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SimoneF

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Insgesamt 404 Bewertungen
Bewertung vom 21.08.2024
Abenteuer-Express (Band 2) - Entführung im California Comet
Leonard, Maya G.;Sedgman, Sam

Abenteuer-Express (Band 2) - Entführung im California Comet


ausgezeichnet

Nachdem meinen Sohn (10) und mich der erste Band der Abenteuer-Express-Reihe so begeistert hat, konnten wir es kaum erwarten, Band 2 zu lesen. Diesmal reist Henry mit seinem Onkel Nat im California Comet quer durch Amerika und bekommt es mit einem aufsehenerregenden Entführungsfall an Bord zu tun: Marianne, die Tochter des Tech-Milliardärs August Reza, wurde gekidnappt. Zusammen mit den Geschwistern Hadley und Mason, mit denen er sich zu Beginn der Reise angefreundet hat, setzt Henry alles daran, den Fall aufzuklären. Da die Fälle in sich abgeschlossen sind, ist ein „Zustieg“ mit Band 2 problemlos möglich (aber Band 1 sollte man sich dennoch nicht entgehen lassen!).

Auch Band 2 ist ein wundervoller Kinderkrimi im Stil klassischer Detektivromane, und der Vergleich mit Agatha Christies „Mord im Orientexpress“ kommt einem sofort in den Sinn. Wer auf Action, moderne Gadgets und temporeichen Nervenkitzel steht, wird eher nicht fündig werden, doch alle Freunde verzwickter Fälle, die Spaß an kleinen Details haben und gerne konzentriert miträtseln, kommen hier voll auf ihre Kosten. Für uns passt das perfekt.

Der dreizehnjährige Henry ist sympathisch und offen, er findet schnell Freunde und zeichnet mit großer Begeisterung. Er ist verantwortungsbewusst, macht aber auch mal Fehler. Sehr gut gefällt mir in diesem Zusammenhang sein Onkel Nat, der verständnisvoll ist und jederzeit ein offenes Ohr für Henry hat. Das Autorenduo hat sich wieder ganz besonders vielfältige Passagiere ausgedacht, darunter einige skurrile Charaktere, die die Geschichte abwechslungsreich und geheimnisvoll machen. Wie schon in Band 1 darf auch ein ausgefallener tierischer Begleiter nicht fehlen. Hier ist es eine Bartagame, die von einem Fahrgast mit an Bord gebracht wird. Auch diesmal ist das Buch gespickt mit kleinen Besonderheiten über die Orte der Reiseroute – von Deep Dish Pizza (Chicago) über Elvis (Reno) bis zum Moffat-Tunnel (Colorado). Der Fall bleibt spannend bis zum Schluss und mein Sohn war mit Feuereifer am Rätseln.

Ein besonderes Highlight sind die wunderschönen s/w-Zeichnungen (Henrys Zeichnungen), die dank ihrer vielen Details dazu einladen, genau hinzusehen, und vielleicht auch einen Hinweis zur Lösung des Falles zu finden.

Uns hat auch Band 2 wieder sehr viel Spaß gemacht und mein Sohn wollte sofort wissen, wann den Band 3 erhältlich ist (im englischen Original gibt es bereits sechs teils preisgekrönte Bände, deren Kurzbeschreibung ich ihm gleich übersetzen sollte). Wir hoffen sehr, dass die Fortsetzungen zeitnah auf Deutsch erscheinen und freuen uns bereits jetzt, wieder mit Henry und Nat an Bord zu gehen!

Bewertung vom 20.08.2024
Bei aller Liebe
Campbell, Jane

Bei aller Liebe


gut

„Bei aller Liebe“ ist ein Buch, das mich sehr zwiespältig zurückgelassen hat. Nach der Kurzbeschreibung bin ich mit anderen Erwartungen an das Buch herangegangen. Hier ist von einer Vielzahl an Therapeuten auf der Hochzeit die Rede, und ich hatte mit einer psychologisch komplexen Situation, die auf der Hochzeitsfeier in Verwicklungen kulminiert, gerechnet. Dies war nach meinem Empfinden jedoch nicht so. Onkel Malcom ist entgegen der Kurzbeschreibung Theologe und kein Therapeut. Insgesamt befinden sich nur drei Therapeuten unter den Hochzeitsgästen (Molly, Joe und Charles, Benny wird nie erwähnt und ist offenbar nicht dabei), von denen jedoch nur Joe eine zentrale Rolle auf der Feier spielt.

