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nessabo

Bewertungen

Insgesamt 79 Bewertungen
Bewertung vom 20.05.2024
Funny Story
Henry, Emily

Funny Story


ausgezeichnet

Wundervoll amüsantes und liebevolles Buch!

"Funny Story" war mein zweites Buch von Emily Henry und es hat mich auf ganzer Strecke überzeugt. Es ist eine perfekte Geschichte für alle, die RomComs mit gutem Humor mögen und einfach mal wieder ein Buch verschlingen wollen. 🙂

Die Ausgangslage finde ich schon tragisch-komisch: Daphne wurde von ihrem Verlobten Peter für dessen beste Freundin Petra (😂) verlassen. Letztere verlässt dafür wiederum ihren Partner Miles. Daphne zieht aus der Not heraus zu Miles, der zu Beginn verpeilt-chaotisch wirkt und sich später zu einem wirklich liebenswerten Menschen mausert. Und was aus einer solchen WG-Situation entstehen kann, erfahren wir auf den folgenden 450 Seiten...

Sicherlich ist bei RomComs allen klar, wie die Geschichte am Ende ausgeht. 🤭 Emily Henry schafft in "Funny Story" für mich aber einen grandiosen Balanceakt zwischen sarkastischem Humor sowie viel Situationskomik und ernsten, lebensnahen Themen. Hierbei erfahren wir vor allem viel über die Auswirkungen davon, wenn Menschen sich innerhalb einer Partnerschaft isolieren, und über die Konsequenzen schwieriger Eltern. 💔
Dabei wachsen die beiden Protagonist*innen in meinen Augen sehr glaubwürdig und lehrreich an ihren Erfahrungen.

Neben den wirklich netten Hauptcharakteren hab ich auch die Nebenfiguren sehr gemocht. Sie sind nicht nur Beiwerk, sondern runden die Handlung perfekt ab. Auch, dass z. B. nicht-weiße Figuren und queere Eltern einfach so vorkommen dürfen, fand ich richtig toll. Und die Liebe der Hauptfigur Daphne für ihre Arbeit in einer Bibliothek hat mein Herz als Buchliebhaberin richtig gewärmt. 💚

Der Schreibstil ist locker und leicht, an manchen Stellen ist die Übersetzung eventuell etwas holprig, aber das kann ich immer nicht so gut einschätzen. Ich habe an vielen Stellen wirklich gelacht, auch wenn es in der zweiten Hälfte weniger lustig wird. Das Buch hat kaum irgendwelche Längen, ich habe es verschlungen und nur für die Leserunde immer mal pausiert. Emily Henry versorgt uns auch mit ein paar spicy Szenen, die dem Ganzen natürlich ordentlich Schwung geben. 😅🥵

Der wie immer nicht problematisierte Alkoholkonsum der Figuren hat mich schon etwas gestört, führt für mich im Gesamten aber nicht zu Punktabzug. Petra und Peter fand ich persönlich im Rückblick ziemlich unnötig und charakterlich flach, so als hätte sich die Handlung beim Schreiben einfach in eine andere Richtung entwickelt. Der Aufhänger der Story bleibt auch wirklich nur ein Aufhänger. Das ist aber auch nichts, was ich mit Punktabzug bestrafen würde.

Ein richtig tolles Buch, das ich von Herzen empfehle! 💚

Bewertung vom 17.05.2024
Und alle so still
Fallwickl, Mareike

Und alle so still


gut

Großartige Idee, textlich und charakterlich aber mit Schwächen umgesetzt

Da ich die beiden Vorgängerbücher von Mareike Fallwickl ziemlich gut fand, wollte ich natürlich auch den neuen Roman lesen. Bekommen habe ich zwar wie erwartet ein Buch voller Wut und Frustration, in meinen Gedanken dazu bin ich aber alles andere als klar.

