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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Waterlilly
Wohnort: 
Bayern

Bewertungen

Insgesamt 97 Bewertungen
Bewertung vom 02.01.2023
Wintersterben
Krüger, Martin

Wintersterben


ausgezeichnet

Zu „Wintersterben“ von Martin Krüger habe ich gegriffen, da der Klappentext passend zur aktuellen Jahreszeit klang und da ich gerne Bücher lese, die in den Bergen spielen.
Ich habe mich auf den Thriller gefreut, womit ich allerdings nicht gerechnet hatte war, dass ich hier mein Monatshighlight finden werde.
Martin Krüger hat mich schwer begeistert. Er baut von Anfang an eine mystische Stimmung auf. In einer Berghöhle wird eine Leiche gefunden. Der Sage nach gehen ältere Dorfbewohner in diese Höhlen um zu sterben. In diesem Fall handelt es sich allerdings um ein Mordopfer.
Die Gegend, in die Valeria Ravelli von Interpol geschickt wird, ist sehr abgeschieden. Das Wetter ist dauerhaft regnerisch und neblig und die Einwohner scheinen allesamt Geheimnisse zu haben und wirken sehr verschroben.
Valeria ist eine sympathische, mutige Frau. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste alleine in diesem Dorf sein, in dem jeder auf die eine oder andere Art irre zu sein scheint, wäre mit blutigen Puppen, Feuer und immer neuen Leichen konfrontiert, ich würde schnellstmöglich das Weite suchen.
In jedem Kapitel von „Wintersterben“ werden weitere Geheimnisse aufgedeckt. Ich fand die Idee, dass sich ein ganzes Dorf zusammenschließt und gemeinsam verrückte Phantasien umsetzt sehr fesselnd und gruselig.
Sehr gelungen war auch die Figur des Comte, einem reichen Geschäftsmann, der auf einem abgeschiedenen Anwesen lebt und glaubt, mit Geld alles kaufen zu können.
Martin Krüger hat sich wirklich einen abgefahrenen Plot einfallen lassen, von dem ich hier nicht zu viel verraten möchte.
Langeweile kommt bei diesem Thriller für keine Sekunde auf. Manchmal kam ich allerdings nicht umhin, zu hinterfragen, wie realistisch all das sein kann. Valeria wird mutterseelenallein in dieses Dorf geschickt. Ihr Partner verfolgt eine andere Spur im Ausland. Ihr Vorgesetzter kontaktiert sie nie. Auch fordert sie erst sehr spät Verstärkung an und gibt nicht wirklich Bescheid, wenn sie sich in offensichtliche Gefahrenzonen begibt. Teilweise klingt die Handlung also sehr an den Haaren herbeigezogen, worüber ich wegen des hohen Unterhaltungswerts allerdings gerne hinwegsehe.
„Wintersterben“ endet mit einem Cliffhanger hinsichtlich Valerias Privatleben, der mich sehr auf eine Fortsetzung hoffen lässt. Gerne auch mit mehr persönlichen Interaktionen zwischen Valeria und ihrem Kollegen Bain!

Bewertung vom 02.01.2023
Kuckuckskinder / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.11
Läckberg, Camilla

