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clematis

Bewertungen

Insgesamt 150 Bewertungen
Bewertung vom 18.09.2024
Bella Famiglia (eBook, ePUB)
Mahler, Nico

Bella Famiglia (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Aus den Dolomiten

Aus Val di Zoldo, mitten in den Dolomiten, stammt der Eissalonbesitzer Lorenzo, der hier in München für jeweils sechs Monate köstliche Kreationen von Gefrorenem serviert, bevor er über den Winter wieder zurückkehrt in die Heimat seiner Eltern und Großeltern. Sofia, eine junge Kindergärtnerin, sitzt jeden Freitag unter der knorrigen Kastanie und bestellt Erdbeereis. Beide sind sehr ruhig und zurückhaltend, dennoch spüren sie eine ganz besondere Verbindung zueinander. Da Sofia einmal Venedig sehen möchte und das Meer, nimmt Lorenzo sie im Herbst mit nach Italien und erzählt ihr die Geschichte seiner Familie.

Die Rahmenhandlung im Jahre 1966 umfängt frühere Geschehnisse von 1900 weg über zwei Weltkriege bis 1963. Abwechslungsreich schildert Nico Mahler die Ereignisse in unterschiedlichen Zeitebenen und zeigt, wie malerisch es in den Dolomiten aussieht, aber auch, wie karg und hart das Leben dort früher war. Durch moderne Maschinen und stete neue Erfindungen besteht immer weniger Nachfrage nach Holzkohle oder handgeschmiedeten Erzeugnissen, das (Über)Leben wird immer schwieriger. So kommt es, dass Speiseeis die Welt erobert und seinen Weg nach Österreich, Deutschland, Frankreich, ja bis in die Niederlande oder nach England findet. Herausfordernde Schicksalsschläge bestimmen das Leben der Familie Battaglia, dennoch lassen sie sich, Stehaufmännchen gleich, nicht unterkriegen. Überaus lebendige und sehr gut vorstellbare Schauplätze vom Zoldotal über Transsilvanien (Rumänien) und Wien bis nach München beherrschen die Handlung, die Figuren sind realistisch und glaubwürdig angelegt. Viel Historisches fließt wie nebenbei mit ein in die Geschichte, sodass man etliche interessante Dinge liest, ohne das Gefühl zu haben, belehrt zu werden. Der Spagat zwischen wissenswerten Tatsachen und fiktiver Handlung ist jedenfalls sehr gut gelungen. Dass am Ende der Zufall vielleicht ein bisschen zu präsent ist, tut dem Ganzen keinen Abbruch.

Unterhaltsame Stunden, Spannendes über das Zoldotal und die Eisherstellung, dazu noch sehr persönliche Schicksale, die einem beim Lesen nahegehen – so verdient ein Roman seine fünf Sterne!

Bewertung vom 17.09.2024
Tränengrab (eBook, ePUB)
Klementovic, Roman

Tränengrab (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Augenkiller

Evelyns Ehemann Hans ist verstorben, Tochter Manuela sieht es als ihre Pflicht, die Mutter für einige Zeit bei sich aufzunehmen, um deren Trauer ein wenig zu zerstreuen. Seit Hans‘ Krebserkrankung ist Evelyn nicht mehr in dem malerischen Städtchen gewesen, vieles hat sich hier verändert, bis hin zur mittlerweile 17jährigen Enkelin Anja. Und das Schlimmste: ein Mörder geht in der Gegend um und verstümmelt seine Opfer, insbesondere auf die Augen hat er es abgesehen.

Vom Prolog weg erzeugt Roman Klementovic eine derart fesselnde Spannung, dass man das Buch kaum aus der Hand legen möchte. Gekonnt schildert er auf ruhige, aber eben doch packende Weise die Geschehnisse, welche großteils chronologisch ablaufen, da und dort aber auch mit klugen Vorgriffen und Rückblenden die Neugierde des Lesers anfachen. Zur Verfügung stehen Evelyns Blickwinkel und Anjas Tagebucheinträge, ob die daraus gezogenen Schlüsse wahr sind, ist allerdings immer wieder fraglich. Augenscheinliches und falsche Fährten verschwimmen derart miteinander, dass man bald nicht mehr weiß, was man für bare Münze nehmen darf. Insbesondere die Empfindungen und Gedanken Evelyns sind ausgesprochen gut spürbar, die anderen Figuren bleiben eher im Schatten, was sehr gut zur Handlung passt. Die Atmosphäre spiegelt sich durch das Waldstück hinter dem Haus und die lähmende Hitze bildlich wider. Und – was nicht zuletzt zum gelungenen Lesevergnügen beiträgt – das Ende, das ist ganz genau nach meinem Geschmack!

