Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Bellis-Perennis
Wohnort: 
Wien

Bewertungen

Insgesamt 924 Bewertungen
Bewertung vom 26.05.2022
Morgen werden wir glücklich sein (eBook, ePUB)
Korte, Lea

Morgen werden wir glücklich sein (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Sie nannten sich „Die drei Unbesiegbaren“, Marie, Geneviève und Amiel. Drei Frauen, enge Freundinnen, die eine Wohnung (und manches andere) miteinander teilen, bis der Einmarsch deutscher Truppen in Paris ihre Leben völlig aus der Bahn wirft. Marie schließt sich der Résistance an, Geneviève spielt Klavier für die Besatzer und die jüdische Ärztin Amiel fürchtet um ihr Leben.

Die Geschichte der engen Freundinnen driftet mehrmals auseinander. Während Amiel und Marie gegen die Boches kämpfen, scheint sich Geneviève mit den verhassten Deutschen arrangiert zu haben, um bessere Essensrationen zu erhalten. Das klingt nun ein wenig egoistisch, doch Geneviève nutzt mehrmals ihren Einfluss auf deutsche Offiziere, um ihre Freundinnen zu retten.

In einem zweiten Erzählstrang treffen wir in der Gegenwart auf Josephine und Malou, die Enkelinnen von zwei der Frauen, die in einem stecken gebliebenen Lift versuchen, die Vergangenheit ihrer Großmütter und Mütter, aufzuarbeiten. Denn in den Wirren des Zweiten Weltkriegs haben sich die „Drei Unbesiegbaren“ weiter voneinander entfernt, als sie es sich in ihren (Alb)Träumen ausmalen hätten lassen.

„Josephine hielt sich die Ohren zu. Mit dieser Verrückten zusammen im Aufzug festzusitzen war ein Ding, aber ganz sicher würde sie ihr nicht erlauben, ihr auch noch mit diesem Thema auf den Geist zu gehen! Diese Marie konnte ihr mit ihrem schlechten Gewissen den Buckel runterrutschen. Nur sie war schuld daran, dass ihre Großmutter ihre Laufbahn als Pianistin hatte aufgeben müssen, dass sie überhaupt nie wieder richtig hatte Klavier spielen können. Wie auch – mit verkrüppelten Fingern? Und ebenso war sie mitschuldig daran, dass Geneviève damals alle über die Herkunft von Josephines Mutter belogen hatte, die an dieser Lüge zugrunde gegangen war. Josephine verbot es sich, weiterzudenken. Sie wollte nichts darüber hören. Sie wollte nicht darüber reden. Auch nicht über all die anderen Dinge, die ihre Großmutter dieser Marie vorzuwerfen hatte. Nein, sie hatte genug von alldem. Von Geburt an hatte diese ganze alte Scheiße wie ein Pechmantel an ihr geklebt. Und da konnte niemand, niemand, niemand von ihr verlangen, dass sie das jetzt alles mit einer Entschuldigung von wem auch immer ad acta legte. Und für Geneviève galt das Gleiche. Dafür hatten sie zu sehr gelitten. Alle beide.“

Josephine und Malou sind höchst unterschiedliche Charaktere, die ohne es selbst zu wissen, sich ähnlicher sind, als ihnen lieb ist.

Verwirrt? Dann lest dieses Buch!

Meine Meinung:

Ein eindringliches Buch, dass es zu lesen lohnt. In einer Zeit, nämlich zwischen 1940 und 1945, in der Krieg im allgemeineinen und Terror gegen Juden herrscht, ist es schwer, unbeteiligt zu sein, sich aus allem heraushalten zu wollen, wird ihre Freundschaft auf eine harte Probe gestellt.

Jede der drei Frauen versucht sich selbst und und anderen, so gut es unter diesen Umständen eben geht, zu helfen. Dass jede für sich dafür einen hohen Preis zahlt, verschweigen sie einander.

Wir erfahren abwechselnd aus beiden Handlungssträngen, was zu dem Bruch der Freundschaft geführt hat und warum sich die Enkelinnen so unversöhnlich gegenüber stehen.

