassen kann, kann hier sicherlich einen poetischen, außergewöhnlichen Lesegenuss finden.
Ein schwieriges, aber schönes Buch, das Zeit braucht.

Bewertung vom 22.05.2023
Vom Verschwinden der Arten
Bauer, Friederike;Böhning-Gaese, Katrin

Vom Verschwinden der Arten


sehr gut

Es eilt!

Die Autorinnen sind in ihrem jeweiligen Fach versiert: Biologin Bönig-Gaese ist mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin, die seit Jahrzehnten zu ökologischen Themen arbeitet. Bauer ist Journalistin mit Spezialgebiet Politik.

Der Titel erinnert an Darwins „Entstehung der Arten‟, und das ist kein Zufall. Was auf der Erde in Millionen Jahren durch die Evolution entstanden ist, wird in unserer Zeit innerhalb weniger Jahrzehnte vernichtet. Die Autorinnen belegen diese Aussage mit zahlreichen Quellen. Sie schildern, warum das ein Problem auch für das Überleben der Menschheit ist. Und sie geben eine Zehn-Punkte-Liste mit Handlungsanweisungen, was Politik, Wirtschaft und jede Einzelperson tun können, um das noch aufzuhalten.

Das Buch ist sehr faktenlastig und deshalb nicht immer leicht zu lesen. Für eine unterhaltsame Lektüre fehlt es an bunten Fotos und Anekdoten. Doch sind die Kapitel kurz, es gibt immer wieder anschauliche Beispiele von Einzelfällen und das Ganze ist sehr übersichtlich strukturiert. Zwei Fakten fielen mir besonders auf:
Eine Studie ergab, dass zehn Prozent mehr Vogelarten in einer Region ebensoviel für die Lebenszufriedenheit der Menschen bringen wie zehn Prozent mehr Einkommen.
Eine Untersuchung des World Wildlife Fund zeigte, dass ein Sechstel aller in der Europäischen Union gehandelten Lebensmittel zur Entwaldung der Tropen beiträgt.

Eine Argumentationshilfe und ein Nachschlagewerk, all jenen ans Herz zu legen, die mit entscheiden. Auch jeder und jedem Einzelnen.

Bewertung vom 19.05.2023
Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)
Boyle, T. C.

Blue Skies (deutschsprachige Ausgabe)


ausgezeichnet

Menschen im Klimawandel
In Kalifornien sind die Temperaturen auf 37 Grad Celsius gestiegen – vormittags, an der Küste. Weiter im Inland wird es auch mal an die fünfzig Grad heiß. Am anderen Ende des Kontinents, in Florida, gießt es unablässig, und der Meeresspiegel steigt mit der Flut. Wir sind mitten in der Klimakatastrophe. Boyle schildert den Alltag einiger Personen, die hier leben. Ein Datum, wann es soweit sein könnte, nennt er nicht. Es könnte heute sein.
Boyle taucht auf eine Art in seine Figuren ein, wie das außer ihm kaum jemand kann: Man identifiziert sich sofort mit ihnen, auch wenn es Verbrecher oder Langweiler sind, oder eben Menschen, die ihren Lebensstil beizubehalten versuchen mit Swimmingpool, Klimaanlage, Flügen und großen Autos, dabei Strom und Wasser sparen und sich bemühen, weniger Fleisch zu essen. Die Menschen wirken authentisch, auch wenn ihre Handlungen noch so unlogisch sind. Sie sind komplex und vielschichtig.
Protagonist der Geschichte ist die Natur, die sich wandelnden Ökosysteme. Die Personen heiraten, bekommen Kinder, sie erleben Todesfälle, schwere Verletzungen, Trennungen. Doch ihren Alltag leben sie unverändert weiter, egal was geschieht. Irgendwann muss man eben das Boot nehmen, um die Tochter zur Schule zu bringen. Und wenn jemand bei Tisch einen Hitzschlag erleidet, ist es gut, einen Arzt im Haus zu haben. Und einen Pool.
Das ist gewürzt mit überraschenden (Wort-)Ideen. Da ist die Möwe, die bei einer Seebestattung zu verstehen versucht, was sie dort sieht. Da ist die Angestellte am Flughafen, die sich mit der Geschwindigkeit eines Gletschers bewegt. Boyles Stil ist liebevolle Hinwendung zu seinen Charakteren, und zugleich spöttische Beobachtung und gut recherchierter Hintergrund. Das macht immer wieder Spaß. Lesen!