Die Geschichte wird kapitelweise aus den Perspektiven von Onkel Malcom (Theologe), Joe Bradshaw (Psychoanalytiker) und Agnes (Philosophin) erzählt. Konnte mich Onkel Malcoms erstes Kapitel noch fesseln, fiel es mir ab Joe Bradshaws Part zunehmend schwer, Mitgefühl mit den Charakteren zu entwickeln. Beim Lesen ertappte ich mich dabei, dass ich bedauerte, nicht auch ein Kapitel aus der Sicht von Agnes‘ Tochter Elfie vorzufinden, die einen angenehm pragmatischen Gegenpart zu den vergeistigten und dabei allesamt sehr egoistisch wirkenden Figuren dargestellt hätte. Allen voran Joe Bradshaw empfand ich als äußerst unangenehmen, eitlen und selbstsüchtigen Menschen, doch auch Agnes und Malcom blieben mir in ihrem Wesen, ihren Lebensvorstellungen und ihren Entscheidungen fremd. Die Grundthematik an sich fand ich durchaus interessant, doch wurde mir hier der Ödipuskomplex stellenweise doch etwas überstrapaziert. Insgesamt entwickelte ich leider keinen tieferen Bezug zur Geschichte und sie konnte mich nicht berühren. Schade.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.08.2024
Mein drittes Leben
Krien, Daniela

Mein drittes Leben


ausgezeichnet

Dieses Buch hat mich so sehr berührt! Ich weiß leider aus eigener Erfahrung, wie sehr einen ein Schicksalsschlag aus der Bahn werfen kann, und ich musste beim Lesen immer wieder innehalten und alles sacken lassen, weil mir Lindas Geschichte so nahe ging. Linda hat ihrem früheren Leben nach dem Unfalltod ihrer 17-jährigen Tochter den Rücken gekehrt und nahezu alle Kontakte abgebrochen. Jeder Tag kostet enorme Kraft, auch das Thema Suizid steht im Raum. Daniela Krien findet genau die richtigen Worte, um Lindas Gedanken, ihren Schmerz und ihre innere Taubheit zu beschreiben. Atmen, aufstehen, essen, schlafen - nichts ist mehr selbstverständlich. Ein Geruch, eine flüchtige Begegnung, ein besonderer Lichteinfall kann schmerzhafte Erinnerungen auslösen. Erst mit der Zeit gelingt es Linda, sich ganz behutsam zu öffnen, etwa gegenüber Natascha, deren jugendliche Tochter Nine pflegebedürftig ist, nicht sprechen kann und als Autistin völlig in ihrer eigenen Welt lebt. Die Lebensrealitäten von Linda und Natascha sind auf den ersten Blick komplett verschieden, aber beide tragen einen Schmerz in sich, und es baut sich zwischen Ihnen eine Freundschaft auf, die beiden Halt gibt. Und je weiter Lindas Blick wird, desto mehr sieht sie, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat.

Ganz besonders gut gefällt mir in diesem Buch die Figurenzeichnung. Ob Linda, Natascha, Nine, der Ehemann Richard oder die Nachbarn auf dem Dorf - jede und jeder ist auf seine Art besonders, liebenswert und authentisch. Daniela Krien erzählt leise, behutsam, mit viel Tiefgang und Gespür für kleinste Details. Ihre Sprache ist präzise, einfühlsam und schnörkellos. Sie verfällt nie in Klischees, bietet keine einfachen Lösungen, sondern beobachtet genau und beschreibt das Leben in seiner Komplexität und Ambivalenz.

Thematisch sicher kein leichter, aber ein ganz wunderbarer und letztendlich auch Trost spendender Roman, der unglaublich toll geschrieben ist und den ich dringend weiterempfehlen möchte. Für mich war es das erste Buch von Daniela Krien, und ich möchte nun auf jeden Fall noch mehr von ihr lesen.

