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Morten
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 97 Bewertungen
Bewertung vom 30.08.2022
Intimitäten (eBook, ePUB)
Kitamura, Katie

Intimitäten (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein Mann verschwindet. Ein anderer wird zusammengeschlagen. Ein dritter steht vor Gericht. Und mittendrin eine namenslose Erzählerin. Was klingt, wie ein aufregender, düsterer Noir-Plot, ist tatsächlich eine behutsame, intime Erzählung über Entfremdung und Annäherung, beruflich wie privat. Und das funktioniert in Katie Kitamuras „Intimitäten“ größtenteils sehr gut.

Die Ich-Erzählerin lebt seit einigen Monaten in Den Haag, arbeitet als Übersetzerin am Internationalen Gerichtshof, ist in einer Beziehung mit Adriaan. Auf einer Party erfährt sie, dass dieser eigentlich noch verheiratet ist, aber von seiner Frau verlassen wurde. Als er nach Portugal reist, um die Scheidung einzureichen, überlässt er der Erzählerin für die geplante Woche seine Wohnung, doch aus der Abwesenheit werden immer mehr Tage, aus den Nachrichten immer weniger. In der Zwischenzeit lernt sie den Buchhändler Anton kennen, der nahe der Wohnung ihrer Freundin Jana zusammengeschlagen wurde, und einen angeklagten Ex-Präsidenten, der sie als Übersetzerin der Strafverteidigung am IGH anfragt. Und für sie stellt sich mehr und mehr die Frage: Liegt ihre Zukunft noch in Den Haag?

„Intimitäten“ baut durch die Beobachtungen, Gefühle und Erwartungen der Protagonistin eine dichte Spannung auf, die gleichzeitig durch die verflochtenen Beziehungen der weiteren Charaktere bekräftigt wird. Dabei können sich Leser:innen nur auf die Gedanken der Erzählerin verlassen, auf ihre Mutmaßungen und Emotionen. Manches bleibt vage, nur ein Gefühl, nur eine Angst, manches wird im Laufe der Geschichte aufgelöst. Darauf muss man sich einstellen, sowas muss man mögen, wenn man Katie Kitamuras Roman zur Hand nimmt.

Die intime, unsichere Gefühlswelt, gefüttert durch eine unsichere Beziehung, eine unsichere berufliche Zukunft in einem auch nach Monaten noch fremden Land, wird durch Kitamuras einfühlsame Schreibweise perfekt aufgefangen, erinnert phasenweise an Sofia Coppolas Filmmeisterwerk „Lost in Translation“. Das passt natürlich perfekt zum Alltag der Dolmetscherin, die perfekt mehrere Sprachen spricht und sich dennoch nach einem Leben in New York und familiären Wurzeln in Singapur nirgendwo so richtig zuhause fühlt. Und in der ein vergessenes Kindheitserlebnis ein wahrer Gamechanger sein kann. Genau wie dieses Buch von Katie Kitamura – denn sie hat das Potenzial zu einer Lieblingsautorin.

Bewertung vom 23.08.2022
Starter-Set Sami Lesebär Größter Schatz der Welt / SAMi

Starter-Set Sami Lesebär Größter Schatz der Welt / SAMi


sehr gut

Es ist Eisbärzeit im Kinderzimmer: SAMi, der Lesebär zieht ein! Der gelbbemützte Arktisbewohner mit der blauen Kaffee-, pardon, Kakaotasse verwandelt Bücher in Hörspiele. Wie das klappt? Eigentlich ganz gut.

Die Einrichtung ist tatsächlich kinderleicht, aber trotzdem etwas für die Eltern: SAMi wird eingeschaltet, ein Smartphone, Tablet oder Computer mit seinem WLAN verbunden, die Einrichtungswebseite aufgerufen, die heimischen WLAN-Daten eingetragen und schon kann das Kind loslegen.

