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A. Jürgens

Bewertungen

Insgesamt 91 Bewertungen
Bewertung vom 12.01.2013
Kann ich gleich zurückrufen?
Streidl, Barbara

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gut

Diese Probleme haben sich - mal Hand aufs Herz - nicht allzu sehr geändert in den letzten Jahren. Kindererziehung und Pflege von Angehörigen ist etwas, das nach wie vor eher Frauen als Männer stemmen. Wer aus einer wirtschaftlich sicheren Situation als Mutter arbeiten geht, wird auch heutzutage noch schnell als karrieregeil und eigensüchtig verschrien. Die Mütter, die aus wirtschaftlicher Not heraus berufstätig sind, müssen einfach funktionieren und froh um ihren Arbeitsplatz sein. Kita, Kindergeld, Elterngeld, Erziehungsurlaub, Arbeitsplatzgarantie - all das haben die Mütter vor einigen Jahrzehnten nicht oder kaum gekannt und in Anspruch nehmen können. Trotzdem ist mit Einführung all dieser wunderbaren Errungenschaften das Leben für sie nicht zwingend leichter geworden, weil die Ansprüche gestiegen sind. Bildungschancen und Karrieremöglichkeiten der Frauen haben sich verbessert, in der beruflichen Perspektive werden Kinder jedoch immer noch als eine Art Hemmschuh betrachtet. Gleichzeitig verschärfen sich unabhängig davon die Bedingungen wieder. Wenn man etwa die brandaktuelle Entwicklung im Rentenbereich betrachtet, scheint es für alle künftigen Rentenempfängerinnen eindeutig ratsam, schnell wieder ins Arbeitsleben einzusteigen.

Streidl lässt ihr fiktives Elternpaar über diese Probleme diskutieren, bindet dabei die Ergebnisse diverser Studien ein. Die beiden kritisieren zusammen oder getrennt arbeitspolitische Fragen (von der eigenen Tätigkeit, im Bezug auf ihre eigene Putzfrau oder anlässlich der unterbezahlten Erzieherinnen in der Kita ihres Sohnes), führen mehr oder weniger konstruktive Gespräche. Spätestens hier wird unabhängig von den ständigen Beteuerungen (gar nicht arbeiten zu müssen) der erzählenden Hauptfigur klar, dass Streidls Hauptfigur keineswegs für alle berufstätigen Mütter steht, sondern eher gut gebildete, finanziell abgesicherte Mütter in stabilen sozialen Verhältnissen betrifft.

Mehr als eine (reale) Mutter wird sich in Streidls fiktiver Gestalt und den auf acht Tagen komprimierten Erlebnissen und Emotionen wiedererkennen. Bedauerlicherweise wird keine von ihnen einen ungefähren Lösungsansatz für die breit gefächerten, gut recherchierten aber sehr trocken dargestellte Problemstellungen finden. Obwohl die innere Zerrissenheit der Hauptfigur sehr gut dargestellt fand und diese auch durchaus sich durchaus selbstkritisch betrachtet, empfand ich sie zeitgleich fast bis zum Schluss als jemand, der auf hohem Niveau zu jammern gelernt hat.

Mit der beschriebenen Erkrankung der Oma und den daraus resultierenden Folgen deutet sich letztlich ein Wechsel an. Erst danach wird der jungen Mutter scheinbar bewusst, dass der meiste Druck von ihr selbst erzeugt wird und nur sie etwas ändern kann. Gleichzeitig deutet genau dieser Wechsel aber auch an, dass sie in gewisser Weise resigniert und sich den gesellschaftlichen Strukturen unterwirft, indem sie zurücksteckt. Das empfindet sie glücklicher- und sympathischerweise nicht als Verlust oder Versagen. Doch auch wenn mich das mit dem übrigen Buchinhalt an sich irgendwie versöhnt, frage ich mich doch unwillkürlich, was eine Autorin wie Streidl, die sich vorwiegend mit Feminismus beschäftigt, damit ausdrücken möchte.

Fazit:

Ein Einblick in den täglichen Spagat zwischen Wollen und Können, Müssen und Dürfen. Kind und Karriere ist auch heute noch schwer vereinbar. Eine romanähnliche gehaltene Darstellung offenbar auch, die eher trocken-analytische Beschreibung Streidls hebelt diesen Versuch aus. Insgesamt frage ich mich nach der eigentlichen Intention der Autorin, bietet sie doch nur eine Auflistung von bekannten, gesellschaftlich gerne ignorierten Problemen ohne Lösungsmodelle oder auch nur andeutungsweise Lösungsansätze. Trotz der guten und kritischen Recherche möchte ich deshalb nur drei von fünf Punkten dafür vergeben.

