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Benutzername: 
brenda_wolf
Wohnort: 
Oberfranken

Bewertungen

Insgesamt 161 Bewertungen
Bewertung vom 27.08.2021
Die letzten Romantiker
Conklin, Tara

Die letzten Romantiker


sehr gut

Nichts an der Liebe ist romantisch
Fiona Skinner ist hundertzwei Jahre alt und eine angesehene Dichterin. Im Jahre 2079 tritt sich nach 25 Jahren wieder in der Öffentlichkeit auf und ist erstaunt, wie intensiv die Menschen ihr Werk wahrgenommen haben. Es ist ein literarisches Experiment.

Eine junge Frau betritt plötzlich die Bühne. Ihr Name ist Luna. Ihre Mutter liebte Fionas Dichtkunst. Den Namen ihrer Tochter hatte sie einem Gedicht entnommen, dass Fiona vor fünfundsiebzig Jahren geschrieben hatte. Die junge Frau will nun von Fiona wissen, wer diese Luna war und Fiona erzählt die Geschichte ihres Lebens.

Im Sommer 1981 verlieren die Geschwister Renee, Caroline, Joe und Fiona viel zu früh ihren Vater. Noni, ihre Mutter verfällt in eine schwere Depression. Sie verlässt 3 Jahre lang kaum ihr Schlafzimmer. Die Kinder nennen diese Zeit ‚die große Pause‘. Sie sind auf sich alleine gestellt. Renee übernimmt die Verantwortung über ihre Geschwister. Die Kinder verwildern, aber sie wachsen auch zusammen. Was diese Zeit jedoch in jedem einzelnen dieser Kinder für Narben hinterlässt, offenbart sich erst Jahrzehnte später.
Meine Meinung:

Das Buch gliedert sich in 4 Teile und umfasst fast 100 Jahre Familiengeschichte. Fiona, die jüngste der vier Geschwister, ist die Haupterzählerin. Als der Vater verstarb war Renee, die älteste der Geschwister, 11 Jahre, und Fiona, die jüngste, 4 Jahre alt. Joe war 7 und Caroline 9. Die Schwestern vergöttern ihren Bruder Joe. Er ist was Besonderes. Er ist der Mann im Haus. Joe wird in die Basketballmannschaft aufgenommen. Ihm fliegen die Herzen zu. Auch Fiona liebt ihren Bruder abgöttisch, sie blickt zu ihm auf. Erst später triften ihre Wege auseinander. Renee tut sich schwer als junge Frau mit der Liebe, sie hat gelernt Verantwortung zu übernehmen und lässt gefühlsmäßig keinen an sich ran. Caroline dagegen, bindet sich bereits sehr früh an ihren Freund. Auch Fiona hat später Probleme mit der Liebe. Sie ist Autorin eines Sexblogs. Das Grundthema, dieses Romans ist die Liebe und was geschieht, wenn einem die Liebe abhandenkommt. Dies haben die Kinder erlebt, als sie in der „großen Pause“ auf sich alleine gestellt waren. Die Autorin schreibt, von der Verantwortung, die Liebenden auferlegt wird und von der Bereitschaft diese zu übernehmen. Doch wann beginnt diese zu zerfallen, sich aufzulösen. Süchte, Drogen, Alkohol und Sex verändern die Welt der erwachsenen Geschwister. Und dennoch bleibt das Band zwischen ihnen bestehen.

Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar. Die Geschichte wird kurzweilig erzählt. Die gesamte Gefühlsskala wird angesprochen, Humor, Trauer, Wut, Verletzung. Und auch die Poesie kommt nicht zu kurz. Die Charaktere sind durchweg lebendig gezeichnet. Ein bisschen mehr hätte ich über die zukünftige Zeit erfahren mögen. Denn es gab Sirenengeheul und Stromausfälle, herumeilende Sicherheitsleute, die Menschen suchten Bunker auf.
Zum Schluss sagt Fiona zu Luna: „Es geht um die echte Liebe, um wahre Liebe, unvollkommene, zaghafte Liebe. Es geht um die Kompromisse, die wir im Namen der Liebe eingehen. Nichts an der Liebe ist romantisch.“

Fazit: Ein ergreifendes Familien-Epos, das die Höhen und Tiefen der Liebe ausleuchtet.