Wie offenbar viele weitere Menschen habe ich sehr ambivalente Gefühle zum Inhalt und zur Umsetzung. Die Idee eines Care-Streiks finde ich großartig - was hätten (überwiegend) Frauen für eine Macht, wenn sie sich der unbezahlten und/oder schlecht bezahlten Arbeit einfach verweigern würden! Der Protest der Frauen ist ein stiller, sie legen sich einfach an öffentlichen Orten nieder und schweigen. Dabei begleiten wir die Protagonist*innen Elin (Influencerin, ihr wurde [eventuell] Gewalt angetan), Nuri (ein migrantischer, armutsbetroffener, mutmaßlich queerer Mann) und Ruth (eine Frau mittleren Alters, die in der völlig überlasteten Krankenpflege arbeitet). Alle Figuren sind miteinander verbunden, was sich erst mit fortlaufender Handlung zeigt. Solche Erzählstrukturen mag ich sehr gern und ich finde sie auch hier gut umgesetzt. Nuris Perspektive finde ich aus Intersektionalitätsgründen total wichtig und bei Ruths Gedanken zur Vereinsamung von Eltern behinderter Kinder habe ich mich ertappt gefühlt. Lediglich Elin konnte ich als Charakter nicht wirklich greifen.

Sprachlich fand ich das Buch wiederum echt herausfordernd. Es gibt super wenige Dialoge, die Erzählweise ist irgendwie abgehackt und mir persönlich manchmal zu ausschweifend. Die Protagonist*innen verlieren sich für meinen Geschmack etwas zu sehr in ihren Gedanken. Die Leben der Figuren fand ich außerdem schwer auszuhalten, das ist jedoch keine Kritik am Buch. Das Elend der verbalen Gewalt auf Social Media, die Ausbeutung der Menschen im Niedriglohnsektor und die Überforderung des Pflegepersonals sind so real wie unerträglich. Mareike Fallwickl drückt hier wirklich bis zum Gehtnichtmehr in den Wunden herum. Und das ist wichtig, allerdings fehlt mir einfach der Motivationsmoment in der ganzen Handlung. Alles ist so resigniert, ungeplant, langatmig und grauenvoll, dass ich einfach nur pessimistisch gestimmt war. Das kann gewollt sein und vielleicht bewirkt es bei den richtigen Menschen auch etwas, aber für mich war zu wenig Aufschwung da.

Die solidarischen Momente zwischen den Frauen sind liebevoll, manche Nebencharaktere fand ich super (Looking at you, Charlie.. 👀), aber auch den Part hätte ich mir ausführlicher gewünscht. Und dann erst die Gewalt… Wie schon bei allen Vorgängern finde ich Inhaltswarnungen für mehr als angebracht und wünsche mir, dass das in Zukunft Standard wird! Manche Stellen der Handlung fand ich persönlich auch zu überspitzt und unglaubwürdig. Die gehäuften Verletzungen bei den zurückgelassenen Männern? Also, ich weiß ja nicht! Das passte für mich irgendwie nicht zum ernsten Ton der Geschichte.

Geliebt habe ich die kurzen Zwischenkapitel von Pistole, Gebärmutter und Berichterstattung. Die fand ich sehr innovativ und tatsächlich das beste am ganzen Buch, weil sie für mich maßgeblich einen Spannungsmoment aufrechterhalten haben.

Insgesamt habe ich irgendwie das Gefühl, die Handlung hätte auch auf 200 Seiten reduziert werden können. Und ich befürchte einfach, dass Lesende auf dem Weg aufhören und die wichtigen Botschaften im Text verlorengehen. Ich hatte manchmal den Eindruck, einen sachbuchähnlichen Text zu lesen, der seine Längen hatte und dessen Figuren tiefer hätten sein können. Sicherlich sind meine Erwartungen aber auch einfach hoch gewesen und ich möchte nicht sagen, dass „Und alle so still“ ein schlechtes Buch wäre. Für mich ist es einfach nicht ganz rund.

...

Inhaltswarnungen, die Spoiler enthalten können:

...

Stealthing, sexualisierte Gewalt, Tod, Ableismus, Abtreibung, Polizeigewalt, physische Gewalt gegen Frauen, Mord, Misogynie

Bewertung vom 15.05.2024
Das Gegenteil von Erfolg
Thomas, Eleanor Elliott

Das Gegenteil von Erfolg


gut

Etwas schleppender als erwartet, jedoch durchaus unterhaltsam und thematisch vielfältig

Das Cover hat mich vom Stil her direkt angesprochen und das Thema rund um ein Leben zwischen Karriere, Familie und Kapitalismuskritik erst recht. Der Klappentext versprach ja Einiges an Chaos - und das wurde auch erfüllt, jedoch etwas schleppender als gedacht. Grundsätzlich mochte ich das Buch und die behandelten Themen. Die Zielkonflikte der beiden Protagonistinnen sind spannend und tragen maßgeblich zum Chaos der Geschichte bei. Der zugrundeliegende Humor und eine gewisse Leichtigkeit sorgen für ein gutes Lesevergnügen.

