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Benutzername: 
Xirxe
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Hannover
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 867 Bewertungen
Bewertung vom 05.12.2020
No Sound - Die Stille des Todes / Caleb Zelic Bd.1
Viskic, Emma

No Sound - Die Stille des Todes / Caleb Zelic Bd.1


sehr gut

Caleb findet seinen besten Freund Gary brutal ermordet in dessen Haus vor. Da Gary, hauptberuflich Polizist, ihm auch bei seiner Arbeit als Privatermittler unterstützt hat, macht er sich gemeinsam mit seiner Kollegin Frankie auf die Suche nach dessen Mörder. Und stellt bald fest, dass ihm der Mörder immer schon eine Spur voraus ist.

Calebs Behinderung ist nicht nur eine Einschränkung um ihn interessanter zu machen, sondern ist tatsächlich prägend für seine Persönlichkeit und damit auch für die Geschichte. Da er beispielsweise ungern auf seine Taubheit hinweist, wird immer wieder deutlich, wie schwierig es für ihn ist, einem Gespräch mit Hörenden zu folgen, wenn diese aus Unkenntnis oder einfach rücksichtslos undeutlich sprechen oder ihr Gesicht abwenden. Geschickt wechselt die Autorin auch zwischen Gesprochenem und Gesten, wenn sich Caleb mit Frankie oder seiner Ex-Frau unterhält – für mich war diese Art der Unterhaltung nachvollziehbar wie auch amüsant.

Bei der Geschichte selbst habe ich so lange wie selten im Dunkeln getappt. Irgendwie hatte ich überhaupt keinen Schimmer, in welche Richtung sich das Ganze wenden würde und entsprechend überraschend war dann das Ende. Dass so ganz nebenbei noch eine Liebesgeschichte abläuft und Alles in einem riesen Showdown endet hätte nicht sein müssen – das Buch wäre trotzdem gut geworden. Vielleicht sogar noch ein bisschen besser

Bewertung vom 05.12.2020
Aus der Zuckerfabrik
Elmiger, Dorothee

Aus der Zuckerfabrik


weniger gut

Viel gelobt wurde und wird dieses Buch von Kritikerinnen und Kritikern; es kam auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2020, des weiteren wurde es für den Bayrischen wie auch den Schweizer Buchpreis nominiert. Dann muss es doch ein gutes Buch sein – oder?
Um ehrlich zu sein: Na ja, es geht so. Es ist weder ein Roman noch ein Sachbuch mit einem festen Thema, sondern mehr ein Sammelsurium von Gedanken, Ideen, Träumen, Zitiertem und Erlebtem der Ich-Erzählerin, die nahe an der Person der Autorin angelegt ist. Ausgehend von einem Dokumentarfilm, in dem Dinge eines früheren Lottomillionärs versteigert werden, hat sie
"… alles, was ich so sah, das in einem Zusammenhang mit diesem ersten Ort zu stehen schien, dorthin zugetragen und vorläufig abgestellt auf diesem weitläufigen Platz." (S. 12)
Und so geht es kunterbunt
"Mit jedem Gang durch das Chaos, über die Ananasfelder von Monte Plata, durch die Pariser Vorstädte oder den längst verlassenen Garten eines Sanatoriums, über die sizilianischen Berge, vorbei an den Russischen Bädern von Philadelphia zu den Ufern des Swan River in Australien, scheinen die Dinge in neue Verhältnisse zueinander zu treten." (S. 12)
Und es sind nicht nur die Orte, die ständig wechseln, sondern auch die Themen und die Art des Erzählens: Es geht um den Kapitalismus und die Industrialisierung in Europa, den transatlantischen Handel, die Revolution der Sklaven auf Haiti, Sucht und Begehren. Auf Träume folgen Gespräche, Gedanken oder Textauszüge aus einem der vielen Werke, die im Anhang aufgeführt sind und zuguterletzt gibt es auch Auszüge aus den Leben von Karl Marx, Max Frisch, der Mystikerin Teresa von Avila und einiger Anderer mehr. Manches scheint völlig zusammenhanglos hintereinander zu stehen, Anderes zeigt wirklich überraschende Verbindungen auf, dazwischen immer wieder auch Banalitäten und Unverständliches.
Auf den ersten 50, 60 Seiten war ich immer wieder kurz davor abzubrechen und das Buch als unlesbar weiterzugeben. Aber Frau Elmiger hat einen sehr angenehmen Schreibstil, es liest sich stellenweise wie das Tagebuch einer Freundin und weil die Abschnitte meist sehr kurz gehalten sind, hatte ich ruckzuck 20, 30 Seiten durch. Da immer wieder nicht nur Überraschendes sondern auch Interessantes zu entdecken ist und ich wusste, dass das Meiste auf tatsächlichen Geschehnissen beruht, fing ich an ein bisschen zu recherchieren, um beispielsweise etwas mehr über die Psychiatriepatientin Ellen West zu erfahren (durchaus lohnend!).
Doch was am Ende bleibt, hat kaum mehr Nährwert als der titelgebende Zucker. Unterhaltend ist dieses Buch definitiv nicht und die Informationshäppchen zu den unterschiedlichsten Gebieten und Personen sind und bleiben Häppchen. Da helfen auch die gelegentlich tiefgründigen Gedanken nicht mehr – es bleibt ein Zettelkasten. Doch wie meint Frau Elmiger selbst:
"Eine geniale Erzählerin oder ein genialer Erzähler könnte aus einem Stoffkonglomerat eine Erzählung machen, die die Dinge nicht schmälert, eindeutig macht, sondern im Gegenteil noch komplexer. Ich kann es nicht." (Dorothee Elmiger, ZEIT-Online, 17. August 2020)
Dem ist nichts hinzuzufügen.

