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TochterAlice
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 1367 Bewertungen
Bewertung vom 13.04.2024
Gussie
Wortberg, Christoph

Gussie


sehr gut

Sie bekam nicht alles, was sie haben wollte
Nämlich keine professionelle Ausbildung zur Musikerin, die sie sehr gerne genossen hätte. Statt dessen bekam Auguste Zinsser, genannt Gussie, etwas, das nur sie haben konnte: Im Alter von neunzehn Jahren wurde sie die zweite Ehefrau von Konrad Adenauer, "erbte" drei Kinder und bekam vier eigene dazu.

Eine eindringliche Romanbiografie ist dem Autor Christoph Wortberg mit diesem Werk gelungen. Für mich war sie schon deswegen etwas ganz Besonderes, weil ich in Köln einen Katzensprung entfernt von den Häusern der Familien Adenauer und Zinsser lebe, selbst schon im Krankenhaus Hohenlind gelegen habe.

Aber auch die weiteren, mir nicht so vertrauten Schauplätze konnte mir der Autor nahe bringen, ebenso wie den Handlungsverlauf. Auch, wenn er nicht wissen konnte, wie Gussie empfand, klang dies alles sehr glaubwürdig und logisch. Es muss nicht so gewesen sein, so war es sogar recht sicher nicht. Aber: es hätte so sein können, was wir sowohl der akribischen Recherchearbeit als auch der Wortgewandtheit Christoph Wortbergs verdanken. Ich habe es schnell durchgelesen, was aber nicht bedeutet, dass ich den Inhalt ebenso schnell vergessen werde. Im Gegenteil, dieser Roman, der ganz und gar nicht ohne Anspruch ist, wird in mir noch lange nachklingen!

Bewertung vom 10.04.2024
James
Everett, Percival

James


sehr gut

Hier setzt der Autor Percival Everett gewissermaßen das Werk seines amerikanischen Autorenkollegen Mark Twain über 100 Jahre nach dessen Tod fort, indem er eine Fortsetzung mit dem Gefährten Hucks, dem Sklaven Jim, hier James entwickelt.

Dies geschieht einerseits mit großer Einfühlsamkeit, andererseits jedoch mit ebenso großer Entschiedenheit. Denn James hat nach seiner Flucht nur ein Ziel: seine Frau und seine Tochter zu kaufen und mit diesen in Freiheit zu leben.

Auf der Flucht, auf der er in weiten Teilen von Huck begleitet wird, lauern zahlreiche Gefahren und Herausforderungen auf ihn. Immerhin befindet man sich im Süden Amerikas. Nicht nur einmal bemächtigt sich ein Weißer seiner, um ihn wieder zu verkaufen. Durch seine Lebensweisheit, die von ihm geheim gehaltenen Fertigkeiten - er kann lesen und schreiben und dazu wie ein Weißer sprechen - und die sich neu dazu gesellenden Erfahrungen gelingt es ihm, wie eine Art Stehaufmännchen vieles zu überstehen - doch wird ihm auch der größte Wunsch bzw. sein Lebensziel in Erfüllung gehen?

Ein kluger, gleichzeitig sehr unterhaltsamer Roman, an dem mich nur eine Entwicklung kurz vor dem Ende störte, die aus meiner Sicht nicht ganz in die richtige Richtung führt. Dennoch empfehle ich das Buch von ganzem Herzen weiter und bin nun auch neugierig auf weitere Bücher des Autors!

Bewertung vom 10.04.2024
Gruß aus der Küche
Noll, Ingrid

Gruß aus der Küche


gut

Unlogische Wendung

Ich habe auf der Buchmesse in Leipzig die fast 90jährige Autorin Ingrid Noll bei einer Lesung dieses Buches erlebt und war begeistert. Der Roman versprach eine Frische, die Ingrid Noll aufs Glaubwürdigste zu transportieren wusste.

In dieser Hinsicht wurde ich von der Lektüre auch nicht enttäuscht - und auch einige der Protagonisten sind ganz wunderbar gezeichnet!

Allerdings nimmt die Handlung eine Wendung, für die die Bezeichnungen unlogisch oder unpassend absolute Untertreibungen bedeuten. Ab da verloren Autorin und Roman mich - was wunderbar begonnen hatte, ging leider den Bach runter!