Trotzdem habe ich ein paar Kritikpunkte:

Fast die komplette Geschichte erstreckt sich auf einen einzigen Tag, von ein paar Rückblenden und dem Epilog mal abgesehen. Ich denke, prinzipiell ist das auch kein Problem, es hat bei mir aber für ambivalente Gefühle beim Lesen gesorgt. Einerseits zog sich die Handlung an einigen Stellen recht in die Länge, andererseits passierte dann auf einmal total viel. Manchmal hat mir seitenlang die Tiefe in den Figuren gefehlt, dann wurde das später wieder nachgeholt. Das hat bei mir zu einem ungewohnten Lesefluss geführt, den ich nicht so richtig abschließend bewerten kann. An sich fand ich, dass sich der Text sehr gut lesen lässt, aber da den Charakteren für mein Empfinden eher spät Tiefe verliehen wurde, gab es bei mir auch immer mal ein Stolpern. Vielleicht liegt das aber auch an der Übersetzung?!

Ein Punkt, der für mich kein Abzug, wohl aber erwähnenswert ist: Der Bereich Kapitalismuskritik kommt kürzer als von mir erwartet, dafür gibt es einige weitere Felder der Gesellschaftskritik, die tiefer behandelt werden. Vor allem die (internalisierte) Dick_Fettfeindlichkeit hat mich extrem getroffen. Für sowas hätte ich mir eine Inhaltswarnung gewünscht. Nichtsdestotrotz finde ich es total klasse, dass dieses Thema aufgegriffen wird. Leistungsdruck, Elternschaft und Umweltzerstörung empfand ich als vertreten wie versprochen. Ehrlicherweise war ich von der angekündigten Affäre Alex’ recht enttäuscht. Die Beziehung und deren Darstellung habe ich persönlich nicht gefühlt.

Schließlich, und das irritiert mich schon deutlich mehr, verstehe ich die Wahl der Coverperson nicht. Warum wurde sich nicht für eine dick_fette Person entschieden, obwohl das ja doch eindeutig der Protagonistin entspricht? Das englische Cover finde ich dahingehend besser. Außerdem löst sich die Goldschrift hinten super schnell ab, wenn dort beim Lesen die Finger liegen. Das hab ich auch schon an den Verlag gemeldet, sodass es hoffentlich überarbeitet werden kann.

Abschließend gesagt, hätte ich mir das Buch noch ein wenig lustiger und leichtgängiger vorgestellt. Ich hatte einige Irritationsmomente, die nicht hätten sein müssen. Ab der Hälfte nimmt die Geschichte Fahrt auf, was wahrscheinlich auch an der Figurentiefe liegt, die dann erreicht wurde. Das Buch halte ich für eine unterhaltsame Lektüre für alle, die sich von den behandelten Themen angesprochen fühlen. Denn Identifikationsmöglichkeiten liefert es allerhand. Die Themen sind so vielfältig wie wichtig und genau deshalb wünsche ich dem Buch viele Leser*innen.

Bewertung vom 12.05.2024
Die Blumentöchter Bd.1
Collins, Tessa

Die Blumentöchter Bd.1


gut

Seichte, leicht zu lesende Geschichte mit wenig Tiefe

Erst einmal finde ich den Farbschnitt mit seinem perfekten Übergang vom Cover zur Seite richtig gut gelungen! Die Storyline mit den vielen Familienmitgliedern und dem angedeuteten Geheimnis hat mich auch interessiert - ich mag Familiengeschichten. Toll fand ich auch den Stammbaum am Anfang.