SAMi hat seinen Platz im Buch ganz hinten. Auf der letzten Seite wird seine Eisscholle festgeklemmt. Wichtig: Er muss mittig vor den kleinen Punkten sitzen – sonst sagt er zwar, dass alles geklappt hat, aber die Geschichtenseiten werden eventuell nicht erkannt. Und das wäre ja mehr als schade.
Nun aber los: Während SAMi noch kurz das Buch vorstellt, wird die Geschichte – in diesem Fall „Der größte Schatz der Welt“ – von einer anderen Stimme vorgelesen. Und das klappt richtig gut. Die kleinen Punkte, mit denen der Vorleseeisbär die Seiten erkennt, sind angenehm unauffällig, die Wirkung der schönen Zeichnungen wird nicht beeinträchtigt.

Eine kleine Schwierigkeit: Neue Bücher haben die Eigenschaft, sich selbst umzublättern oder wieder zuzuklappen. Frechfüchse! Dadurch flippert SAMi anfangs schon einmal durch die Geschichte, wenn das Buch nicht festgehalten oder beschwert wird. Und: Blättert man zu langsam, denkt SAMi, er sei nicht mehr mit dem Buch verbunden und fordert dazu auf, ihn wieder festzustecken. Dadurch, aber auch beim Umblättern, werden auch schon einmal andere Seiten angelesen, bis SAMi erkennt, welche Seite nun geöffnet ist. Das ist aber nur ein kleiner Makel, der sich verschmerzen lässt.

Die beigelegte Geschichte, „Der größte Schatz der Welt“, geschrieben von Andrea Schütze und illustriert von Joelle Tourlonias, wird recht charmant von Katrin Daliot vorgelesen. Wie in einem Hörspiel sind viele Hintergrundgeräusche zu hören, eine echte Urwaldatmosphäre entsteht, was hübsch ist, schließlich handelt sie von einem kleinen Affen, der im Dschungel auf der Suche nach eben jenem größten Schatz der Welt ist, um ihn seiner Mutter zu schenken. Immer wieder begegnet er dabei anderen Tieren, die ihm zeigen, was für sie der größte Schatz ist. Das Ende ist natürlich offensichtlich, herzerwärmend für Eltern und Kind, aber etwas zu lang geraten.

Und ganz zum Schluss? Da verabschiedet sich SAMi mit einem leicht verkitschtem Lied von den jungen Leser:innen, die davon vermutlich begeisterter sind als die Eltern, aber zumindest wandelt es musikalisch eher auf Pfaden von Mark Forster als von Rolf Zuckowski.

Kleines Fazit? Der große Vorteil ist sicherlich, dass SAMi Kindern die Bücher erzählen kann, wenn die Eltern einmal keine Zeit haben, aber die Bücher auch problemlos in voller Länge selbst vorgelesen werden können. Mit einer wachsenden Palette an Büchern für alle Altersgruppen ist SAMi so durchaus eine Alternative zu Tonies und anderen Hörspielen, die Kinder nicht nur für Geschichten, sondern auch für das wichtigste Medium begeistert: Bücher.

Bewertung vom 16.08.2022
Snowflake
Nealon, Louise

Snowflake


sehr gut

Trigger-Warnung: In „Snowflake“ geht es um Tod, Suizid und Depressionen. Und trotzdem ist Louise Nealons Debütroman größtenteils unglaublich leicht, charmant und lebensbejahend. Der Grund: wunderbar gezeichnete Charaktere, die auch kleinere Schwächen in der Geschichte komplett wettmachen.

Debbie White ist 18 Jahre alt und startet ihr Anglistik-Studium am Trinity College. So wie viele andere in ihrem Alter. Aber statt in Irlands Hauptstadt zu ziehen, bleibt sie in ihrem Heimatort, pendelt zur Uni und kümmert sich nebenbei mit ihrem Onkel um die gemeinsamen Milchkühe und ihre Mutter, die vom Unfalltod ihres Freundes traumatisiert ist. Hin und wieder übernachtet sie bei ihrer neuen, ersten richtigen Freundin Xanthe, die mit Debbies heimlicher Jugendliebe zusammen ist und ihr gesteht, dass sie an Depressionen leidet. Für Debbie kaum vorstellbar, hat Xanthe doch alles – Geld, Aussehen und den Jungen, für den Debbie schwärmt. Bricht die junge Freundschaft direkt wieder auseinander?