Bewertung vom 07.04.2024
Der Wind kennt meinen Namen
Allende, Isabel

Der Wind kennt meinen Namen


sehr gut

Einmal um die ganze Welt
Oder jedenfalls fast - mit Isabel Allende kommt man diesmal ganz schön herum. Sowohl geographisch als auch historisch gesehen. Nach einem wirklich sehr heftigen, dabei durchaus authentischen Start in Wien 1938 begleiten wir das jüdische Kind Samuel Adler nach England, wo es zunächst ohne Liebe, dann aber mit Eltern im Geiste und Musik als lebenslangem Elixir aufwächst. In den Staaten lernen wir zunächst Leticia kennen, dann auch den smarten Frank, seines Zeichens werdender Staranwalt, der sich mehr und mehr für die überhaupt nicht trendige Sozialarbeiterin erwärmt.

Es kommen auch noch weitere Akteurinnen ins Spiel, vor allem die kleine sehbehinderte Anita, die mit ihrer Mutter aus El Salvador in eine bessere Zukunft aufbricht und dort schließlich im wahrsten Sinne des Wortes mutterseelenallein zurecht kommen muss. Und dann - wir schreiben inzwischen 2020 - bricht auch noch die Pandemie aus.

Ich muss sagen, ich finde nicht alle Werke der Autorin gut - "Das Geisterhaus" hat mir damals, in den ganz frühen Jahren meines Erwachsenenlebens ganz neue Dimensionen der Literatur aufgezeigt und "Porträt in Sepia" gehört zu dem Besten, was ich je gelesen habe.

Damit kann es dieses Werk nicht aufnehmen, dennoch hat es mich zutiefst beeindruckt - Frau Allende schreibt sich mit großem Respekt und noch mehr Achtung durch die verschiedenen Erdteile und es gelingt ihr vor allem, tatsächlich alle Fäden aufs Wirkungsvollste zusammen zu ziehen. Auch die Figuren - vor allem die männlichen, also Samuel und Frank und dann auch die kleine Anita, die sich in selbst geschaffene Welten rettet, sind stark und eindringlich gestaltet.

Ein Alterwerk der besten Art. Eines, das unterhaltsam und eindringlich zugleich ist.

Bewertung vom 07.04.2024
Mein Name ist Estela
Trabucco Zerán, Alia

Mein Name ist Estela


sehr gut

Jetzt spricht Estela
Estela, die in der Hackordnung der Familie ganz unten steht - beziehungsweise bis heute stand. Genauer gesagt: weit unter dieser, so würden es zumindest ihre Arbeitgeber sehen. Aber es ist etwas Außerordentliches, Grauenvolles geschehen - so groß, dass ihre Meinung keine Rolle (mehr) spielt.

Ein Romen, der Grenzen aufweicht, der in die Vollen geht, der die Leser fordert - manche sicher auch überfordert. Denn dieser Erguss - das ist aus meiner Sicht die passendste Bezeichnung für die Art des Textes - ist an Intensität nicht zu überbieten. Es ist ein Monolog - nicht der eines gestürzten Kriegherren, eines Königs vor dessen Abdankung oder einer Göttin. Nein, es ist der einer über Jahre benachteiligten Dienstbotin, in dem so manches zutage gefördert wird.

Anderes allerdings auch nicht - stellenweise konnte ich dem Text nicht mehr folgen, die Zusammenhänge blieben für mich unklar. Ein großes Projekt einer jungen chilenischen Autorin, das aus meiner Sicht in Teilen geglückt ist.

Bewertung vom 02.04.2024
The April Story - Ein wirklich erstaunliches Ding
Green, Hank

The April Story - Ein wirklich erstaunliches Ding


gut

Nichts Besonderes
Und dazu schon mal dagewesen. Auch auf Deutsch. Es gab nämlich eine erste Auflage im Jahr 2018.

Darum geht es: Das erstaunliche Ding geistert durch alle Kanäle: eine recht große, leicht warme Skulptur, die April May eines Nachts ganz zufällig in "ihrer" Stadt New York entdeckt hat. Sie meldet es sofort ihrem Studienfreund und was folgt, ist eine Vermarktung ganz großen Stils.