Bewertung vom 25.08.2021
Der Panzer des Hummers
Minor, Caroline Albertine

Der Panzer des Hummers


gut

Die Kindheit ist eine Insel
Die Geschwister der Familie Gabel haben sich nach dem Tod der Mutter auseinandergelebt. Ea, die Älteste der Geschwister, lebt in San Francisco. Sie ist verheiratet und macht sich ernsthafte Sorgen um Coco, die Tochter ihres Mannes. Ihr scheint der Verlust der Mutter besonders zu schaffen zu machen, denn Ea versucht Kontakt mit der Verstorbenen über eine Hellseherin aufzunehmen. Sidsel, die Mittlere der Geschwister, ist Restauratorin in einem Kopenhagener Museum. Als alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter steht sie ständig unter Druck. Niels, der jüngste der Geschwister, lebt ebenfalls in Kopenhagen. Er entzieht sich allen Zwängen des Lebens und bestreitet seinen Lebensunterhalt als Plakatierer. Dennoch springt er für die Betreuung seiner kleinen Nichte ein, als Sidsel überraschend beruflich nach London reisen muss.

Ich tue mir richtig schwer, diesem Roman gerecht zu werden. Ich mag den Schreibstil der Autorin und viele Wendungen begeistern mich. Da gibt es Sätze wie: „Die Kindheit ist eine Insel, die im Meer versinkt.“ Oder herrliche Charakterbeschreibungen wie: „Mr Pistilli, der hinter seiner zuvorkommenden Fassade, wie sich schnell herausstellte, einen dubiosen und unberechenbaren Charakter verbirgt.“ Trotzdem kam ich nicht in die Geschichte. Das passiert mir selten mit einem Buch aus dem Diogenes-Verlag. Für mich ist der Verlag ein Garant für gute Literatur. Sicherlich zählt auch „Der Panzer des Hummers“ dazu. Die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Bei mir trifft dieser Roman jedoch nicht den Nerv.

Das Personenregister zu Anfang des Romans empfand ich als ungemein hilfreich. So konnte ich die einzelnen Protagonisten gut zuordnen.

Fazit: Kein Roman, den man einfach so weg lesen kann. Jemand mit mehr Geduld wie ich findet sicherlich mehr Freude daran.

Bewertung vom 16.08.2021
Greta und Jannis
Kuratle, Sarah

Greta und Jannis


gut

Tausendmal berührt

Ich lese gerne Bücher die mich fordern. „Greta und Jannis“ hat mich jedoch überfordert. Ich habe mir selten beim Lesen sehr schwergetan.

Zum Inhalt: Gerta und Jannis wachsen als Nachbarskinder in einem Bergdorf auf. Sie hüten zusammen Ziegen und Schafe und verstehen sich wie Bruder und Schwester. Doch wie heißt es so schön in dem Song von Klaus Lage: Tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiert. Tausend und eine Nacht und dann es hat Zoom gemacht. So auch bei Greta und Jannis. Sie fühlen sich zueinander hingezogen und werden ein Liebespaar. Eine Liebe die nicht sein darf. Jannis geht in die Stadt aufs Gymnasium und beginnt später ein Studium. Greta zieht zu ihrer Großtante Severine in ein abgelegenes Gebirgsdorf und hilft ihr beim Lebkuchen backen und beim Umsorgen der Findelkinder. Die Eltern bringen die Kinder heimlich den Berg herauf und legen sie ihr vor die Tür. Großtante Severine sagt, weil es den Kindern an Kraft und Ausdruck fehlt. Von Männern hält sie ohnehin nicht viel. „Hast du Gott heute schon gedankt, dass du keinen Mann hast?“ fragt sie ihre Großnichte. „Nein, aber ich werde es noch machen“, antwortet Greta dann. Eines Tages zieht ein seltsamer Mann ins letzte Haus am Berg: Cornelio. Greta befreundet sich mit ihm.

