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Alais

Bewertungen

Insgesamt 190 Bewertungen
Bewertung vom 31.01.2021
Killing November Bd.1
Mather, Adriana

Killing November Bd.1


gut

Wenn plötzlich alles anders ist …
November wird von ihrem Vater an einen unbekannten Ort geschickt, an dem sich ein vor aller Welt verborgenes Internat befindet. Draußen soll sie in Gefahr sein, doch ausgerechnet in diesem Internat, das ihr Schutz bieten soll, trifft November auf ein geradezu mörderisches Umfeld …
Adriana Mather hat eine ganz eigene Welt geschaffen und doch greift sie für ihren Roman nicht auf Fantasyelemente zurück, sondern entwirft eine Geheimgesellschaft, die es durchaus auch in der Realität geben könnte. Vieles an dieser Erzählung ist außergewöhnlich und dennoch meinte ich ständig Bezüge zu Harry Potter und die Tribute von Panem zu spüren, was gegenüber diesem Roman, der seine eigenen Wege geht, vielleicht etwas unfair ist.
In dem geheimnisvollen, altertümlich gestalteten Internat ohne Stromanschluss gelten strenge Regeln, werden drakonische Strafen verhängt und recht unübliche Fächer gelehrt - die Schüler lernen zu kämpfen, sich zu verstellen, einander zu überlisten ... November ist dies alles genauso fremd und ungewohnt wie mir als Leserin und die Autorin lässt uns lange Rätselraten, was sich hinter dieser geheimen Gesellschaft verbirgt.
Trotz dieser leider ziemlich unreflektierten Schwerpunktlegung auf Gewalt, ein Thema, das mich im Übrigen auch eher langweilt, waren für mich die Unterrichtsstunden absolute Highlights in diesem Roman, denn im eigentlichen Mittelpunkt stand dann doch etwas anderes: die vergangene und aktuelle Geschichte und deren Beeinflussung. Wobei aktuelle Themen wie Wahrnehmung, Manipulation, Framing berührt werden. Das wird von den Lehrern so spannend verpackt und mit faszinierenden Fakten untermalt, dass ich mich auf die Unterrichtsstunden immer besonders freute.
November fühlte ich mich sehr verbunden, obwohl wir sehr verschieden sind. Sie wird als mutig, vielleicht manchmal etwas aufdringlich, aber auch selbstkritisch dargestellt, das gefiel mir sehr. Leider empfand ich dafür die Beschreibung der meisten anderen Personen oft als zu oberflächlich. Nur bei wenigen Ausnahmen gelang es der Autorin, vielschichtige, lebendig wirkende Charaktere herauszuarbeiten (manche andere Autoren schaffen das ja selbst bei kleinen Nebenfiguren), was wahrscheinlich der Grund ist, warum mir das Interesse für die Haupthandlung streckenweise etwas verloren ging. Erst zum Ende hin packte mich die Erzählung wieder und ich freue mich, dass es der Autorin gelungen ist, diesen ersten Band am Ende mit einem spannenden Finale so abzurunden, dass zwar meine Neugier auf den zweiten Band und weiteren Verlauf definitiv geweckt ist, aber ich auch nicht mit einem zu quälerischen Cliffhanger konfrontiert wurde.
Ein lesenswertes Buch mit kleineren Schwächen, aber auch einer außergewöhnlichen und zugleich unheimlich real wirkenden Erzählwelt!