Louise Nealon schreibt Debbies Geschichte in kleinen Episoden, sie liest sich fast wie ein Blog, wenn Debbie von ihrem Alltag, von ihren Erlebnissen und Erfahrungen berichtet. Entspannt, manchmal etwas naiv, tappt Debbie durch ihr Leben, das eigentlich ganz typisch, ganz banal verläuft. Wären da nicht ihre Träume, die Träume ihrer Mutter und die Nichtträume ihres Onkels.

Manchmal fehlt Debbies Geschichte der Tiefgang, einzelne Handlungsstränge bleiben relativ unbetrachtet liegen, natürlich bewusst, denn Debbie hat für diese keine Zeit, keine Lust, keinen Nerv, diese Plotstränge aufzulösen. Auch das Ende kommt fast etwas zu schnell, vielleicht aber auch, weil man als Leser:in gerne noch viel mehr Zeit mit Debbie und ihrer Familie, Xanthe und Audrey – früher Klavierlehrerin, heute Psychologin – verbringen würde. Denn fast alle Charaktere sind extrem charmant und liebenswert. Und das ist ein deutlicher Unterschied zur oft als Vergleich bemühten Sally Rooney, deren Figuren dieses Sympathielevel nie erreichen.

Eine schöne, manchmal traurige und verstörende, aber immer herzliche Geschichte über Freundschaft über Familie, über Träume und Aberglaube und über das Erwachsenleben – das sowohl für die junge Generation, aber auch für die Familie durchaus anstrengend sein kann. Und ein toller, zeitgemäßer Debütroman einer vielversprechenden Autorin, der dank des mare-Verlags in einer tollen deutschsprachigen Übersetzung vorliegt.

Bewertung vom 16.08.2022
Dachs und Rakete. Ein Haus voller Freunde
Isermeyer, Jörg;Schüttler, Kai

Dachs und Rakete. Ein Haus voller Freunde


sehr gut

Als das Auge von Senor Tortuga nicht mehr am Guckloch erscheint, werden sie nervös: Herr Dachs, Schnecke Rakete und die drei Pferde Peter, Paul und Mary, die kurz zuvor einen lauten RUMMS gehört haben. Zum Glück hat Herr Dachs als Hausmeister einen Schlüssel für alle Wohnungen. Und tatsächlich: Senor Tortuga, die alte Nachbarschildkröte, liegt auf dem Rücken und kommt nicht mehr alleine hoch – und hat nun schreckliche Angst ins Heim zu müssen. Aber keine Sorge: Schließlich ist das ein Kinderbuch und alle Bewohner des Hauses unfassbar gutherzig – und haben schon eine tolle Idee. Hurra!

Schon wenige Monate nach Erscheinen des ersten Bandes von Dachs und Rakete lässt Jörg Isermeyer seine beiden tierischen Freunde erneut auf die Stadt los. Wer den ersten Teil – „Ab in die Stadt!“ – nicht gelesen hat, kann auch mit dem zweiten starten, aber sinnvoller ist es, alle Charaktere und den Grund für Dachs und Raketes Umzug mit Buch Eins kennenzulernen – und die lustigen Schwierigkeiten der beiden, sich im Großstadtdschungel zurechtzufinden. Und noch immer fremdeln die beiden Held:innen mit alltäglichen Dingen wie Theater und Rummel, haben sich aber gut eingelebt in ihrem neuen Zuhause mit Oma Käthe, den Meerschweinchen und allen anderen Nachbarn.

„Ein Haus voller Freunde“ ist ein großer Vorlesespaß über Achter- und Murmelbahnen, Shakespeare und Schiller, Babysitting und Seniorenbetreuung, wundervoll illustriert von Kai Schüttler. Das kongeniale Duo aus Dachs und Schnecke erlebt kleine Abenteuer, die Kindern richtig Freude bereiten, während Erwachsene den ein oder anderen Schmunzler zwischen den Zeilen entdecken. Und das mit erstaunlich viel Tiefgang, besonders in der Episode mit Senor Tortuga, dem vom alten Hausmeister, der schon Dachs und Raketes Waldheimat auf dem Gewissen hatte, übelst mitgespielt wurde.

