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Benutzername: 
Waterlilly
Wohnort: 
Bayern

Bewertungen

Insgesamt 102 Bewertungen
Bewertung vom 18.02.2023
Morgen, morgen und wieder morgen
Zevin, Gabrielle

Morgen, morgen und wieder morgen


ausgezeichnet

Ohne den Klappentext zu kennen und auf den ersten Blick wirkte „Morgen, morgen und wieder morgen“ wenig ansprechend auf mich. Der Titel ist durch seine Überlänge sehr sperrig und das Cover wirkt völlig überladen, ohne dass die Augen an einem bestimmten Punkt hängen bleiben. Da der Roman im Internet zur Zeit sehr gehypt wird, war ich neugierig genug, um doch etwas genauer hinzuschauen und wow – all die Lobeshymnen sind völlig gerechtfertigt! Es ist die Art Buch, nach dessen Beendigung man Abschiedsschmerz fühlt und sich nicht vorstellen kann, in naher Zukunft etwas zu lesen, was einen so mitreißen wird. Es ist Februar aber ich kann sicher sagen, dass der Roman auf meine Highlights 2023 Liste kommen wird.
Die Autorin Gabrielle Zevin entführte mich in eine mir unbekannte Welt, nämlich in die des Gaming. Auch wenn man, so wie ich, überhaupt keine Ahnung von Computerspielen hat, kann man der Handlung und den Beschreibungen mühelos folgen.
Sam und Sadie lernen sich als Kinder kennen. Beide sind eher introvertierte Menschen, die außer einander wenig bis keine Freund haben. Was ihre Freundschaft ausmacht sind nicht persönliche Gesprächen, sondern viele Stunden Computerspiele und da Fachsimpeln darüber. Durch einen unbedachten Fehler bricht der Kontakt für einige Jahre ab, bis sich Sam und Sadie als Studenten zufällig erneut begegnen. Noch immer verbindet sie das Zocken und aus einer Laune heraus, entwickeln sie ein Spiel zusammen, was den Auftakt einer steilen Karriere markieren soll.

Das Buch kommt mit relativ wenigen Charakteren aus. Neben Sadie und Sam stehen vor allem der gemeinsame Freund und Partner Marx und der Dozent Dov im Zentrum.
Das Dreiergespann Sam, Sadie und Marx lebt und arbeitet zusammen und hat sich seinen eigenen Kosmos erschaffen, zu dem Außenstehende wenig Zutritt bekommen.
Sadie ist ein eher schwierige Person, ewig am lamentieren und ewig davon überzeugt, dass sie benachteiligt wird. Die Geschichte beschreibt aber auch gut, wie schwierig es in den 90er Jahren war, sich als Frau in der Gamingbranche zu behaupten, da diese zu der Zeit von Männern dominiert wurde.
Die Freundschaft zwischen Sadie und Sam ist der zentrale Punkt des Romans, auch wenn es alles andere als eine Bilderbuchfreundschaft ist. Bis auf in seltenen Ausnahmen reden die beiden nie über das, was sie wirklich bewegt und so staut sich eine Menge Ärger und Missgunst an. Es ist klar, dass sich all der Frust irgendwann entladen muss. Oft fand, ich, dass Sadie Sam netter behandeln sollte.
Sam hat bereits als Kind viel durchgemacht. Seine Mutter ist früh gestorben und er wurde bei einem Unfall schwer verletzt. Er hat wenig Kontakt zu Außenwelt und ist gerne für sich, ein typischer Nerd, aber auch sehr liebenswert.
Was dieses Buch so großartig für mich gemacht hat, war der unglaublich echte und mitreißende Schreibstil der Autorin. Bereits ab der ersten Zeile bin ich völlig in die Geschichte eingetaucht.
Es gibt Momente, die witzig sind, andere Stellen stimmen nachdenklich und es gibt auch traurige Augenblicke.
Als ein Charakter stirbt, beschreibt Gabrielle Zevin den Moment des Todes mit Metaphern aus der Gamingwelt. Es ist so schön ausgedrückt und gleichzeitig zutiefst bewegend und tragisch.
Auch der Schluss des Romans ging mir völlig unter die Haut, denn die Geschichte endet auf eine bittersüße Weise, die trotz all dem Verlust und Schmerz auch eine Funken Hoffnung sät. Ich wollte lachen und weinen gleichzeitig.
5 Sterne erscheinen mir als Bewertung noch zu wenig. Am liebsten würde ich 10 vergeben, denn „Morgen, morgen und wieder morgen“ hat mich wirklich völlig geflasht.