Kurzum: ein mitnehmender Schreibstil, der die unheilvolle Stimmung perfekt transportiert, eine kürzlich verwitwete Frau, der möglicherweise die Phantasie durchgeht, ein Mörder, der immer wieder brutal zuschlägt – ein hervorragender Thriller in gewohnter Klementovic-Manier. Lesenswert!

Bewertung vom 17.09.2024
Die Frauen jenseits des Flusses
Hannah, Kristin

Die Frauen jenseits des Flusses


ausgezeichnet

McGrath

Eine 20jährige Krankenschwester aus Coronado, Kalifornien, fasst den Entschluss, sich als Feldschwester für den Vietnamkrieg zu bewerben, nachdem schon ihr älterer Bruder Finley als Pilot in den Kampf gezogen ist. Erschütternd, was sie in den dortigen Evac-Hospitals erleben muss, aber ebenso erschütternd, was sie bei ihrer Rückkehr erwartet.

Frances McGrath, genannt Frankie, wird von Kristin Hannah dermaßen gut beschrieben, sodass man als Leser sofort an ihrer Seite ist und das Grauen im Kriegslazarett sowie ihre Rückkehr ins „zivilisierte“ Leben mit Gänsehaut mitverfolgen darf. Von 1966 an bis zum Jahre 1982 begleiten wir diese überaus mutige und unerschrockene Frau, welche sich stets verantwortlich fühlt für andere. In zwei große Abschnitte gegliedert, erzählt Teil Eins direkt aus dem vietnamesischen Kriegsgebiet, während sich Teil Zwei dem Leben „danach“ in Nordamerika widmet. Es ist nicht einfach, dieses herausragende Zeitzeugnis mit eigenen Worten zu bewerten, so realistisch, erschütternd und überaus gelungen sind die Darstellungen der Angriffe der Bomber, die auch Krankenhäuser nicht verschonen, der Verwundeten, welche schrecklich entstellt ins Evac-Hospital eingeliefert werden, der beschwingten Tanzabende im O-Club mit toller Musik, ohne die man vermutlich völlig verrückt geworden wäre in dieser ausweglos scheinenden Hölle. [Danke für die Nennung der Musiktitel, nicht nur an dieser Stelle!] Es ist bewegend, zu lesen, wie Frankie lernt, mit Situationen zurechtzukommen, auf die sie in keiner Weise vorbereitet worden ist, wie sie wächst an den Herausforderungen, welche über sie hereinbrechen. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, kann sie zwei Jahre später, zurück auf Coronado Island, kaum an ihr altes Leben anknüpfen, kämpft mit Vorurteilen, wird bespuckt und als „Babykiller“ beschimpft. Frauen können auch Helden sein? Frankie spürt nichts davon und Kristin Hannah erzählt schonungslos und realistisch, wie man mit einem Kriegstrauma weiterlebt.

Voller Emotionen, voller Leid und Schmerz, aber auch voller Freundschaft und Liebe steckt dieses herausragende Buch, das man kaum ohne Tränen in den Augen beenden kann. Ich habe einige Pausen gebraucht und bin immer noch mitgenommen von dieser Achterbahn der Gefühle. Unerwartete Wendungen haben diese nur noch weiter angefacht, die Spannung hält vom Anfang bis zum Ende, welches zum Glück noch Raum für eigene Spekulationen offen lässt. Ich bin überwältigt und kann diesen traurigen, aber dennoch hoffnungsvollen Roman nur weiterempfehlen.

Bewertung vom 16.09.2024
Die Frau in Rot (eBook, ePUB)
Conti, Giulia

Die Frau in Rot (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

In Turin

Der Po in Turin bringt mit seinem hohen Wasserstand eine Leiche mit, eine Frau im roten Kleid, die Frau eines stadtbekannten FIAT-Funktionärs. Als Alba, die Tochter der Toten, die Psychoanalytikerin Camilla di Salvo aufsucht, beginnt diese, Nachforschungen anzustellen, welche die Kriminalpolizei schon wieder beendet und den Fall als Selbstmord abgeschlossen hat.