Und auch die schöne Umsetzung der Hardcover-Ausgabe macht das zweite Abenteuer von Dachs und Rakete zu einem der Highlights im Portfolio des Beltz-Verlags, nur ganz leicht fallen die Geschichten im Vergleich zum ersten Band ab. Trotzdem ist die Vorfreude auf einen dritten Teil groß – und wenn Jörg Isermeyer weiter so aufs Raketentempo drückt, ist spätestens nach Weihnachten damit zu rechnen. Wie schön!

Bewertung vom 05.08.2022
Susanna
Capus, Alex

Susanna


gut

Ein bisschen in die Irre führt er schon, der Klappentext zu Susanna. Er verweist auf die Reise von Susanna Faesch zu Sitting Bull, auf ihr Portrait, das heute im State Museum von North Dakota ausgestellt ist, auf ihre Warnung an den berühmten Stammeshäuptling, der 1890 im Reservat ermordet wurde. Dabei spielt sich dieser Teil der Geschichte lediglich auf den letzten Seiten von Alex Capus‘ biografischer Erzählung ab. Der Fokus liegt auf den ersten 45 Lebensjahren von Susanna, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen: Caroline Weldon. Und wenn man sich darauf einstellt, erwartet die Leser:innen eine kurzweilige Zeitreise in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Susanna wird in der Schweiz geboren, zieht mit ihrer Mutter nach New York, entdeckt dort schon früh die Malerei, die ihr – zusammen dem Vermögen ihrer Mutter und ihres Stiefvaters – ein unabhängiges Leben beschert. Sie verbringen die Wochenenden in Coney Island, ansonsten bewegt sie sich wenig aus ihrer New Yorker Blase heraus. Sie heiratet, wird geschieden, bekommt einen unehelichen Sohn, der – als großer Fan von Buffalo Bills Wild West Show – Susanna nach dem Tod ihrer Mutter zu einer Reise zu Sitting Bull überredet.

Alex Capus‘ Buch erinnert mehr an einen Fernsehfilm als an eine Biografie – unterhaltsam geschrieben, den Zeitgeist und die technische Entwicklung einbeziehend und mit einem leicht verrückten Fokus. Im Buch ist es ihr Sohn Christie, der den Anstoß zur Reise ins Dakota-Territorium gibt, in klassischen Biografien war es ihr eigener Wunsch. Dass sie Aktivistin für die National Indian Defense Association war, spielt im Buch keine Rolle.

Capus beschränkt sich auf Susanna als Künstlerin, als Tochter und Mutter und als Mensch. Das ist ein bisschen schade, wenn man Weldon/Faesch kennt und sich hier mehr Tiefe gewünscht hätte, aber völlig okay, da so andere, unbekannte und rein fiktionalisierte Etappen ihres Lebens beleuchtet und zu einer anziehenden Geschichte verwoben werden. Was wahr ist, was Fiktion, das weiß allein der Autor, das entscheiden die Leser:innen vielleicht auch ein Stück für sich selbst. Denn lesenswert ist der neue Capus allemal – und das Leben von Susanna Faesch sowieso.

Bewertung vom 02.08.2022
Freizeit
Kaspari, Carla

Freizeit


gut

Zweimal wollte ich das Buch schon zuklappen, in den Schrank stellen, aufgeben, vergessen. Zu meta, zu anstrengend, zu bemüht. Ein wilder Mix aus Romanelementen und Skriptschnipseln aus längst vergessenen Word-Dokumenten auf der alten Festplatte, die als Seitenfüller integriert wurden. Aber: Auch immer wieder einzelne Stellen, die Hoffnung machten, dass irgendwo der Turnaround lauert. Und tatsächlich: Am Ende entwirrt sich doch noch eine gute, emotionale Late-20s-Lebensgeschichte.

Franziska ist 27, frisch getrennt zurück aus Paris, schreibt einen Roman und zwischendurch Texte für Rap-Songs und Werbung, was ja manchmal auch relativ ähnlich erscheint. Genau wie die Parallelen zum Lebenslauf der Autorin, was ja manchmal auch relativ okay erscheint, schließlich lässt sich am einfachsten über das schreiben, was man selbst erlebt oder gesehen hat.

