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Mango

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Insgesamt 104 Bewertungen
Bewertung vom 27.05.2022
Im Bett mit einem Psychopathen
Woods, Carolyn

Im Bett mit einem Psychopathen


ausgezeichnet

Carolyn Woods ist durch die Hölle gegangen. Neben ihrem gebrochenen Herzen muss sie damit klarkommen, dass sie viel Geld verloren, sowie einige Freundschaften mindestens gefährdet hat. Sie schildert ihre bewegende Geschichte in Im Bett mit einem Psychopathen.

Carolyn Woods ist eine selbstbewusste, unabhängige Frau, mit einem zufriedenstellenden Job und einem liebevollem Umfeld. Sie fühlt sich wohl in ihrem Leben, bis sie bei der Arbeit auf Mark Conway trifft. Der gut aussehende Mann zieht sie direkt in seinen Bann und die beiden wollen sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen.
Schnell wird ihr klar, dass der reiche Schweizer Banker einiges zu verheimlichen hat. Er findet für alles Erklärungen, geht so weit, sie glauben zu lassen, dass er ein Spion ist. Erst nachdem Carolyn ihr Geld und fast auch ihre Lebensfreude an diesen Mann verloren hat, kann sie sich wirklich von ihm lösen. Sie erfährt, dass er ein Betrüger ist, der nicht nur wegen seines Geldes gelogen hat. Er ist außerdem ein verheirateter Familienvater, der auch schon einige Zeit im Gefängnis verbracht hat und ist einige Jahre jünger, als behauptet.
Als wären die knapp 18 Monate mit Mark Conway, der natürlich auch gar nicht Mark Conway heißt, nicht schlimm genug gewesen, muss sie noch jahrelang mit Behörden kämpfen, um Gerechtigkeit zu erfahren.

Wenn ihr euch jetzt denkt “Pff, was für ein Opfer, selbst schuld, wenn sie auf sowas reinfällt”, dann solltet ihr dieses Buch dringend lesen. Carolyn Woods schafft es beeindruckend, ihre Geschichte mit Mark Conway aufzuarbeiten und darzustellen, wie er sie manipuliert hat. Rückblickend versteht sie Zusammenhänge und benennt sie klar.

„Wir realisieren nicht, wie viel wir in nebensächlichem Gerede von uns preisgeben, vor allem, wenn wir – ohne es zu ahnen – genauestens beobachtet werden und man uns gezielt Informationen und Reaktionen entlockt. Während jener ersten drei Begegnungen brachte Mark in Erfahrung, wie ich tickte, und stellte sich auf meine Hoffnungen und Wünsche ein.“

Ich muss gestehen, dass ich am Anfang etwas irritiert war. Die Darstellung von Mark Conway war absolut nicht, was ich erwartet hatte. Nichts an diesem Mann ist sympathisch oder glaubhaft gewesen. Schöne Momente, oder eine Verbindung, gab es eigentlich kaum. Ich denke, dass das damit zusammenhängt, was alles passiert ist. Für das, was ihr angetan wurde, berichtet Carolyn Woods noch sehr freundlich über die Anfangszeit der beiden und ich find das auch total nachvollziehbar - Es ist mir nur wirklich schwer gefallen, die Situation richtig zu verstehen.

Das hat sich zum Glück mit der Zeit gelegt. Ich finde nach wie vor kaum was positives über Mark Conway zu berichten, aber ich habe auf jeden Fall einiges über Manipulation gelernt. Carolyn Woods hat die Erlebnisse reflektiert und geht immer wieder darauf ein, durch welche vermeintlichen Kleinigkeiten, er sie manipuliert hat. Ein bisschen Druck an der richtigen Stelle verhindert weitere Fragen, Lovebombing mindert Beschwerden und Gaslighting steht an der Tagesordnung. Es hat mich total beeindruckt, wie ausführlich diese Dinge hier geschildert werden und wie langsam sich die Abhängigkeit aufgebaut hat, bis Carolyn Woods sich komplett gefangen gefühlt hat.