In einer sehr angenehmen, fast sachlichen Schreibweise beleuchtet Giulia Conti diesen ungewöhnlichen Kriminalfall und versetzt den Leser zur Abwechslung in die interessante Stadt Turin, deren Einwohner als in sich gekehrt und wortkarg gelten. Mit Camilla schafft die Autorin eine unkonventionelle Figur, die einem ungeklärten Mord nachgeht und auf Okkultes ebenso stößt wie auf Spuren zu den bekannten Autoherstellern FIAT und BMW. Nicht zuletzt verschlägt es die zielstrebige junge Frau ins Aostatal, wo sie talentiert auf ihre Ski steigt. Sehr gut vorstellbare Charaktere, verzwickte Zusammenhänge und ein sympathischer Hund aus dem Tierheim lassen die Handlung kurzweilig dahingleiten, Schmankerl aus Italien und Bayern sorgen zwischendurch für den leiblichen Genuss. Die Spannung während des Lesens ergibt sich mitunter daraus, dass Camilla selbst an ihre Kindheit erinnert wird, sonst hätte sie wohl Alba an ihre Kollegin verwiesen und keine abenteuerlichen Fragen gestellt.

Ein erfrischender Kriminalfall, der wohltuend aus der Masse hervorsticht und Neugierde weckt auf weitere Episoden mit Psychoanalytikerin di Salvo.

Bewertung vom 15.09.2024
Hortensientage
Inusa, Manuela

Hortensientage


gut

Eigene Familiengeschichte

Ela hat eine ganz besondere Beziehung zu ihrer Oma Lisa und besucht die 87jährige mindestens jeden Mittwoch im Pensionistenwohnheim. Omas oft erzählte Geschichten von früher sind immer noch spannend und möglicherweise inspirieren sie Schriftstellerin Ela ja für ihren angedachten großen Liebesroman. Dafür will die Enkelin aber auch von weniger schönen Tagen hören, beispielsweise von Opa Werners Kriegsgefangenschaft in England.

Das Seniorenheim, Lisa und Ela bilden eine schöne Rahmenhandlung für Omas Erinnerungen, zwischendurch eingestreut wird das Leben von Oma Lisa und Opa Werner erzählt. Ela, die zwar Manuela (Inusa) heißt, aber kaum so genannt wird, beschreibt die Dinge aus ihrer Sicht in der Ich-Form und lässt die starke Nähe zu ihrer Oma auch im Buch deutlich spürbar werden. Das enge Band zwischen den beiden ist der rote Faden durch den Roman, das stets im Mittelpunkt steht und einen als Leser zu rühren vermag. Weniger gut gefallen mir Elas oftmals wiederholte Einwürfe, dass sie keinen großen Liebesroman zustande bringt, und wenn doch, gewiss keinen Verlag dafür finden wird. Einmal, vielleicht zweimal diese Befürchtung darzulegen, wäre völlig in Ordnung gewesen, die gebetsmühlenartige Wiederholung jedoch wirkt auf mich eher lästig. Ähnlich verhält es sich mit Elas Vater, der mitkommt und von Ela mit Nudeln bewirtet wird und mit dem Tagesablauf im Heim, der minutiös geschildert wird und sich im Kreise dreht. Die angekündigte „bewegende und außergewöhnliche Geschichte ihrer Großeltern Lisa und Werner“ (Verlagsinformation) rückt dadurch leider (zu) sehr in den Hintergrund.

Manuela Inusa erzählt interessante Dinge aus ihrer eigenen Familie, gibt viel Persönliches preis, dennoch habe ich mir hier mehr erwartet, mehr berührende Szenen aus der bewegten Vergangenheit ihrer Großmutter Lisa. Die Idee zum Buch gefällt mir wirklich gut, richtig berühren konnte es mich aber letztendlich nicht. Drei Sterne.

Bewertung vom 14.09.2024
Café Hawelka / Cafés, die Geschichte schreiben Bd.3
Wachter, Maria

Café Hawelka / Cafés, die Geschichte schreiben Bd.3


ausgezeichnet

Jössas na

Wien, 1945: Der Krieg ist aus, Else wagt sich aus dem Luftschutzkeller und wird, da sie völlig allein ist, kurzerhand von Frau Hawelka und deren zwei Kindern mit nach Hause genommen. Aber wo steckt Fritzi nur, Elses kleine Schwester?