Schade nur, dass „Freizeit“ so schwer ins Rollen kommt. Der Titel von Kasparis Debütroman ist auch gleichzeitig der Titel von Franziskas Debütroman und wenn zwischendurch einmal Fragmente die Seiten füllen und die freundlich-mahnenden Worte von Franziskas Lektorin auffüllen, stellt sich im besten Fall die Frage, ob das noch Fiktion ist und im schlimmsten Fall, ob das bloß nötig war, um das Buch auf mehr als 200 Seiten zu strecken.

Irgendwann, recht spät, aber immerhin, konzentriert sich Carla Kaspari aber auf das Leben ihrer Protagonistin: ihre Freunde, ihre Eltern. Anfänge und Enden, Freundschaften, Affären, Beziehungen. Relatable moments, ganz behutsam beschrieben, einfühlsam formuliert, leise statt laut. Das ist wirklich gelungen, das macht „Freizeit“ dann doch noch zu einem ganz guten Generationenportrait, bei dem es sich lohnt, sich durchzubeißen und die anstrengenden Meta-Bezüge auszublenden. Aber die gehören halt auch zum Leben der Mid-20s.

Bewertung vom 06.07.2022
Sonne, Mond und Sterne / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.72
Mennen, Patricia

Sonne, Mond und Sterne / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.72


ausgezeichnet

Die erste Doppelseite ist ein Novum für uns. Klappt man einen großen Teil der Seite um, ist da nur Bild. Kein Text mehr, der genau darauf vorbereitet hat. Nur eine schöne Landschaft mit traumhaften Nachthimmel und Sternschnuppe. Ein großes, tolles Wimmelbild, das zeigt, worum es in diesem Buch geht: die Faszination Weltall.

„Sonne, Mond und Sterne“ war hier ein lange erwarteter Band der Wieso-Weshalb-Warum-Reihe von Ravensburger. „Was macht ein Astronaut?“ gibt es bereits, aber hier geht es endlich um die Grundlage für die Weltraumforschung: die zahllosen Himmelskörper.

Von der wärmenden Sonne, vor der sich auch geschützt werden muss, über den Mond und der Landung auf dem Erdtrabanten, und die Planeten in unserem Sonnensystem bis zur ISS, die unsere Erde umkreist, ist alles dabei. Selbst Sternbilder abseits vom Großen Wagen, verpackt in ein kleines Sternzeichenquiz. Hinter vielen kleinen Klappen gibt es viel zu erfahren, zu lernen, schön formuliert für Leser:innen zwischen 2 und 4 Jahren.

Der perfekte Einstieg in das Thema All für die Weltraumforscher:innen und Astronaut:innen von morgen – und ein schönes Vorlese- und Erklärbuch für Eltern, die abends gerne in den Nachthimmel schauen.

Bewertung vom 29.06.2022
Der Mann, der vom Himmel fiel
Tevis, Walter

Der Mann, der vom Himmel fiel


sehr gut

Und dann sitzt er in einer Bar und weint in seinen Gin. Wie menschlich. Wie tragisch. Was für ein Buch.

Thomas Newton hat mit World Enterprises die Welt verändert. Zahllose Patente angemeldet, neue Produkte entwickelt oder die Rechte daran verkauft. Er hat Geld gescheffelt wie kaum ein anderer. Ein außerirdischer Erfolg. Im wahrsten Sinne. Denn Thomas Newton kommt nicht aus Kentucky. Er stammt von Anthea, einem sterbenden Planeten irgendwo in unserem Sonnensystem. Auf die Erde geschickt, um mit viel Geld ein Raumschiff zu bauen und die letzten 300 Überlebenden seines Volkes auf unseren Planeten zu holen – und dort nach Möglichkeit die Fehler zu verhindern, die sein Volk und die weiteren auf Anthea ausgelöscht haben.