Bewertung vom 18.02.2023
Die Klinik / Erdmann und Eloglu Bd.2
Borck, Hubertus

Die Klinik / Erdmann und Eloglu Bd.2


sehr gut

„Die Klinik“ ist der zweite Teil einer Thrillerreihe von Hubertus Borck. Den ersten Band „Das Profil“ kenne ich nicht, aber man kann die Bücher problemlos auch einzeln lesen.
Das Ermittlerteam war mir ausgesprochen sympathisch. Franka Erdmann ist eine 59-jährige Kettenraucherin, die gerade versucht, von Energydrinks loszukommen. Sie wirkt auf den ersten Blick spröde, aber sie hat einen starken Gerechtigkeitssinn und hält auch dann noch an ihrem Fall fest, als ihre Vorgesetzten aufgeben wollen.
Ihr Partner Alpay Eloğlu steht noch am Anfang seiner Karriere. Er hat ein sehr enges Verhältnis zu seinen Eltern und macht sich häufig Gedanken, ob Franka ihn wohl akzeptiert.
Trotz des großen Altersunterschieds geben Franka und Alpay ein gutes Team ab. Alpay weiß, wie man Contra gibt und lockt die eher introvertierte Ermittlerin aus der Reserve. Die Unterhaltungen haben oft einen unterhaltsamen Unterton und zeugen von einem guten Arbeitsklima.
Der aktuelle Fall hat es in sich. Eine Witwe stellt Strafanzeige, da sie davon überzeugt ist, dass ihr Mann auf der Intensivstation ermordet wurde. Ist sie einfach nur verzweifelt oder ist an ihren Anschuldigen wirklich etwas dran?
Autor Hubertus Borck wechselt innerhalb eines Kapitels zwischen drei Erzählperspektiven.
Neben Franka und Alpay gibt es einen weiteren Handlungsstrang aus Sicht der Witwe Anna und einen dritten über die Krankenschwester Mecki, die Sterbehilfe für sich selbst neu definiert hat.
Durch die schnellen Wechsel ist die Handlung kurzweilig und abwechslungsreich.
Am Anfang gab es noch eine Vergangenheitshandlung, die Zeitsprünge fand ich etwas verwirrend, aber nach ein paar Kapiteln bleibt die Geschichte in der Gegenwart und ich hatte keine Probleme mehr, den Überblick zu behalten.
Der Autor benennt bereits auf der ersten Seite eine Täterin. Wir lernen sie mit ihrem Namen kennen, wir begleiten sie bei ihren Taten und bekommen Einblicke in ihre Gedankengänge und Beweggründe.
Ich fand es interessant und gleichzeitig beängstigend, wie einfach es für sie war, Patienten heimlich Medikamente zu verabreichen.
Im ersten Viertel dachte ich noch, okay, dass ist fesselnd, aber so richtig spannend kann es eigentlich nicht werden, denn wir wissen ja, wer hinter den Verbrechen steckt.
Doch dann baut der Autor sehr gekonnt einen Plottwist ein und baut den Thriller vielschichtiger aus, als man an Hand des Klappentextes meint.
Ich muss allerdings sagen, dass ich diese neue Entwicklung auch sehr vorhersehbar fand und mir schon lange vor dem Finale klar war, wie es ausgehen wird.
Auch war mir am Ende Mecki ein wenig zu außer Rand und Band. So viele Jahre war sie so vorsichtig und überlegt, dass ihr niemand auf die Schliche kam und plötzlich wirft sie all das über Bord und legt es quasi darauf an, geschnappt zu werden.
Dass Alpays Vater im Verlauf der Handlung selbst auf die Intensivstation kommt, gibt der Geschichte zwar ein besonders persönliche Note, aber insgesamt war mir das letzte Drittel einfach zu konstruiert.
Mein Fazit ist, dass „Die Klinik“ zwar kein Thriller ist, der mir besonders in Erinnerung bleiben wird, der mich während des Lesens aber ganz gut unterhalten hat.