Zugegeben, die Sprache und die Bilder die Sarah Kuratle in ihrem Debütroman entwirft sind poetisch und stark. Trotzdem musste ich immer wieder im Text zurück gehen und manche Passagen nochmal lesen um zu begreifen, worum es eigentlich geht. Ich empfand das als sehr anstrengend. Die Autorin beschreibt die Menschen und die Natur in sprachgewaltigen Bildern. Man nimmt als Leser selbst die Gerüche und Düfte wahr. Einer meiner Lieblingssätze war: „… den glitzernden Faden suchen.“ Dennoch, mir wurde es zu viel. Was ich schade fand. Die Protagonisten kamen mir auch nicht wirklich nahe. Ich empfand mich als Beobachter, aber ich war nicht im Geschehen involviert.

Fazit: Kein Roman zum Entspannen und Wegtauchen.

Bewertung vom 02.08.2021
Alles, was du mir versprichst
Welling, Nora

Alles, was du mir versprichst


gut

Wie Sterne am Himmel
Amelie und ihr kleiner Bruder Ben sind auf der Flucht vor Ehans Kumpel. Sie ist krank vor Angst. Denn eventuell läuft sogar ein internationaler Haftbefehl gegen sie. Irgendwo in Spanien macht ihr Auto schlapp. Der charmante Tierarzt Ramon Álvarez bietet den beiden seine Hilfe an. Er nimmt sie mit auf die Hacienda der Familie, denn wie es der Zufall will, ist Linda, die Amelie angeblich besuchen will, seine Schwägerin. Dort wird sie freundlich aufgenommen. Linda spielt mit und verrät nicht, dass sie beide sich eigentlich nur flüchtig kennen.

Erwähnen muss ich vielleicht noch, ich kenne die vorherigen Bände nicht, bin aber gut in die Geschichte reingekommen. Ich hatte zwar einige Fragezeichen, aber die haben sich nach und nach geklärt.

Die Protagonisten sind sehr liebevoll gezeichnet. Vor allem in Ramon konnte ich mich glatt verlieben. Er besitzt so viel Herz und sieht zudem phantastisch aus, er schließt nicht nur Amelie in sein Herz, auch für Ben ist darin Platz. Und Amelie ist eine mutige Frau, die alles daransetzt ihren Bruder zu beschützen. Überhaupt die ganze Familie Álvarez ist großzügig und überaus gastfreundlich.

Nora Welling schreibt richtig, richtig gefühlvoll, ich spürte das Knistern und fühlt mit, ich war als Leser mitten im Geschehen.

Fazit: Ich vergebe 3 Sterne für einen leicht lesbaren, romantischen Schmöker für gemütliche Sommerabende.

Bewertung vom 26.07.2021
Mein Sternzeichen ist der Regenbogen
Schami, Rafik

Mein Sternzeichen ist der Regenbogen


ausgezeichnet

Zauberhafte Poesie
Ich mag Rafik Schamis Poesie. Er ist ein wunderbarer Geschichtenerzähler. Bereits die erste Geschichte, die dem Buch den Titel gegeben hat ist, hat mich in Schamis Welt entführt. Der Autor verkündet: „Ich glaube, mein Sternzeichen ist der Regenbogen, von jedem Sternzeichen eine Farbe.“

Das Buch ist in sechs Kategorien unterteilt, die lauten: Geburtstag, Lachen, Reisen, Geheimnis, Tiere und Sehnsucht. Wir begegnen Oskar, dem die Lügen nur so aus dem Munde springen. Und Georg, der Alimente für sechs Kinder zahlen muss. Für Kinder, die er jeweils in der Nacht des Abschieds von den verschiedenen Frauen, die er einst geliebt hat, zeugte. Köstlich, die Geschichte von Amar und ihrem Geist aus der Flasche.