2013 Antje Jürgens (AJ)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.01.2013
Ein skandalöses Rendezvous / Regency Bd.1
Hunter, Madeline

Ein skandalöses Rendezvous / Regency Bd.1


sehr gut

Das Buch handelt von Audrianna, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Ruf ihres Vaters reinzuwaschen. Dieser soll für sein Land minderwertiges Schießpulver gekauft haben und so für Tod und Verletzungen diverser Soldaten verantwortlich sein. Aus Scham nahm er sich das Leben. Nach seinem Tod zieht Audrianna zu einer Cousine und versucht, so gut es geht, auf eigenen Füßen zu stehen. Doch Audrianna untersucht nicht alleine die Vorgänge um das minderwertige Material, auch Lord Sebastian Summerhays tut dies. Dadurch treffen die beiden aufeinander. Audrianna erhofft sich entlastende Informationen, Summerhays belastendes Material. Die beiden werden dabei jedoch unglücklicherweise in einer kompromittierenden Situation erwischt, Summerhays sogar verletzt, und der Skandal schwappt über Audriannas gerade noch einigermaßen stolz erhobenes Haupt hinweg. Einzig die Heirat mit Summerhays kann ihren Ruf jetzt noch retten.
Die Autorin zeichnet ihre weibliche Hauptfigur, ebenso wie deren Cousine, bezogen auf die Zeit überraschend modern und unabhängig und gleichzeitig durchaus glaubwürdig. Ihr Selbstbewusstsein schwindet jedoch jedes Mal, sobald der attraktive Summerhays auf den Plan tritt. Der ist eigentlich nur der zweite Sohn, hat ein eher schwierig gestaltetes Verhältnis zu seiner mit Standesdünkeln behafteten Mutter und ein enges Verhältnis zu seinem kriegsversehrten älteren Bruder. Auch die etwas schrulligen Freunde jenes Bruders sind mit von der Partie. Alle Charaktere sind klar gezeichnet, haben alle ihre kleinen Macken, Fehler und Ängste.
Wie so oft bei LYX ist auch dieses Mal das Cover/Buch ansprechend liebevoll und passend gestaltet. Es zeigt eine junge Frau in einem cremefarbenen Kleid, dessen Schnitt der damaligen Zeit entsprechen dürfte. Das Muster ihres Kleides - kleine goldene Ornamente - wiederholen sich in einer Art Rahmen um diese Gestalt ebenso wie an den Kapitelanfängen (wo sie dann natürlich grau gehalten sind). Bei der Frauengestalt sieht man keinen Kopf/kein Gesicht - was gut zu der Thematik passt, möchte Audrianna doch unerkannt nach der Wahrheit forschen. Die sittsam gefalteten Hände passen zu ihrem Charakter und der kleine Ausschnitt ihres Kleides deutet auf die im Buch dezent aufflammende erotische Grundspannung zwischen Audrianna und Summerhay hin.
Die zwischen den beiden Hauptfiguren entstehende romantische Beziehung wächst behutsam und gerade deshalb gut nachvollziehbar. Es geht aber auch um Freundschaft und Gier, um Schuldgefühle und ein wenig Eifersucht, denn Audrianna und Sebastians Bruder verstehen sich blendend. Nicht nur hier zeigt sich, dass Sebastian zwar durchaus über Autorität verfügt, gleichzeitig jedoch selbst stetig zurücksteckt, seit er für seinen älteren Bruder nach dessen Unfall dessen Position übernommen hat. Dass ihm ein eigenes Leben fehlt, wird ihm erst durch Audrianna bewusst.
Der zum Skandal und der Heirat führende Handlungsstrang um Audriannas Vater und das minderwertige Schießpulver wird im Hintergrund weitergesponnen und geschickt mit dem romantisch ausgebauten Hauptteil verwoben. Durch den flüssigen Schreibstil können Hunters LeserInnen leicht in die Geschichte eintauchen.
Fazit: Sympathische Charaktere in einer leichten, romantisch gestalteten Geschichte. Mit Ein skandalöses Rendezvous hat Madeleine Hunter einen Roman für ein paar entspannend-unterhaltsame Lesestunden geschaffen, weshalb ich dem Buch vier von fünf Punkten geben möchte.
2013 Antje Jürgens (AJ)

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.11.2012
Diamonds - Wer Luxus will, muss listig sein
Bagshawe, Louise

Diamonds - Wer Luxus will, muss listig sein


gut

Die englische Autorin Louise Bagshawe, Mutter von zwei Kindern, entdeckte das Schreiben früh für sich. Bereits mit 14 verfasste sie Artikel für diverse Zeitungen. Nach einem beruflichen Abstecher in die Musikindustrie widmete sie sich ganz dem Schreiben und avancierte zur Bestseller-Autorin. Nebenbei engagiert sie sich politisch und im Rahmen unterschiedlicher Wohltätigkeitsprojekte.