„Ich hatte immer geglaubt, was auch geschah, wie viel ich auch verlor, niemand würde mir meine geistige Gesundheit nehmen können. Inzwischen war ich mir nicht mehr sicher, was das betraf. Ich fühlte mich, als würde ich die Kontrolle über alles verlieren – und das erfüllte mich mit Angst.“

Carolyn Woods wird stark depressiv. Sie zieht in ein Haus, das ihr nicht gefällt, verliert den Kontakt zu ihrem Umfeld und konzentriert sich auf einen Mann, den sie selten länger als fünf Minuten sieht. Es ist auf jeden Fall nicht leicht, sich damit auseinander zu setzen und ich möchte hier eine riesige Trigger Warnung aussprechen. Suizid Gedanken werden nicht nur einmal geäußert.

Als sie endlich erfährt, wer Mark Conway wirklich ist bricht für sie erstma

Bewertung vom 25.05.2022
Bekenntnisse eines Betrügers
Raina, Rahul

Bekenntnisse eines Betrügers


sehr gut

Rahul Raina hat mit Bekenntnisse eines Serienmörders eine herzerwärmende, unterhaltsame Geschichte geschrieben, die am Ende noch richtig spannend wird und einen tollen Einblick in das Leben in Indien bietet.

Inders Ramesh hat in seinem Leben einiges mitgemacht. Der junge Inder hat in seiner Kindheit Gewallt erlebt und war verpflichtet, seinem aggressiven Vater bei der Arbeit zu helfen. Er wird von der Nonne Claire entdeckt, die ihm Unterricht gibt. Sein Weg führt ihn zu einem sehr speziellen Job: Er legt die “All India” Prüfungen für faule Kinder reicher Eltern ab. “Bildungsberater” nennt er es, andere würden vielleicht eher Betrug sagen.
Das geht so lange gut, bis er das beste Ergebnis für Rudi, ein fauler Teenager mit furchtbaren Eltern, erzielt und dieser plötzlich berühmt wird. Inders Ramesh wird sein Manager und gemeinsam machen die beiden viel Geld. Aber natürlich kann so ein Betrug nicht ewig gut gehen, vor allem nicht, wenn man sich auf dem Weg einige Feinde macht.
Es folgt ein actiongeladenes Finale, in dem die beiden Männer entführt werden und kaum noch jemandem trauen können.

Das erste drittel punktet vor allem durch die Großartigen Charaktere. Mir gefällt total gut, wie sie gezeichnet sind und dass sie alle ihre Macken haben, aber trotzdem nicht annähernd unsympathisch sind. Ich habe vor allem Inders Ramesh total gerne begleitet und war total fasziniert von seinem Denken.

Immer wieder ist Kritik gegen den Westen eingeflossen, die mich entweder zum Nachdenken, oder zum Lachen gebracht hat. Satire verpackt in einer großartigen Geschichte, wie geil ist das denn? Außerdem die tollen Einblicke in die Kultur. Nichts wirkt hier aufgesetzt und die Seiten sind nur so dahingeflogen.

Das Ende war etwas drüber, keine Frage. Bei dem Buch sollte man vielleicht nicht zu viel über die Handlung nachdenken und sich einfach drauf einlassen. Es macht nämlich wirklich Spaß und hat mich gut unterhalten.

Ein etwas eigenes Buch, auf das man Lust haben muss - Aber dann ist es großes Kino und hat mich total begeistert.

Bewertung vom 22.05.2022
Quality Time
Nousiainen, Miika

Quality Time


ausgezeichnet

Sami hat ein großes Ziel im Leben: Die richtige Frau finden, um mit dieser eine Familie gründen zu können. Dafür bleibt er nicht immer bei der Wahrheit und überstürzt die Dinge. Bei der Beerdigung seines Vaters kann er seine Wut und die Trauer um das Leben, das er sich wünscht, nicht mehr kontrollieren und legt sich ungewollt mit einer Motorradgang an. Er kommt erstmal bei seinem besten Freund Markus unter. Dieser lebt allein mit seinen drei Kindern, nachdem seine Frau mit den Belastungen der Mutterschaft nicht klarkam.
Auch Samis Schwester Hanna wünscht sich nichts mehr als eigene Kinder - Bekommen hat sie bisher nur eine unglückliche Ehe und Stress mit ihrer Mutter Asta. Eine Frau, die erst nach dem Tod des Ehemanns wirklich anfangen kann zu leben und sich selbst zu finden.
Nojonen, Samis anderer bester Freund hat währenddessen mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen. Aufopfernd pflegt er seinen krebskranken Vater, und direkt darauf die kranke Mutter. Zeit für ein eigenes Leben bleibt da erstmal nicht.
Trotz ihrer unterschiedlichen Standpunkte landen sie alle auf dem Blog Quality time, geführt von der perfekt wirkenden Vera. Quality time bietet neben Erziehungstipps auch einige Ratschläge zu Beziehungen und Lifestyle. Aber kann ein Leben wirklich so perfekt sein und braucht es dafür ausschließlich Yoga und Chia Kekse?