Der Roman ist ein zauberhafter Reigen. Der Autor erzählt von Sehnsucht und Lebenslügen, vom Lachen und Weinen, von Frauenhelden und Reisen. Immer mit einem nachdenklich stimmenden Ton und nicht ohne Humor. Rafik Schami, der Erzähler aus Leidenschaft, schreibt nicht nur Geschichten, er beschreibt das Leben in all seinen Facetten. Es gibt Geschichten aus seiner alten und aus seiner neuen Heimat. Genau das macht auch den Charme dieses Buches aus. Es ist bunt wie das Leben.

Mein Lieblingssatz: „Nur in den Herzen der Liebenden wird man unsterblich.“

Bewertung vom 10.07.2021
The Comfort Book - Gedanken, die mir Hoffnung machen
Haig, Matt

The Comfort Book - Gedanken, die mir Hoffnung machen


ausgezeichnet

Nichts ist stärker als eine kleine Hoffnung, die niemals aufgibt
Seit seinem großartigen, philosophischen und intelligenten Roman „Ich und die Menschen“ bin Fan von Matt Haigs Büchern. „Die Mitternachtsbibliothek“ zählt zum meinem Lesehighlights 2021. Und nun also ein Kompendium liebevoller und tiefgründiger Texte, die ihm durch Phasen seiner Depression getragen haben. Gedanken, kurze Texte, Listen, die ihm Hoffnung gaben in schwerer Zeit.

Diese Vorgehensweise ist mir nicht neu. Auch ich schreibe mir Gedanken, Bemerkenswertes, Mutmachendes auf. Ich sammle schöne Eindrücke des Lebens. Nichts anderes ist in dem Buch „The Comfort Book“ anzutreffen. Und doch ist es wunderschön diese inspirierenden Eindrücke auf sich wirken zu lassen.

Wie der Autor im Vorwort schreibt, hat das Buch keinerlei Struktur, ist chaotisch wie das Leben selbst. Und doch ist es in vier Teile unterteilt. Mir ist aufgefallen, in jedem Teil findet sich der Text „Nichts ist stärker als die kleine Hoffnung, die niemals aufgibt.“ Dieser Text ist dem Autor in den Zeiten der Panikattacken und depressiven Phasen anscheinend zum Strohhalm geworden. Matt Haig hat eine wichtige Erkenntnis aus dieser Zeit gewonnen: Unbeirrt immer weitergehen – darum geht es. Und die Teetasse mit dem Sprung ist es, die eine Geschichte zu erzählen hat.

Matt Haig schreibt von mutigen Menschen. Beeindruckt hat mich die Geschichte von Steve Callahan, der sechsundsiebzig Tage steuerlos im Atlantik trieb. Tröstlich und vollkommen menschlich ist für mich, man muss nicht perfekt sein und ohne Fehler. Und manchmal ist es gut, wie ein Wolf zu heulen.

Ein Buch das Mut macht, das tröstet und zum Nachdenken anregt. Ich liebe es. Ich fand mich in vielen Gedanken wieder.‘

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.05.2021
Lebe deine Intention
Ferreira, Susana Garcia

Lebe deine Intention


sehr gut

Finde deinen Leuchtturm

Ich fange mal mit der Aufmachung und Gestaltung an. Mir gefällt das Buch sehr gut. Die Haptik macht Lust darauf im Buch zu Blättern, die Fotos im Innern sind ansprechend. Schön finde ich, dass wichtige Passagen in farbigen Kästchen zu finden sind, so dass man beim Nachschlagen nicht lange danach suchen muss. Der Schreibstil ist flüssig und leicht lesbar.