Insgesamt lässt sich der Roman extrem flüssig lesen. Das halte ich für positiv, sehe jedoch auch, dass das zumindest für mich an der mangelnden Tiefe des Textes lag. Die Familienmitglieder wurden zu Beginn ein wenig hastig eingeführt und spielten dann keine große Rolle mehr. Das kam mir zu gewollt vor.
Auch mit Dalia wurde ich einfach nicht so recht warm. Ihre Gedanken und Gefühle kamen mir sehr repetitiv und nicht richtig glaubwürdig vor. Manchmal war ich davon regelrecht genervt. Alle anderen Charaktere sind auch eigentlich einfach nur nett. So sehr ich auch liebevolle Beziehungen in Geschichten mag, fehlten mir hier schlicht ambivalente Figuren.

Auch die eher unkritische Basis des Romans entspricht einfach nicht meinem persönlichen Geschmack. Es wird zumindest kurz auf die Armut Mexikos sowie die Unterschiede zwischen Weißen und Indigenen eingegangen, die Autorin schien aber auch kein Problem damit zu haben, die „bedeutsamen Werke der Kolonialkunst“ unkommentiert zu bewundern. Auch die extrem repetitiven Lobpreisungen der schönen Umgebung sowie des leckeren Essens waren für meinen Geschmack einfach zu viel.

Ich denke, für alle, die einen Roman ohne Überraschungen suchen, der z. B. im Urlaub problemlos weggelesen werden kann, ist das hier eine gute Wahl. Mich interessieren an sich auch die Geschichten der anderen Cousinen in den kommenden 4 Bänden. Weil mir der erste Band aber zu wenig Tiefe und Konsistenz hatte, werde ich sie wohl eher nicht lesen.

Bewertung vom 02.05.2024
Das Fenster zur Welt
Winman, Sarah

Das Fenster zur Welt


weniger gut

Leider viel zu langatmig mit zwar liebenswerten, aber irgendwie ausdruckslosen Charakteren

Ich habe das Buch ab der Hälfte nur noch quer gelesen - und ich kann an einer Hand abzählen, wie oft es mir schon so ergangen ist. Nach den ersten ca. 200 Seiten war ich auch ganz kurz davor, das Buch abzubrechen, weil ich mich so sehr gelangweilt habe, dass ich regelrecht wütend wurde. Die Handlung wurde dann für mich aber zumindest noch etwas interessant, sodass ich es gern beenden wollte. Das ging für mich aus verschiedenen Gründen aber trotzdem nur noch mit Querlesen.

Zum einen finde ich das Buch sprachlich mehr als anstrengend. Diese poetische Sprache ist einfach gar nicht meins, aber auch abgesehen davon fand ich es schrecklich zu lesen. Gefühlt ewig währende Absätze, in denen die Perspektiven der Figuren ohne Vorwarnung einfach mittendrin wechseln?! Ein Hin und Her zwischen direkter und indirekter Rede - die Variante der englischen Originalausgabe, in der komplett auf direkte Rede verzichtet wurde, stelle ich mir noch furchtbarerer vor. Vielleicht liegt es an der Übersetzung, aber die Dialoge finde ich überwiegend schlecht geschrieben.
Zum anderen sind die Figuren zwar schon wirklich liebenswert, aber irgendwie total flach. Es wird zwar über ihre Gefühle und Gedanken geschrieben, aber es bleibt auf dieser Ebene und erreicht mich emotional einfach gar nicht. In der zweiten Hälfte konnte ich abschnittsweise bei all den Schicksalsschlägen auch mal was fühlen, aber das ist mir bei dem Seitenumfang wirklich zu wenig. Ich mochte wiederum, dass die Figuren über etliche Ecken miteinander verbunden waren. Das war durch den langatmigen Schreibstil, der mich an einem kontinuierlichen Lesen gehindert hat, aber oft schwer zu greifen. Ich musste dann einige Male zurückblättern, um die Verbindung zu verstehen und sowas kann ich gar nicht leiden.

Und dann passiert auch einfach auf so vielen Seiten nichts? Der Klappentext versprach eine besondere Freundschaft, von Evelyn ist dann aber nach der initialen Begegnung einfach 150 Seiten lang nichts mehr zu lesen und auch generell habe ich eine Verbindung zwischen ihr und Ulysses erst ab der Hälfte gespürt. Da haben andere Beziehungen für mein Empfinden mehr Raum eingenommen. Das ist ja an sich auch kein Problem, aber da haben mir Klappentext und Anfang einfach etwas anderes versprochen. Wie sich die beiden jahrelang jeweils knapp verpassen hat mich kurz mitfiebern lassen, aber dann spielte die Freundschaft in meiner Wahrnehmung direkt wieder eine zu kleine Rolle.