Bewertung vom 28.01.2023
Grenzfall - In der Stille des Waldes / Jahn und Krammer ermitteln Bd.3
Schneider, Anna

Grenzfall - In der Stille des Waldes / Jahn und Krammer ermitteln Bd.3


sehr gut

„In der Stille des Waldes“ ist mittlerweile der dritte „Grenzfall“ Krimi von Anna Schneider. Ich finde diese Reihe super und auch das neue Buch hat mir wieder sehr gefallen.
Wie es schon der Titel vermuten lässt, geht es mitten hinein, in die Natur, in den Wald. Die Autorin beschreibt originalgetreu die Landschaft. Idyllisch und rau gleichzeitig. Wald, Berge, Almen... dass ist genau meins und man kriegt wirklich Lust, sich wie Alexa und Jan auf eine Wanderung zu begeben.
Neben der tollen Atmosphäre liefert die Anna Schneider dieses Mal gleich zwei verzwickte Fälle. Während Alexa die Gegend nach einem Zeugen durchkämmt, wird Krammer in Österreich mit einem höchst merkwürdigen Fall konfrontiert. Zunächst ist es nur ein ausgestopfter Dachs mit einer kryptischen Nachricht im Maul, doch schon bald stößt Krammer auf menschliche Leichen...
Was mir an diesem Band wirklich gut gefallen hat, war der gruselige Unterton. Wenn man sich auf die Geschichte einlässt und sich eindenkt, dann löst jeder einzelne Aspekt Beklemmungen aus.
Alexa und Jan, die teilweise fern vom Handynetz durch einsames Gelände wandern (besonders anschaulich fand ich hier die Wolfsschlucht) oder Krammers Recherchen, die ihn ins Tiermuseum, zum Tierpräperator und ins Krematorium führen.
Zwischendurch gibt es immer wieder kurze Kapitel aus der Sicht einer ominösen „Sie“ und einem „Er“, die in Andeutungen grausame Szenarien beschreiben. Diese Einschübe fand ich besonders unheimlich, weil es lange Zeit undurchschaubar ist, um wen es sich handelt und zu welchem Fall die Personen gehören.
Krammers Fall ist definitiv sonderbarer. Die Autorin hat sich hier in Sachen Tod und Motiv wirklich etwas sehr außergewöhnliches überlegt.
Alexa wiederum ist dieses Mal nicht offiziell im Dienst. Aufgrund ihrer Verletzung und den Ereignissen aus Band 2 ist sie krankgeschrieben. Doch als sich ihr früherer Kollege und Schwarm Jan meldet und den Verdacht äußert, dass ihnen bei einem wichtigen Fall ein Fehler unterlaufen sein könnte, schließt sie sich ihm an.
In diesem Buch lernen wir Alexa noch besser kennen. Ihre Zweifel und Gefühle sowie ihren Ehrgeiz konnte ich gut nachvollziehen.
Was ich allerdings absolut schade fand war, dass Krammer und Alexa noch weniger Kontakt hatten als in Band 2. Die persönliche Beziehung zwischen den beiden hat sich seit Teil 1 nicht mehr weiterentwickelt. Dieses Mal gab es noch nicht mal eine berufliche Verbindung, denn die beiden Fälle stehen in keinem Zusammenhang. Dabei heißt die Reihe doch extra „Grenzfall“. Für Teil 4 hoffe ich sehr auf mehr Interaktionen zwischen den beiden Protagonisten. Der nächste Fall wird sicherlich sehr persönlich werden, wie es der mega Cliffhanger bereits verrät. Ich kann es kaum fassen, dass ich nun ein Jahr warten muss, bevor ich erfahre, wie es weitergeht.