“Alle sind irgendwo neidisch. Die Kinderlosen auf die Kinder der anderen. Die mit Kindern auf die Freiheit der anderen. Die Angestellten auf das Geld des Chefs. Die Chefs auf die Sorglosigkeit der Angestellten.”

Ihr merkt schon, hier kommen einige Perspektiven auf uns zu. Die Charaktere sind aber allesamt so einzigartig und liebevoll ausgearbeitet, dass es fast unmöglich ist, hier durcheinander zu kommen. Ich kam total gut in die Geschichte rein und wollte dann immer weiter und weiter lesen.

Dieser Vergleich zwischen den einzelnen Lebensrealitäten sind so gut gelungen. Oft idealisieren wir das Leben der anderen (Oder stellen unser eigenes nach Außen zu perfekt da) und vergessen, dass doch jeder seine eigenen Kämpfe führt. Das wurde in Quality time mehr als deutlich und hat mich total bewegt.

Die Realität wird hier nicht beschönigt, und dennoch ist Quality time kein trauriges Buch. Im Gegenteil, der Autor bringt mit seinem pointiertem Humor immer wieder Leichtigkeit ein. Ich hab mich immer wieder beim dumm rumkiechern erwischt und in anderen Moment viel reflektiert.

Quality time bietet eine wunderbar realistische Darstellung unserer Gesellschaft. Die großartigen Charakteren kann mensch nur ins Herz schließen. Ein Buch, das viel mehr Aufmerksamkeit verdient! Danke nochmal an , die mich nicht nur neugierig gemacht hat, sondern mir das Buch auch zugeschickt hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.05.2022
My Body
Ratajkowski, Emily

My Body


ausgezeichnet

Emily Ratajkowski ist Model und Schauspielerin. Sie weiß also ihr Aussehen und ihren Körper einzusetzen. Unter anderem war sie 2013 nackt im Video Blurred lines zu sehen. Lange bezeichnet sie ihr Auftreten als Selbstbestimmt. Betrachtet ihre Nacktheit als feministischen Akt, mit dem sie die Kontrolle über ihren sowieso sexualisierten Körper zurück bekommt. Dass die ganze Situation nicht so leicht ist, arbeitet sie in My body interessant auf.

“Ich wollte mein Ding auf Instagram durchziehen, Bikinis und andere Produkte verkaufen und gleichzeitig für meine Gedanken und mein Handeln respektiert werden”

Emily Ratajkowski lernt früh, dass sie schön ist und vor allem, dass das wichtig ist. Die Anerkennung von Männern wiegt mehr, als das eigene Wohlbefinden. Von ihrem Körper kapselt sie sich regelmäßig ab, immerhin kommt sie ja beruflich voran. Dass es hauptsächlich Männer sind, die Geld mit ihrem Körper verdienen, merkt sie erst später.

Auf ihrem Weg erlebt sie sexuellen Missbrauch, den sie in den Momenten gar nicht als diesen betrachtet. Sie erzählt von Beziehungen, auch Freundschaften, die sich nur um Körper drehen und dem Verlust der Rechte an ihren eigenen Bildern. Was sie erlebt ist schmerzhaft und deckt so vieles auf.

“Niemand mag wütende Frauen. Sie sind die Allerschlimmsten: widerwärtige Hexen voller Gehässigkeit und Bitterkeit. Sie sind schrill. Ich tue alles, um dieses Gefühl zu vermeiden, um nicht eine dieser Frauen zu sein.”

Ganz ehrlich, ich habe mich bisher kaum mit dieser Perspektive beschäftigt. Und ich habe nicht nur einmal eigene Vorurteile erkannt. ‚Die nackte aus blurred lines‘ hat wirklich einiges zu erzählen und ich bin froh, das Buch gelesen zu haben.

“Mächtige Männer hatten schon immer eine gewisse Wirkung auf mich: Ich will, dass sie mich bemerken, und gleichzeitig will ich verschwinden.”