Bei Knaur erschien seit 2005 jährlich ein neuer Roman von ihr. Dazu zählen Hexe mit Handtasche (09/2005), Löwin im Minirock (03/2006), Schmusekatze auf Beutefang (08/2007), Heldin auf Stöckelschuhen (12/2007), Wildkatze mit Samthandschuhen (05/2008), Glamour - Wer alles will, muss mutig sein (01/2009), Sparkles: Viel zu schön, um brav zu sein (02/2010) und der im März 2011 erschienene und vor mir liegende Roman Diamonds - Wer Luxus will, muss listig sein.

Darin geht es um das Schwesternpaar Juno und Athena und ihre Cousinen Diana und Venus, die eigentlich unterschiedlicher nicht sein könnten. Nicht zum ersten Mal bedient sich die Autorin dabei einer Gesellschaftsschicht, in der Schönheit und Reichtum Macht bedeuten und die wiederum alles. Die eine ist die versnobte, überhebliche Königin der Londoner High Society, die andere eine international anerkannte etwas schrullige Philologin. Die Dritte im Bunde Londons bekanntestes und etwas wildes It-Girl, die Vierte eine talentlose, eher durch ihr Vermögen bekannte Schauspielerin. Und sie haben bei allen Unterschieden dann doch ein paar Gemeinsamkeiten.

Sie alle schwimmen im Geld. Besagtes Geld müssen sie nicht erst mühsam verdienen, bevor sie es mit vollen Händen aus dem Fenster werfen dürfen. Unabhängigkeit ist etwas Herrliches, nicht wahr? Ein alljährliches Geschenk von 500.000 Pfund garantiert diese Unabhängigkeit und sie müssen dafür nur einmal jährlich gemeinsam einen spendablen Onkel besuchen. Nebenbei bemerkt. Das ist zwar ein sattes Polster, stehen ihnen umgerechnet doch etwas mehr als 50.000 Euro pro Monat zur Verfügung. Allerdings scheint das im Reich der Superreichen und Superschönen dann doch wieder nicht so unendlich viel.

Das merken die Vier dann auch prompt, als sie, obwohl sie bisher noch nie in ihrem Leben einen Gedanken an ihren Kontostand verschwenden mussten, bei einem dieser Besuche der Verlobten ihres Onkels vorgestellt werden. Die ist nicht nur in ihrem Alter, sondern gibt auch gerne Geld aus. Und so unabhängig der stete Geldfluss die Vier in der Vergangenheit auch gemacht haben mag, so sehr stellt sein Versiegen sie vor Probleme. Also suchen sie einen Ausweg.

Neben dem paranoiden und berechnenden Onkel gestaltet Bagshawe auch ihre vier Hauptcharaktere nicht sonderlich sympathisch. Erst nach und nach konnte ich mich halbwegs mit ihnen arrangieren, gingen sie doch zudem beinahe in der allzu häufigen Nennung von Luxusmarken unter. Dieses Schicksal teilen sie sich mit Handlungssträngen um Beziehungen und mit denen zu Ideen, wie sie ihrem Dilemma entkommen könnten bzw. der Umsetzung derselben. Darüber hilft der flüssig und angenehm lesbare Schreibstil nur halbwegs hinweg. Spritzige Dialoge oder ein gewisser Wortwitz hätten die gerade erwähnte Schwäche auch überspielen können, kommen aber faktisch zu kurz.

Und dann, als ich so langsam aber sicher angesichts der Entwicklung, die sich für die vier Frauen abzeichnet, Gefallen an dem Buch fand, landete ich auch schon mitten im Schluss. Die Vier erleben ihr persönliches Happy End, nur leider nimmt man als LeserIn viel zu wenig daran teil.

Fazit: Das Buch lässt mich gespalten zurück. Es liest sich trotz der erwähnten Schwächen leicht und flüssig. Die Entwicklung der vier Frauen hätte jedoch eindeutig mehr Beachtung verdient, die wiederholte Betonung ihres luxuriösen Lebens dafür weniger vertragen. Ein Lesequickie, für den ich drei von fünf Punkten vergeben möchte.