Bewertung vom 05.12.2020
Asterix - Der Goldene Hinkelstein
Uderzo, Albert;Goscinny, René

Asterix - Der Goldene Hinkelstein


sehr gut

Troubadix will singen – aber nicht für sein Dorf, sondern auf der Bühne bei einem Wettbewerb. Damit er das Alles überlebt, begleiten ihn seine beiden Freunde …

Im Gegensatz zu den bisher erschienenen Geschichten ist diese kein richtiger Comic, sondern eher schon wie ein Theaterstück angelegt. Hintergrund ist, dass das Ganze nicht als Buch, sondern 1967 als Hörbuch erschienen war. So gibt es nun teils auf einer Doppelseite links ein Bild und rechts den dazugehörigen Text – oder umgekehrt.

Ich gestehe, ich war erst mal enttäuscht, als ich das Heft aufgeschlagen habe. Viel zu wenig Bilder, so dass der Text bei weitem nicht so gut rüber kommt wie in den ’normalen‘ Asterix-Bänden. Aber als ich damit durch war, war ich doch wieder versöhnt, denn die Dialoge sind wie immer herrlich witzig. Wie schon erwähnt, sind es natürlich viel zu wenig Zeichnungen, aber sie zeigen ganz klar das Abenteuer der beiden Helden – und natürlich das von Troubadix.

Was ich weniger schön finde, ist die Art der Vermarktung. Ich hatte das Glück, eine Leseprobe zu haben aus der ersichtlich wird, wie dieser neue alte Band aufgebaut ist. Bei diversen Online-Buchhandlungen (auch bei der größten) verzichtet man aber darauf – vielleicht um potentielle KäuferInnen nicht abzuschrecken? Eine Enttäuschung ist dann natürlich vorprogrammiert, was bei dem Preis für das Hardcover auch nicht überrascht.

Ich hatte das Glück über ‚vorablesen‘ ein Softcover zum Rezensieren zu bekommen. Und so ist es bei mir doch noch ein schönes Wiedersehen mit Asterix und Obelix geworden!