Oft merkt man, wie sie selbst noch mit ihrem Standpunkt zu kämpfen hat. Den einen richtigen Weg für Frauen gibt es in unserer Gesellschaft wohl nicht, aber es war sehr interessant, diese Entwicklung zu erleben und mich selbst dabei weiter zu entwickeln.

Leider trifft sie viele verallgemeinernde Aussagen über Frauen, die ich meistens so nicht unterschreiben würde, aus ihrer Perspektive aber nachvollziehen kann. Ich denke, dass sie da auf einem guten Weg ist, aber noch sehr in ihren eigenen Empfindungen gefangen ist. Das hat das Lesen für mich aber nur umso intensiver gemacht.

Ich kann euch das Buch nur ans Herz legen, ich denke, dass so eine Perspektive im feministischen Diskurs total wichtig ist. My Body Es ist flüssig und klar erzählt und das kurzweilige Leseerlebnis bietet viel Raum zum Hinterfragen eigener Vorurteile.

Bewertung vom 18.05.2022
Liebe ist gewaltig
Schumacher, Claudia

Liebe ist gewaltig


ausgezeichnet

Das Debut von Claudia Schumacher hat mir direkt auf jeder Seite das Herz gebrochen und ich habs geliebt. Liebe ist gewaltig ist so eine echte, tragische Geschichte, die sich genau so überall um uns rum abspielt.

Juli und ihre Geschwister wachsen unter der Tyrannei ihres Vater auf. Sie selbst bezeichnet ihn als ‚sadistischen Narzissten‘, was gar nicht so abwegig scheint. Leistung ist für den angesehenen Rechtsanwalt alles was zählt, sie wird auch regelmäßig mit Gewalt eingefordert. Julis Mutter, ebenfalls Rechtsanwältin, übt sich im Aushalten und im Verschleiern. Die Flecken auf dem Wohnzimmerteppich? Nicht das Blut ihres Bruders Bruno, sondern Julis eigene Kotze. Eigene Erinnerungen werden in Frage gestellt, bis Juli selbst irgendwann nicht mehr sicher ist, was passiert ist. Dennoch scheint sie die einzige zu sein, die wirklich aus dieser Familie fliehen will. Aufmerksamkeit erzeugt das Treiben Zuhause natürlich nicht. Erfolgreiche Eltern, erfolgreiche Kinder, da muss doch alles gut sein.
Juli schafft es dem Haus zu entfliehen, doch die Erinnerungen trägt sie in sich. Es folgen toxische Beziehungen und eine innere Unruhe, die sie über Jahrzehnte begleitet. Sich von ihren Eltern zu lösen ist auch noch keine richtige Option und so begleiten wir sie etwas weiter auf dem Weg nach unten. Bis sie Heilung irgendwann doch in Betracht zieht und sich von ihren Mustern löst.

„Aber was sind das für Fragen? Haben wir dir nicht immer alles gegeben? Ja, bravo: Dresche und Streuselkuchen.“

Ich war selten so sprachlos nach dem Lesen eines Buches. Was Claudia Schumacher hier geschrieben hat, ist einfach beeindruckend. Sie hat eine besondere Beobachtungsgabe und schafft es, vermeintliche Kleinigkeiten einzufangen, die die ganze Geschichte realistisch machen. Der Vater ist so gut ausgearbeitet. Ich hatte noch nie so einen Hass auf eine fiktive Figur. Dafür ist mir Juli umso sympathischer. Ihre Handlungen sind nicht immer klug, oft reitet sie sich noch mehr in die Scheiße, aber hat sie es denn je anders gelernt? Ihr Schmerz ist auf jeder Seite greifbar und dafür muss sie nicht mal weinen. Je sturer sie wurde, desto mehr wollte ich sie beschützen.

„Eine wie ich müsste vom vielen Einstecken längst Elefantenhaut haben. Aber es ist gerade andersherum: Puste mich an und ich plärre los oder spucke Feuer.“

Ich habe zum Lesen verhältnismäßig lange gebraucht, was an dem wundervollen Schreibstil der Autorin lag. So viele Sätze hab ich mehrfach gelesen, weil sie mit wenigen Worten so viel ausgesagt haben. Claudia Schumacher schafft es, Dinge an den richtigen Stellen wunderbar poetisch auszuführen, und im nächsten Moment knallhart und brutal die Realität zu benennen.