2012 Antje Jürgens (AJ)

Bewertung vom 30.11.2012
Kerle angeln
Coburn, Jennifer

Kerle angeln


sehr gut

Wie die Titel bereits erahnen lassen, geht es im Buch nicht ganz ernst zu. Allerdings hätte ich nicht damit gerechnet, eine vom Schicksal gebeutelte Hauptfigur kennenzulernen. Durch einen Unfall verlor Mona Eltern, Geschwister u. ihre erste Liebe zusammen mit allen übrigen Bewohnern der Hippie-Kommune, in der sie bis dahin lebte. Sie wächst bei ihrer Großmutter auf. Jahre später stirbt auch diese u. hinterlässt Mona ihr Haus. Die mittlerweile fast 31Jährige ist einsam u. hat im Grunde keinen Plan, wie es weiter gehen soll. Hinzu kommt, dass ihr Arbeitsplatz von heute auf morgen nicht mehr sicher ist. Ihr Chef bietet all denen eine Abfindung, die freiwillig gehen.

Die traumatischen Ereignisse bestimmen nicht die Grundnote von Kerle angeln, keine Sorge. Sie bieten aber eine Erklärung für so manche Wunschvorstellung oder Verhaltensweise Monas.

Bei der Abfindung greift Mona zu, sieht sie doch den Zeitpunkt gekommen, ihr Leben neu zu organisieren. Vor allem will sie Adam, den sie seit 7 Jahren anhimmelt, ohne dass er etwas davon weiß, näherkommen. Da sie jedoch keinen Schimmer hat, wie sie letzteres Erfolg versprechend umsetzen kann, sucht sie Hilfe u. findet sie in Mike. Der scheint zwar ein Chauvinist im Neandertalerformat zu sein, Monas Ansicht nach ist er aber perfekt dafür prädestiniert, Verständigungsprobleme mit Adam zu vermeiden. Ihre Idee zahlt sich aus, tatsächlich kann sie ihren Traummann endlich treffen. Dumm nur, dass mittlerweile auch Mike Herzklopfen bei ihr verursacht u. Adam plötzlich gar nicht mehr so interessant ist.

Wer Wert auf eine humorvolle Liebesgeschichte legt, sollte evtl. die Finger von Kerle angeln lassen. Der Fokus liegt auf Monas Bemühungen geliebt zu werden. Es ist eine leicht lesbare, amüsant-spöttische, turbulente u. stellenweise klamaukartig überzogene Komödie. Mona gelinde gesagt chaotisch, jedoch genau wie einige Nebencharaktere, liebenswert dargestellt. Dass sie erst 20 kg abnehmen u. ihren Traummann zudem erst noch davon überzeugen muss, die Richtige für ihn zu sein, weil er sie nicht richtig kennt, mag übertrieben u. unreif klingen, doch wirkt Mona gerade dadurch überraschend echt.

Die gewählte Ich-Form (Mona erzählt) bietet ein kleines Manko, da man so wenig über die Beweggründe von Mikes Verhalten erfährt. Man bekommt natürlich mit, dass der unter seiner harten Schale einen weichen, liebenswerten Kern. Doch abgesehen davon bleibt er angesichts der gewählten Erzählform etwas zu diffus. Unabhängig davon erfüllen er u. sein Rivale Adam mehrere überaus triviale Klischees.

Mona jedoch wandelt sich. Die Frau ohne Leben, Familie, Mann, Freunde, Hobbys, Leidenschaften, Stil o. Leichen im Keller stellt fest, dass sie sich gar nicht verstellen muss, um akzeptiert u. geliebt zu werden. Sie wird aktiv u. letztlich auch dafür belohnt. Bis dahin greift sie jedoch zu recht kreativen Mitteln, muss mit mehren Missgeschicken zurechtkommen. Manches wirkt trotz der Überzogenheit so echt, als ob es tatsächlich an die Realität angelehnt wäre.

Fast zu theatralisch ist dann der Schluss der Geschichte. Irgendwie passt er zwar zu den Dingen, die Mona so anstellt, um Adam auf sich aufmerksam zu machen, aber insgesamt wirkt er zu dick aufgetragen.

Fazit: Trotz kleinerer Schwächen unterhaltsam-entspannend. Kerle angeln sorgt für hochgezogene Mundwinkel bei denen, die einfach lesen und abschalten möchten.