Natürlich spielt der überwiegende Teil der Handlung während des Zweiten Weltkriegs, doch die späteren Ereignisse habe Auswirkungen bis in die Gegenwart.

Mit ihrem eindringlichen Erzählstil lässt Lea Korte ihre Protagonistinnen träumen, handeln und weinen. Die Charaktere sind ausgefeilt und wirken authentisch.

Fazit:

Ein eindringliches Buch, über Freundschaft, dass sich zu lesen lohnt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 26.05.2022
Die dunkle Seite
Pilátová, Markéta

Die dunkle Seite


gut

In ihrem neusten Roman entführt uns die tschechische Schriftstellerin Markéta Pilátová nicht nur in das schroffe Altvatergebirge in Nordmähren, sondern auch in Parallelwelten, in denen sich zwei mit übersinnlichen Kräften begabte Männer, Mirek und Rudy, gegenüberstehen. Dann gibt es noch einen dritten, der seine übernatürlichen Kräfte nur vorspielt, dafür aber einige Verbrechen in der Vergangenheit und Gegenwart verübt hat. Als Gegenpol ist Majka alias Evangelina zu sehen, die ihre eigenen Probleme hat und nacheinander sowohl bei Mirek als auch bei Rudy Hilfe sucht. Die Hilfe wird gewährt, hat jedoch sie ihren Preis.
Welche Rolle spielen die beiden schwarzen Mäntel? Und können Verbrechen aus der Vergangenheit nachträglich ungeschehen gemacht werden? Wie mit den eigenen Schuldgefühlen umgehen? Was hat die historische Vergangenheit wie z. B. die Hexenprozesse in Groß Ullersdorf/Velké Losiny am Ende des 17. Jahrhundert mit der aktuellen Situation zu tun?
Diese und ähnliche Fragen stellt Autorin Markéta Pilátová ihrer Leserschaft.

Meine Meinung:
Ich kenne Markéta Pilátovás faszinierende Familiengeschichte des tschechischen Schuhfabrikanten Jan Antonín Baťa, der – vor den Nationalsozialisten geflüchtet, von den Kommunisten verunglimpft – in Brasilien seine unternehmerischen Ideale weiterzuleben versucht, indem er dort mitten im Urwald neue Städte gründet und Fabriken erbaut hat. Daher habe ich mir eine ähnliche Geschichte wie „Im Dschungel mit Baťa“ erwartet.
Doch der Roman „Die dunkle Seite“ ist gänzlich anders – nicht sprachlich, denn Markéta Pilátová und der Übersetzer Mirko Kraetsch haben ein sprachlich gelungenes Werk zur Welt gebracht.

Es handelt sich hier im weitesten Sinn um einen Roman nach Art der Urban Fantasy, was so nicht ganz mein Genre ist. Als Leser weiß man nie so genau, wo man sich gerade befindet. In der Realität oder in einer der Gedankenwelten der Protonisten. Bezeichnend ist, dass einige Szenen sowohl in einer Psychiatrischen Anstalt als auch in einem staatlichen Institut, „Insti“ genannt, zur Erforschung von paranormalen Fähigkeiten spielt. Es mag, aufgrund der politischen Vergangenheit der Tschechoslowakei, nicht verwundern, dass solche staatlichen Stätten existiert haben. Um in der Psychiatrie geistig überleben zu können, hat sich der eine oder andere in (s)einen „Gedankenpalast“ geflüchtet, zu dem Außenstehende keinen Zutritt haben. Dass der ehemals sozialistische Staat Tschechoslowakei, ebenso wie der „große Bruder“, die UdSSR, versucht hat, paranormale Fähigkeit zu erforschen und für seine Zwecke zu (miss)brauchen, ist ja hinlänglich bekannt.

Fazit:
Sprachlich ist dieser Roman ein Genuss, allein das Thema hat mich nicht ganz berührt. Daher kann ich hier nur 3 Sterne vergeben.