Bewertung vom 05.12.2020
Dreck
Buford, Bill

Dreck


sehr gut

Ich kenne bereits das erste Buch ‚Hitze‘ von Bill Buford, in dem er sich besonders mit der italienischen Küche beschäftigt und war davon richtig begeistert. So habe ich mich sehr über diese neue Lektüre von ihm gefreut und wurde nicht enttäuscht

Bewertung vom 14.11.2020
Black Sun / Alexander Wassin Bd.1
Matthews, Owen

Black Sun / Alexander Wassin Bd.1


gut

1961: In Kürze soll in der Sowjetunion die stärkste Wasserstoffbombe der Welt gezündet werden, um so die Vormachtstellung des Landes zu demonstrieren. Da passt es überhaupt nicht, dass 10 Tage vor diesem Ereignis einer der maßgeblichen Physiker in der Geheimstadt Arsamas-16 tot aufgefunden wird. 'Selbstmord' wird nach Moskau gemeldet, doch der KGB hat seine Zweifel und schickt Major Alexander Wassin in die geheime Stadt, dem schnell klar wird, dass hier Manches nicht stimmt.
Der Hintergrund dieses Thrillers beruht auf tatsächlichen Begebenheiten, die der Autor am Ende auf rund acht Seiten vergleichsweise ausführlich erläutert. Dies ist einer der Hauptgründe, weshalb dieses Buch durchaus lesenswert ist, denn die eigentliche Mordermittlung kommt eher trivial daher. Zwar ist die Todesart (Vergiftung mit Thallium) ungewöhnlich erschreckend beschrieben, aber die Suche nach dem oder der Schuldigen bleibt deutlich dahinter zurück.
Was mich mit der Geschichte größtenteils wieder versöhnte, ist die Darstellung des Umfeldes jener Zeit in Arsamas-16. Sie zeigt auf erschreckende Weise eine Gesellschaft, in der Jeder jederzeit damit rechnen muss, überwacht zu werden. Obwohl Stalin bereits Jahre zuvor verstorben ist, herrscht noch immer reine Willkür und wer das Pech hat in Ungnade gefallen zu sein, landet im besten Fall in einem der berüchtigten Straflager. Doch die Hauptfigur Major Wassin ist ein Idealist und glaubt wider besseren Wissens an die Gerechtigkeit und eine bessere Gesellschaft. Er ermittelt trotz aller Hindernisse, die sich ihm in den Weg stellen, im Auftrag der Wahrheit und Gerechtigkeit.
So richtig überzeugend wirkte insbesondere die Hauptfigur Wassin nicht auf mich. Seine wiederkehrenden Überlegungen, die teils fast philosophisch anmuten, wirken in der Art des Ausdruckes unglaubwürdig, was jedoch an der Übersetzung liegen kann. Denn ich bin auch über einige Stilblüten gestolpert wie beispielsweise "Anscheinend hütete Wassins Frau die Zunge nach wie vor."
Es bleibt also Luft nach oben - mal schauen, wie sich die nächsten beiden Teile entwickeln werden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.10.2020
Ich bin ein Schicksal
Kushner, Rachel