2012 Antje Jürgens (AJ)

Bewertung vom 29.11.2012
Hexenfluch
Raven, Lynn

Hexenfluch


sehr gut

Beim Stöbern auf der Verlagsseite fiel mir das rote Kleid auf dem Cover ins Auge. Also las ich flugs die Inhaltsangabe. Demnach geht es um eine erfolgreiche Ärztin Ella, die für ihren Beruf lebt. Ihre Mutter hat sie und ihren Vater verlassen, was dafür sorgte, dass sie ihr Herz verschloss. Abgesehen davon ahnt sie nicht, dass ihre Mutter ihr etwas hinterlassen hat. Ein magisches Erbe, das zum Ausbruch kommt, als sie eines Abends beobachtet, wie ein Mann von einer Gruppe vermummter Gestalten misshandelt wird. Ihr beherztes Eingreifen verhindert das Schlimmste, doch als sie den verletzten Hexer Christian Havreux berührt, durchströmt sie eine ungeahnte Macht. Auch Havreux spürt diese bislang unentdeckten Fähigkeiten und bietet ihr prompt - nicht ganz uneigennützig - an, sie auszubilden.

Trotz des magischen Elements spielt die Geschichte in unserer Welt, unserer Zeit. Allerdings richtet sich die Autorin im Gegensatz zu früheren Büchern eindeutig an ein erwachsenes Publikum. Die Elemente in der Geschichte sind dunkel und brutal, stellenweise sehr blutig. Daneben kommen auch Liebe und Erotik darin vor, allerdings nicht so, dass sie die Geschichte überfrachten oder verkitschen.

Raven schreibt in einem flüssigen, unprätentiösen und leicht lesbaren Stil, greift in spannenden Szenen auf kurze Sätze zurück. Trotz wechselnder Perspektiven nimmt die Geschichte dennoch anfangs nur zögerlich an Tempo zu. Oder vielleicht sollte ich schreiben, dass sie gerade wegen der wechselnden Perspektiven nur langsam an Tempo gewinnt. Hierdurch ergibt sich nämlich eine gewisse Vorhersehbarkeit. Hinzu kommt, dass die Haupt- und Nebencharaktere etwas zu wenig beleuchtet werden. Wirklich unscheinbar oder gar uninteressant sind sie jedoch nicht und beides wird zudem eindeutig durch die ansonsten dichte Atmosphäre abgemildert.

Christian ist genauso sympathisch wie undurchschaubar. Ella genauso hilfsbereit wie ehrgeizig. Und obwohl sie eigentlich völlig in ihrem Beruf aufgeht, schafft Christian, was andere nicht schaffen. Er scheint einfach perfekt. Schätzt Ellas Denkweise, respektiert sie, bringt ihr bei, ihre magischen Fähigkeiten zu kontrollieren, die sie durchaus aus der Bahn werfen könnten. Auf geradezu sanfte Weise wirbt er um sie. Vor dem magisch-düsteren Hintergrund wirkt die sich anbahnende Liebesgeschichte makellos. Dieser Hintergrund ist übrigens gut damit verwoben und beinhaltet, dass Christian eine undurchschaubare, tödlich-böse Seite hat. Und in den Fängen der Dämonin Lyresha hängend nicht wirklich frei entscheiden kann.

Gegen Mitte und vor allem Ende des Romans nimmt die Geschichte greifbar an Tempo zu, ohne dass der Eindruck entsteht, dass hier schnell etwas beendet werden musste. Hier hält auch vermehrt brutale Gewalt Einzug, es werden Vergewaltigungen und Abartigkeiten erwähnt, ohne dass die Autorin sich in zu exzessiven Beschreibungen verliert. Dennoch scheint das Blut förmlich aus dem Buch herauszutropfen.

Wer hofft, den bisherigen, dem jugendlichen Publikum geschuldeten, romantisch-sehnsüchtigen Stil Ravens auch in Hexenfluch zu lesen, wird enttäuscht werden. Unabhängig davon findet man darin, sowohl ganz allgemein betrachtet wie auch direkt auf frühere Romane der Autorin bezogen, keine neue Grundidee. Eine gute Umsetzung hebt dieses vermeintliche Manko jedoch wieder auf. Und Raven hat die Idee trotz des eher behutsamen Einstiegs sowohl gut als auch wieder etwas anders in einen unterhaltsam-spannenden Fantasy-Roman für Erwachsene umgesetzt. Deshalb lohnt es sich durchaus, bei Ravens Hexenfluch durchzuhalten. Ich möchte der Geschichte vier von fünf Punkten geben.

2012, Antje Jürgens (AJ)

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Bewertung vom 29.11.2012
Lebenslänglich
Moog, Philipp

Lebenslänglich


ausgezeichnet

Bereits 2008 kam der Debütroman des 1961 geborenen Schauspielers, Synchronsprechers, Drehbuch- und Romanautors auf den deutschen Buchmarkt. Nach der Hardcoverausgabe legte Dumont im letzten Jahr in Form einer Taschenbuchausgabe nach.