Bewertung vom 22.01.2023
Bissle Spätzle, Habibi?
Alaoui, Abla

Bissle Spätzle, Habibi?


ausgezeichnet

Der Klappentext von „Bissle Spätzle, Habibi?“ hat mich sofort angesprochen, da es nach einer modernen, romantischen Komödie klang. Die Autorin schreibt frei von der Leber weg und spricht thematisch vermutlich vor allem ein Publikum zwischen 25 und 45 an.
Ich denke, wer selbst gerne auf Social Media, bei Prominews etc. unterwegs ist, wird sich hier wohlfühlen.
Der Roman ist in der Ich-Form aus Sicht der Schauspielerin Amaya geschrieben. Sie ist seit mehreren Jahren bei der Telenovela „Turm der Liebe“ (hihi, witzige Anspielung). Als Älteste von drei Geschwistern ist sie immer wieder Kommentaren und Verkupplungsversuchen von ihrer Mutter ausgesetzt. Ihre Eltern wünschen sich nichts mehr, als dass ihre 30-jährige Tochter endlich einen guten, muslimischen Ehemann findet.
Die Autorin beschreibt anschaulich und für mich realistisch, den Spagat, in dem Amaya sich befindet. Sie liebt ihre Familie und ihre Herkunft. Nur leider lässt sich ihr westlich geprägter Lebensstil nicht immer mit ihren marokkanischen Wurzeln vereinbaren.
Bisher dachte sie, ihr schlimmstes Geheimnis wäre, dass sie heimlich Alkohol trinkt. Doch als sie sich in den Schwaben Daniel verliebt, erreicht ihr Zwiespalt das nächste Level. Sie weiß einfach nicht, wie sie ihren Freund in die Familie einführen soll.
„Bissle Spätzle, Habibi“ ist nicht ganz so komödiantisch, wie ich es mir zu Beginn des Romans vorgestellt hatte. Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto ernstere Töne schlägt die Autorin an, denn Amayas Verzweiflung wächst mit jedem Kapitel.
Daniel ist ihr Traummann. Er respektiert ihren Glauben und ihre Entscheidung, ihn geheim zu halten. Doch nach über einem Jahr Beziehung spürt Amaya, wie sich bei Daniel Frustration einstellt.
Parallel zur Handlung in der Gegenwart gibt es immer wieder kurze Rückblenden in Amayas Jugend. Diese Rückblenden tragen dazu bei, besser zu verstehen, warum sie so eine immense Angst vor der Ablehnung ihrer Eltern hat. Auch wenn ich wirklich mit Daniel mitgelitten habe und es nicht fair war, seine Gefühle so lange zu verletzten, konnte ich doch nachvollziehen, warum Amaya so handelt.
Diese Buch hat tolle Charaktere. Neben Amaya und Daniel machen insbesondere auch Klara, Ismael und Daniels Eltern Spass.
Ich fand den Roman super, auch wenn er anders als gedacht war. Zwar weniger witzig, aber dafür auch mit mehr Tiefgang als man allein von Titel und Covergestaltung her erwartet. Abla Alaoui hat auf jeden Fall Talent und ich hoffe, dass nach diesem Debüt noch mehr kommen wird.