Kuckuckskinder / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.11


ausgezeichnet

Als ich in der Verlagsvorschau gesehen habe, dass Camilla Läckberg einen 11. Fjällbacka Krimi geschrieben hat, war ich super überrascht und erfreut. Da sie sich in den letzten Jahren anderen Schreibprojekten gewidmet hat, dachte ich, diese Reihe sei abgeschlossen.
Es war also klar, dass ich „Kuckuckskinder“ direkt lesen muss.
Zunächst dauerte es ein paar Seiten, bis ich mich in der Geschichte zurechtfand. Dies lag daran, dass die Autorin in sehr kurzen Abständen zwischen den Charakteren hin und her wechselt. In der Regel alle 2 bis 4 Seiten. Diese Wechsel sind nicht gekennzeichnet, nach einer einfachen Leerzeile geht es direkt weiter. Deswegen muss man sich am Anfang besonders konzentrieren, um den Überblick zu behalten. Hat man die Personen und deren Namen erst einmal verinnerlicht, gelingt die Orientierung mühelos.
Dieser Fall findet im unmittelbaren Umfeld von Kriminalpolizist Patrik und seiner Ehefrau, der Schriftstellerin Erica, statt. An einem Abend feiern sie noch unbeschwert als Gäste auf einer goldenen Hochzeit und am nächsten Morgen wird eine Leiche gefunden. Das Mordopfer Rolf war auch zur Feier eingeladen, hatte aber abgesagt. Nur kurz danach gibt es in genau diesem Freundeskreis ein weiteres Massaker.
Während das Team um Patrik die Ermittlungen aufnimmt, reist Erica nach Stockholm um für ihr neues Buch zu recherchieren. Thema ist der Mord an Lola und ihrer Tochter Pytte in den 80er Jahren, die damals ebenfalls mit Rolf und seiner Clique befreundet war.
Grundsätzlich ist „Kuckuckskinder“ ein ruhiger Krimi, teilweise eher ein Familienroman. Trotzdem gelingt es der Autorin, eine konstante Spannung Aufrecht zu erhalten. Sie ermöglicht ihren Lesern, eine Beziehung zu den Charakteren aufzubauen. Insbesondere die Rückblenden zu Lola fand ich extrem fesselnd. Sie und Pytte sind so liebenswerte und interessante Menschen, dass man es kaum fassen kann, dass ihnen so ein schreckliches Schicksal widerfahren ist.
Der Freundeskreis, bestehend aus Leuten aus der Kunstszene, ist bei Weitem weniger sympathisch. Diese Menschen halten sich für besonders privilegiert und macht fast ein wenig Spaß zu sehen, wie die nach außen so enge Freundschaft, mit jeder schmutzigen Enthüllung mehr auseinander fällt.
Der Schluss von „Kuckuckskinder“ hat es wirklich in sich. Die Spannung erreicht ihren Höhepunkt und auch die Erschütterung beim Leser über den sinnlosen Tod von Lola.
Camilla Läckberg ist ein toller Krimi über Geheimnisse, die einen irgendwann einholen, gelungen.
Auch das Privatleben von Erica und Patrik nimmt eine neue Wendung und ich bin frohen Mutes, dass ein weiterer Band geplant ist.