1968: Jusstudentin Jutta verbringt gerne ihre Nachmittage mit Lernunterlagen im Café Hawelka, das vielen zum „zweiten Wohnzimmer“ geworden ist. Warum ihre Mutter Else allerdings so gut mit Frau Hawelka befreundet ist, weiß sie nicht. Gibt es da irgendwelche Geheimnisse?

Ein herzzerreißender Prolog, dann ein Schwenk ins Jahre 1968 zu Jutta und dem legendären Café Leopold Hawelka, das ein kleines, feines Stück Wiener Kultur darstellt. Unter anderem hat man dort Georg Danzer, Friedensreich Hundertwasser, Friedrich Torberg oder Oskar Werner angetroffen. Frisch gebackener Apfelstrudel und flaumige Buchteln zum Kaffee duften verführerisch zwischen den Zeilen hervor, während das Wiener Flair in beiden Zeitebenen von Maria Wachter gekonnt eingefangen ist. Da geht es einerseits um die Jahre nach dem Krieg, ums Überleben und einen Neubeginn, den die Familie Hawelka mit ihrem gemütlichen, verrauchten Kaffeehaus gekonnt meistert und andererseits um eine energische junge Frau Ende der 1960er-Jahre, welche ihr starres Weltbild bezüglich der Judenverfolgung neu überdenkt.

Die entsprechende Atmosphäre in jeder einzelnen Szene ist spürbar dargestellt, schnell versinkt man ganz ins Wien längst vergangener Tage, erlebt mit Else die Phase der Besatzung und des Schwarzmarktes, spaziert mit Jutta in eine Zeit der Gleichberechtigung. Viele Details lassen die fiktive Geschichte lebendig werden. Authentische Ausdrücke wie das Zuckertazzerl zum Kaffee oder ein „Krewegerl“ (schwächliches Geschöpf), sowie das in Wien gebräuchliche „Jössas na“ (siehe auch Georg Danzer) runden die bildhafte Sprache von Maria Wachter gut ab und spiegeln das reale Leben ausgezeichnet wider.

Ausdrucksstarke Figuren, ein realer Hintergrund mit bestens recherchierten Einzelheiten und eine bewegende Romanhandlung ergeben dieses unterhaltsame und informative Portrait einer Familiengeschichte, welche eng verwoben ist mit dem legendären Wiener Kaffeehaus Hawelka. Ein beeindruckendes Buch, welches ich sehr gerne gelesen habe und daher ebenso gerne weiterempfehle! Fünf Sterne!

Bewertung vom 10.09.2024
Das Schweigen der Geliebten
Edenberg, Sophie

Das Schweigen der Geliebten


ausgezeichnet

Unheilvolle Ferien

Rolf und Karolin lassen sich scheiden, die Osterferien werden schon mit Rolfs neuer Flamme Mischa und seinen Kindern Elly und Matteo in einem abgeschiedenen Häuschen im steirischen Nationalpark Gesäuse verbracht, während Karolin mit ihrer besten Freundin Nina in Bad Tatzmannsdorf die Thermenwelt genießen möchte. Aber an Urlaubsstimmung ist da wie dort nicht zu denken, alles kommt ganz anders, denn Mischa wird von ihrer Vergangenheit eingeholt.

Ein hübsches Haus im 13. Wiener Gemeindebezirk, vom Architekten Rolf selbst entworfen, zwei nette Kinder, ein angenehmes Leben, das Karolin führt. Was nach außen hin perfekt aussieht, ist in Wahrheit allerdings nur noch ein Wunsch, die trügerische Idylle zu bewahren. Ein kleiner Fehltritt scheint endgültig alles zum Einsturz gebracht zu haben. Die Geschichte beginnt also damit, dass die Osterferien angetreten werden, und schon da läuft nichts nach Plan.