„Doch auf meine Gefühle ist kein Verlass. Sie sind mir fremd, befallen mich. Sie flackern.“

Das Buch wird nicht nur von seiner Traurigkeit getragen. Auch, wenn es immer wieder erdrückend und schmerzhaft ist, hat es viele lustige Momente, die aufatmen lassen, ohne die Ernsthaftigkeit zu nehmen. Ein wunderbar intensives Buch, das sich kaum aus der Hand legen lässt. Von mir gibts auf jeden Fall eine große Empfehlung, aber nicht ohne Triggerwarnung.

Bewertung vom 17.05.2022
Von hier betrachtet sieht das scheiße aus
Osswald, Max

Von hier betrachtet sieht das scheiße aus


gut

Let’s be honest: Der Titel hat mich direkt angesprochen, ich musste das Buch lesen, scheiß egal, worums geht. Tatsächlich hat mich dann auch der Inhalt angesprochen. Das Lesen war dann ein ziemliches Auf und Ab. Um ehrlich zu sein, weiß ich immer noch nicht so ganz, was ich von dem Buch halte.

Der 29-jährige Ben Schneider hat genug. Die Arbeit, die sein Leben bestimmt, nervt ihn. Für Freizeit hat er kaum Zeit und auch das Schlafen ist kaum noch erholsam. In seiner Verzweiflung lässt er einen Auftragsmörder engagieren - Direkten Selbstmord möchte er nicht begehen und so bleiben ihm noch 50 Tage, bis sein Leben ein Ende finden soll.
Er kündigt seinen Job, nicht ohne sich bei seinem ätzenden Chef zu rächen, und lernt dann spontan Emma kennen. Eine junge Frau, die ihm eine andere Seite des Lebens zeigt.

Die Idee ist so genial und am Anfang war ich auch total begeistert. Max Osswald hat ein großes Talent dafür, Emotionen einzufangen. Er selbst kommt aus dem Comedy Bereich und das zeigt sich hier immer wieder. Obwohl er sich hier einem krassen Thema widmet, hat er mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht. Er liefert hier eine wundervolle Mischung aus Tiefgründigkeit und Humor. Die besten Vorraussetzungen also.

„Schlafen, essen, trinken, ficken – egal, was, letztendlich lenken wir uns nur ab, bis das alles hier vorbei ist. Man macht und tut, man rät und versucht, doch im Vergleich zu Tetris kann man die Scheiße, die man gebaut hat, nicht mit ein paar Klicks aus dem Weg räumen, das Leben lässt sich nicht einfach neu starten, wenn man es verkackt hat.“

Leider hab ich schnell gemerkt, dass ich mit Ben einfach nicht warm werde. So sehr ich auch versucht habe, mein Mitgefühl zu halten, ich war irgendwann doch zu genervt. Er bezeichnet sich selbst als Mittelmaß, definiert sich über Leistung und verbrennt sich selbst, wenn er mit seinen Gefühlen nicht umgehen kann. Eine eigentlich interessante Perspektive, und er macht auch eine interessante Entwicklung durch. Trotzdem war er mir total egal.

Vielleicht, weil er mir einfach unsympathisch war. Seine Selbstgefälligkeit hat mich zwischendurch nur angekotzt und in seiner Position ist es ja total verständlich, dass er so miesepetrig ist, trotzdem konnte ich mich nicht drauf einlassen. Das kann auch daran liegen, dass das Buch allgemein sehr krass und klischeebeladen ist. Drogen wandern hier durch die Gegend als wären sie nichts, und natürlich muss noch mal ein Seitenhieb gegen das Bouldern sein, ist jetzt ja gerade cool. Mir war das alles einfach zu gewollt, zu negativ. Außerdem war das Ende so wahnsinnig vorhersehbar.. Ich hab das Gefühl, dass das auch noch mal sehr viel für mich kaputt gemacht hat.

„wenn man sich auf der Überholspur befindet, stellt man dummerweise oft die Richtung nicht mehr infrage.“

Emma war mir dafür fast sympathisch. Sie ist eine intelligente Frau und hat einiges zu sagen - Leider war ihre Rolle hier sehr klar. Sie dient Ben zur Charakterentwicklung, hilft ihm auf und erklärt ihm das Leben. Viel mehr tut sie nicht, viel mehr ist sie nicht.