Bewertung vom 17.12.2022
Was wir verbergen / River Delta Bd.2
Tuominen, Arttu

Was wir verbergen / River Delta Bd.2


gut

„Was wir verbergen“ ist der zweite Band von Arttu Tuominens Krimiserie, die in sich abgeschlossen ist.
Finnland wird von einem religiösen Fanatiker heimgesucht, der sich selbst „Der Gesandte“ nennt und vorgibt, im Namen Gottes die Welt von Homosexuellen zu reinigen. Nach einem sehr brutalen Anschlag auf einen Nachtclub sendet der Täter mehrere Videobotschaften und versetzt die Polizei in Daueralarmbereitschaft.
Die Bevölkerung ist gespalten, es kommt zu gewalttätigen Ausschreitungen. Die Stimmung unter den Bürgern bekommt fast genauso viel Raum, wie der Attentäter selbst. Einerseits ist es erschreckend, dass ganz Europa mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hat. Die homophoben Aussagen mit denen die Menschen gegeneinander aufgewiegelt werden, könnten genauso in Deutschland fallen. Das Buch ist thematisch also sehr aktuell. Mir war es teilweise zu dicht an der Realität. Wenn ich Demonstrationen, Hass und Ausschreitungen sehen will, muss ich nur den Fernseher einschalten. In einem Buch, welches ich zur Entspannung lese, brauche ich eigentlich keine Fortsetzung der Nachrichten.
Sehr fesselnd fand ich die Kapitel aus Sicht des Gesandten, leider waren sie viel zu kurz.
Überwiegend geht es um die Ratlosigkeit der Polizei, die Stimmung in Internetforen und auf der Straße sowie eine Gang von Neonazis. Einiges hat mit dem eigentlichen Fall zwar nichts zu tun, aber füllt es füllt die Seiten.
Die beiden Hauptermittler die Kommissare Paloviita und Oksman. Während ich Paloviita im Verlauf der Geschichte ganz gut kennenlernen konnte, blieb Oksmann eher blass für mich. Es kam mir teilweise so vor, als wenn der Autor unbedingt einen queeren Charakter einbauen wollte und dann nichts mit ihm anzufangen wusste. Ich finde auch, dass seine Identitätskrise und die Angst, unfreiwillig geoutet zu werden, genügt hätten. Warum musste er zusätzlich auch noch eine Zwangsstörung und eine Sozialphobie verpasst bekommen, dass fand ich zu viel auf einmal. Hinzu kommt Oksmanns sehr unleidliche Art, durch die es schwer fällt, Sympathien für ihn zu entwickeln, dies gelang mir so richtig erst im Epilog.
Oft habe ich in „Was wir verbergen“ Spannung vermisst. Gegen Ende macht der Autor in dieser Hinsicht alles wieder wett, denn die letzten Kapitel sind wirklich richtig fesselnd.
Trotzdem bin ich mit der Auflösung eher unzufrieden. Nachdem die Polizei lange im Dunkeln getappt ist, konnte spontan alles aufgelöst werden, da Oksmann ein paar „Eingebungen“ hatte. Das war mir etwas zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Auch gab es für mich keine zufriedenstellende Erklärung der Tätermotivation. „Schwere Kindheit“ finde ich als Begründung zu ausgelutscht und vereinfacht.
Das Haus des Täters ist eine komplette Müllhalde. Hierzu gibt es weder eine Erklärung, noch hat es irgendeine Relevanz. Scheinbar sollten nur ein paar „Ekel-Schocker“ kreiert werden.
Für mich war „Was wir verbergen“ nicht richtig ausgegoren. Das Buch war okay, aber es gibt zur Zeit deutlich bessere neue Krimis, so dass ich diese Reihe nicht weiterverfolgen werde.

Bewertung vom 17.12.2022
Margaretas Traum / Gut Erlensee Bd.1
Weinberg, Juliana

Margaretas Traum / Gut Erlensee Bd.1


ausgezeichnet

Die Großfamilie Lamprecht muss mit vielen Veränderungen zurechtkommen. Einst waren sie gutsituierte Bürger, doch nun steht das Familienunternehmen kurz vor dem Bankrott und der Gutshof wirft kaum genug zum Überleben ab.
Während die vier Kinder und die Großmutter allesamt sehr fortschrittliche Menschen sind, hängen die Eltern an den Normen des frühen 19, Jahrhunderts.
Wohlstand, Ansehen und Etikette sind alles, was für sie zählt. Frauen gehören an die Seite eines Mannes. So sind permanente Streitigkeiten zwischen den Generationen vorprogrammiert. Im ersten Teil der „Gut Erlensee“ Saga liegt der Fokus auf Margareta, die auch namensgebend für den Untertitel „Margaretas Traum“ ist.
Während des Krieges hat sie in der Druckerei gearbeitet und kann sich nicht daran gewöhnen, dass ihr Vater in ihr nur ein Dummchen sieht, das in der Firma nicht mehr willkommen ist. Schlimmer noch, um die Druckerei zu retten, erwarten ihre Eltern, dass sie den wohlhabenden Egon Rapp heiratet, dabei hat sie sich längst in den mittellosen Konrad verliebt.
Die Gefühlswelt der Protagonisten erlebt ein Extrem nach dem anderen. Liebe, Verlust, Zerrissenheit, Hoffnungslosigkeit... die Dialoge tropfen dabei manches Mal geradezu von Dramatik und genau diese Übertreibungen sorgen dafür, dass „Gut Erlensee“ zu einem kurzweiligen Schmöker wird, der mich richtig gut unterhalten hat.
Von den schrecklichen Eltern einmal abgesehen, sind die Charaktere sehr sympathisch. Alle Geschwister haben unterschiedliche Wesenszüge. Gregor hat mit seinen Kriegstraumata zu kämpfen. Margareta ist die Verantwortungsbewusste, Marilla die Optimistin und das Nesthäckchen Clara ist einfach nur ein Sonnenschein. Auch die Großmutter mit ihrer unkomplizierten, zupackenden Art, muss man einfach mögen.
Margaretas Kampf und ihre Zerrissenheit war für mich sehr nachvollziehbar. Einerseits möchte sie ihr Leben nach ihren Wünschen gestalten, andererseits fühlt sie sich verpflichtet, ihrer Familie zu neuem Wohlstand zu verhelfen und dafür eine arrangierte Ehe einzugehen.
Die Autorin spart nicht damit, ihren Protagonisten Steine in den Weg zu legen. Natürlich hofft und ahnt man, dass am Ende alles auf die eine oder andere Art gut wird. Auf dem Weg zum Ziel bieten sich verschiedene Optionen und es ist nicht eindeutig, wie es ausgehen wird, dadurch bleibt der Roman spannend.
Mir hat das Buch gut gefallen und ich freue mich auf weitere Abenteuer von Gut Erlensee.