Bewertung vom 13.01.2023
Cäcilias Erbe / Gut Erlensee Bd.2
Weinberg, Juliana

Cäcilias Erbe / Gut Erlensee Bd.2


ausgezeichnet

Vom Klappentext her könnte man meinen, „Gut Erlensee – Cäcilias Erbe“ ist ein eigenständiger Roman. Tatsächlich empfiehlt es sich aber, „Margaretas Traum“ zuerst zu lesen. Dieses Mal steht zwar Cäcilia im Mittelpunkt, aber man versteht die familiären Zusammenhänge mit dem Vorwissen aus Band 1 einfach besser,
Cäcilia war mir nochmal sympathischer als Margareta. Schon ewig hat sie davon geträumt, als Lehrerin zu arbeiten. Nun hat sie ihre Prüfung bestanden und müsste eigentlich am Ziel ihrer Träume sein. Doch für eine junge Frau voller Ambitionen ist es nicht leicht, in einer Dorfschule akzeptiert zu werden. Nicht jeder kann mit ihren fortschrittlichen Ansätzen etwas anfangen und so eckt sie bei manchen Menschen immer wieder an. Hinzu kommt, dass sie sich in den Physiker Jakob verliebt, doch in den 20er Jahren war es für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen nicht erlaubt, zu heiraten.
Die Bücher der Gut Erlensee Reihe sind für mich tolle Unterhaltungsromane, in die ich völlig abtauchen kann. Ich mag den Schauplatz. Das Landleben und das Pferdegestüt werden sehr idyllisch beschrieben und ich fühle mich in dieser Umgebung wohl. Die Geschwister Lamprecht und die Oma sind Menschen, die man einfach lieben muss. Die Liebesgeschichte zwischen Cäcilia und Jakob fand ich sehr romantisch und Jakob wurde durch seine verständnisvolle, ruhige Art sehr schnell zum Traummann. Ich fand ihn selbst so toll, dass ich mir manches Mal dachte, Cäcilia möge doch einfach ihren Beruf über Bord werfen. Gleichzeitig ist es natürlich nachvollziehbar, dass sie genau das nicht wollte, mit welchem Recht diktierte die Gesellschaft damals auch Frauen vor, dass Lehrerinnen im Zölibat leben müssen.
Die Geschichte ist sehr abwechslungsreich und ein Ereignis wechselt das nächste ab. Für mich war war „Cäcilias Erbe“ ein Wohlfühlroman, der mir sehr gefallen hat. Es ist bereits ein dritter Band über Marilla angekündigt und ich hoffe sehr, dass die Reihe insgesamt 5 Teile bekommen wird, denn auch auch Gregor und Carla bieten noch genug Stoff für eigene Bücher.

Bewertung vom 02.01.2023
Wintersterben
Krüger, Martin

Wintersterben


ausgezeichnet

Zu „Wintersterben“ von Martin Krüger habe ich gegriffen, da der Klappentext passend zur aktuellen Jahreszeit klang und da ich gerne Bücher lese, die in den Bergen spielen.
Ich habe mich auf den Thriller gefreut, womit ich allerdings nicht gerechnet hatte war, dass ich hier mein Monatshighlight finden werde.
Martin Krüger hat mich schwer begeistert. Er baut von Anfang an eine mystische Stimmung auf. In einer Berghöhle wird eine Leiche gefunden. Der Sage nach gehen ältere Dorfbewohner in diese Höhlen um zu sterben. In diesem Fall handelt es sich allerdings um ein Mordopfer.
Die Gegend, in die Valeria Ravelli von Interpol geschickt wird, ist sehr abgeschieden. Das Wetter ist dauerhaft regnerisch und neblig und die Einwohner scheinen allesamt Geheimnisse zu haben und wirken sehr verschroben.
Valeria ist eine sympathische, mutige Frau. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste alleine in diesem Dorf sein, in dem jeder auf die eine oder andere Art irre zu sein scheint, wäre mit blutigen Puppen, Feuer und immer neuen Leichen konfrontiert, ich würde schnellstmöglich das Weite suchen.
In jedem Kapitel von „Wintersterben“ werden weitere Geheimnisse aufgedeckt. Ich fand die Idee, dass sich ein ganzes Dorf zusammenschließt und gemeinsam verrückte Phantasien umsetzt sehr fesselnd und gruselig.
Sehr gelungen war auch die Figur des Comte, einem reichen Geschäftsmann, der auf einem abgeschiedenen Anwesen lebt und glaubt, mit Geld alles kaufen zu können.
Martin Krüger hat sich wirklich einen abgefahrenen Plot einfallen lassen, von dem ich hier nicht zu viel verraten möchte.
Langeweile kommt bei diesem Thriller für keine Sekunde auf. Manchmal kam ich allerdings nicht umhin, zu hinterfragen, wie realistisch all das sein kann. Valeria wird mutterseelenallein in dieses Dorf geschickt. Ihr Partner verfolgt eine andere Spur im Ausland. Ihr Vorgesetzter kontaktiert sie nie. Auch fordert sie erst sehr spät Verstärkung an und gibt nicht wirklich Bescheid, wenn sie sich in offensichtliche Gefahrenzonen begibt. Teilweise klingt die Handlung also sehr an den Haaren herbeigezogen, worüber ich wegen des hohen Unterhaltungswerts allerdings gerne hinwegsehe.
„Wintersterben“ endet mit einem Cliffhanger hinsichtlich Valerias Privatleben, der mich sehr auf eine Fortsetzung hoffen lässt. Gerne auch mit mehr persönlichen Interaktionen zwischen Valeria und ihrem Kollegen Bain!