Bewertung vom 15.08.2024
Freunderlwirtschaft
Hartlieb, Petra

Freunderlwirtschaft


gut

Alma Oberkofler hat gerade ihre neue Stelle als Chefinspektorin bei der Wiener Kriminalpolizei angetreten, als sie es mit einem brisanten Todesfall zu tun bekommt: Der amtierende konservative Wirtschaftsminister Max Langwieser, junger aufstrebender Stern am Politikhimmel, ist mit seinem Kopf auf das Eck seines massiven Glastisches geprallt und liegt tot in seiner Wohnung. Von seiner Verlobten Jessica fehlt derweil jede Spur. War es ein unglücklicher Unfall oder steckt doch mehr dahinter? Alma und ihre Kollegen forschen im privaten und beruflichen Umfeld nach, immer unter den strengen Argusaugen der Politprominenz und des Staatsschutzes.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Alma und Jessica erzählt, wobei die Handlung der Gegenwart gelegentlich durch Rückblenden in Almas und Jessicas Vergangenheit unterbrochen wird. Immer wieder fühlte ich mich beim Lesen an die Politskandale der letzten Jahre in Österreich erinnert, auch wenn die Story rein fiktiv ist.

Alma Oberkofler wirkt angenehm normal, realistisch und authentisch, ihr Privatleben wird thematisiert, spielt aber nur eine Nebenrolle. Ein Schwachpunkt war für mich Almas persönliche Motivation, Polizistin zu werden. Sie wurde als Jugendliche durch eine junge Kripobeamtin inspiriert, die in einem Mordfall in Almas persönlichem Umfeld ermittelt hat. Doch gerade diese Beamtin handelte für mich wenig engagiert und vorbildhaft.

Der Krimi wirft ein interessantes Schlaglicht auf Seilschaften und Korruption in der Politik, echte Spannung kam bei mir jedoch nicht auf. Die Ermittlungen entwickeln sich eher gemächlich, und einiges empfand ich beim Lesen als sehr vorhersehbar. Der Schreibstil war angenehm zu lesen, jedoch eher gewöhnlich. Leider fielen mir auch einige Flüchtigkeitsfehler auf (Karin lädt Jessica zu einer Geburtstagsfeier ein, die einige Seiten später plötzlich eine Hochzeit ist, Altersangaben sind nicht konsistent u.a.).

Insgesamt ein unterhaltsamer, aber recht braver Krimi, bei dem mir etwas Raffinesse gefehlt hat.

Bewertung vom 14.08.2024
Ich komme nicht zurück
Khayat, Rasha

Ich komme nicht zurück


sehr gut

Bereits von der ersten Seite an hat mich Rasha Khayats Schreibstil gefangen genommen – schnörkellos, präzise und dennoch einfühlsam und lebensnah. Geschickt verwebt sie Hannas Gegenwart mit Rückblenden in die Kindheit und Jugend. Zur selben Zeit aufgewachsen, wenn auch unter anderen Umständen, konnte ich mich sehr gut in Hanna hineinversetzen, ihre teils widerstrebenden Gefühle nachvollziehen. Eindrucksvoll beschreibt die Ich-Erzählerin ihre Freundschaft zu Zeyna und Cem und deren Veränderung im Laufe der Zeit, zu der auch gesellschaftliche und politische Umstände beitragen. Nach den Attentaten des 11. September 2001 sahen sich Cem, Zeyna und ihre Familien pauschalen Verdächtigungen und Diskriminierungen ausgesetzt, aus denen sie unterschiedliche Konsequenzen gezogen haben. In Zusammenhang mit dem 11. September gab es jedoch eine Stelle im Buch, an der mich Zeynas Haltung sehr verstört hat. Ich kann hier nicht näher darauf eingehen, da ich nicht spoilern möchte, aber wer das Buch gelesen hat, wird vermutlich verstehen, was ich meine. Gegen Ende entglitt mir das Buch leider etwas und insbesondere Zeynas Figur war für mich schwer greifbar. Auch ein geschildertes, für Hannas und Zeynas Freundschaft folgenreiches Ereignis wirkte auf mich doch sehr konstruiert. Insgesamt ein vor allem in der ersten Hälfte packender, fein beobachteter und dicht erzählter Roman, der anschließend leider etwas an Stärke verlor.