Bewertung vom 10.12.2022
Kalt und still / Hanna Ahlander Bd.1
Sten, Viveca

Kalt und still / Hanna Ahlander Bd.1


ausgezeichnet

Schon das Wort Polarkreiskrimi prädestiniert „Kalt und still“ um in der vierten Jahreszeit gelesen zu werden. Bei der Beschreibung von Temperaturen um minus 20 Grad und mehr, erscheint einem der deutsche Winter plötzlich ziemlich harmlos.
Der Krimi trägt den Untertitel „Der erste Fall für Hanna Ahlander“, dabei ist Hanna zunächst einmal ein Charakter von vielen. In kurzen Kapiteln springt die Handlung zwischen unterschiedlichen Personen hin und her.
Da sind neben Hanna, die Teenager Amanda und Ebba, Amandas Eltern und der Polizist Daniel. Trotz der Vielzahl der Personen und den unterschiedlichen Problemen ist die Handlung zu keiner Zeit verwirrend und ich konnte mühelos den Überblick behalten.
Hanna trägt einige Päckchen mit sich herum. Vom Freund betrogen und von der Arbeitsstelle herausgemobbt, treibt sie ohne Ziel durch die Gegend. Sie ist ein Mensch, der auf mich sehr liebenswert und gewissenhaft wirkt und man ärgert sich, dass ihr so viel Unrecht widerfährt. Manchmal möchte man sie wegen ihrer kopflosen Alleingänge allerdings auch schütteln.
Generell fiel es mir leicht, die Charaktere zu mögen. Die Stimmung in dem kleinen Polizeirevier ist familiär und freundschaftlich. Man fühlt sich dort wohl, obwohl gerade ein Verbrechen passiert ist. Viveca Sten bietet genau die richtige Mischung aus Einblicken ins Privatleben und Ermittlungsarbeit um die Protagonisten kennenzulernen und Sympathien zu entwickeln.
Der Mord selbst ist unblutig und dennoch von einer schockierenden Brutalität. Alles an diesem Fall ist mysteriös und man muss einfach immer weiter lesen.
Die Autorin lässt in 500 Seiten keinen Moment der Langeweile aufkommen. Zum Schluss geht der Krimi richtig unter die Haut, da die Verkettung von Tragödien sehr betroffen macht. Ich fand „Kalt und still“ sehr gelungen und hoffe, dass weitere Bände in Deutschland erscheinen.