Trotz allem fand ich das Buch nicht schlecht! Es bietet eine andere Perspektive und ich liebe den Schreibstil von Max Osswald. So viele tolle Formulierungen und kluge Beobachtungen. Ich kam wirklich gut durch das Buch und bin, wie ihr merkt, total hin und hergerissen.

Ich würde das Buch gern empfehlen und ich bin mir sicher, dass es sehr vielen Leuten gefallen wird. Es war leider einfach nicht mein Buch, aber macht euch gern euer eigenes Bild! Ich hoffe auf jeden Fall auf ein weiteres Buch des Autors, dieses hatte ja einige gute Elemente.

Bewertung vom 16.05.2022
Das Weltretter-ABC
Weiß, Anne;Schuler, Bettina

Das Weltretter-ABC


sehr gut

Nachhaltigkeit ist (zum Glück) ein immer größer werdendes Thema. Aber wie sieht Nachhaltigkeit aus? Was kann eine Privatperson tun? Und geht das auch günstig? Anne Weiss und Bettina Schuler widmen sich diesen Themen ausführlich in Das Weltretter ABC und liefern ein umfangreiches Nachschlagewerk.

Das Buch ist nicht nur total hilfreich, es ist auch wunderschön aufgemacht. Die bunten Texte und tollen Illustrationen machen einfach gute Laune. Auf einigen Seiten gibt es kleine Dos & Don’ts, die noch mal einen guten Überblick geben. Da macht das nachschlagen gleich umso mehr Spaß.

Aber auch inhaltlich haben die beiden Autorinnen hier total meinen Geschmack getroffen. Gut sortiert widmen sie sich unterschiedlichen Themen, wie zum Beispiel Energie, Lebensmittel, Mode, Reisen, Tiere.. Aber auch Dinge, die einige vielleicht weniger auf dem Schirm haben, kommen durch Kapitel wie Computer, Politik und Sport nicht zu kurz.

Dabei erzählen sie nicht oberlehrerhaft, was alles zu tun ist. Sie erklären, wo genau die Probleme zum Beispiel bei Fleisch, Zahnbürsten und Fast-Fashion liegen und bieten praktische Tipps. Für Menschen, die sich schon länger mit Nachhaltigkeit beschäftigen, wird es wahrscheinlich weniger Aha Momente geben, trotzdem war ich sehr dankbar für einige Reminder und glaube, dass jede*r durch dieses Buch profitieren kann.

Zwischendurch gab es einige spirituellere Kapitel und oft auch die Aufforderung, sich selbst gut zu behandeln - Total sinnvoll, und es ist eine interessante Diskussion, ob Selbstfürsorge jetzt zur Nachhaltigkeit gehört. Ich persönlich finde das total wichtig, lese dann aber lieber direkt Bücher in diese Richtung, als das zwischendurch woanders ‚reingeklatscht‘ zu bekommen. Diese Themen finde ich dazu etwas oberflächlich gehalten. Mich hat das nicht total gestört, ich habe da aber doch eher quergelesen und hätte es nicht gebraucht.

Ich finde das Buch trotz der kleinen Kritik total toll und werde wohl noch öfter dazu greifen, um ein paar Dinge nachzulesen. Wenn wir alle einen Teil beitragen, können wir so viel erreichen, deshalb möchte ich euch das Weltretter ABC ans Herz legen. Vor allem denen, die vielleicht noch wenig Bezug zu dem Thema haben.

Bewertung vom 12.05.2022
Die Grenzen meiner Sprache
Meijer, Eva

Die Grenzen meiner Sprache


ausgezeichnet

Eva Meijer ist freie Philosophin und Autorin. Außerdem hat sie mit wiederkehrenden Depressionen zu kämpfen. Diesen widmet sie sich in Die Genzen meiner Sprache und findet Worte, die sehr Nahe gehen und das Ausmaß dieser Krankheit verdeutlichen, aber auch Worte die heilsam sind.