Bewertung vom 09.01.2021
Immer wieder vegan
Seiser, Katharina

Immer wieder vegan


ausgezeichnet

„Sehen Sie dieses Buch als Reiseführer ins Pflanzenreich, markieren Sie jene Orte/Rezepte, die Sie erkunden möchten und machen Sie sich vorfreudig auf den Weg.“
… schreibt die Autorin auf Seite 9 und dieser Einladung folgte ich gerne. Die positive Grundstimmung, die dieses Kochbuch ausstrahlt und zu der auch die frischen Farben der Gestaltung beitragen, verzauberte mich von der ersten Seite an und kann sicher auch Kochmuffel motivieren.
Die Rezepte stammen aus so spannenden Ländern wie zum Beispiel Vietnam, Italien, Kenia, Japan, USA, Korea ..., sodass man mit diesem Buch nicht nur durchs Pflanzenreich, sondern auch kulinarisch durch die Welt reisen kann. Die Gerichte sind überwiegend herzhaft, beispielsweise der mallorquinische Sommergemüseauflauf, es gibt aber auch süße Verlockungen wie ein Rote-Grütze-Rezept. Angeordnet sind die Gerichte nach Saison, sodass es leichter fällt, beim Einkauf auf saisonale Produkte zu achten, worin ich mich noch übe.
Die Länge der Zutatenlisten, bei den meisten anderen Kochbüchern für mich etwas problematisch, da ich mit kleinem Budget koche, ist für mich bei diesen Rezepten in den meisten Fällen genau richtig, zumal ich feststellte, dass ich einige Zutaten sowieso vorrätig habe bzw. regelmäßig kaufe. Überhaupt ist die Bandbreite der Gerichte in diesem Kochbuch sehr groß und je nach Kochlaune kann man sich komplexere oder einfachere Rezepte aussuchen. Vor den Rezepten werden nach Gruppen sortiert Lebensmittel vorgestellt und dabei bereits viele Tipps zur Aufbewahrung und Verwertung gegeben und auch unter den Rezepten finden sich immer wieder hilfreiche Tipps.
Äußerst praktisch und gerade bei Kochbüchern immer überaus wichtig ist für mich eine Ausstattung mit Lesebändchen, in diesem Fall kann man gleich zwei Lesebändchen nutzen, passend zum Cover in den Farben Grün und Gelb.
Zusammengefasst: Für mich ein Lieblingskochbuch, sympathisch gestaltet und mit vielen hilfreichen Informationen ausgestattet!

Bewertung vom 25.12.2020
Der Bruder
Katzenbach, John

Der Bruder


sehr gut

Nach dem Selbstmord ihrer Mutter, die eine rätselhafte Warnung hinterließ, erhält die junge angehende Architektin Sloane einen lukrativen ersten Auftrag von einem mysteriösen und offensichtlich sehr reichen Unbekannten: Sie bekommt eine Liste verstorbener Menschen, für die sie ein Denkmal errichten soll - warum und was das für Leute waren, soll sie anscheinend selbst recherchieren. Und schnell stellt sie fest: Keiner dieser Menschen starb an Altersschwäche ...
Das war für mich mal eine erfrischend andere Ausgangslage für einen Thriller und so gelang es Katzenbachs Roman, mich von Anfang an zu fesseln, obwohl mir Sloane leider auf Anhieb eher unsympathisch war und ich ihr Verhalten oft nicht nachvollziehen konnte. Das fängt schon mit der himmelschreienden Naivität an, mit der sie sich in den Auftrag stürzt, dabei müsste sie doch wissen, dass angesichts ihrer nicht vorhandenen Berufserfahrung und der übertrieben großzügigen Entlohnung irgendetwas hinter diesem Auftrag stecken muss, was sie noch nicht ganz versteht ... Es war für mich aber auch mal ganz interessant, einer Romanfigur zu folgen, über die ich immer wieder den Kopf schütteln musste.
Nahezu alle anderen von Katzenbach für diesen Roman geschaffenen Figuren wirken wunderbar geheimnisvoll und geben Anlass zu wilden Spekulationen – allen voran der charismatische Anwalt, über den Sloane den Auftrag erhält, und natürlich die Menschen auf der Liste zu ihrem Auftrag, die alle etwas zu verbergen hatten ... Selbst ihr Freund Roger, von dem sie sich trennen möchte (schließlich sieht sie, wie sie findet, "gar nicht übel aus" und "kann wahrlich etwas Besseres kriegen", S. 18), der sich aber leider zum uneinsichtigen Stalker entwickelt, gibt Rätsel auf und auch (scheinbare?) Nebenfiguren wirken suspekt ...
Ich glaube, dass die große Stärke von Katzenbachs Roman zugleich auch eine Schwäche ist: Er verleitet immer wieder zum Rätseln und Entwickeln der verrücktesten Theorien, sodass mich letztendlich das tatsächliche Ende ein wenig enttäuscht hat. Dabei bietet er durchaus immer wieder überraschende Wendungen und nebenbei gefielen mir auch Sloanes Gedanken zur Architektur und einer kreativen, gestalterischen Herangehensweise an das Leben.
Eine faszinierende Erzählung, vielleicht nicht ganz perfekt, aber auf jeden Fall lesenswert!