Genauso wie bei diesem Buch. Denn hier schreibt einer, der sich ganz offensichtlich an den Erfolg seines Bruders dranhängen will, nämlich an den von John Green. Schon mal gehört? Kein Wunder, denn dieser schuf tolle, wertvolle Jugendbücher, allen voran "Das Schicksal ist ein mieser Verräter", das ich Lesern jeden Alters von Herzen empfehle. Dasselbe tut John mit dem Buch seines Bruders, das er gar als "brillant" bezeichnet.

Bei aller (Bruder)Liebe - das ist es nun wirklich nicht. Es ist ganz nett zu lesen, zumindest anfänglich, denn es geht richtig spritzig los. Aber sehr, sehr bald wiederholt sich so einiges bzw. erfolgen endlose Längen in Schilderungen und ich bin sehr sicher, dass ich längst nicht die einzige Leserin bin, die schnell an ihre Grenzen kam, was die Ausdauer anbelangt.

Ich empfehle es schon, aber nur als typisches Buch für Eltern, deren Zöglinge bei jedem Buch binnen weniger Stunden "ausgelesen" melden. Damit wird selbst das leselustigste Kind eine ganze Weile beschäftigt sein. Und möglicherweise einen Lernprozess durchlaufen, indem es erfährt, dass nicht jedes Buch ein lesenswertes ist!

Bewertung vom 28.03.2024
Der Sommer, in dem alles begann
Léost, Claire

Der Sommer, in dem alles begann


gut

Eher für Bretagne- als für Literaturfans
Beziehungsweise für solche des Unterhaltungsromans. Der Verlauf der Handlung greift tief hinein in das Wesen der Bretagne mit Druiden und Hinkelsteinen - aber ob das dort alles noch so vonstatten geht? Kann sein, ganz sicher bin ich mir aber nicht. Zudem scheint es mir ein wenig so, als wären nur ein paar bretagnetypische Phänomene herausgefischt und in den Roman eingebaut worden.

Sicher bin ich mir dagegen darin, dass die Geschichte um Hélène, Marguerite und Odette um einiges mehr an Räuberpistolen und verwegenen Wendungen enthält, als ihr gut tut.

Von dem in der Leseprobe als atmosphärischen Regionalroman mit literarischem Anspruch empfundenen Werk versprach ich mir ein ganz besonderes, eher zartes und empfindsames Lesevergnügen.

Wobei da schon klar war, dass dies ein ausgesprochen leicht zu lesender, stellenweise unterhaltsamer Roman ist - das zumindest hat sich bestätigt. Dagegen spürte ich weder die Zartheit noch die Sensibilität, ganz im Gegenteil. Die Seele der Bretagne ist mir dadurch nicht näher gerückt, ganz im Gegenteil. Ich habe das Buch sehr schnell gelesen und - davon bin ich überzeugt - nichts Wesentliches verpasst. Doch es ist kein Roman, der mein Herz erobern konnte - ich werde den Inhalt wahrscheinlich schon bald wieder vergessen haben. Hoffentlich auch die darin präsentierten Charaktere, von denen so mancher ziemlich eindimensional gezeichnet ist.

Bewertung vom 26.03.2024
Die Entflammten
Meier, Simone

Die Entflammten


gut

Eine starke Frau
Nämlich Jo van Gogh-Bonger, steht hier im Mittelpunkt. Sie hatte ihren Verehrer Theo van Gogh, den jüngeren Bruder des damals noch weitgehend unbekannten Vincent van Gogh, erst nach jahrelangem Werben erhört und dann aus Liebe geheiratet - um ihn nach rund einem Jahr an die Syphilis zu verlieren. Er hatte sich über die langen Jahre ohne sie zumindest körperlich getröstet, wofür er - wie nicht wenige damals - mit dem Leben bezahlen musste. Kurz davor hatte sich Vincent, lebenslang finanziell vollkommen abhängig von seinem Bruder, erschossen.

Jo bleibt zurück mit einem Säugling und mit so einigen Gemälden des Schwagers - ansonsten jedoch mittellos. Gelingt es ihr, ihn posthum bekannt zu machen - denn dass Vincent eine besondere Begabung hatte, war sowohl ihr als auch dem verstorbenen Gatten klar. Leider verliert sich ihre Geschichte in zahlreiche Nebenbaustellen, es kommen eine Reihe von - häufig historisch belegten - Charakteren vor, die auf mich eher verwirrend als bereichernd wirken.