Schwarzer Humor ist etwas, was ich seit Langem mag. Auslöser war glaube ich ein Monty Python-Film. Diese kleine Vorliebe und der Hinweis, dass Moogs Roman voll davon wäre, führte dazu, dass die Taschenbuchausgabe von Lebenslänglich vor mir liegt.

Moogs Schreibstil zog mich schnell in seinen Bann, wobei es mich nicht direkt in die Geschichte zog. Der Grund hierfür ist die für mich etwas zu distanzierte Art, mit der die Hauptfigur sich betrachtet. Man könnte schon fast sagen verbal seziert. Dennoch habe ich das Buch verschlungen.

Die gerade angesprochene Hauptfigur ist ein kleiner, unscheinbarer, adipöser Bankkassierer mit schütterem Haar und teigiger Haut. Er hat kein allzu reges Liebesleben. Eigentlich gar keins, denn die Frauen übersehen ihn schlichtweg, tagtäglich viele, viele Male. Überhaupt ignoriert ihn die Gesellschaft. Er fühlt sich ausgeschlossen, hat keinen Spaß und versucht, aus diesem trostlosen Dasein auszubrechen. Dafür macht er aber keine Diät. Er rennt auch nicht ins Fitnessstudio, um seinen Körper auf Vordermann zu bringen. Besucht auch keine Flirtkurse oder irgendwelche Seminare mit Anschlussgarantie. Nein, weil er widersinnigerweise hofft, dass eine spezielle Kollegin in seine tröstenden Arme flüchtet, wenn den Liebhabern seiner weiblichen Kolleginnen etwas geschieht, sorgt er für deren Ableben. Dummerweise wird natürlich die Polizei angesichts der Todesfälle aufmerksam. Und ganz unabhängig davon geht sein Plan schief. Nicht seine angebetete Traumfrau sucht Trost bei ihm und schmachtet ihn an, sondern eine nach Schweiß riechende und ebenfalls keinem hierzulande gängigen Schönheitsideal angehörende andere Kollegin. Angewidert wehrt er sich gegen ihre Avancen, denn auch wenn er selbst kein Prinz ist, möchte er doch absolut überhaupt keine Kröten küssen.

Kein sehr sympathischer und noch dazu ein namenloser Hauptcharakter, den Moog da für sein Romandebüt wählt. Allerdings auch keiner, der absolut erfunden und unecht wirkt. Voll Selbstmitleid lebt das dicke Männchen, wie er sich selbst nennt, in seiner eigenen kleinen Welt. Voller Hass auf sich selbst und die Welt, die ihn einfach übersieht und ungerecht behandelt. Was er denkt und fühlt, was er ihn zu dem was er tut motiviert, das erfahren Moogs LeserInnen durch ihn, mal in der ersten, mal in der dritten Person. Er plant perfide seine Taten und führt sie auch gnadenlos aus, bevor er sich selbst zum tapferen kleinen Held des jeweiligen Abends erhebt.

Moog spart an unnötigen Ausführungen, schafft aber durch die treffend klare, bildhafte Sprache eine authentische Atmosphäre. Er pointiert durch böse Ironie und bitteren Zynismus. Und so sieht man, wie die Wunschvorstellungen des Verlierers sich in Nichts auflösen. Trostlos und trist fristet er sein Dasein. Er ist sich gnadenlos seiner selbst, vor allem aber seiner Defizite bewusst. Straft sich unentwegt, indem er sie sich unter die Nase reibt und Vergleiche zieht. Während die Welt ihn übersieht, scheinen seine Sinne überall zu sein und alles wahrzunehmen. Seine Welt stand mir beim Lesen erschreckend klar vor Augen. Unaufgeregt wird nach und nach nachfühlbar klar, wie sehr jemand nicht nur durch die Gesellschaft, sondern auch durch sich selbst ins Abseits manövriert werden kann.

Fazit:

Lesenswertes Debüt, das Lust auf weitere Werke des Autors macht. Schwarz, zynisch und unterhaltsam, wie er ist, bekommt Philipp Moogs Lebenslänglich fünf von fünf Punkten von mir.

2012, Antje Jürgens (AJ)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.11.2012
Eigentlich wollte ich doch nur einen Toaster
Schumacher, Lutz

Eigentlich wollte ich doch nur einen Toaster


sehr gut

Meine Schwägerin sagt immer: Haben bedeutet Macht - nicht haben macht auch nichts. Darüber habe ich anfangs gelächelt, weil ich dachte, dass das eine bequeme Ausrede dafür ist, bestimmte Dinge nicht ausprobieren zu müssen. Mittlerweile denke ich ähnlich wie sie.