Bewertung vom 06.12.2020
Die Rabentochter
Dionne, Karen

Die Rabentochter


sehr gut

Der Psychothriller "Die Rabentochter" ist die Geschichte der jungen Frau Rachel, für die sich, nachdem sie sich jahrelang selbst in eine psychiatrische Anstalt verbannt hat, um für den Tod ihrer Eltern zu büßen, ein Fenster in die Vergangenheit öffnet, das sie dazu bringt, sich endlich auf die Suche nach den Gründen zu begeben, die zu der familiären Tragödie geführt haben ...
Was schnell vorhersehbar zu sein schien, bot für mich dennoch in der Auflösung schockierende Überraschungen. Das Geflecht aus Verantwortung, Schuld und Unschuld lässt sich hier nicht so eindeutig entwirren, wie es auf den ersten Blick wirkt. Dies unterstreichen auch die verschiedenen Zeitebenen und Perspektivwechseln, mit denen die Autorin ihre Geschichte aufbaut. Spannend fand ich als Leserin aber auch den Umgang mit einem bestimmten Wissen über einen anderen Menschen und die Frage, wie man selbst damit umgegangen wäre ...
Seine Stärke bezieht dieser Roman jedoch aus seinem Haupt-Handlungsort, dem Wald. Rachels Eltern waren Tierforscher und sie lebten zurückgezogen inmitten einer Natur, in der Begegnungen mit Wölfen oder Bären keine Seltenheit waren. Das Bild dieser zwei Gesichter des Waldes - auf der einen Seite der Wald als finsterer, gefährlicher Ort ungezähmter Wildnis und Quell von Urängsten und auf der anderen Seite der Wald als märchenhafter Ort des Lebens voller zauberhafter, faszinierender Wesen - zieht sich durch den ganzen Roman. Märchenhaft und gerade deshalb irgendwie passend für diese etwas andersartige Thrillererzählung ist auch Rachels Gabe, die Sprache der Tiere zu verstehen.
Ein ungewöhnlicher, leicht gruseliger Thriller, der besonders Tierfreunde erfreuen und zugleich aber auch entsetzen wird.

Bewertung vom 08.11.2020
Kann ich das essen - oder bringt mich das um?
Hecker, Katrin;Hecker, Frank

Kann ich das essen - oder bringt mich das um?


ausgezeichnet

Vollgepackt mit hilfreichen Informationen und reich bebildert

Wer gerne Agatha-Christie-Krimis liest, weiß wie viele Gefahren im so harmlos wirkenden Pflanzengewand in der Natur auf uns lauern – aber natürlich gibt es dort auch sehr viel Leckeres zu entdecken.
Den Autoren Katrin und Frank Hecker ist es gelungen, in dieses Buch erstaunlich viele Informationen zu packen, damit kulinarische Ausflüge in die Natur nicht übel, sondern genussvoll enden. Dafür, dass das Buch so kurz und prägnant gehalten ist, hat mich die Fülle der Rezepte und Tipps, was sich mit den jeweiligen Pflanzen anstellen lässt (Tee, Früchtepunsch, Öl etc.), beeindruckt. Auch an den, wie ich finde, überaus wichtigen Fotos der verschiedenen Pflanzen mangelt es nicht.
Die Auswahl der zum Sammeln empfohlenen Pflanzen wirkt auf mich sehr überzeugend, weil die Autoren einerseits bekannte und häufig anzutreffende Pflanzen wie die Brennnessel präsentieren, sodass man als Anfänger größere Chancen hat, wenigstens ein paar der Pflanzen auch zu finden, und andererseits Pflanzen, bei denen die Verwechslungsgefahr mit giftigen Doppelgängern zu groß ist, von vornherein ausgeschlossen haben. Die Unterscheidung finde ich dennoch bei einigen Pflanzen relativ schwierig und ich werde zur Sicherheit das Buch bei Sammelaktionen lieber mitnehmen, um Pflanzen mit den Abbildungen in diesem Buch vergleichen zu können. Hier kommt auch mein einziger Kritikpunkt: Das Format ist zwar nicht riesig, aber doch ein bisschen sperrig und passt zumindest nicht in die kleineren Büchertaschen, mit denen ich Bücher unterwegs gerne schütze – für Rucksäcke, auch für kleinere, ist es aber auf jeden Fall klein genug.
Gruppiert sind die verschiedenen Pflanzen nach den Jahreszeiten, in denen sie gepflückt bzw. gesammelt werden können, und ich habe mich sehr gefreut, dass sich sogar bis Dezember etwas Feines zum Sammeln und Genießen findet.
Ein schön gestaltetes und in dieser für Freiberufler wie mich neben der großen Angst um all die Menschen, die von Covid-19 besonders gefährdet sind, auch finanziell sehr schwierigen Zeit ein überaus nützliches und hilfreiches Buch.