Manche haben den Humor positiv erwähnt - so wirklich fühle ich auch den nicht. Einige Situationen sind zwar irgendwie absurd und damit lustig, aber dann kommt wieder eine gähnend langweilige Erzählung, die den Humor für mich zerstört. Ich war einfach überwiegend gelangweilt und phasenweise richtig sauer, weil ich nicht verstehe, wie hier gut 520 Seiten gefüllt werden mussten.

Insgesamt finde ich schon, dass die Geschichte Potenzial hat. Wer eine ausschweifende und poetische Sprache wirklich mag, hat vielleicht auch Freude mit dem Buch. Die Figuren fand ich nur sehr bedingt nahbar und das wiederum wirklich schade, weil auch sie grundlegend sehr interessant sind. Die kunstgeschichtlichen Ausführungen zwischendurch fand ich auch total langwierig, das Thema interessiert mich aber auch einfach nicht. Am Ende hätte ich mir wirklich noch deutlich mehr Hintergrund zu Evelyn gewünscht, denn im Laufe der Geschichte wurden ab und zu weitere Aspekte ihres Lebens angedeutet, die dann keinen Raum mehr bekommen haben.

Bewertung vom 27.04.2024
Hallo, du Schöne
Napolitano, Ann

Hallo, du Schöne


sehr gut

Keine Liebe ab Seite 1, aber eine, für die es sich lohnt dranzubleiben!

Nicht, dass dieser Roman noch Werbung benötigen würde. Aber ich war am Anfang fast etwas ernüchtert, weil ich mich doch erstaunlich schwer damit getan habe, eine Beziehung zu den Figuren aufzubauen. Umso froher bin ich, dass ich über das erste Viertel hinaus weitergelesen und den Charakteren eine Chance gegeben habe. Denn dann hat es mein Herz richtig auseinandergenommen.

„Hallo, du Schöne“ - kein unangenehmer Spruch übrigens, aber findet das mal selbst heraus - dreht sich um die vier Padavano-Schwestern Julia, Sylvie, Emeline und Cecelia sowie William, der als gerade Erwachsener in die Familie aufgenommen wird, weil seine Eltern ihn de facto aus ihrem Leben gestrichen haben. Ann Napolitano hat sich von „Little Women“ inspirieren lassen und das ist deutlich zu spüren. Das Band der Schwestern ist unbeschreiblich eng, ihre Liebe zueinander unendlich groß. Im Laufe der Geschichte passieren aber Dinge, die dieses Band auf die Probe stellen und sogar zum Reißen bringen. Primär spielt das Buch im Chicago der 80er-Jahre, nimmt zum Ende hin zeitlich aber schnell Fahrt auf und reicht dann bis ins Jahr 2008, wo die Geschichte ihr traurig-schönes Ende findet.

Ich mag Perspektivenwechsel und zeitliche Verläufe sehr gern. Trotzdem habe ich mich bei aller freudiger Erwartung zu Beginn schwer getan. Zum einen umfassen die einzelnen Kapitel/Perspektiven jeweils einen mehrmonatigen oder mehrjährigen Zeitraum, welcher sich manchmal leicht überschneidet. Da ich immer darauf geachtet habe, wo genau wir uns jetzt befinden, hat mich das wiederholt aus dem Konzept gebracht. Auch konnte ich William zu Beginn einfach nicht sonderlich leiden, ich fand ihn so düster in seinen Gedanken und das insgesamt schwer aushaltbar. Nach einem Schlüsselerlebnis habe ich ihn aber endlich verstanden und ab da ging es bergauf. Neben seiner lesen wir Julias, Sylvies und später Alice’ Perspektive (Tochter von pssst). Julia bricht den Kontakt zu ihren Schwestern wegen eines weiteren Ereignisses für viele Jahre ab und kommt deshalb im weiteren Verlauf nicht mehr so oft zur Sprache. Das fand ich gut, denn ich mochte ihre Figur nicht besonders.