Das Symbol des Leuchtturms als Beispiel vermittelt ein starkes Bild und ist passend für die Kraft der Intention, wobei ich anfangs mit dem Wort „Intention“ wirklich Schwierigkeiten hatte. Ich beschäftige mich mit diesem Thema schon länger und mir ist dieser Ausdruck in diesem Buch zum ersten Mal begegnet. Zugegeben, ich bin auf kaum was wirklich Neues in diesem Buch gestoßen. Dennoch dient es mir, meine Erfahrungen zu vertiefen und vielleicht auch den einen oder anderen Tipp zu übernehmen. So empfinde ich Tagebuch schreiben, genau wie die Autorin, als ein bewährtes Mittel der Psychohygiene. Man bekommt oft einen ganz anderen Blick auf Probleme. Und ja, die Autorin hat recht, wenn sie uns auffordert unseren Leuchtturm zu entdecken, sonst kann es wirklich passieren, dass wir nur noch funktionieren und das Leben an uns vorbeizieht.

Achtsamkeit ist ein großes und wichtiges Thema. Hierzu liefert die Autorin praktische Übungen und Meditationen. Das achtsame Gehen praktiziere ich selbst regelmäßig, für mich ist dies der einfachste Weg, meine Mitte zu finden. Auch setzte ich mich gerne in eine Wiese oder an den Waldrand und lausche den Geräuschen, atme die verschiedenen Düfte und lasse mich vom Wind streicheln. Ich entlasse meine Gedanken bzw. lasse aufkommende Gedanken weiterziehen.

Ich stimme der Autorin zu, dass jede Jahreszeit, jeder Monat uns die Natur neu erleben lässt, und dass die Natur mit uns spricht. Ich bin ohnehin ein Naturfreak und liebe den Wandel und den Rhythmus der Natur. Schon klar, dass auch der Mond Einfluss auf uns hat. Darauf werde ich nun wohl doch ein bisschen mehr Augenmerk haben.

Manchmal gerät die Autorin richtig ins Schwärmen, so jedenfalls mein Eindruck. Ihr Enthusiasmus ist gewiss nicht für jedermann nachvollziehbar. Damit stößt sie vermutlich bei manchem/r Leser/Leserin an Grenzen.

Fazit: Für Neulinge ein wunderbarer hilfreicher Ratgeber, für Fortgeschrittene eher eine Auffrischung und Vertiefung.

Bewertung vom 13.05.2021
Die Geschichte von Kat und Easy
Pásztor, Susann

Die Geschichte von Kat und Easy


ausgezeichnet

So war es doch gar nicht, oder?
1973 sind Kat und Easy 16 und beste Freundinnen auf ewig. Eine wilde Sturm- und Drangzeit. Und doch verlieren sie sich aus den Augen. Fast fünfzig Jahre später entdeckt Easy Kat in der Betreiberin eines erfolgreichen Blogs für Lebensberatung wieder. Es sind viele Fragen offen geblieben aus ihrer Jugendzeit. Easy lädt Kat für eine Woche in ihr Haus an der Südküste der griechischen Insel Kreta ein. Werden die beiden ehemaligen Freundinnen die Verletzungen überwinden und wieder zu einander finden oder steht inzwischen zu viel zwischen ihnen?