Bewertung vom 02.01.2023
Kuckuckskinder / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.11
Läckberg, Camilla

Kuckuckskinder / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.11


ausgezeichnet

Als ich in der Verlagsvorschau gesehen habe, dass Camilla Läckberg einen 11. Fjällbacka Krimi geschrieben hat, war ich super überrascht und erfreut. Da sie sich in den letzten Jahren anderen Schreibprojekten gewidmet hat, dachte ich, diese Reihe sei abgeschlossen.
Es war also klar, dass ich „Kuckuckskinder“ direkt lesen muss.
Zunächst dauerte es ein paar Seiten, bis ich mich in der Geschichte zurechtfand. Dies lag daran, dass die Autorin in sehr kurzen Abständen zwischen den Charakteren hin und her wechselt. In der Regel alle 2 bis 4 Seiten. Diese Wechsel sind nicht gekennzeichnet, nach einer einfachen Leerzeile geht es direkt weiter. Deswegen muss man sich am Anfang besonders konzentrieren, um den Überblick zu behalten. Hat man die Personen und deren Namen erst einmal verinnerlicht, gelingt die Orientierung mühelos.
Dieser Fall findet im unmittelbaren Umfeld von Kriminalpolizist Patrik und seiner Ehefrau, der Schriftstellerin Erica, statt. An einem Abend feiern sie noch unbeschwert als Gäste auf einer goldenen Hochzeit und am nächsten Morgen wird eine Leiche gefunden. Das Mordopfer Rolf war auch zur Feier eingeladen, hatte aber abgesagt. Nur kurz danach gibt es in genau diesem Freundeskreis ein weiteres Massaker.
Während das Team um Patrik die Ermittlungen aufnimmt, reist Erica nach Stockholm um für ihr neues Buch zu recherchieren. Thema ist der Mord an Lola und ihrer Tochter Pytte in den 80er Jahren, die damals ebenfalls mit Rolf und seiner Clique befreundet war.
Grundsätzlich ist „Kuckuckskinder“ ein ruhiger Krimi, teilweise eher ein Familienroman. Trotzdem gelingt es der Autorin, eine konstante Spannung Aufrecht zu erhalten. Sie ermöglicht ihren Lesern, eine Beziehung zu den Charakteren aufzubauen. Insbesondere die Rückblenden zu Lola fand ich extrem fesselnd. Sie und Pytte sind so liebenswerte und interessante Menschen, dass man es kaum fassen kann, dass ihnen so ein schreckliches Schicksal widerfahren ist.
Der Freundeskreis, bestehend aus Leuten aus der Kunstszene, ist bei Weitem weniger sympathisch. Diese Menschen halten sich für besonders privilegiert und macht fast ein wenig Spaß zu sehen, wie die nach außen so enge Freundschaft, mit jeder schmutzigen Enthüllung mehr auseinander fällt.
Der Schluss von „Kuckuckskinder“ hat es wirklich in sich. Die Spannung erreicht ihren Höhepunkt und auch die Erschütterung beim Leser über den sinnlosen Tod von Lola.
Camilla Läckberg ist ein toller Krimi über Geheimnisse, die einen irgendwann einholen, gelungen.
Auch das Privatleben von Erica und Patrik nimmt eine neue Wendung und ich bin frohen Mutes, dass ein weiterer Band geplant ist.