Ich bin ein Schicksal


ausgezeichnet

Romy Hall ist zu einer zweimal lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden ohne Aussicht auf eine frühzeitige Entlassung, weil sie ihren Stalker umgebracht hat. Mildernde Umstände waren, wie bei ihren Mitgefangenen, nicht zu erkennen und so muss sie für lange Zeit ihren kleinen Sohn bei ihrer Mutter zurücklassen. Romy ist die Ich-Erzählerin dieses Buches, die nicht nur von ihrem Leben im Gefängnis berichtet, sondern auch von ihrem Leben davor: jede Menge Gründe wie es dazu kam, dass sie jetzt inhaftiert ist.
Wer befürchtet, hier eine mitleidsheischende Gefangenenbiographie aufgetischt zu bekommen, kann beruhigt sein, denn die Hauptfigur erzählt fast schon gefühllos von ihrer Kindheit und Jugend und ihrem kurzen Leben als Erwachsene in Freiheit. Es ist eine wohl typische Geschichte vom Aufwachsen in prekären Verhältnissen, aus denen es praktisch kein Entkommen gibt. Als 11jährige missbraucht, für die Eltern nur eine Last, ist es für die junge gutaussehende Romy nach der Schule nur ein kurzer Weg zum Job als Striptease-Tänzerin im Mars Room, wo sie ihrem zukünftigen Opfer begegnet. Wobei nicht so eindeutig ist, wer nun tatsächlich das Opfer ist. Auch ihre Mitgefangenen haben ähnliche Lebenswege hinter sich: ärmliche Verhältnisse, vernachlässigt, Missbrauch, Drogen - der Weg ins Gefängnis für Frauen aus dieser Schicht scheint vorgegeben.
Das Gefängnis selbst ist eine reine Verwahranstalt, in der die Frauen unter demütigenden Bedingungen ihre Zeit absitzen müssen. Interesse, diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern, hat niemand. Für fast alle Wärterinnen und Wärter sind sie Abschaum, der es nicht anders verdient hat und werden entsprechend be- und auch misshandelt - der Gedanke einer Resozialisierung könnte hier nicht weiter entfernt sein.
Angesichts der beschriebenen Zustände, die wohl nicht allzu weit von der Normalität abweichen, ist das Buch harter Stoff. Romy erzählt ihre Geschichte meist neutral, als ob Alles was ihr geschehen ist, völlig normal wäre, so wie auch einige Andere. Alle eint, dass sie schon immer zum Bodensatz der Gesellschaft gehörten und so manche Frau fühlt sich nun im Gefängnis sicherer als in Freiheit.
Was für eine Gesellschaft, was für ein Land, in dem solche Ungerechtigkeit, Härte und Gnadenlosigkeit zum Alltäglichen gehört.

Bewertung vom 30.10.2020
Ihr Königreich
Nesbø, Jo

Ihr Königreich


ausgezeichnet

Harry Hole ist zwar nicht zurück, aber Roy Opgard ist meiner Meinung nach ein würdiger Stellvertreter Zwar handelt es sich bei diesem Buch eher um eine Familiengeschichte (wenn auch mit mörderischem Hintergrund), aber die Ähnlichkeiten des Protagonisten mit Harry Hole sind unverkennbar. Beide haben es nicht so mit Menschen; überflüssiges Gerede ist nicht ihr Ding; Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Fairness und beständige Schuldgefühle bestimmen ihr Leben. Die Brüder Roy und Carl leben mit ihren Eltern außerhalb der kleinen Stadt Os auf einem Hof in den Bergen Norwegens. Kurz vor Roys 18. Geburtstag (Carl ist ein Jahr jünger) stürzen ihre Eltern mit dem Wagen einen Abgrund hinab und sind sofort tot. Die Brüder geben sich gegenseitig Halt und bleiben auf dem Hof, während Roy eine Ausbildung zum Automechaniker macht und Carl die Schule beendet. Er verlässt Norwegen, um in den USA zu studieren und kehrt nach 15 Jahren unerwartet mit seiner Ehefrau zurück mit einem großen Plan im Gepäck, der ganz Os vermögend machen soll. Roy ist der Ich-Erzähler der Geschichte und von ihm erfahren wir in verschiedenen Rückblicken, was sich in seiner Jugend und nach Carls Rückkehr ereignet. Obwohl die Beiden wenig gemeinsam haben, liebt Roy seinen ‚kleinen‘ Bruder über alles und stellt sich stets schützend vor ihn, früher wie heute. Dies ist auch zwingend nötig, denn Carl ist nicht nur der fröhliche, optimistische, offenherzige Junge von damals, sondern bringt sich durch sein impulsives verantwortungsloses Handeln immer wieder in schier ausweglose Situationen. Doch Roys Liebe zu ihm siegt – oder ist es sein Schuldgefühl? Wer darauf hofft, ähnlich brutale und in gewisser Weise abgedrehte Szenen wie in den letzten Harry Hole-Büchern lesen zu können, wird enttäuscht werden, denn dieser Kriminalroman ist eher bodenständig – so wie die Menschen um die es hier geht. Aber auch wenn das Nervenzerreissende dieser Reihe fehlt und die Wendungen nicht ganz so spektakulär sind – spannend und überraschend ist die Geschichte allemal. Zwar kann man ahnen, wie Alles enden wird, da man als Jo Nesbø-Fan natürlich weiß, dass seine ‚Helden‘ nicht die Fähigkeit zum Glücklichsein haben – aber ist das nicht auch der Grund, weshalb man sie liebt ? Mir hat dieses Buch gefallen, sehr sogar! Und bin so froh, dass Macbeth ein Ausrutscher war.