Bewertung vom 11.08.2024
Schwein gehabt!
Wagner, Gerhard

Schwein gehabt!


sehr gut

Jemandem ein X für ein U vormachen, Ross und Reiter nennen, Maulaffen feilhalten – wer hat sich nicht schon öfter gefragt, wo diese Redewendungen eigentlich ihren Ursprung haben? Gerhard Wagner erklärt in „Schwein gehabt“ die Herkunft und Bedeutung von 200 Redewendungen aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit. Hierbei räumt er auch mit gängigen Missverständnissen auf („einen Zahn zulegen“ hat nichts mit mittelalterlichen Feuerstellen zu tun, wie häufig behauptet wird). Einige Erklärungen waren mir bereits bekannt, andere wiederum fand ich sehr überraschend, etwa die Herkunft des Victory-Zeichens und des Ausspruchs „jemandem einen Korb geben“ nebst damit zusammenhängenden Begriffen wie „durchfallen“ oder „hängen lassen“.

Das Buch eignet sich hervorragend zum Schmökern, aber auch als Nachschlagwerk. Die Einträge sind kurz, aber unterhaltsam geschrieben. An einigen Stellen hätten die Ausführungen gerne noch etwas umfangreicher sein dürfen. Sprachlich ist das Buch eher einfach gehalten, und ich hätte mir hier ein bisschen mehr Pfiff gewünscht.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.08.2024
Verrücktes Blut
Bausch, Joe

Verrücktes Blut


ausgezeichnet

Joe Bausch kannte ich bisher vor allem als Rechtsmediziner aus dem Kölner Tatort, als ich in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung auf sein autobiografisches Buch aufmerksam wurde. Bausch wuchs als Bauernsohn im Westerwald auf. Früh musste er auf dem Hof mithelfen, von den Eltern gab es Prügel und verletzende Worte, aber weder liebevolle Nähe und noch Zuwendung. Auch die Lehrer und der Pfarrer herrschten mit harter Hand.

Joe Bausch schreibt sehr offen und authentisch über seine Kindheit und Jugend, über Missbrauch, Depressionen und Rebellion. Trotz allem wirkt er niemals bitter oder anklagend, sondern überaus reflektiert und auch selbstkritisch. Seine Fähigkeit, sein eigenes Leben und Erleben aus der Distanz zu schildern und sich um einen ausgewogenen Blick zu bemühen, ist bemerkenswert und verdient größten Respekt. Zudem ist es sehr ermutigend zu sehen, wie er allen Widrigkeiten zum Trotz und mit dem ein oder anderen Umweg sein Abitur und das Medizinstudium abgeschlossen hat.

Mich hat “Verrücktes Blut“ sehr berührt. Es ist lebendig und eindrücklich erzählt und ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen, sondern habe es an einem Tag ausgelesen.

Bewertung vom 05.08.2024
kali orexi - Deutscher Kochbuchpreis 2024 Gold
Karapanagiotidis, Kon;Karapanagiotidis, Sia

kali orexi - Deutscher Kochbuchpreis 2024 Gold


ausgezeichnet

Wir essen sehr gerne Griechisch, allerdings haben wir die griechische Küche bisher als eher schwer und fleischlastig empfunden. Ein vegetarisches griechisches Kochbuch hat mich daher sofort interessiert. "Kali orexi" bietet mit 300 Seiten einen stattlichen Umfang, und tatsächlich ist die gebotene Auswahl sehr vielfältig. Das Buch startet mit einleitenden Worten über die Grundlagen der griechischen Küche. Dann beginnt der eigentliche Rezeptteil, der sich in "Mezze und kleine Gerichte", "Salate", "Suppen und Gemüsegerichte", "Pasteten, Teigtaschen und Brot", "Nudeln, Reis und Hülsenfrüchte" und "Desserts, Gebäck und Kaffee" gliedert. Mit Tipps rund um Küche und Garten sowie alternativen Zutaten schließt das Buch. Die alternativen Zutaten fand ich besonders interessant, da sie Veganern oder Menschen mit Unverträglichkeiten die Möglichkeit geben, die Rezepte im Buch auf ihre Bedürfnisse hin abzuändern. Bemerkenswert ist, dass die Autor/innen hierbei sogar auf FODMAP-arme Alternativen für Personen mit Reizdarmsyndrom eingehen

Das Kochbuch ist auffallend reich bebildert. Die Fotos weichen dabei wohltuend von den üblichen Foodstylisten-Hochglanzbildern in den gängigen Kochbücher ab und sind sehr authentisch. Einige zeigen das Autorenduo, Mutter und Sohn Karapanagiotidis, beim Kochen in der heimischen Küche, und man hat das Gefühl, hier zwei ganz normalen Menschen über die Schulter zu schauen. Sehr hilfreich finde ich auch, dass bei einigen Rezepten mehrere Arbeitsschritte einzeln bebildert sind.