Sophie Edenberg versteht es großartig, jede einzelne Szene mit der entsprechenden Atmosphäre auszustatten, ihre Figuren überaus realistisch und lebendig auftreten zu lassen. Man spürt von Anfang an das aufkeimende Unheil, ohne jedoch konkret zu wissen, was sich später ereignen wird. Die meisten Kapitel sind in der Ich-Form verfasst und stellen somit eine unmittelbare Nähe her zu der Person, welche gerade ihren Blickwinkel darlegt, dazwischen wird noch von einem „Mann“ erzählt. Somit erhält der Leser ein sehr umfassendes Bild zur Handlung, erfährt manches aus mehreren Sichtweisen und tappt dennoch im Dunklen, da niemand alles preisgibt, was er weiß. Ein ausgezeichnet angelegtes Buch, in dem wenig ist, wie es scheint und trotz der überschaubaren Figurenzahl Verwirrung gestiftet wird.

Eine passende österreichische Kulisse (sehr gut vorstellbar, wenn man die Gegenden kennt), Spannung und Psychospielchen – gekonnt kombinierte Puzzlestücke für packende Lesestunden!

Bewertung vom 07.09.2024
Deine größte Angst (eBook, ePUB)
Bürgel, Matthias

Deine größte Angst (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Amokfahrt

Gleich am 1. Dezember wird die besinnliche und zauberhafte Stimmung des festlich beleuchteten Weihnachtsmarktes in Konstanz jäh beendet und durch einen irren Amokfahrer in ein schreiendes und unfassbares Blutbad verwandelt. Etliche Todesopfer und Verletzte fordert dieses schreckliche Attentat, acht Traumatisierte werden in den folgenden Tagen durch den Fallanalytiker und Therapeuten Falk Hagedorn in einer Selbsthilfegruppe begleitet. Dabei gerät dieser selbst an seine Grenzen, hat er doch in seiner Vergangenheit schon mehr als genug verkraften müssen. Obwohl er seinen Freund, den Ersten Kriminalhauptkommissar Marius Bannert, in diesem Fall nicht unterstützen möchte, wird er doch sehr schnell in die Sache hineingezogen.

Mit schockierenden, aber dennoch überaus berührenden Szenen beginnt dieser vierte Band der Serie rund um Hagedorn. Mit vielen lebendigen Eindrücken zieht Matthias Bürgel seine Leser sofort in den Bann der Geschehnisse und lässt diese bis zur letzten Seite nicht mehr los. Bildhafte Vergleiche und detailliert beschriebene Momente beherrschen – wie auch schon in den spannenden ersten drei Teilen – die Handlung, welche nicht nur einen authentischen Kriminalfall beleuchtet, sondern auch tief hinter die Kulissen einzelner Persönlichkeiten blickt. Wer Hagedorn, Bannert und Adler bereits kennt, wird sich rasch wieder in deren Umfeld zurechtfinden, für Neueinsteiger gibt es aber genügend Informationen, um die sehr realistisch gezeichneten Charaktere einschätzen zu können. Besonders die Nähe zu den handelnden Figuren, welche Bürgel aufzubauen vermag, finde ich überaus gelungen, als Leser fühlt man sich somit stets mitten drinnen im Geschehen. Zwischen den aktuellen Verlauf der Handlung von Anfang Dezember bis Ende Februar fügt der Autor immer wieder Kapitel aus der Vergangenheit ein, welche das Tatmotiv erklären und verständlich werden lassen. Ohnehin ist die Suche nach dem Amokfahrer sehr aufregend, aber am Ende spitzt sich das Ganze nochmals so zu, dass man mit dem Buch in Händen den Atem anhält und mit gespannten Nerven der Auflösung harrt.

Da der Schriftsteller selbst in verschiedenen Bereichen der Kriminalpolizei tätig ist, fließt viel von seiner Erfahrung in diesen fiktiven Fall mit ein und führt zu größtmöglicher Authentizität. Die Themenvielfalt von Mobbing, Traumaverarbeitung über politische und polizeiliche Strukturen und Arbeitsweisen bis hin zum Datenschutz ist groß und führt dazu, dass auch dieser Fall überaus kurzweilig, interessant und fesselnd zu lesen ist. Während mir Hagedorn am Grabe seiner Tochter das Gefühl vermittelt, dass die Reihe noch nicht zu Ende ist, weist das Nachwort mit der Auszeit für den Fallanalytiker eher auf das Gegenteil hin. Dies fände ich sehr schade, sind mir die lebensnah charakterisierten Figuren doch über die Jahre sehr ans Herz gewachsen.