Bewertung vom 03.12.2022
Ein Leben für das Recht auf Liebe / Die Hafenärztin Bd.3
Engel, Henrike

Ein Leben für das Recht auf Liebe / Die Hafenärztin Bd.3


ausgezeichnet

„Die Hafenärztin – Ein Leben für das Recht auf Liebe“ ist der mittlerweile dritte Band von Henrike Engels Saga. Je weitere die Reihe voranschreitet, desto unpassender finde ich den Titel „Die Hafenärztin“. Ärztin Anne, Lehrerinnenanwärterin Helene und Kommissar Berthold Rheydt sind drei gleichberechtigte Charaktere, aus deren Sicht abwechselnd erzählt wird. Die Protagonisten wachsen einem definitiv mit jedem Band mehr ans Herz. Ich weiß noch, wie ich Bertholds Kapitel zu Beginn der Serie als langweilig empfand. Mittlerweile ist insbesondere sein Handlungsstrang spannend, was sicherlich auch daran liegt, dass er für sein Hobby Fußball kaum noch Zeit hat. Wenn er nicht gerade Verbrecher jagt, kreisen seine Gedanken um Helene. Eine Liebesbeziehung, die ich in Band 1 nicht habe kommen sehen, die mir aber sehr gut gefällt. Die romantischen Szenen tragen zur Kurzweiligkeit des Romans bei. Berthold und Helene sind ein tolles, fortschrittliches Paar, dass einander mit dem größten Respekt begegnet.
Etwas separiert ist Annes Handlungsstrang. Obwohl sie in die Mordfälle sehr stark involviert ist, hat sie mit Berthold und Helene nur noch wenig Kontakt und ist eher als Einzelkämpferin unterwegs. Nachdem Fund eines Mordopfers begibt sie sich selbst auf Spurensuche und ermittelt auf eigene Faust. Es ist klar, dass sie dabei in Gefahr gerät.
Mir hat gut gefallen, dass an die losen Enden hinsichtlich des Hafenmörders angeknüpft wurde. Gleichzeitig wurden mit dem Schauplatz des chinesischen Viertels einige neue und interessante Charaktere eingeführt, allen voran Ju, die Besitzerin der Garküche.
Auch diesen Band habe ich wieder gerne gelesen. Trotz der brutalen Verbrechen ist das Buch allerdings eher ruhig geschrieben, mit der ein oder anderen Länge.
Was ich an der Hafenärztin Reihe mag, ist die Mischung aus Krimi, historischem Roman und Liebesgeschichte.
Ich konnte noch nicht herausfinden, ob ein vierter Band geplant ist. Der Sachstand am Ende ist so, dass auf jeden Fall noch Raum für eine weitere Fortsetzung wäre. Zu gerne wüsste ich, welche Zukunft Berthold und Helene haben.