Bewertung vom 27.10.2020
Capitana
Love, Melissa Scrivner

Capitana


sehr gut

Ein Thriller voller Gegensätze:
- Lola, die knallharte, eiskalte Chefin einer Drogengang - gleichzeitig aber liebevolle Mutter und voller Hilfsbereitschaft für alle Armen und Schwachen.
- Lolas Wohnort Huntington Park, wo auf den Straßen Drogen verkauft werden und Schusswechsel stattfinden - und Culver City, wo sich die Schule von Lucy, Lolas Tochter, befindet und fast ausschließlich reiche Weiße wohnen.
- Andrea, Staatsanwältin, die sich einen Namen im Kampf gegen Missbrauch und häusliche Gewalt geschaffen hat - und gemeinsam mit Lola für den Drogenhandel verantwortlich ist.
Durch ihre Hilfsbereitschaft, die auch nicht vor Mord zurückschreckt, löst Lola unwissentlich einen Kartellkrieg aus, in den sie sogar ihren Bruder hineinzieht. Selbst ihre Partnerin scheint falsch zu spielen, sodass Lola sich gleichzeitig um mehrere Fronten kümmern muss. Und dann ist da noch die ständige Sorge um ihre Tochter.
Was diesen Thriller besonders macht, ist die Schilderung aus der Sicht einer Latina, die sich des ständigen Rassismus in der Gesellschaft bewusst ist und diesen entsprechend schildert. Ob es sich um Vorurteile gegenüber Latinos oder Frauen handelt - die Autorin Melissa Scrivner Love bringt es immer wieder durch ihre Hauptfigur zur Sprache und es ist erschreckend, wie Vieles von uns Nicht-Betroffenen schlicht nicht bemerkt wird. Auch macht Love überdeutlich, wie immens die Kluft zwischen Arm und Reich ist und dass der 'American Dream' für die große Mehrheit immer ein Traum bleiben wird.
So gnadenlos hart wie die Handlung wirkt auch die Sprache und ich brauchte einige Zeit, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Durchweg im Präsens, die Sätze häufig kurz und knapp, wenig Adjektive. Zwar passt es wirklich gut zu der Geschichte, aber so richtig begeistern konnte mich der Stil dennoch nicht.
Trotzdem: Ein wirklich spannender Thriller mit einer Hardboiled Protagonistin, die vor nichts zurückschreckt und sich auch mit einer Menge an Problemen unserer Zeit herumzuschlagen hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.10.2020
In Irland gibt es keine Schlangen
Forsyth, Frederick