Bewertung vom 01.11.2020
Wonderlands

Wonderlands


ausgezeichnet

Dieses Buch liebte ich von der ersten Seite an! Die vorgestellten „fantastischen Welten“ reichen von alten Mythen wie „Beowulf“ über Klassiker der Fantasy und Science-Fiction bis hin zu moderneren Werken wie „Die Tribute von Panem“ oder „1Q84“. Viele mir bekannte Schriftsteller sind in den insgesamt 100 Vorstellungen vertreten, aber auch viele mir völlig unbekannte. Auch die geographische Spannbreite ist fantastisch, auch wenn leider die westliche Literatur dominiert.
Die Vorstellungen sind in einem ansprechenden Schreibstil verfasst. Sie bieten eine große Fülle an Informationen und lesen sich dennoch angenehm und fesselten mich. Oft wird kurz die jeweilige Geschichte skizziert und dennoch wird nicht zuviel verraten. Die Hintergrundinformationen und Interpretationsansätze sorgen dafür, dass auch die Kapitel über Geschichten, die ich bereits kannte, spannend blieben.
Ich weiß, bei Büchern kommt es auf den Inhalt an, aber bei diesem möchte ich auch gerne die Gestaltung lobend herausstellen. Zunächst verzauberte mich die reiche und auch abwechslungsreiche Bebilderung – von Fotografien alter Schriften oder Gemälde mit vielen faszinierenden Details über Original-Illustrationen verschiedener Ausgaben der vorgestellten Werke bis hin zu Fotografien der Autoren und Bildern von Verfilmungen ... Hinzu kommt eine hochwertige und erstaunlich robuste Konstruktion, sodass das Buch bei mir schon mehrere Ausflüge mit meinem Katerchen in seinen geliebten Innenhof überstanden hat, obwohl mir das Katerchen nie genügend Zeit gibt, mein Lesematerial sicher zu verstauen und auch die Witterung zurzeit nicht die Beste ist.
Wenn das Buch einen Nachteil hat, dann sicher den, dass es den Leser zwar mit Informationen bereichert, gleichzeitig aber Begehrlichkeiten weckt und meine Liste der Bücher, die ich unbedingt einmal lesen oder noch einmal lesen möchte, wuchs und wuchs … Ein schönes Lesevergnügen für Freunde wundersamer Bücherwelten!

Bewertung vom 25.10.2020
Ostfriesische Mission / Rupert undercover Bd.1
Wolf, Klaus-Peter