Bewertung vom 17.12.2022
Was wir verbergen / River Delta Bd.2
Tuominen, Arttu

Was wir verbergen / River Delta Bd.2


gut

„Was wir verbergen“ ist der zweite Band von Arttu Tuominens Krimiserie, die in sich abgeschlossen ist.
Finnland wird von einem religiösen Fanatiker heimgesucht, der sich selbst „Der Gesandte“ nennt und vorgibt, im Namen Gottes die Welt von Homosexuellen zu reinigen. Nach einem sehr brutalen Anschlag auf einen Nachtclub sendet der Täter mehrere Videobotschaften und versetzt die Polizei in Daueralarmbereitschaft.
Die Bevölkerung ist gespalten, es kommt zu gewalttätigen Ausschreitungen. Die Stimmung unter den Bürgern bekommt fast genauso viel Raum, wie der Attentäter selbst. Einerseits ist es erschreckend, dass ganz Europa mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hat. Die homophoben Aussagen mit denen die Menschen gegeneinander aufgewiegelt werden, könnten genauso in Deutschland fallen. Das Buch ist thematisch also sehr aktuell. Mir war es teilweise zu dicht an der Realität. Wenn ich Demonstrationen, Hass und Ausschreitungen sehen will, muss ich nur den Fernseher einschalten. In einem Buch, welches ich zur Entspannung lese, brauche ich eigentlich keine Fortsetzung der Nachrichten.
Sehr fesselnd fand ich die Kapitel aus Sicht des Gesandten, leider waren sie viel zu kurz.
Überwiegend geht es um die Ratlosigkeit der Polizei, die Stimmung in Internetforen und auf der Straße sowie eine Gang von Neonazis. Einiges hat mit dem eigentlichen Fall zwar nichts zu tun, aber füllt es füllt die Seiten.
Die beiden Hauptermittler die Kommissare Paloviita und Oksman. Während ich Paloviita im Verlauf der Geschichte ganz gut kennenlernen konnte, blieb Oksmann eher blass für mich. Es kam mir teilweise so vor, als wenn der Autor unbedingt einen queeren Charakter einbauen wollte und dann nichts mit ihm anzufangen wusste. Ich finde auch, dass seine Identitätskrise und die Angst, unfreiwillig geoutet zu werden, genügt hätten. Warum musste er zusätzlich auch noch eine Zwangsstörung und eine Sozialphobie verpasst bekommen, dass fand ich zu viel auf einmal. Hinzu kommt Oksmanns sehr unleidliche Art, durch die es schwer fällt, Sympathien für ihn zu entwickeln, dies gelang mir so richtig erst im Epilog.
Oft habe ich in „Was wir verbergen“ Spannung vermisst. Gegen Ende macht der Autor in dieser Hinsicht alles wieder wett, denn die letzten Kapitel sind wirklich richtig fesselnd.
Trotzdem bin ich mit der Auflösung eher unzufrieden. Nachdem die Polizei lange im Dunkeln getappt ist, konnte spontan alles aufgelöst werden, da Oksmann ein paar „Eingebungen“ hatte. Das war mir etwas zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Auch gab es für mich keine zufriedenstellende Erklärung der Tätermotivation. „Schwere Kindheit“ finde ich als Begründung zu ausgelutscht und vereinfacht.
Das Haus des Täters ist eine komplette Müllhalde. Hierzu gibt es weder eine Erklärung, noch hat es irgendeine Relevanz. Scheinbar sollten nur ein paar „Ekel-Schocker“ kreiert werden.
Für mich war „Was wir verbergen“ nicht richtig ausgegoren. Das Buch war okay, aber es gibt zur Zeit deutlich bessere neue Krimis, so dass ich diese Reihe nicht weiterverfolgen werde.