Und schlimmer noch - es gibt einen zweiten Erzählstrang, der in der Gegenwart spielt und mit dem ich so gar nichts anfangen kann. Das alles in einem schmalen Band vereint, wirkt insgesamt auf mich überbordend, aber wenig aussagekräftig. Dennoch konnte die Autorin Simone Meier mein Interesse für Jo van Gogh-Bonger wecken - doch ich werde versuchen, mich dieser wenig bekannten Frau auf anderem Wege zu nähern - und sei es durch meine eigene Phantasie!

Bewertung vom 20.03.2024
Mein ziemlich seltsamer Freund Walter
Berg, Sibylle

Mein ziemlich seltsamer Freund Walter


sehr gut

Lisa ist einsam
Und sie fühlt sich ungeliebt. Mehr noch: gemobbt, wo sie geht und steht. Und als Leser dieser Graphic Novel kann man ihr auch nur recht geben, denn die Autorin/der Zeichner geben uns die Gelegenheit, mit ihr einen gesamten Tag zu erleben. Wahnsinn, sogar ihre Lehrerin hat nur spitze Bemerkungen für sie übrig, die Rapper und ihre Schulkameraden sind da noch um einiges brutaler.

Das ändert sich erst, als ihr beim abendlichen Waldspaziergang ein UFO über den Weg fliegt - und hält. Nicht ihretwegen, sondern um seine Passagiere, menschenähnliche Wesen mit Schwänzen, heraus zu lassen ... und wieder einzusammeln. Wobei einer übrig bleibt - nämlich Walter. Der hat eigentlich einen sehr komplizierten Namen, den Lisa aber vereinfacht - und er ist bereit, ein wenig Zeit mit ihr auf Erden zu verbringen.

Was soll man sagen - Walter räumt auf in Lisas Leben und zwar so, dass es ihr auch ohne ihn gut geht. Mehr möchte ich nicht verraten, aber es geht mir alles ein bisschen zu glatt, auch wenn die Geschichte - und ihre zeichnerische Umsetzung - durchaus liebenswert gestaltet ist.

Vom Alter her ist die Leseempfehlung m.E. etwas tief angesetzt - es ist eher was für die Schüler weiterführender Schulen als für Grundschüler!

Bewertung vom 17.03.2024
Issa
Mahn, Mirrianne

Issa


ausgezeichnet

Issa kehrt zurück
Nämlich nach Kamerun, dem Land ihrer Ahnen. Und zwar in einem sehr besonderen Moment - sie ist zum ersten Mal schwanger und das Kind soll durch die dortigen Rituale eine sichere Ankunft auf der Erde und einen guten Start ins Leben haben.

Issa war seit Ewigkeiten, seit zehn Jahren, nicht mehr dort bei ihren Omas, wo sie doch einige Jahre gelebt hat. Zunächst kommt ihr das alles sehr fremd vor, sie kann sich kaum identifizieren, sehnt sich nach Deutschland zurück.

Doch mehr und mehr fühlt sie sich im Land angekommen, distanziert sich emotional von Deutschland, auch vom Vater des Kindes.

In einer Parallelhandlung, die für mich das eigentliche Highlight des Romans ist, geht es um die Geschichte der Frauen in Issas Familie, genauer gesagt um ihre Ahninnen, die es vom Anfang des 20. Jahrhunderts an bis in die Gegenwart nicht gerade leicht hatten. Im Kolonialstaat Kamerun, der unter anderem auch mal zu Deutschland gehörte, hatten Frauen nichts zu lachen. Aber, um ehrlich zu sein, auch unter der eigenen Regierung nicht. Aber dennoch sind die Frauen in Issas Familie stark und haben ihren eigenen Willen.

Auch wenn für meinen Geschmack zeitweise viel zu viele Lücken in der Handlung sind, ist dies ein eindringlicher, sehr besonderer Roman, der den Blick des Lesers auf die Themen Kamerun, Frauen, Migration ordentlich weitet.

Etwas für Leser:innen, die danach gieren, mal über den Tellerrand hinaus zu blicken.