“Depression gilt in Deutschland inzwischen als Volkskrankheit, über 5 Millionen Menschen erkranken jährlich daran. Die Philosophin Eva Meijer erzählt von ihrer eigenen Erfahrung mit Depression und kommt dabei zu erstaunlichen neuen Erkenntnissen. Mit den Mitteln der Philosophie, mit Verweisen auf Wittgenstein, Camus, Foucault u.v.a. erklärt und untersucht sie das Phänomen, nimmt der Depression den Schrecken und zeigt, wie die Beziehung zwischen Individuum und Welt, die bei der Krankheit verloren geht, auf vielfältige Weise wiederhergestellt werden kann und was das Leben lebenswert macht.”

Es fällt mir schwer, Worte für dieses besondere Buch zu finden. Es umfasst nur etwa 140 Seiten und bietet doch so viel. Eva Meijer erzählt nicht nur eindrücklich, von erdrückenden Gefühlen, für die sie starke und nachvollziehbare Worte findet, sie selbst lebt schon seit Jahrzehnten mit diesen wiederkehrenden Gefühlen und genau das ist es, was mich so bewegt hat. Dass es nicht ‚nur‘ eine kurze Episode ist (Was schlimm genug ist), sondern dieses konstante. Diese Krankheit, die das ganze Leben bestimmt und jeden Moment wieder um die Ecke kommen kann und den Blick auf das Leben total beeinflusst.

“Ich war fest entschlossen, in Gang zu bleiben, und agierte wie eine Maschine, mit Maske bei sozialen Interaktionen, in Müdigkeit schwimmend - es ist Schwerstarbeit, rege zu bleiben, wenn die Erde viel stärker an dir zieht, als normal.”

Aber sie findet auch immer positive Worte. Nicht diese fake scheiße, bei der ich nur die Augen verdrehen kann. Kraft zieht sie aus ihrem kreatives Schaffen, Tieren und Bewegung. Sie gibt den Kampf nie auf, auch wenn er an einigen Tagen besonders sinnlos erscheint, und gibt interessante Impulse.

Ihre eigenen Gedanken bringt sie dabei wundervoll klar zu Papier und lässt immer wieder Philosophen und andere Schriftsteller zu Wort kommen, wenn sie zum Beispiel über Themen wie Suizid, Wahnsinn und das Existieren schreibt.

“Wenn du irre bist, kannst du dir selbst nicht mehr trauen. Nur du selbst kannst aber der Kompass für dich sein, und wenn sich dessen Naldel immerzu im Kreis dreht, kommst du stets weiter von deinem Ziel ab, wohin du auch gehst.”

Ein wunderbares Buch, dass das Thema Depressionen näher bringt und Betroffenen Kraft geben kann.

Bewertung vom 11.05.2022
Der letzte Schrei
Sagiv, Yonatan

Der letzte Schrei


sehr gut

Oded Hefer, ein ungewöhnlicher Detektiv, träumt von einem Leben in Saus und Braus. Sein bescheidenes Leben langweilt ihn und so ist er voller Vorfreude, als er den Auftrag bekommt, sich um ein 15-jähriges Pop-Sternchen zu kümmern. Er sieht seine Aufstiegsmöglichkeit und den Zutritt in Israels wohlhabende Elite. Was ihm wie ein Kinderspiel vorkommt, endet mit einigen Überraschungen. Außerdem verschwindet eine Bekannte von ihm, deren Verschwinden auch geklärt werden muss.
Bei seinen Ermittlungen blickt er hinter die Fassade der Welt, von der er träumt und deckt dabei mehr auf, als er eigentlich sollte. Dabei merkt er schnell, dass er niemandem mehr trauen kann.

Oded ist wirklich ein besonderer Protagonist. Er ist queer, wird als Mann gelesen, bezeichnet sich selbst aber regelmäßig als Frau. Ich habe mich jetzt für die männliche Form entschieden, weil das im Klappentext auch so gemacht wird. (Soweit ich mitbekommen habe, ist das der dritte Roman über Oded, leider aber der erste, der ins deutsche übersetzt wurde. Ich weiß nicht, ob das Thema in den ersten Bänden behandelt wurde)
Außerdem sind viele Charaktere in seinem Umfeld trans. Ich finds total interessant, dieses Thema mal so in einer Geschichte zu erleben, sollte viel häufiger so sein und hat total Spaß gemacht. Das Buch wird getragen von den Gespräche und der Interaktion zwischen diesen liebevollen, besonderen Charakteren. Mir haben die Einblicke in das queere Leben in Israel sehr interessiert.