Mein Mann und mein Sohn sind große Halloumi-Fans, und so wurde dieses Kochbuch gleich begeistert in Beschlag genommen. Als erstes haben wir die Halloumi-Pommes zu einem frischen Salat ausprobiert. Das Ergebnis war sehr lecker und sommerlich-leicht. Auch die griechische Pizza ist uns auf Anhieb gelungen, ebenso die Fenchelpuffer. Sehr viele Gerichte beinhalten griechischen Joghurt oder Käsesorten. Für Veganer wird hierbei auf milchfreie Käsesorten verwiesen. Ich weiß nicht, ob und wie einfach veganer Feta oder Halloumi zu bekommen ist. Sehr häufig werden zudem Gerichte, auch Gebäck, in viel heißem Öl in der Pfanne herausgebacken. Uns sind diese Gerichte meist zu fettig. Bei den sehr leckeren griechischen Pommes aus Kartoffelspalten haben wir daher eine etwas andere Zubereitungsart gewählt und die Kartoffelspalten zunächst in Rapsöl mariniert und bei 170 Grad Umluft in den Ofen gegeben. Nach 45 Minuten haben wir sie mit einer Marinade aus Öl und Kräutern bepinselt und nochmal für 30 Minuten in den Ofen gesteckt. Hierzu gab es Zaziki und Halloumi-Saganaki -herrlich!

Wir werden in den nächsten Wochen sicherlich noch viele Rezepte aus diesem Buch ausprobieren und können es rundum weiterempfehlen!

Bewertung vom 05.08.2024
Das kulinarische Erbe Bayerns (Neuauflage)
Reinhardt, Marion

Das kulinarische Erbe Bayerns (Neuauflage)


gut

Das Buch beginnt mit einer kurzen Übersicht über die sieben bayerischen Regierungsbezirke, denen später im Rezeptteil auch die einzelnen Gerichte zugeordnet sind.

Interessante Informationen zu typischen Gemüsensorten, Fleisch, Käse, Wurst, Bier, Gebäck etc. ergänzen die traditionellen Rezepte. Da die bayerische Küche eher deftig und fleischlastig ist, ist das Buch (abgesehen von den Mehlspeisen) weniger für Vegetarier geeignet, Veganer dürften darin kaum fündig werden.

Da ich selbst aus Bayerisch-Schwaben stamme, habe ich hier viele interessante Gerichte aus der bayerischen Küche wiederentdeckt. Besonders gefreut habe ich mich über das Rezept der Agnes-Bernauer-Torte, die ich als Augsburgerin sehr gerne esse (Agnes Bernauer war gebürtig aus Augsburg, so dass diese Torte, die im Buch Niederbayern zugeordnet ist, da sie hier verstarb, auch in Schwaben bekannt ist).

Einige Stellen im Buch haben mich etwas verwundert. So schreibt die Autorin, dass die ersten Siedlungen im Alpenvorland auf 500 n. Chr datieren. Die Römerstädte Augsburg und Kempten wurden jedoch schon 15 v. Chr. gegründet. Ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. ist jedoch die Existenz eines bayerischen Stammesherzogtums belegt. Weiter heißt es bei den Suppen, dass diese früher eher selten auf den Tisch kamen, die Brotsuppe wird mit Bezug auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erwähnt. Tatsächlich waren (dünne) Suppen bereits vor langer Zeit gerade in ärmeren Familien ein tägliches Standardgericht, ob zum Frühstück oder Abendessen. Hier wurden insbesondere Brot- oder Milchsuppen gereicht.

Etwas enttäuscht bin ich von der Bebilderung der Rezepte. Bei einer Rezeptsammlung wünsche ich mir zu jedem Rezept mindestens ein aussagekräftiges Foto des fertigen Gerichts, bei schwierigen Gerichten auch Fotos komplizierter Arbeitsschritte. Die Rezepte im Buch enthalten maximal ein einziges Foto, das häufig wenig aussagekräftig ist und lieblos wirkt. So wird die Prinzregententorte lediglich während des Glasierens von oben gezeigt, ein Bild der fertigen Torte inklusive Seitenansicht eines Stückes fehlt. Der üblicherweise saftige und sehr leckere Zwetschgendatschi sieht wenig appetitlich aus. Bei den Holunderküchlein wäre ein Bild der Küchlein hilfreicher gewesen als ein Foto einer Holunderblüte am Baum, und warum beim Brezenrezept statt einer Breze Alphornbläser abgebildet sind, erschließt sich mir nicht. Viele Gerichte sind sogar überhaupt nicht bebildert. Das führt für mich leider zu einer deutlichen Abwertung.