Bereits der erste Satz genügte, mich in dieses Buch zu verlieben. Ich mag die Erzählweise und den Schreibstil der Autorin, die bildhafte Sprache und die Poesie, die mitschwingt. Die Geschichte wird in zwei Zeitebenen erzählt. In den Kapiteln Laustedt erhalten wir in Rückblenden Einblick auf die Ereignisse im Jahr 1973, die Kapitel Kreta erzählen von den beiden Protagonistinnen in der Jetztzeit. Die beiden Mädels sind so grundverschieden. Kat hat die Macht Isi in einen anderen Menschen zu verwandeln. Kat nennt sie Easy. Easy blickt auf zu Kat, die den Durchblick hat, der ihr fehlt. Easy will keine Macht. Sie nimmt Dinge hin und Menschen an. Easy ist eine echte Schönheit. Kat hat schlechte Augen, sie trägt eine Brille, die sie allerdings nur selten trägt. So ist Kat wie vom Donner gerührt, als ihr selbst nach so langer Zeit auf Kreta noch einmal dieser Satz begegnet. „You have a beautiful girlfriend.“ Das versetzt ihr einen heftigen Stich. Auch 1973 hatte Easys Schönheit sie ausgestochen. Mit 16 hatten sich beide in denselben Jungen verliebt. Kat zog den Kürzeren bei Fripp. Es schmerzte, aber sie ließ sich nichts anmerken. Sie gab sich lässig, über allen Dingen stehend. „Angeödet von der Welt wie eh und je?“, fragt sie Lothar so viele Jahre später. Das trifft Kat, mehr als sie zugeben will. Hatte sie damals wirklich diesen Eindruck erweckt? Nicht genug, er setzt noch einen drauf: „Du guckst jedenfalls immer noch genauso wie früher. Als wärst du von lauter Idioten umgeben.“ Aber so war es doch gar nicht, oder? Sehr vorsichtig nähern sich die beiden Frauen dem Thema an, dass ihnen beiden unter den Nägeln brennt. Und da ist immer noch ein Band spürbar, trotz der Entfremdung.

Susann Pásztor hat mit Kat und Easy zwei unterschiedliche Frauencharaktere geschaffen, die mir sehr nahe sind. So echt fühlen sie sich an. Ich habe mich in beiden Frauen wiedergefunden, etwas mehr in Kat, aber auch in Easy. Und ich mochte beide. Auch Easys Nachbarn auf Kreta, Milan und seine Frau, konnte ich in mein Herz schließen. Sie kamen authentisch und sehr sympathisch rüber. Die Lebensart auf dieser Insel hat große Sehnsucht in mir geweckt, diese Gastfreundschaft und Herzlichkeit Fremden gegenüber trifft man bei uns förmlichen Deutschen kaum wieder.‘

Susann Pásztor schreibt richtig, richtig gut. Danke Frau Pásztor für diesen wunderbaren Roman, über eine authentische Frauenfreundschaft, der ohne romantische Verklärung auskommt, der echt ist und der mich zum Nachdenken gebracht hat.

Von mir absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 06.05.2021
Die Beichte einer Nacht
Philips, Marianne

Die Beichte einer Nacht


ausgezeichnet

Der Sprung

Heleen befindet sich in einer psychatrischen Klinik. Eines Abends setzt sie sich zur Nachtschwester und erzählt ihr ihre Lebensgeschichte in Form einer Beichte. Aufgewachsen in einer kinderreichen Familie, als Ältestes Kind musste sie schon bald Verantwortung für ihre Geschwister übernehmen. Besonders genervt ist sie von ihrer jüngsten Schwester Lientje. Einem Säugling, der ständig am Plärren ist. Beinahe hätte sie was Unüberlegtes getan. Heleen schafft den Sprung aus dem ärmlichen Milieu in eine bessere Gesellschaft. Das ihr das gelingt, hat sie vor allem ihrer Schönheit, ihrem Sinn für Ästhetik und ihrer Kreativität zu verdanken. Ihre große Liebe lernt sie ausgerechnet über Lientje kennen.

Der Roman ist ein in Vergessenheit geratener Klassiker. Er erschien zum ersten Mal im Jahre 1930. Marianne Philips, die Autorin, wurde 1886 in Amsterdam geboren und verstarb nach einer längeren schweren Krankheit im Jahre 1951. Sie verstand das Schreiben als Therapie, weshalb auch viel Autobiographisches in das Buch eingeflossen ist. Denn auch Marianne Philips musste sich ihren Weg aus ärmlichen Verhältnissen hart erarbeiten.