Das Buch hat für mich etwas Besonderes geschafft: Obwohl ich lange dachte, die Charaktere sind mir zu anstrengend und irgendwie nicht sonderlich tief, war ich nach dem ersten Viertel komplett invested, habe mitgefiebert und sehr mitgelitten. Die Liebe zwischen den Figuren ist greifbar und hat mein Herz aua-heile gemacht. Sprachlich würde ich das Buch als melancholisch mit poetischen Anklängen bezeichnen. Mit Letzterem habe ich normalerweise große Probleme, hier fand ich es aber in einem total schönen Maß angewandt. Die Geschichte wirft Fragen darüber auf, was (traumatisierte) Eltern an die nachfolgende Generation weitergeben und das hat mich an einigen Stellen betroffen, aber auch wütend gemacht. Außerdem geht es um Liebe über ein romantisches Maß hinaus, um Vergebung und um die Gleichzeitigkeit von Leben und Tod. Wer fühlen will und gewillt ist, sich auf die Geschichte einzulassen, wird hier ganz viel gewinnen können.

Bewertung vom 18.04.2024
Treibgut
Brodeur, Adrienne

Treibgut


ausgezeichnet

Ein nächstes Jahreshighlight!

Das Buch hat mich richtig begeistert und reiht sich in meine bisherige TOP 5 für dieses Jahr ein.

Bei „Treibgut“ handelt es sich um einen Familienroman und wir begleiten die einzelnen Charaktere in wechselnden Perspektive (was ich sehr liebe). Wir haben zum einen Adam, einen bald pensionierten Walbiologen, der zum einen an einer bipolaren Störung und zum anderen unter seiner drohenden Bedeutungslosigkeit leidet. Seine Kinder Abby (eine Künstlerin, die bald ihr erstes Kind erwartet) und Ken (erfolgreicher Immobilienunternehmer mit einer kriselnden Ehe) haben eine komplizierte Beziehung zueinander, aber auch zu ihrem Vater. Hinzu kommen Steph, deren eigene Familie durch ein enthülltes Geheimnis durcheinandergebracht wird, und Jenny als Kens Ehefrau und Abbys beste Freundin.

Klingt viel und komplex, ist es auch. Aber die Autorin schafft es, dass Lesende den Faden nicht verlieren, sondern in die Handlung hineingezogen werden. Die beiden Männer struggeln nicht nur mit ihren eigenen Problemen, sondern auch mit der sich verändernden Welt, welche die Machtposition von Männern hinterfragt. Mit ihrer dargestellten Grandiosität und der Ablehnung von Gesprächstherapie oder Unterstützung im Allgemeinen erfüllen sie einige (realistische) Klischees. Ich fand die beiden fast durchgängig schwer zu ertragen und konnte dennoch an einigen Stellen durch geschickt geschriebene Ambivalenz mit ihnen mitfühlen. Die Frauenfiguren waren mir deutlich sympathischer. Sie alle kämpfen sich in irgendeiner Form frei - mal von kleineren, mal von größeren Abhängigkeiten - und stehen zudem auch zueinander in komplexen, aber gesunden Beziehungen. Im Laufe der Handlung lernen wir, dass besonders die Geschwisterbeziehung von Ken und Abby weit düsterer ist, als es zu Beginn scheint. Hier werden Geschehnisse angedeutet, die mir den Magen umgedreht haben.

Ein besonderes Highlight war Adams Geburtstagsparty kurz vor Schluss. In diesem Kapitel fließen nämlich alle Perspektive ineinander und überlagern sich. Dadurch bekommt dieser inhaltliche Höhepunkt noch einmal ein ganz spezielles Tempo.

Großartig verstrickter Roman mit vielschichtigen Figuren und spannenden Entwicklungen bis zum Schluss. Ich habe ihn sehr geliebt und hatte ein kurzweiliges Lesevergnügen mit ihm.