Bewertung vom 17.12.2022
Margaretas Traum / Gut Erlensee Bd.1
Weinberg, Juliana

Margaretas Traum / Gut Erlensee Bd.1


ausgezeichnet

Die Großfamilie Lamprecht muss mit vielen Veränderungen zurechtkommen. Einst waren sie gutsituierte Bürger, doch nun steht das Familienunternehmen kurz vor dem Bankrott und der Gutshof wirft kaum genug zum Überleben ab.
Während die vier Kinder und die Großmutter allesamt sehr fortschrittliche Menschen sind, hängen die Eltern an den Normen des frühen 19, Jahrhunderts.
Wohlstand, Ansehen und Etikette sind alles, was für sie zählt. Frauen gehören an die Seite eines Mannes. So sind permanente Streitigkeiten zwischen den Generationen vorprogrammiert. Im ersten Teil der „Gut Erlensee“ Saga liegt der Fokus auf Margareta, die auch namensgebend für den Untertitel „Margaretas Traum“ ist.
Während des Krieges hat sie in der Druckerei gearbeitet und kann sich nicht daran gewöhnen, dass ihr Vater in ihr nur ein Dummchen sieht, das in der Firma nicht mehr willkommen ist. Schlimmer noch, um die Druckerei zu retten, erwarten ihre Eltern, dass sie den wohlhabenden Egon Rapp heiratet, dabei hat sie sich längst in den mittellosen Konrad verliebt.
Die Gefühlswelt der Protagonisten erlebt ein Extrem nach dem anderen. Liebe, Verlust, Zerrissenheit, Hoffnungslosigkeit... die Dialoge tropfen dabei manches Mal geradezu von Dramatik und genau diese Übertreibungen sorgen dafür, dass „Gut Erlensee“ zu einem kurzweiligen Schmöker wird, der mich richtig gut unterhalten hat.
Von den schrecklichen Eltern einmal abgesehen, sind die Charaktere sehr sympathisch. Alle Geschwister haben unterschiedliche Wesenszüge. Gregor hat mit seinen Kriegstraumata zu kämpfen. Margareta ist die Verantwortungsbewusste, Marilla die Optimistin und das Nesthäckchen Clara ist einfach nur ein Sonnenschein. Auch die Großmutter mit ihrer unkomplizierten, zupackenden Art, muss man einfach mögen.
Margaretas Kampf und ihre Zerrissenheit war für mich sehr nachvollziehbar. Einerseits möchte sie ihr Leben nach ihren Wünschen gestalten, andererseits fühlt sie sich verpflichtet, ihrer Familie zu neuem Wohlstand zu verhelfen und dafür eine arrangierte Ehe einzugehen.
Die Autorin spart nicht damit, ihren Protagonisten Steine in den Weg zu legen. Natürlich hofft und ahnt man, dass am Ende alles auf die eine oder andere Art gut wird. Auf dem Weg zum Ziel bieten sich verschiedene Optionen und es ist nicht eindeutig, wie es ausgehen wird, dadurch bleibt der Roman spannend.
Mir hat das Buch gut gefallen und ich freue mich auf weitere Abenteuer von Gut Erlensee.

Bewertung vom 10.12.2022
Kalt und still / Hanna Ahlander Bd.1
Sten, Viveca

Kalt und still / Hanna Ahlander Bd.1


ausgezeichnet

Schon das Wort Polarkreiskrimi prädestiniert „Kalt und still“ um in der vierten Jahreszeit gelesen zu werden. Bei der Beschreibung von Temperaturen um minus 20 Grad und mehr, erscheint einem der deutsche Winter plötzlich ziemlich harmlos.
Der Krimi trägt den Untertitel „Der erste Fall für Hanna Ahlander“, dabei ist Hanna zunächst einmal ein Charakter von vielen. In kurzen Kapiteln springt die Handlung zwischen unterschiedlichen Personen hin und her.
Da sind neben Hanna, die Teenager Amanda und Ebba, Amandas Eltern und der Polizist Daniel. Trotz der Vielzahl der Personen und den unterschiedlichen Problemen ist die Handlung zu keiner Zeit verwirrend und ich konnte mühelos den Überblick behalten.
Hanna trägt einige Päckchen mit sich herum. Vom Freund betrogen und von der Arbeitsstelle herausgemobbt, treibt sie ohne Ziel durch die Gegend. Sie ist ein Mensch, der auf mich sehr liebenswert und gewissenhaft wirkt und man ärgert sich, dass ihr so viel Unrecht widerfährt. Manchmal möchte man sie wegen ihrer kopflosen Alleingänge allerdings auch schütteln.
Generell fiel es mir leicht, die Charaktere zu mögen. Die Stimmung in dem kleinen Polizeirevier ist familiär und freundschaftlich. Man fühlt sich dort wohl, obwohl gerade ein Verbrechen passiert ist. Viveca Sten bietet genau die richtige Mischung aus Einblicken ins Privatleben und Ermittlungsarbeit um die Protagonisten kennenzulernen und Sympathien zu entwickeln.
Der Mord selbst ist unblutig und dennoch von einer schockierenden Brutalität. Alles an diesem Fall ist mysteriös und man muss einfach immer weiter lesen.
Die Autorin lässt in 500 Seiten keinen Moment der Langeweile aufkommen. Zum Schluss geht der Krimi richtig unter die Haut, da die Verkettung von Tragödien sehr betroffen macht. Ich fand „Kalt und still“ sehr gelungen und hoffe, dass weitere Bände in Deutschland erscheinen.