Haben wollte ich jedoch das Buch Eigentlich wollte ich doch nur einen Toaster - Bin ich zu blöd, o. liegt’s an der Technik, denn das ist von Lutz Schumacher. Der ist Journalist, Autor u. Geschäftsführer der Nordkurier Tageszeitungsgruppe in Mecklenburg Vorpommern. Er ist Bestsellerautor. Und unterhaltsam, wie ich aus den Büchern Wenn möglich, bitte wenden u. Senk ju for träwelling weiß. Wie der Titel seines aktuellen Buches aus dem Hause Goldmann verrät, geht es um Technik, den immer weiter zunehmenden Technikwahn. Und ganz nebenbei um das seltsame Mitteilungsbedürfnis, das die in der Techniklandschaft gnadenlos vereinsamende Bevölkerung so entwickelt.

Diese Themen spricht der Autor auf eine Art an, die trotz des eher ernsthaften Inhalts zum Lachen animiert. Das Lesen des Buches gestaltet sich damit wesentlich einfacher als das so mancher Bedienungsanleitung. Zwar bergen diese dank Übersetzungscomputern durchaus Lachpotenzial, doch stellen sie zusammen mit der Bedienung der darin beschriebenen Geräte Benutzer quer durch alle Bevölkerungsschichten des Öfteren vor Probleme, da Nutzung und Nutzen nicht immer durchdacht sind.

Mehr als einmal fragte ich mich während der Lektüre, wo die versteckte Kamera wohl sein könnte, mit der der Autor uns beobachtet hat. Da das selbst in meinen Ohren zu paranoid klingt, tröstete ich mich damit, dass wir wohl nicht die Einzigen u. andere demnach auch nicht besser dran sind als wir selbst. Einiges ist natürlich überspitzt dargestellt. Etwa die bestellende Kühlschrank-Vision o. der Servicetechniker des multifunktionalen Druckers. Beides sind imaginäre Albträume, wenngleich sie mich zum Lachen brachten. Der beschriebene Servicetechniker für die Spülmaschine in der heutzutage vorhandenen Servicewüste (warum reparieren, kaufen geht doch schneller) erinnerte mich jedoch prompt an die Aussage eines Kfz-Meisters („Früher haben wir Kaputtes repariert, heute lesen wir Fehlerspeicher aus. Und müssen Dinge ersetzen, die gar nicht kaputt sind, weil das kaputte Teil für 2,20 € nur noch in Kombination mit was Teurerem erhältlich ist u. verbaut werden kann.“).

Schumacher stellt Vergleiche mit der Steinzeit an, bringt jedoch vorwiegend die Moderne humorvoll u. durchaus selbstironisch aber ebenso scharfzüngig-satirisch, manchmal beißend eloquent auf den Punkt. Legt den Finger auf etwas, das wir in seiner Offensichtlichkeit gerne übersehen. Zwar ist nicht alles grundsätzlich schlecht, doch bedauerlicherweise gibt es zahlreiche technische Errungenschaften, die uns das Leben nicht so erleichtern, wie von der Werbung vollmundig verspricht. Ich habe beispielsweise bis heute nicht kapiert, wozu ich eine App brauche, die mir verrät ob ich einen Schirm nutzen soll o. nicht, wenn ein einfacher Blick aus dem Fenster o. in die Zeitung den gleichen Zweck erfüllt.

Doch Schumacher geht nicht nur auf Orangenpressen u. Brotbackautomaten ein, die nicht überzeugen, o. auf die Gefahren von Duschen mit selbsterklärendem Touch-Screen-Bedienpaneel. Er nimmt auch die inflationär zunehmende Informationswut aufs Korn, ruft quasi auf innezuhalten, nachzudenken, nicht alles blind mitzumachen. Egal ob es der blinde (Irr-)Glaube an den aus dem WWW gefischten (teils ungesicherten) Informationswust o. der offenbar aus Zugzwang entstehende Mitteilungswahn mancher Nutzer sozialer Netzwerke ist.

Schumacher zeigt, dass Kritik humorvoll abgefasst sein kann. Sein kleiner Rundumschlag in Sachen Technik sollte indessen nicht bloß als unterhaltsam abgetan werden. Nachdenken lohnt sich in diesem Fall durchaus. Lesen auch, weshalb ich für sein Buch vier von fünf Punkten vergeben möchte.