Während der Roman nur langsam an Fahrt gewinnt und die Protagonistin anfangs nur am Klagen über ihre Bettgenossinnen ist, kommt später überraschen Spannung auf. Der Roman wird in Form eines Monologs erzählt. Eine etwas gewöhnungsbedürftige Erzählweise. Für Heleen empfand ich ehrliche Bewunderung, der es gelang in dieser für Frauen chancenarmen Zeit ihren Weg zu gehen. Die Protagonistin ist mutig und zaudert nicht. Und sie kennt ihren Wert. Das betont sie immer wieder. Diese Sichtweise fand ich hoch interessant. Denn viel Menschen verkaufen sich besonders in der Arbeitswelt unter ihrem Wert. Aber kann man seinen Wert wirklich am Materiellen festmachen? Heleen macht es mir als Leserin dennoch schwer, sie wirklich sympathisch zu finden. Sie liebt ihre Außenwirkung zu stark, und kommt nicht damit zurecht, dass sie nicht die junge anziehende Frau bleibt. Hier erkenne ich große Parallelen zu Frauen aus dem heutigen Showbiz, die ihr Alter ebenfalls nicht akzeptieren können, was zum Teil groteske Ausmaße annimmt.

In „Die Beichte einer Nacht“ geht es um starke Gefühle. Liebe, Eifersucht, Hass, Ängste. Gefühle, die die Macht haben, einen Menschen innerlich zu zerstören. Heleen werden ihrer Gefühle zum Verhängnis, sie verliert die Selbstkontrolle., wird von Zweifeln aufgefressen. Im Rückblick sieht Heleen ihren Lebensweg durchaus kritisch.

Mich hat das Buch nach anfänglichen Schwierigkeiten stark gefesselt und ich konnte es bis zum Schluss nicht mehr aus der Hand legen. Keine leichte Lektüre, aber absolut faszinierend und zum Nachdenken anregend. Ich wurde nicht nur unterhalten, ich wurde angehalten, tiefer in die Lektüre einzutauchen und mich auch noch nach dem Lesen länger damit zu beschäftigen. Deshalb von mir eine absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 20.04.2021
Depression - und jetzt?
Fieling, Nora

Depression - und jetzt?


ausgezeichnet

Ein dunkler Tunnel
Nora Fieling ist es als Betroffene ein großes Bedürfnis, Menschen mit Depressionen und ihren Angehörigen einen hilfreichen Ratgeber an die Hand zu geben, der konkret Ratschläge und Hilfestellungen anbietet. Denn noch immer sind Depressionen ein Tabu-Thema in unserer Gesellschaft.

Ich habe das Buch mit Spannung gelesen. Trotz des schwierigen Themas liest sich dieser Ratgeber sehr flüssig. Interessant sind die verschiedenen Ansätze und Anlaufstellen. Die Autorin schreibt sehr offen, und vor allem authentisch. Und ganz wichtig, sie zeigt Wege auf, mit ihren persönlichen Erfahrungen macht sie Mut.

Mich hat der Satz sehr berührt: „Ich lernte mit der Zeit, dass alle Gefühle richtig sind und vor allem, dass es keine falschen Emotionen gibt.“

Depressive Menschen empfinden Gefühle oft übermäßig stark. Diese Veranlagung zu intensiven Gefühlen hat neben ihren Sonnenseiten, leider auch Schattenseiten. Man empfindet positive Eindrücke stark, aber leider auch die negativen. Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Deshalb ist es wichtig ist, ein guter Draht zu den Gefühlen zu bekommen, sie verstehen zu lernen, um gesund zu bleiben oder zu werden.

Die kleine Geschichte von Jorge Bucay hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Ja viele Menschen verhalten sich tatsächlich so, wie der Elefant am Pflock.

Sehr schön fand ich Nora Fielings Erkenntnis aus einer Morgenrunde in der Klinik: Auch wenn die Seele im dunklen Tunnel feststeckt, geschehen schöne Dinge.

Das Buch ist gut aufgebaut, auch Mediziner und Therapeuten kommen in Interviews zu Wort.

Fazit: Ein Ratgeber, den ich aus vollem Herzen empfehlen kann.