Aber zurück zu Oded. Er hat kaum Erfahrungen mit Ermittlungen und eigentlich genug mit sich selbst zutun. Er ist impulsiv und labert zu viel, lässt sich von jedem hübschen Mann ablenken und ist schnell beleidigt. Trotzdem hätte ich gern viel mehr von ihm gelesen. Ich hab ihn einfach ins Herz geschlossen.

Die Spannung kommt natürlich auch nicht zu kurz. Ich hatte beim Lesen immer mal wieder kleine Tiefs, in denen das Buch mich etwas verloren hatte. Irgendwie hat zwischendurch in dem Bereich ein bisschen was gefehlt. Das Ende kam dann aber sehr überraschend, die letzten 100 Seiten haben mich total gekriegt.

Ein netter Krimi, der sich gut lesen lässt, einige neue Elemente einbringt und uns nach Tel Aviv entführt, dazu ein (meistens) spannender Fall, hinter dem sich einiges verbirgt. Was wollt ihr mehr von einem Krimi?

Bewertung vom 10.05.2022
Ich, die Kämpferin
Aduse, Sara;Pomper, De_sire_e

Ich, die Kämpferin


sehr gut

Sara Aduse wächst bei ihrer Großmutter in Äthiopien auf. Als sie sieben Jahre alt ist, versammeln sich plötzlich viele Menschen in dem Haus, alle in bester Stimmung. Es gibt viele Geschenke für Sara, alles wirkt wie ein Fest. Bis es dann zu ihrer Beschneidung kommt, bei der sie aufgrund der Schmerzen sogar das Bewusstsein verliert. Obwohl das in ihrem Umfeld was normales ist und alle sich für sie zu freuen scheinen, fühlt Sara sich überhaupt nicht gut. Noch lange hat sie damit zu kämpfen.
Jahre später lebt sie in der Schweiz und versucht, sich etwas aufzubauen, als diese Erinnerungen sie wieder einholen. Sie hat mit Panikattacken zu kämpfen, bewegt sich zwischen tiefer Trauer und rasender Wut, kann kaum Nähe zulassen und flüchtet sich aus Selbsthass in toxische Beziehungen.
Erst die Aufarbeitung ihrer Geschichte und die Anerkennung ihres Traumas ermöglicht ihr ein freies Leben. Dazu gehören nicht nur die Arbeit an sich selbst, sonst auch eine längere, emotionale Reise nach Äthiopien.

Was für eine tragische Geschichte. Auch, wenn die Beschneidung von Mädchen in Äthiopien heutzutage verboten ist, passiert sie immer noch zu häufig - selten aus böser Absicht. Mütter, die zumeist selbst in ihrer Kindheit beschnitten wurden, oft unter noch schlimmeren Voraussetzungen, wollen ihre Mädchen schützen und ihnen helfen. Sara Adusa schafft es in ihrem Buch, über ihre eigenen Gefühle zu reden, ohne andere Abzuwerten. Sie nimmt andere Perspektiven ein und übt sich in Vergebung.

Das alles heißt natürlich nicht, dass das nicht aufhören muss. In Äthiopien spricht sie mit verschiedenen Menschen, hält einen Vortrag an einer Schule und besucht die Frau, die sie damals beschnitten hat. Wir begleiten sie also auf einer Reise der Heilung, aber auch der Aufklärung. Dabei ist sie wahnsinnig empathisch und beweist ihr beeindruckendes Kommunikationstalent. Gleichzeitig steht sie aber auch immer wieder für sich selbst ein und spricht darüber, wie falsch Beschneidungen sind. Auch ihre eigene Familiengeschichte arbeitet sie dabei zum Teil auf.

Ein interessantes Buch von einer mutigen Frau, die schon jetzt so viel erreicht hat. Obwohl das Buch nur etwa 160 Seiten umfasst, ist es sehr informativ und gar nicht schnell weggelesen. Ich brauchte zumindest einige Pausen zum Durchatmen. Trotzdem sollten wir die Augen nicht vor diesem Thema verschließen und uns klar machen, dass Mädchen immer noch viel zu häufig unter der Beschneidung leiden.

Auch, wenn dieses Buch sehr erdrückend ist, gibt es Hoffnung. Sara hat ihren Weg gefunden und kämpft heute für andere Frauen. Danke, für dein mutiges Werk und deine Arbeit Sara Aduse.