2012, Antje Jürgens (AJ)

Bewertung vom 25.11.2012
Mama, ich habe Krebs
Scherer, Christa

Mama, ich habe Krebs


gut

Geliebten Menschen zu verlieren, zählt zum Schlimmsten, was uns geschehen kann. Heike war gerade 30, als sie nach schwerer Krankheit verstarb. Christa Scherer hat im Rahmen der Trauerbewältigung ein Buch über das letzte Lebensjahr ihrer Tochter geschrieben. Der Reinerlös daraus kommt der Deutschen Kinderkrebshilfe zugute. 4 Jahre nach dem Tod ihrer Tochter möchte die Autorin Heike vorstellen, wie sie in ihrem Vorwort anführt. Sie fügt hinzu, dass das Buch aus der Aufarbeitung von Heikes Tagebucheinträgen entstanden ist, die sie durch eigene Berichte und Gedanken ergänzt hat.

In einfachen Worten erfährt man, dass die junge Frau frisch verheiratet war, mit ihrem Mann ein Haus baute, bei Kollegen beliebt war, ihre Freizeit aktiv gestaltete, gerne feierte u. ein evtl. nicht immer perfektes aber enges Verhältnis zu ihren Eltern hatte. Fotos von Heike wurden in das Buch eingearbeitet. Ihr Leben endete im Dez. 2007. Man erfährt von Heikes Beschwerden, die mit Magendrücken begannen, zu Magenschmerzen, Entzündungen und einem Geschwür auswuchsen. Bis kurz vor ihrem Tod, wusste die junge Frau nicht, dass sie Krebs hatte, weil sie zu dem Patientenanteil gehört, bei dem sich maligne Metastasen vor dem Primärtumor bemerkbar machen. Die Überlebenschancen dieser Patienten sind gering, weil in der Regel zu spät mit der Behandlung begonnen werden kann.

Eine Krebsdiagnose führt dazu, dass man sich vorkommt, als ob man aus vollem Lauf gegen eine Wand prallt. Dieses Empfinden resultiert oft aus der Art u. Weise, wie mit Patienten u. Angehörigen umgegangen wird. Die distanzierte, teils kaltschnäuzige Haltung von Ärzten oder Pflegepersonal kommt auch im Buch zum Ausdruck. Allerdings stehen diese oft genauso hilflos vor Patienten wie die Angehörigen. Es entschuldigt zugegebenermaßen nicht alles, erklärt aber vielleicht einiges, dass sie tagtgl. mit Krankheit, Tod u. oft auch mit ihrer eigenen Hilflosigkeit konfrontiert werden. Darüber erwähnt Heikes Mutter, darauf hingewiesen worden zu sein, dass keine Überlebenschance bestand. Hier wird auch klar, wie schwierig es für Angehörige ist, das Offensichtliche zu sehen u. zu akzeptieren. Aus (verständlichem) Selbstschutz wird so etwas beiseite geschoben, weil es einfach unfassbar ist.

Wer denkt, dass haupts. Heike über Tagebucheinträge zu Wort kommt, irrt. Tatsächlich füllen diverse Zitate viell. eine Seite des Buches u. ergänzen die Ende Oktober 2006 ansetzende Erzählung, in der sich vorwiegend Emotionen u. Eindrücke von Christa Scherer in Form von Schmerz, Angst, Hilflosigkeit, Wut, Fassungslosigkeit u. Verbitterung, immer wieder auch der Wunsch zu verdrängen bzw. zu vergessen offenbaren. Es offenbart sich ein Schuldgefühl dahin gehend, nicht genügend Zeit mit Heike verbracht zu haben, die Sache nicht ernst genug genommen zu haben. Bitterkeit über die scheinbare Rücksichtslosigkeit von Heikes Ehemann, aber auch über eine offenbar karrieresüchtige Kollegin. Und wie bereits angesprochen, Wut auf die scheinbar zu spät reagierenden Ärzte.

Auch dies geschieht in einfachen Worten, teils vagen Andeutungen. Dabei zeigt sich eine Einseitigkeit, die in gewisser Weise, aber nicht nur aus der Erzählperspektive resultiert. Noch viel mehr zeigt sich, wie wichtig es für Christa Scherer war, sich alles von der Seele zu schreiben. Dadurch gute Erinnerungen zu konservieren, die eigentlich unaussprechlichen zu formulieren. Auch um sich daran zu erinnern, dass sie die Chance hatte, die letzten Tage sehr intensiv mit ihrer Tochter zu erleben. Ganz zum Schluss deutet sich auch an, dass sie auf ihrem schmerzlichen Weg der Trauerbewältigung ein Stück vorwärts gekommen ist.

Fazit: Kein erbauliches, Mut machendes Buch. Eins, in dem Schmerz zum Ausdruck kommt über etwas, worauf wir keinen Einfluss haben. Eins, dem ich keine Wertung geben kann, denn Trauer lässt sich nicht werten.

2012, Antje Jürgens (AJ)