„Der Mann, der vom Himmel fiel“ ist ein faszinierendes Buch mit einer genauso beeindruckenden Geschichte. Es spielt in den späten 1980er-Jahren und dennoch in der Zukunft, denn veröffentlicht wurde es bereits 1963. In den 1970er wurde es verfilmt, mit David Bowie als Thomas Newton und Rip Torn als dessen Mitarbeiter Nathan Bryce. Und nun wurde es neu und sehr gut übersetzt. Denn die Welt hat seinen Autoren wiederentdeckt: Walter Tevis.

Vor zwei Jahren wurde die Verfilmung seines Romans „Das Damengambit“ ein Netflix-Überraschungserfolg, das Buch ein Bestseller und nun soll mit The Man Who Fell to Earth ähnliches geschehen. Eine Neuübersetzung liegt da und eine Fortsetzung der Geschichte läuft gerade als neue Serie im US-Fernsehen. Mit Episodentiteln, die nach Songs von David Bowie benannt wurden.

Aber zurück zum Buch: Trotz kleiner Längen ist „Der Mann, der vom Himmel fiel“ aus gleich zwei Gründen eines der lesenswertesten Bücher des Sommers. Zum einen ist da der Blick in die Zukunft. Technologien, die Tevis in den 1960er-Jahren im Kopf hatte, die es, vielleicht noch nicht in den späten 1980er-Jahren und in der dargestellten Form, aber zumindest bis heute ähnlich durchaus zur Umsetzung geschafft haben.

Zum anderen ist da der zeitlose Blick auf eine Welt, die sich bedroht, bekriegt, statt gemeinsam für die Rettung des Planeten und der Menschheit zu kämpfen. Und hier ist Thomas Newton die entscheidende Figur. Selbst von einem Planeten, dem es nicht gelungen ist, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen, sieht er erschreckende Parallelen im Handeln der Menschen, denen er äußerlich ähnelt und innerlich immer ähnlicher wird. Bis er in einer Bar sitzt und in seinen Gin weint. Scheinbar hoffnungslos. Hilflos. Am Boden, abgestürzt wie Ikarus. Aber: nicht allein.

Vielleicht gibt es also doch noch Hoffnung, 32 Jahre nach Ende der Geschichte, 59 nach der Erstveröffentlichung. Wenn wir uns bemühen. Dieses alte Buch kann dabei helfen. Wenn wir es möchten.

Bewertung vom 23.06.2022
Der Hubschrauber / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.26
Erne, Andrea

Der Hubschrauber / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.26


ausgezeichnet

Der Hubschrauber hebt ab: Einsatz! Ob Autounfall, Waldbrand oder Bergrettung, die Besatzung des wendigen Fluggeräts hilft sofort. Im neuen WWW-Band „Der Hubschrauber“ wird Kindern zwischen 2 und 4 Jahren ganz leicht erklärt, was das ist, das dort hin und wieder am Himmel entlang knattert.

Ganz sympathisch: Der Hubschrauber wird von einer Pilotin gesteuert, eine Notärztin ist an Bord – und somit auch zeitgemäße Geschlechterrollen. Dazu werden auch nur relevante Einsatzarten gezeigt – keine Aussichtsflüge mit Touristen oder Promi-Zubringerflüge zum Privatjet.

Auf den wimmligen Bildern gibt es ganz viel zu entdecken, von fliegenden Mützen bis zu Gaffern auf der Autobahn. Perfekt also, um immer wieder Neues zu sehen und zu erklären, von Dingen, die passieren bis zu Verhaltensweisen, die sich niemand aneignen sollte.

Hinter kleinen Klappen verstecken sich weitere Details und neue Geschichten, so dass hier auch ganz viel rund um den Arbeitsalltag der Hubschrauberpilot:innen erklärt wird, von der Steuerung des Helikopters über seine Wartung bis hin zur Pause der Crew.

Ein Buch, das mit Freude durchblättert wird, alleine oder mit Vorleser:in, das auch beim x-ten Mal noch Spaß macht und neue Kleinigkeiten finden lässt. Und mit einer Lieblingsseite Bergrettung, bei der nicht nur Kühe zu sehen sind, sondern auch der unglückliche Mountainbiker regelmäßig bedauert wird. Und oft der Satz fällt: „Ich möchte auch mal damit fliegen!“