Ein lebendiger, mitnehmender Schreibstil, eine logisch durchdachte und nachvollziehbare Handlung – auch dieser neue Fall ist – ebenso wie die bisherigen – eine Leseempfehlung wert! Ich gebe gerne und voller Überzeugung fünf Sterne und hoffe auf weitere Kriminalromane oder Thriller aus der Feder Matthias Bürgels.

Bewertung vom 05.09.2024
Genau so, wie es immer war
Lombardo, Claire

Genau so, wie es immer war


gut

Bewegtes Leben

Julia Ames ist seit über 30 Jahren mit ihrem Mann Mark zusammen, zwei erwachsene Kinder gehören zum Familienglück. Doch nach einer unerwarteten Nachricht von Sohn Ben und Tochter Julias Plan, fürs College auszuziehen, fühlt sich Julia alleingelassen und leer. Wir blicken zurück auf ihr bisheriges Leben und das Gefühl von Familie.

Erzählt wird diese ausführliche Geschichte aus dem Blickwinkel von Julia, aber nicht in der Ich-Form, sondern mittels auktorialer Erzählweise. Wir steigen ein im Jetzt, wechseln aber sehr häufig, teils als Erinnerung Julias, teils als Rückblende ohne Ankündigung, zu unterschiedlichen früheren Ereignissen, wobei man nicht selten während der ersten Zeilen eines neuen Kapitels überlegen muss, zu welchem Zeitpunkt die Szene denn angesiedelt ist. So springen wir kreuz und quer durch Julias Leben und erfahren nach und nach, warum es ihr gerade so geht, wie es eben zu lesen ist. Berührende Momente, andere, welche eher verwundern, aber mitunter auch solche, die einem ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern, werden da präsentiert. Man fühlt sich schnell mitten in einem Leben, das tatsächlich so abgelaufen sein könnte, und doch wirkt die Geschichte aufgrund vieler Seitenstränge und Ausschweifungen dann nicht ganz so stimmig und flüssig, wie sie sein könnte.

Interessant, aber an vielen Punkten zu langatmig. Drei Sterne.

Bewertung vom 02.09.2024
Und morgen wieder schön
Sand, Marie

Und morgen wieder schön


sehr gut

Mehr als eine Friseurin

Amanda Lennart lernt im Salon ihrer Mutter das Handwerk einer Friseurin. Das allerdings füllt sie nicht aus, Amanda möchte das Schöne ihrer Kundinnen noch mehr zum Leuchten bringen und reist mit ihrem Skizzenbuch nach Paris. Als sie dem berühmten Karl Lagerfeld ihre Ideen unterbreitet und die Eleganz und Anmut seiner Kollektionen mit den passenden Frisuren noch mehr herausstreichen möchte, erfährt sie seine brüske Ablehnung. Allerdings darf sie bei seinem Coiffeur in die Lehre gehen. Viele Entbehrungen und Hürden später frisiert sie zwar die High Society, aber ihre Freundin erkrankt noch jung an Brustkrebs – und verliert ihre Haare …

Gefühlvoll und ohne falsches, schmeichelndes Mitleid erzählt Marie Sand diese großartige Geschichte in zwei Abschnitten: Paris einerseits und Berlin andererseits sind die Schauplätze für Amandas Lernen und Handeln. Wenige Figuren prägen die Szenen, lebendig werden die Schwierigkeiten dargestellt, welche den Weg des anfangs noch nicht einmal volljährigen Mädchens kreuzen. Mit einer Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht, schreibt Marie Sand über all die Qualen Amandas hinweg, richtet den Blick ihrer Protagonistin stets nach vorne. Obwohl sämtliche Figuren durch ein tiefgängiges Portrait charakterisiert sind, konnten sie mich dennoch nicht vollends fesseln, was schade ist, aber gewiss nicht an der Schreibkunst der Autorin liegt, denn andere Bücher von Marie Sand haben mich zutiefst bewegt.

Ein ungewöhnliches Buch, welches Mode und Kunst in Paris perfekt verknüpft mit schicksalhafter, schwerer Krankheit und dem verblühenden Selbstverständnis von Frauen, welche ihre Haarpracht dem Krebs opfern müssen. Dass es auch anders geht, dass eine Friseurin mehr tun kann, als mit der Schere zu klimpern, zeigt jene empathische Frau, welche Amanda Patin gestanden ist. Leseempfehlung!