Bewertung vom 12.11.2022
Feldpost
Borrmann, Mechtild

Feldpost


ausgezeichnet

„Feldpost“ umfasst nur knapp 300 Seiten und Mechthild Borrmann nutzt jede einzelne davon aus. Dieses Buch ist wirklich von der ersten bis zur letzten Zeile fesselnd. Die Geschichte zieht den Leser in den Bann und lässt ihn nicht mehr los, noch lange über das letzte Wort hinaus.
Der Klappentext ist relativ wage und ich hatte eigentlich gar nicht so wirklich eine Vorstellung, worum es geht. Vermutet hatte ich eine Geschichte über die unrechtmäßige Aneignung von Besitz im zweiten Weltkrieg. Tatsächlich wird dies zwar auch thematisiert, aber im Zentrum steht eine Liebesgeschichte, die so tragisch ist, dass es einem das Herz zerreißt.
Als die Rechtsanwältin Cara zufällig auf alte Briefe stößt, beginnt sie neugierig zu recherchieren. Der überwiegende Teil der Handlung spielt dann in der Vergangenheit, als die Familie Kuhn versucht, den Krieg zu überleben. Um den Gefängnis zu entgehen, fliehen die Eltern ins Ausland. Eine Odyssee voller Gefahren und Ungewissheiten beginnt.
Sohn Albert wird ebenfalls zu einer Haftstrafe verurteilt und lebt fortan als Flüchtling im Verborgenen. Tochter Adele versucht einfach das Richtige zu tun. Für ihren Bruder, ihre Familie und die Menschen, die ihr etwas bedeuten. Obwohl sie die besten Absichten hat, löst sie eine Tragödie aus.
Dieses Buch hat mich so mitgenommen, weil die Charaktere niemals den Mut verlieren und immer Hoffnung behalten, egal, welche Widrigkeiten sich ihnen in den Weg stellen. Und trotzdem spielt das Schicksal ihnen so übel mit. Mechthild Borrmann scheut sich nicht davor, ihren Protagonisten ein Happy-End zu verwehren. Ich hatte vermutet und gehofft, wie die Geschichte enden könnte, aber am Ende ist alles anders als erwartet. Auf der letzten Seite angekommen, saß ich mit dem Buch in der Hand einen Augenblick schockiert da und musste das Gelesene kurz verarbeiten.
Ich würde „Feldpost“ gerne mit mehr als 5 Sternen bewerten und empfehle es unbedingt weiter.

Bewertung vom 05.11.2022
Zeit der Sehnsucht / Die Töchter der Ärztin Bd.1
Sommerfeld, Helene

Zeit der Sehnsucht / Die Töchter der Ärztin Bd.1


ausgezeichnet

Nachdem mir die Reihe um die Polizeiärztin Magda Fuchs so gut gefallen hat, wollte ich Helene Sommerfelds neues Buch unbedingt lesen. Hier handelt es sich um eine Ergänzung zu ihrer erfolgreichen „Die Ärztin“ Trilogie, welche ich ehrlich gesagt nicht kenne, da ich selten Romane lese, die vor 1900 spielen. Vorkenntnisse sind auch nicht unbedingt erforderlich um „Die Töchter der Ärztin“ verstehen zu können, da zum einen die wesentlichen Punkte zusammengefasst werden und zum anderen die beiden Töchter Henny und Toni im Zentrum sind.
Henny steht mit beiden Beinen fest im Leben und verfolgt ehrgeizig ihre Karriere. Am Anfang der Geschichte wirkte sie sehr zugeknöpft und streng auf mich, auch im Umgang mit ihrer Tochter. Deswegen fand ich es sehr schön, ihre Entwicklung zu beobachten. Henny trifft ihren Exmann wieder. Beide scheinen auf den ersten Blick nicht zueinander zu passen, doch schnell stellt sich heraus, dass sie sich perfekt ergänzen. Je aufgeschlossener Henny wurde, desto sympathischer wurde sie mir.
Mit der jüngeren Schwester Toni ging es mir ganz anders. Sie ist so aufgeweckt und neugierig, dass man sie sehr schnell ins Herz schließt.
Toni hat keine Erinnerung an ihre Kindheit in Afrika und hat dieses Land auf einen Podest gestellt. Als sie dort ankommt, stellt sie schnell fest, dass die Realität nicht viel mit ihren Träumen gemein hat. Die Menschen begegnen ihr mit Misstrauen und das Wohl der Patienten steht nicht an erster Stelle, sondern die finanziellen Mittel.
Obwohl ich grundsätzlich alles an diesem Buch super fand, hat mir der Teil, der in Afrika spielt, besonders gut gefallen. Zur damaligen Zeit war es sehr außergewöhnlich, dass eine Frau alleine so weit reist, insbesondere, da man die Strecke mit dem Schiff zurücklegen musste und sehr lange unterwegs war.
Ich fand Toni ausgesprochen mutig. Ihre Erlebnisse in dem fernen Land waren sehr interessant, spannend und überraschend tragisch.
„Die Töchter der Ärztin – Zeit der Sehnsucht“ war für mich ein Highlight. Genau diese Art von Buch zeigt mir, warum lesen so ein wunderbares Hobby ist. Der Schreibstil war so lebendig und mitreißend, dass es mir sehr leicht fiel, mich auf die Handlung zu konzentrieren und den Alltag hinter mir zu lassen. Ich wollte den Roman gar nicht aus der Hand legen und habe gerne längere Zeit am Stück gelesen. Dieses Buch ist das, was man sich unter einem Schmöker vorstellt.