Bewertung vom 15.04.2024
That Girl
Santos de Lima, Gabriella

That Girl


ausgezeichnet

Eine Geschichte über Männer, Selbstoptimierung und Freundinnen mit absoluter Sogwirkung

Die Autorin kannte ich bislang nicht, aber das Cover in Kombination mit dem Titel hat mich sofort neugierig gemacht, weil mir das Konzept "That Girl" in feministischen Kreisen schon begegnet ist.
Die Geschichte hat eine extreme Sogwirkung entfaltet, ich habe das Buch innerhalb eines Tages gelesen. Die verschiedenen Textformen (Chats, Manuskriptausschnitte, normale Erzählung) machten das Lesen leicht und abwechslungsreich. Das Titelthema wird in meinen Augen ausreichend dargestellt und kritisiert. Es nimmt jedoch bei Weitem nicht die komplette Geschichte ein. Vielmehr geht es um toxische Beziehungen und Dating, vor allem aber auch um Freundinnenschaft. Die Protagonistin ist vielschichtig, ihre Freundinnen hätten für mich noch ausführlicher dargestellt werden können.
Vor allem die zentrale Beziehungsgeschichte ist so geschickt geschrieben, dass ich selbst nicht wusste, ob das ungute Bauchgefühl nun berechtigt ist oder nicht. Die Loyalität der Freundinnen hat sich währenddessen immer wie eine liebevolle Umarmung angefühlt.
Alle, die Wut auf Selbstdarstellung, übersteigerte Optimierungsansprüche und Männer haben, werden hier eine tolle Lesezeit haben.

Bewertung vom 15.04.2024
Alles gut
Rabess, Cecilia

Alles gut


ausgezeichnet

Nuancierter Gesellschafts-/Liebesroman und absolutes Highlight!

Was für ein großartiger Roman, ich bin nur so durchgeflogen - schon jetzt unter meinen Top 3 dieses Jahr!
Das Cover ist rückblickend einfach so gut gewählt, weil es auf seine schlichte Art irgendwie schön und traurig zugleich ist - genau wie der Inhalt.

Protagonistin der Geschichte ist Jess. In ihrem ersten Job bei Goldman Sachs ist sie die einzige Frau und die einzige Schwarze - eine Kombination, die es ihr alles andere als leicht macht. Der Roman dreht sich aber gar nicht in erster Linie um ihre Diskriminierungserfahrung, auch wenn mensch beim Lesen trotzdem ein gutes (beklemmendes) Gefühl dafür bekommt. Vielmehr ist „Alles gut“ eine Enemies-to-Lovers-Geschichte mit einem ausgeprägten gesellschaftskritischen Blick. Denn in ihrem Job trifft Jess nach der Uni wieder auf Josh, der auf den ersten Blick ihr Gegenteil zu sein scheint: weiß, mittelständig, männlich, konservativ. Das klingt verdammt unattraktiv, I know, aber ich muss sagen, dass die Autorin ein unfassbares Talent für ihre Charaktere hat. Ich sympathisiere überhaupt nicht schnell mit männlichen, konservativen Figuren, bei Josh ist das aber passiert. Manche Leser*innen fanden wiederum Jess unsympathisch, weil zu emotional. Dem kann ich nicht zustimmen, ich halte ihre Emotionalität zumindest überwiegend für eine verständliche Reaktion auf ihre Erfahrungen. Der Roman wirft für mich sehr differenziert die Frage auf, wie sehr eine Person gesellschaftliche Missstände sachlich und analytisch betrachten kann, wenn sie selbst unter ihnen leidet - und ob diese Betrachtung nun wertvoller ist als eine Reaktion aus Betroffenheit heraus.

Beide Protagonist*innen sind unfassbar vielschichtig geschrieben. Ich konnte mich sehr gut in sie einfühlen, beide sind mehr als die Summe ihrer (politischen) Einstellungen und haben trotz aller Unterschiede eine Menge Gemeinsamkeiten, gleichzeitig rollten sich mir an manchen Stellen die Fußnägel hoch. Sei es wegen rassistischer Einstellungen von Josh oder wegen konfliktvermeidenden Verhaltens von Jess. Ein extrem nuanciertes Buch, das es schwer macht, sich klar auf eine Seite zu schlagen und dafür plädiert, sich nicht in Echokammern zurückzuziehen ohne dabei diskriminierende Einstellungen unkritisch zu billigen. Das Ende strotzt nur so vor Spannung aufgrund ungelöster Konflikte, was durchaus etwas unzufriedenstellend ist für harmoniebedürftige Wesen, aber irgendwie auch eine Realität von Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten abbildet. In meinen Augen ein verdammt gutes Debüt und eine absolute Leseempfehlung.