Ostfriesische Mission / Rupert undercover Bd.1


ausgezeichnet

Wer schon einmal einen Band aus der ostfriesischen Krimireihe von Klaus-Peter Wolf gelesen hat, kennt Rupert als einen etwas speziellen, eigentlich total unmöglichen Charakter mit Macho-Sprüchen. Man gewinnt ihn frühestens auf den zweiten Blick, dafür dann aber erstaunlicherweise umso mehr lieb, sorgt er doch immer wieder für einen Lacher. Meine Vorfreude auf dieses Buch, dessen vordere Innenklappe mit Ruperts Sprüchen gestaltet ist und in dem er zum ersten Mal die Hauptrolle einnimmt, war entsprechend groß und ich wurde nicht enttäuscht – hinreißend komisch, wendungsreich und, vor allem zum Schluss hin, hochspannend!
Ein bisschen unglaubwürdig ist es allerdings schon, dass Rupert seine Undercover-Mission länger als eine Buchseite überlebt – soll er doch ohne jegliche Vorbereitung in die Rolle des Gangsterboss-Sohnes Frederico, eines intellektuellen Kunstkenners, Weinliebhabers und Vegetariers, drei Rupert völlig wesensfremde Welten, schlüpfen und sich mit hochgefährlichen Verbrechern unterhalten, von denen er nicht weiß, wie gut sie den echten Frederico kennen und wodurch er sich verraten könnte … Aber das fand ich nicht so wichtig, denn mir machten die Erzählung und die Schilderung von Ruperts unglaublichen Abenteuern einfach ganz viel Spaß. Schon der Kontrast zwischen dem so herrlich politisch unkorrekten Rupert und dem feingeistigen Frederico sorgt für Erheiterung. Und Rupert, der mit immer wieder neuen gefährlichen Situationen konfrontiert wird, kann in diesem Roman beweisen, dass er durchaus Heldenqualitäten hat …
Von den ersten Seiten an schwebt über dem Ermittlerteam neben der Sorge um Rupert und seine gefährliche Mission jedoch noch eine weitere Bedrohung, die kein bisschen amüsant ist. Und im hinteren Teil wurde dieses Buch so spannend, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte ...
Ich empfehle, parallel dazu „Mein Ostfriesland“, das Klaus-Peter Wolf zusammen mit dem Journalisten Holger Bloem zu den Handlungsorten aus Wolfs Kriminalromanen geschrieben hat, zu lesen. Darin findet man beispielsweise ein schönes Foto vom Café Pudding und den Seehund-Statuen, die in „Rupert undercover“ erwähnt werden, Informationen über einige erwähnte Personen, die es auch im echten Leben gibt, und sogar ein Rezept für die erwähnte Ostfriesentorte.

Bewertung vom 11.10.2020
Der fremde Feind / Doctor Who Monster-Edition Bd.2
Tucker, Mike;Perry, Robert

Der fremde Feind / Doctor Who Monster-Edition Bd.2


ausgezeichnet

Eine tolle Mischung aus klassischer Detektivgeschichte und Science Fiction!
Diese Geschichte zur britischen Science-Fiction-Serie „Doctor Who“ ist schon etwas älter und setzt den siebten Doctor und seine taffe Begleiterin Ace mit dem großen Herzen und dem Faible für Sprengstoffe aus der Classic-Who-Zeit in Szene. Dennoch wirkte sie, neben ein wenig Vintage-Charme (beispielsweise Kassetten), auf mich so frisch wie die Erzählungen der New-Who-Ära.
Wie das Cover schon verrät, geht es um Cybermen (Wesen, bei denen die biologischen Organe durch mechanische ersetzt wurden, wodurch sie sich in hochleistungsfähige, aber gefühllose Maschinen verwandeln) und damit auch um die spannenden und stets aktuellen Fragen rund um das Thema Verantwortung, die mit Neuentwicklungen in der Technik einhergeht. Vor allem aber ist „Der fremde Feind“ eine rasante Abenteuergeschichte, die eine klassische Detektivgeschichte mit Science Fiction verbindet und trotz Actionlastigkeit mit Tiefgang aufwarten kann.
Die Geschichte beginnt während des Zweiten Weltkriegs in London und nahm mich gleich durch die eindrucksvolle Beschreibung der Atmosphäre während der Bombardierungen gefangen. Und in all der Angst und dem Schrecken treibt auch noch ein unheimlicher Mörder sein Unwesen und auch ein Industrieller scheint ein dunkles Spiel zu spielen …
Neben der spannenden Geschichte hat mich die Darstellung der einzelnen Figuren begeistert. Es passiert unheimlich viel und doch gelang es den Autoren, erstaunlich viele Handlungsfiguren, beispielsweise den Privatdetektiv McBride (vielleicht später ein Vorbild für Melody Malone?), aber auch die kleineren Rollen, lebendig und facettenreich zu schildern, sodass sie sich nicht so leicht in eine Schublade stecken lassen (mit Ausnahme eines ganz besonders üblen Nazi-Bösewichts).
Den siebten Doctor habe ich in diesem Roman ganz neu kennengelernt. In einem Internetforum habe ich gelesen, dass selbst Capaldis frühe Interpretation von Doctor Who im direkten Vergleich zum stets etwas distanziert und unterkühlt wirkenden siebten Doctor regelrecht knuddelig wirken würde. Tatsächlich erkennt man diesen seltsamen kleinen Mann, der von seiner Begleiterin Ace auch Professor genannt wird, in dieser Erzählung zwar gut wieder, dennoch gelang es den Autoren (und meiner Meinung viel besser als den Verfilmungen, die ich bisher sehen konnte), seine für den Doctor typische Güte zu vermitteln.
Die Heldin der Geschichte war für mich jedoch eindeutig die mutige Ace, ungestüm, selbstbewusst, aber nie überheblich.
Ein schönes Leseerlebnis – vor allem (aber nicht nur) für Doctor-Who-Fans!