Bewertung vom 05.11.2022
Das letzte Versprechen
Lind, Hera

Das letzte Versprechen


gut

Vom Banat und den Donauschwaben hatte ich noch nie etwas gehört. Von daher fand ich Hera Linds neuen Roman „Das letzte Versprechen“ wirklich interessant und lehrreich. Egal, wie viel Zeit vergeht, man darf die Vergangenheit nicht einfach vergessen.
Das Banat liegt heute in Rumänien, Serbien und Ungarn. Vor vielen Jahren siedelten sich dort Deutsche an. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurden die sogenannten Donauschwaben für die Verbrechen von Adolf Hitler bestraft, obwohl sie selbst niemals in Deutschland waren und mit dem Krieg im Grunde nichts zu tun hatten. Die Hölle, die diese Leute durchmachen mussten, übersteigt jede Vorstellung. Jahrelange Zwangsarbeit, Misshandlungen, ständiger Hunger und katastrophale hygienische Zustände sind nur einige Beispiele des Martyriums. Wie ein Mensch so etwas aushalten kann, ist unfassbar.
Gerade, weil man sich all das nicht einmal ansatzweise vorstellen kann, war es der Autorin vermutlich so wichtig, dem Leser ein detailliertes Bild zu vermitteln. Schier endlose Szenen von Gewalt reihen sich aneinander und die sehr graphische Darstellung haben „Das letzte Versprechen“ zu einer sehr harten Kost für mich gemacht.
Selbst die Kindheitserinnerungen von Amalie sind voller Schläge und Lieblosigkeit.
Das Buch beruht auf wahren Tatsachen und das Leben der Personen, die Vorbild für die Charaktere sind, war alles andere als ein Märchen.
Dieser Roman ist unfassbar düster. Selbst nach der Aussiedlung nach Deutschland reiht sich ein Schicksalsschlag an den anderen. „Das letzte Versprechen“ schlug mir sehr aufs Gemüt und war teilweise schwer auszuhalten.
Leider hat mir auch der Schreibstil nicht sonderlich zugesagt. Dies war mein erster Tatsachenroman von Hera Lind, deswegen habe ich keine Vergleichswerte. In diesem hier, ist alles sehr einfach ausgedrückt. Zunächst dachte ich, es liegt daran, dass Anna zu Beginn der Geschichte erst 5 Jahre alt ist. Aber auch die Kapitel aus der Perspektive von ihrer Mutter Amalie klingen teilweise recht kindlich. Die ständige Wiederholung von „meine liebe Oma“, „meine liebe Mama“ etc. hören sich in meinen Ohren etwas eigenartig. Auch die häufige Verniedlichung („ich grub mit meinen kleinen Händchen“ usw.) fand ich überflüssig. Diese Babysprache stand in einem extremen Gegensatz zur Brutalität der beschriebenen Szenen, dass ich es einfach deplatziert fand. Manche Sachen werden auch doppelt und dreifach in identischer Wortwahl erzählt.
Glücklicherweise musste niemand von uns erleben, was die Protagonisten durchgemacht haben, deswegen ist es unmöglich, sich in die Charaktere hineinzudenken. Am Anfang hatte ich auch mit allen sehr viel Mitgefühl. Im weiteren Verlauf fand ich manche Personen einfach nur noch schrecklich. Amalies Schwiegereltern haben alles für ihr Enkelkind getan, sind buchstäblich durch die Hölle gegangen. Und trotzdem müssen sie sich von ihrer Schwiegertochter wie der letzte Abschaum behandeln lassen. Nach allem, was Annie bereits durchgemacht hat, wird sie von ihrer Mutter immer weiter misshandelt. Zwar nicht physisch aber psychisch.
Bis auf einzelne Momente ist dieses Buch einfach nur grausam und trostlos und deswegen war ich ehrlich gesagt froh, als ich auf der letzten Seite angekommen war.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.10.2022
Der Traum beginnt / Die Wintergarten-Saga Bd.1
Roth, Charlotte