Bewertung vom 14.05.2023
Fahr nicht fort, stirb am Ort!
Petersen, Til

Fahr nicht fort, stirb am Ort!


sehr gut

Es stirbt sich leicht in Ingelrein

Hermann Thaddäus König führt in dritter Generation ein Bestattungsunternehmen in dem kleinen Ort Ingelrein. Als er einem alten, sehr kranken Freund auf dessen Wunsch hin beim Sterben hilft, häufen sich auf einmal die Todesfälle: Königs Ehefrau, die ihn unglücklich machte, der Gatte seines Jugendschwarms, der Bankangestellte und noch einige andere. Stets plant König nur die erforderliche Bestattung.
Der Autor ist Journalist und seit einigen Jahren erfolgreicher Autor von Kriminalromanen, unter dem Namen Klaus Maria Dechant.
Die Geschichte von Hermann Thaddäus König und den zahlreichen Toten ist abstrus. Sie ist witzig erzählt, mit einem trockenen Humor, der Spaß macht. Zwischendurch fragt man sich allerdings, ob das alles wirklich so möglich ist. Sobald eine neue Person auftaucht, die König Schwierigkeiten machen könnte, muss man denken, das sei der nächste Tote. Hier wären ein oder zwei Todesfälle weniger der Gesamtspannung dienlicher gewesen.
Der Stil ist so respektvoll wie man es von einem Bestatter erwarten darf. Es ist ja König selbst, aus dessen Sicht erzählt wird. Sein Geschäft blüht auf, und er selbst auch. Angesichts der seltsamen Zufälle bleibt ihm gar nichts anderes übrig als einen gewissen Sarkasmus zu entwickeln und eine wachsende Tatkraft. Die tut ihm gut, sein Leben wird deutlich glücklicher. Zum Schluss soll er doch noch selber morden. Tut er das? Hier kommt noch eine große Überraschung, so dass man das Buch amüsiert und zufrieden zuklappen kann.
So geht Krimi-Satire. Lesen!

Bewertung vom 07.05.2023
Als wir Vögel waren
Banwo, Ayanna Lloyd

Als wir Vögel waren


gut

Sehr fremd

Schauplatz ist eine fiktive Stadt auf einer Karibikinsel. Die Autorin ist auf Trinidad aufgewachsen. Sie hat bereits Kurzgeschichten veröffentlicht; dies ist ihr erster Roman.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der Hauptpersonen beschrieben: Darwin ist Rasta. Er bricht sein Gelübde und schneidet sich Haare und Bart ab, um in der Stadt auf einem Friedhof zu arbeiten. Einen anderen Job hat er nicht bekommen. Yejide entstammt einer alten Familie, und nun stirbt ihre Mutter. Da erlebt sie, dass sie mit Toten sprechen kann. Tod und Leben sind in dieser Kultur eng miteinander verwoben. Das kollidiert mit einer klassisch westlichen Lebensweise, in der es auf materielle Besitztümer ankommt.
Für mich war das alles etwas zu fremd. Darwin ist noch relativ begreiflich, aber mit Yejide bin ich gar nicht warm geworden. Es handelt sich um eine Art Liebesgeschichte, doch die Liebe von Darwin und Yejide ist längst unzweifelhaft vorhanden und beschlossen, als die beiden einander endlich treffen. Sie müssen gegen keine Widerstände kämpfen, alles passt plötzlich zusammen. Die beiden Geschichten – die von Darwin und die von Yejide - nehmen Fahrt auf und erleben jede einen Höhepunkt. Die Begegnung bereichert die Protagonisten, auch an Verständnis für das, was sie umgibt. Ähnlich erging es mir beim Lesen: nach der Hälfte des Buches, als die Liebenden sich treffen, wird die Geschichte rund, und dann macht es auch Spaß, sie zu Ende zu lesen.
Ein Glossar wäre hilfreich gewesen. Informationen zur beschriebenen Kultur fehlen ebenfalls. Das wunderschöne, farbenprächtige Titelbild verdient eine eigene Erwähnung. Leseempfehlung für Neugierige und für die, die die karibische Kultur wenigstens ein bisschen kennen.

Bewertung vom 19.04.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


sehr gut

Hinsehen!
Zwei befreundete, wohlhabende Ehepaare wollen mit ihren Kindern eine Woche Urlaub in der Toskana machen. Die Tochter möchte eine Schulfreundin mitnehmen: Aayana, ein Flüchtlingskind, schwarz und Muslima. Zwei Kulturen prallen aufeinander. Dann passiert eine Katastrophe, die alle Beteiligten an ihre Grenzen bringt.
Der Autor hat einige Bestseller geschrieben, an bekanntesten ist wohl "Gut gegen Nordwind", das auch verfilmt wurde.
Die Menschen, die wir hier beobachen, sind oberflächlich und selbstherrlich, aber nicht böse. Im Angesicht der Katastrophe sind sie komplett hilflos und überfordert. Hinzu kommt, in Zeiten von Internet, der wertende Blick der Öffentlichkeit. Wie konnte das passieren, wie konnte es überhaupt dazu kommen?
Es ist kein fortlaufender, erzählender Text; das kennt man von diesem Autor bereits. Wir scheinen Gast in einem Theater zu sein, von der Bühne bis zur Kritik danach. Es gibt Pressemitteilungen, es gibt ein Medienecho bis hin zu Online-Kommentaren aus Volkes Mund, und zum Schluss sogar eine Gerichtsverhandlung. Das ist unbequem zu lesen, vermittelt aber treffend die Emotionalität und die Fragen, die mit dem Flüchtlingsthema verbunden sind. Alle sind überfordert. Auch wir. Was tun?
Der Autor empfiehlt, hinzusehen. Das könne ein Anfang sein. Aber nach so vielen Jahren voller Flüchtlingskrisen sollten auch aus der Literatur Ideen kommen, die weit darüber hinausgehen. Insofern bin ich etwas enttäuscht von diesem sonst sehr lesenswerten Buch.