In Irland gibt es keine Schlangen


sehr gut

Frederick Forsyth ist hauptsächlich als Autor von Thrillern wie 'Der Schakal' oder 'Der Rächer' bekannt, doch auch die Form der Erzählung beherrscht er gut. In zehn wirklich sehr unterschiedlichen Geschichten erzählt er von Menschen, die aus der Not heraus verblüffende, teilweise nicht legale Entscheidungen treffen oder die aus niedrigen Beweggründen Illegales tun, was zu einem für sie nicht erwartbaren, unerfreulichem Ergebnis führt.
Die Betroffenen sind beinahe alle völlig normale, durchschnittliche Bürger, die fast immer ohne ihr eigenes Zutun in unschöne Situationen geraten. Doch mit einer gewissen Schlitzohrigkeit (die auch vor Mord nicht zurückschreckt) finden sie einen Weg aus dem Schlamassel.
Alle Erzählungen sind überraschend und enden in gewisser Weise gerecht, wenn auch nicht immer im Sinne des Gesetzes. Doch wir Lesende werden vermutlich bei jedem Schluss mit dem Kopf nicken und denken: 'Wenn es doch nur immer auf der Welt so zugehen würde!' und uns vielleicht wünschen, selbst auf die eine oder andere gute Idee zu kommen.

Bewertung vom 27.10.2020
Unter uns das Meer
Gaige, Amity

Unter uns das Meer


sehr gut

Dass Trump die Spaltung der USA immer weiter vorantreibt, dürfte vermutlich den Meisten bekannt sein. Doch wer macht sich klar, wie viele (auch enge) Beziehungen davon betroffen sind? Gegensätze ziehen sich an und bereichern im positiven Fall das Miteinander. Doch was macht es mit Menschen, die in den aktuellen Zeiten für unterschiedliche politische Lager stehen?
Davon und von noch viel mehr handelt dieses Buch, das vordergründig einen Segeltörn beschreibt, zu dem ein junges Ehepaar mit seinen beiden kleinen Kindern aufbricht, um ein Jahr auf dem Meer zu verbringen. Michael träumt schon lange davon, seinen Traum von Freiheit in die Realität umzusetzen und hofft, damit auch die kriselnde Ehe mit Juliet in ruhigeres Fahrwasser zu führen. Doch Juliet ist alles andere als begeistert und willigt eher widerwillig in diese Reise ein.
Das Ganze beginnt wie ein Krimi, denn gleich zu Beginn ist klar, dass etwas Furchtbares geschehen sein muss ohne dass Juliet, die Icherzählerin, über Details berichtet. So ahnt man das Schlimmste und die Befürchtungen steigern sich noch, als der zweite Erzählstrang einsetzt. Michaels Eintragungen ins Logbuch werden von Beginn der Reise an wiedergegeben und wechseln sich im Fortlauf der Geschichte mit Juliets Erzählungen ab.
Die Autorin vermittelt überzeugend die Sichtweisen ihrer beiden Hauptfiguren, die so unterschiedlich sind, dass man immer wieder darüber staunt, wie sie zusammengefunden haben. Michael studierte BWL und ist ein überzeugter Republikaner und Trumpwähler (auch wenn dieser nicht namentlich genannt wird), wobei es Amity Gaige gelingt, den Lesenden seine Einstellung bis zu einem gewissen Grad sogar nachvollziehbar zu vermitteln. Juliet wiederum ist das Gegenteil: Sie absolvierte ein Lyrikstudium, ist Demokratin und kann den Beinahe-Hass ihres Mannes auf den Staat nicht nachvollziehen. Zudem leidet sie an Depressionen aufgrund eines Kindheitstraumas, was ihrem Mann bekannt ist. Allerdings fühlt er sich eher hilflos mit dieser Situation und weiss nicht, wie er damit umgehen soll.
Auf dem Boot sind sie gezwungen, gemeinsam mit ihren beiden Kindern auf engstem Raum zu leben, ohne sich aus dem Weg gehen zu können, was natürlich dazu führt, dass sie sich grundsätzlich miteinander auseinandersetzen müssen und wobei eine Menge zur Sprache kommt. Etwas, was im normalen Leben vielleicht viele Paare zu vermeiden versuchen ;-)
Es ist eine Menge, was in diese Geschichte hineingepackt wurde und im Großen und Ganzen auch nachvollziehbar und glaubhaft. Aber dass am Ende zusätzlich noch ein übler Verdacht im Raum steht, als wäre Alles noch nicht schlimm genug, hätte wirklich nicht sein müssen. Das Buch hat auch so schon eine Menge zu erzählen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.