Bewertung vom 16.09.2020
Heimat muss man selber machen
Trinkwalder, Sina

Heimat muss man selber machen


ausgezeichnet

„[…] Heimat. Das kann überall dort sein, wo Menschen einen Raum erschaffen, der auf Respekt und Wertschätzung fußt und in dem Würde einzieht.“ S. 205
Wir merken es alle: Die Kommunikation untereinander ist oft schwierig. Die Spaltung unserer Gesellschaft scheint immer größer zu werden und in der für viele Menschen in vielerlei Hinsicht belastenden Situation, in der wir uns 2020 befinden, wird dieses Problem leider nicht kleiner. Sina Trinkwalder – die mich gleich begeisterte, weil sie das, was ich mir für den Fall eines Lottogewinns vorgenommen habe, einfach auch so durchgezogen hat: nämlich ein Unternehmen zu gründen, das nicht nur schöne Produkte herstellt, sondern auch Wert darauf legt, Menschen, die sonst auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance haben, zu beschäftigen, ihnen eine faire Arbeitsumgebung zu bieten und sie so wieder zum Strahlen zu bringen – präsentiert in diesem Buch neben einer scharfsinnigen Gesellschaftsanalyse eine Reihe von Regeln, die sie ihren Mitarbeitern vorgestellt hat, als sie bemerken musste, dass die Spaltung auch in ihrem Betrieb Einzug hielt. Und was im Kleinen in ihrem Betrieb Wirkung zeigte, lässt sich auch gut auf die gesamte Gesellschaft übertragen …
Einige dieser Regeln mögen banal wirken, aber wenn wir ganz ehrlich sind, ist vieles, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, in unserem aktuellen Zusammenleben ganz und gar nicht selbstverständlich. Und die konkrete Ausgestaltung, die Analysen und die Gedanken, die in den einzelnen Kapiteln zu finden sind, waren für mich sehr spannend zu lesen.
Mir ging dieses Buch persönlich sehr nahe. Manches empfand ich als unangenehm und zugleich hilfreich, weil es mir meine eigenen Fehler aufzeigte, manches brachte mich zum Nachdenken, manches begeisterte und motivierte mich.
In einigen wenigen Punkten war ich nicht ihrer Meinung und es machte mich traurig, dass wieder einmal nur die ALG-II-Empfänger beim Thema Armut betrachtet werden – und die Solo-Selbstständigen und Freiberufler vergessen werden, von denen gerade dieses Jahr viele in große Not geraten und finanziell weit unter ALG-II-Niveau gerutscht sind, ohne dass der deutsche Staat ihnen auch nur einen Cent Hilfe für ihre Lebenshaltungskosten (die aufgrund der übermäßig hohen Krankenkassenbeiträge besonders hoch sind) zugestanden hat (in anderen Ländern lief das besser!). Allerdings ist dieses Buch vermutlich auch zum großen Teil vor der Corona-Krise geschrieben.
Dafür spricht die Autorin viele wichtige Themen an, über die es wichtig ist nachzudenken, beispielsweise das Thema der sozialen Ausgrenzung durch Technik (unter anderem jetzt in der heiklen Kombination einer Pandemie mit Wirtschaftskrise aufgrund des fehlende Zugangs zu wichtigen Apps wie der Corona-Warn-App oder der Katastrophenschutz-Warn-App NINA für Menschen ohne Handy oder mit „älterem“ Smartphone ein Thema, das dringend Einzug in die politischen Diskussionen finden sollte), und weist auf Mechanismen hin, die insbesondere in den sozialen Medien wie Twitter ein gutes Miteinander stören.
In mir hat das Buch einiges bewegt und angestoßen. Ich habe mir vieles angestrichen und hoffe, daraus zu lernen. Eine lohnenswerte Lektüre!