Fazit: Das Buch beinhaltet eine ausgewogene Sammlung traditioneller Spezialitäten der bayerischen Regierungsbezirke und lädt zum Nachkochen ein. Leider fehlen bei vielen Rezepten aussagekräftige Fotos.

Bewertung vom 05.08.2024
Ex-Wife
Parrott, Ursula

Ex-Wife


gut

Die „Roaring Twenties“ in New York sind die Zeit des Wirtschaftsaufschwungs und der Prohibition, in den Flüsterkneipen fließt der harte Alkohol und neue Freiheiten verändern das Verhältnis der Geschlechter. Auch die Protagonistin Patricia ist gebildet, arbeitet als Werbetexterin in einem Kaufhaus und führt mit ihrem Ehemann Peter eine moderne Ehe, die beiden Partnern viele Freiheiten lässt. Beide geben sich tolerant und fortschrittlich, doch schnell zeigt sich, dass insbesondere Peter nicht mit der offenen Ehe zurechtkommt. Er ist eifersüchtig, obwohl er sich selbst entsprechende Freiheiten herausnimmt. Doch während Affären Männern gesellschaftlich zugestanden werden, sieht sich Patricia als „Flittchen“ diffamiert. Die Ehe scheitert, obwohl Patricia alles daran setzt, ihren Mann zu halten. Nach der Trennung hängt Patricia noch lange ihrer Ehe mit Peter hinterher und lebt gleichzeitig freizügig ihre Bekanntschaften mit anderen Männern.

Als Ex-Wife, als zunächst getrennt lebende und später als geschiedene Frau, erfährt Patricia, dass die neuen Freiheiten, die Frauen Zugang zum Arbeitsmarkt und offenere Beziehungen ermöglichen, ihre Schattenseiten haben und auch mit einem Verlust von Sicherheiten einhergehen. So erleichtern sie dem Mann die Trennung, da er einer eigenständigen Frau keinen Unterhalt zahlen muss. Es gibt eine große Bandbreite an gesellschaftlichen Moralvorstellungen von viktorianisch-konservativ bis modern-freizügig, die sich miteinander vermischen. Da die alten Scheidungsgesetze eine Scheidung nur bei explizit schuldhaftem Verhalten des Partners ermöglichen, sind außereheliche Beziehungen zwar ganz und gäbe, werden aber dennoch gesellschaftlich nicht voll akzeptiert bzw. verdeckt gelebt.

Auf der gesellschaftlichen Ebene liefert „Ex-Wife“ interessante Einblicke in die 20er Jahre in Amerika, und vieles war mir so nicht bekannt. Dennoch wurde ich mit diesem Buch nicht richtig warm. Es fiel mir sehr schwer, einen Zugang zu Patricia zu finden, die in ihrer Opferrolle verharrt und sich ständig nur um ihr eigenes Aussehen und ihre Wirkung auf andere Gedanken macht. Ihre extreme Eitelkeit und die ausufernden Schilderungen ihrer Garderobe fand ich ermüdend und extrem nervend. Sie beurteilt sich und die Menschen in ihrer Umgebung vor allem nach ihrem Aussehen und vergleicht sich ständig mit anderen. Sympathie konnte ich für Patricia nicht empfinden, und ihr exzessiver Alkoholkonsum und ihre ständigen Männerbekanntschaften empfand ich als abstoßend und billig. Als gebildete, intelligente Frau hätte sie so viel mehr aus sich machen können. Erst im letzten Drittel, als die Handlung eine entscheidende Wendung nimmt, kann ich bei Patricia eine Entwicklung erkennen und ihrem Handeln mehr Respekt entgegenbringen.

Insgesamt hat das als „Meisterwerk“ angekündigte „Ex-Wife“ meine hohen Erwartungen nicht erfüllen können. Die gesellschaftlichen Aspekte fand ich sehr interessant, doch die Protagonistin und ihr Umfeld überzeugten mich über weite Strecken nicht.