Der Traum beginnt / Die Wintergarten-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Dieses Buch ist pure Magie. „Die Wintergarten Frauen“ ist bildgewaltig, aufregend und voller pulsierender Energie. Der Auftakt von Charlotte Roths neuer historischer Romantrilogie war für mich einfach grandios.
Die 20-jährige Nina wächst behütet und geliebt in der Uckermark auf. Von Kindheit an ist sie ein Freigeist, der vom Theater besessen ist. Ihr Bruder Carlos ermöglicht ihr einen Umzug nach Berlin. Allein in der Metropole stellt Nina schnell fest, dass es in der Realität sehr viel schwerer ist, ihren Traum zu leben, als sie es sich in der Geborgenheit ihres Dachbodens ausgemalt hat. Auf ihrem Weg zum Ziel trifft sie auf viele außergewöhnliche Personen.
Was mir an Nina sehr gefallen hat, war ihre unerschütterliche Energie und ihr Glaube an sich selbst. Sie hat keine Ausbildung und im Grunde von nichts eine Ahnung. Sie ist sehr isoliert aufgewachsen und hatte außer ihrer Familie keine sozialen Kontakte. Trotzdem weiß sie, dass sie Talent hat und zu Größerem bestimmt ist.
Ihr offen zur Schau getragenes Selbstbewusstsein verschafft ihrer Sympathie keinen Dämpfer. Sie ist eine gutherzige, junge Frau, die man einfach mögen muss. Sie hat kaum Geld und das Wenige, was sie hat, teilt sie noch mit anderen.
Manchmal wirkt Nina fast wie ein Kind und an anderen Stellen scheint sie so viel weiser, als ihre 20 Jahre. Ich fand sie auf jeden Fall toll und habe ihr von allem das Beste gewünscht.
Die Charaktere in diesem Buch sind ein kunterbuntes Sammelsurium. Da ist zum Beispiel Jenny, die ihren Körper bis zum Rand des Unmöglichen verbiegen kann, Sonja, die in sekundenschnelle beeindruckende Skizzen malen kann, Darius mit seinen zahlreichen Katzen und viele andere. Alle haben eins gemeinsam, obwohl sie bettelarm sind, sind sie immer füreinander da und lassen niemanden im Stich. Die Wohn- und Arbeitssituationen waren in den 20er Jahren katastrophal, Geld entwertete sich schneller, als man schauen kann und doch ist „Die Wintergarten Frauen“ vor allem ein positiver Roman. Perfekt geeignet für eine Flucht, in eine Welt voller Zauber. Ich habe mich perfekt unterhalten gefühlt.
Die Dialoge sind oft in blumiger Sprache und insbesondere Jenny liebt es, eigene Worte zu kreieren, was dem Buch einen ganz besonderen Charme verleiht und mir viel Freude bereitet hat.
Dies ist der Auftakt einer Trilogie und so nimmt sich die Autorin Zeit, das Thema Varieté einzuführen. Der Wintergarten spielt hier eigentlich nur eine Nebenrolle, wird aber vermutlich im nächsten Band mehr Raum einnehmen. Mir gefällt, dass das Ende an sich rund ist und man nicht mit einem extremen Cliffhanger zurückgelassen wird. Im Grunde kann man das Buch sogar als Einzelband lesen. Der Wunsch nach mehr ist trotzdem riesengroß bei mir, denn hier ist noch so viel Potenzial, so viele Geschichten, die erzählt werden wollen und ich kann es kaum erwarten, die Reise der Protagonisten weiter zu verfolgen.