Bewertung vom 09.09.2020
Tödliche Algarve / Anabela Silva ermittelt Bd.3
Conrad, Carolina

Tödliche Algarve / Anabela Silva ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Das traumhaft schöne Cover, das ich eher mit seichten Krimis in Verbindung bringen würde, täuscht: Die Erzählung, in der es um das rätselhafte Verschwinden von Wanderern geht, die unabhängig voneinander auf der Wanderweg Via Algarviana unterwegs waren, bietet sowohl Spannung mit unerwarteten Wendungen als auch einen Schreibstil voller Witz und Esprit.
"Tödliche Algarve" ist der dritte Band einer Reihe, aber in sich abgeschlossen und falls mir Informationen aus den ersten beiden Bänden gefehlt haben sollten, so habe ich es zumindest nicht bemerkt. Als mir sehr willkommenes Extra befindet sich im vorderen Teil eine Karte.
Die Kriminalgeschichte war für mich so knifflig, wie man es sich nur wünschen kann, aber für mich war dieser Krimi auch in anderer Hinsicht außergewöhnlich gut:
Erstens wendet sich die freiberufliche Übersetzerin Anabela Silva, aus deren Ich-Perspektive die Geschichte erzählt wird, am Anfang des Buches gelegentlich direkt an den Leser. Das war für mich zwar ungewohnt, wirkte aber ganz natürlich und half mir, in die Geschichte einzutauchen.
Zweitens ging mir Anabelas Verhältnis mit dem Leiter der Mordkommission von Faro, der zufällig auch der Halbbruder einer der vermissten Personen ist, ausnahmsweise nicht auf die Nerven, wie das oft bei anderen Krimis der Fall ist, die immer wieder dieselben Klischees (vielbeschäftigter Ermittler vernachlässigt gezwungenermaßen seine Beziehung/dümmliche Partnerin macht ihm deshalb Vorwürfe) bedienen. Das liegt auch an dem tollen Charakter von Anabela: Sie ist lustig, taff, furchtbar neugierig, hat klare Ansichten, ist aber doch immer bereit, in eine andere Richtung zu denken. Vor allem verfügt sie über eine doppelte Superkraft, die zurzeit nur wenige beherrschen: Sie kann sich sowohl durchsetzen als auch deeskalieren.
Drittens vermittelt die Autorin nicht nur südlichen Flair, sondern streut gelegentlich auch portugiesische Redensarten ein, die in mir große Lust weckten, Portugiesisch zu lernen (die Redensarten werden gleich erklärt und im hinteren Teil befindet sich zusätzlich noch eine Übersichtsliste dieser Redensarten in portugiesischer und deutscher Sprache) - als Sprachenfreak war ich begeistert!
Ganz verliebt war ich auch in den Schreibstil. Carolina Conrad schreibt so locker und lässig, dass der Krimi eine leichte, unterhaltsame Lektüre bietet und gleichzeitig verwendet sie immer wieder wunderbare Wörter oder gelungene Bilder wie "In meinem Innern knallte ein kleiner Sektkorken" (S.143), die mich zum Lächeln brachten - eine schöne Lektüre!