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KrimiElse

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Insgesamt 73 Bewertungen
Bewertung vom 17.11.2015
Wintergäste / Familie Boysen Bd.1
Volks, Sybil

Wintergäste / Familie Boysen Bd.1


gut

"Ist das Zentralgestirn fort, müssen die Sterne sich neu sortieren."
Dies ist für mich der zentrale Satz, um den sich der Familienroman dreht.

Die 80jährige Inge Boysen ist tot - oder eigentlich nicht richtig, nur ganz kurz. Die Schwiegertochter trommelt in dem Glauben an den Tod von Inge die Familie zusammen. Diese trifft sich daraufhin kurz nach Weihnachten in Inges Haus Tide, einem einsam gelegenem altem Haus auf einer Nordseeinsel. Ein Schneesturm hält alle auf der Insel vier Tage lang bis zur Neujahrsnacht fest, in dieser Zeit setzen sich Inges Kinder und Schwiegerkinder mit ihren Konflikten und Problemen auseinander.

Man erhält mehr oder weniger tiefe Einblicke in die Probleme, Gefühle und in die Seelen der Protagonisten und begleitet sie in der Zeit der Rauhnächte zwischen den Jahren.
Alle (außer Inge, die trotz ihres nicht stattgefundenen Tode schwer krank und sehr geschwächt ist) müssen Entscheidungen über ihre Zukunft treffen, ob sie ihr bisheriges Leben so weiterleben wollen/können oder nicht.
Geheimnisse kommen ans Licht, saubere weiße Fassaden bröckeln, auch der nicht zum Treffen erschienene jüngere Sohn von Inge Boysen, der zur See fährt und sich auf der anderen Seite der Welt befindet, trifft eine Entscheidung, die einen Wendepunkt in seinem Leben bedeuten wird.

Die Autorin benutzt sehr geschickt das Familienheim Haus Tide als Sinnbild für die Entscheidungen, die die Protagonisten treffen, ob es Bestand haben wird und in Familienbesitz bleibt oder ob es wegen der Verteilung des Erbes auf vier Kinder verkauft werden muss.

Die Grundidee hat mir sehr gut gefallen, eine Familie mit all Ihrem Geheimnissen und Problemen sitzt vier Tage lang auf engem Raum fest, wobei Konflikte zutage treten und Entscheidungen anstehen.
Die Autorin hat aber meiner Meinung nach zu viele Probleme angeschnitten, es gibt kein wirklich "normales Familienmitglied". Manche Probleme sind dabei glaubhaft und nachvollziehbar, andere erscheinen mir zu knapp umrissen oder zu weit hergeholt.
Insgesamt ist es mir einfach zu viel gewesen, auch wenn der Grundgedanke des Buches ein offenes Ende zulässt. Besser hätte es mir gefallen, wenn ich von weniger Geheimnissen erfahren hätte, die erzählten Probleme aber tiefer und ausführlicher angelegt worden wären.

Der Schreibstil ist ansprechend und gut verständlich. Beschreibungen lassen vor meinem Geist Bilder der Insel und des Meeres und der Zimmer nebst Interieur von Haus Tide entstehen, was mir ausgezeichnet gefallen hat.
Nicht gut gefallen hat mir der manchmal zu schnelle Wechsel der Szenen und das Lesen der Gedanken der Charaktere in wenigen knappen Sätzen. Die angeschnittenen und zitierten Songs wären toll gewesen, wenn eine CD mit den Titeln beigelegt wäre, aber so hat es in meinen Lesefluss nicht immer hineingepasst. Ich habe zwar nach der Lektüre die Playlist am Ende des Buches gesehen, aber leider zu spät.

Fazit:
Es ist für mich ein Buch zum Lesen zwischendurch, das mich durch den Klappentext und durch die ersten paar Sätze sehr fasziniert hat. Leider ist es in meinen Augen im Laufe der Geschichte zu zerpflückt und zu inkonsequent.

Bewertung vom 16.09.2015
Erben auf Italienisch
Pallavicini, Piersandro

Erben auf Italienisch


sehr gut

Mit etwas schwierigem Einstieg habe ich diese kreischend laute, schrille, skurrile und tragikomische italienische Familienkomödie mit großem Vergnügen gelesen und am Ende des Buches sogar ein paar einzelne Tränen in den Augenwinkeln gehabt.

Der neureiche und steinalte Mailänder Alberto Pampaloni, der in den 60ern ein Vermögen mit Schmierkäse gemacht hat, ist despotisches Familienoberhaupt und ruft zum Familientreffen in der futuristischen Sommervilla. Seine Familie ( oder was davon übrig geblieben ist ) besteht aus dem schmierigen, geizigen und verwöhntem Sohn Rogoredo nebst blasser englischer Frau und Söhnen sowie der devoten Tochter Carla, die mit ihrer besten Freundin Paola und ihrem Muttersöhnchen Massimo auftaucht. Es gilt, das Erbe des Lebemannes und Möchtegern-Playboys Alberto unter den Kindern aufzuteilen.

Die Geschichte ist in der Ich-Form von Carla erzählt, die gemeinsam mit ihrer Freundin Paola von Hitzewallungen und Emotionsschwankungen infolge Klimakterium gebeutelt ist. Durch Rückblenden aus ihrer Sicht erzählt erfährt man von derben und bösartigen Streichen, die neben der cineastischen Leidenschaft als Filmproduzent und dem Hang zur HighSociety einen wichtigen Wesenszug des 80jährigen Alberto darstellen. Carla spielt von Kindheit an in der Familie die zweite Geige hinter dem faulen und verwöhntem Bruder und gab sich widerspruchslos mit dem Krumen zufrieden, die ihr der Vater zuwarf, in ihrem Job als Professorin steht sie zusammen mit ihrer Freundin Paola trotz hervorragender Leistungen an der Fakultät weit hinter den männlichen Kollegen und ihr Ehemann befasst sich lieber mit den Freuden eines Teilchenbeschleunigers als mit ihr. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Paola, die sich von ihrer Umwelt (besonders vom Scherzbold Alberto) derbe Späße bezüglich ihres Aussehens gefallen lassen muss, flüchtet sich Carla als junges Mädchen in die Welt des Progrock, mit Jethro Tull und Peter Gabriel in London zu Beginn der 80er hoffnungslos der Zeit hinterherhinkend.
Am Ende des Buches tritt Alfonso playboymäßig und filmreif ab und für Carla wendet sich das Blatt.

Alle Figuren sind im komödiantischen Stil sehr überspitzt dargestellt, angefangen von der als unterwürfige Tochter gezeigten Carla, ihrem großspurigem, egoistischem und an einen englischen Lord erinnernden Bruder mit seiner sonnenempfindlichen Frau, der fast hündischen Freundin Paola und dem exzentrischen, despotischen, lauten und derben Familienoberhaupt Alfredo. Ich hatte damit anfangs einige Schwierigkeiten, weil neben den völlig überzogenen Figuren manche Dinge bis nahe an die Penedranz ausgereizt sind, so das Klimakterium von Carla und Paola oder der landestypische Dialekt. Doch nach einigen wenigen Kapiteln hatte mich das Buch gepackt und ich hatte viel Vergnügen beim Lesen. Am Ende des Buches war ich vollends versöhnt, die Geschichte nimmt überraschende Wendungen und - typisch italienisch - gibt es etwas Schmalz an unerwarteter Stelle zum Schluss.

Mein Fazit: Ein teils derb-humoristisches Lesevergnügen, das man sich nach ein paar anfänglich verwirrenden Seiten nicht entgehen lassen sollte.