Bewertung vom 26.05.2022
Das Land, von dem wir träumen / Die Südtirol Saga Bd.1
Thaler, Anna

Das Land, von dem wir träumen / Die Südtirol Saga Bd.1


ausgezeichnet

Dieser historische Roman entführt uns in das Südtirol von 1925. Das ehemals zu Österreich-Ungarn gehörende „Welschtirol“ ist seit dem Ende des Ersten Weltkrieges Teil Italiens. Der Hass auf den „reichen, deutschen“ Norden hat gravierende Auswirkungen: Die Faschisten verbieten den Südtirolern, deutsch zu sprechen, die Namen müssen italianisiert werden. So wird aus Brugger (und seinen Komposita) Ponte. Amtssprache ist italienisch, wer in der Öffentlichkeit deutsch spricht, wird bestraft. Deutschsprachige Lehrkräfte erhalten Berufsverbot, was aber einige, wie unsere Protagonistin Franziska Bruggmoser nicht abhält, heimlich in einer Katakombenschule die Südtiroler Lebensart weiter zu geben.

Soweit der historische Hintergrund. Die Italianisierung Südtirols hat allerdings nicht nur Gegner. Franziskas Vater Ludwig Bruggmoser, nunmehr Luigi Ponte, erhofft sich Erleichterungen, wenn er sich dem Diktat der Regierung beugt. Damit bringt er nicht nur seine Tochter, sondern auch die meisten der Dorfbewohner auf. Niemand im Dorf nimmt ihm seine landwirtschaftlichen Produkte ab. Der Bauernhof schlittert in eine gefährliche finanzielle Schieflage. Franziska ist einfallsreich und versucht mit der Eröffnung einer Jausenstation, den Verkauf der Landwirtschaft zu verhindern, während der Bruder, der traditionell als Hoferbe vorgesehen ist, sich dem Alkohol hingibt. Letztendlich wird Luigi Ponte zwischen allen Stühlen sitzen, denn Franziskas Deutschunterricht wird von ihrem nichtsnutzigen Bruder an die Behörden verraten.

Meine Meinung:

Dieser fesselnde historische Roman beschäftigt sich nicht nur mit der Italianisierung Südtirols, sondern bietet einen Einblick in die traditionelle Welt der ländlichen Bevölkerung. Mädchen wird selten höhere Bildung zugestanden, die Erbhöfe fallen ausschließlich an den erstgeborenen Sohn, egal ob er ein Genie oder ein Trottel ist. Die anderen Geschwister haben wenig Auswahl: entweder als ausgenützte, weil unbezahlte Arbeitskraft bleiben oder den Hof und die Heimat verlassen. Die Mädchen werden „gewinnbringend“ verheiratet und verbessern ihre Situation oft nur unwesentlich.

Franziska wehrt sich mit allen Mitteln verschachert zu werden, trotzt den italienischen Behörden, indem sie eben deutsch unterrichtet. Interessant auch der Seitenblick auf die kleine Gruppe jüdischer Handwerker.

Franziska (und viele Südtiroler) träumen nach wie vor vom deutschsprachigen Südtirol, einem Land, das es nicht mehr gibt. Vater Bruggmoser/Ponte hat das frühzeitig erkannt, nützen wird es ihm nichts.

Gut gefallen mir die penible Recherche und der eindringliche Schreibstil. Die Figuren sind lebendig, haben ihre Ecken und Kanten. Natürlich ist den Lesern der oder die Eine sympathischer als der oder die Andere. Die widersprüchlichen Reaktionen mancher Protagonisten wirken authentisch.

Sehr gut ist die Stimmung zwischen den Menschen eingefangen. Man weiß nicht mehr, wem man trauen kann. Die Risse gehen durch die Familien. Das wird sich in wenigen Jahren noch verstärken, wenn die Nazis die „deutschen“ Südtiroler „heim ins Reich“ holen wollen und ihnen das Blaue vom Himmel versprechen. Doch das „Dableiben“ oder „Aussiedeln“ ist Gegenstand des nächsten Bandes dieser Familiensaga, auf den ich mich schon sehr freue.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem gut recherchierten und fesselnd erzählten historischen Roman 5 Sterne.

Bewertung vom 23.05.2022
Für alle, die hier sind
Ngosso , Mireille;El-Nagashi, Faika

Für alle, die hier sind


sehr gut

Die beiden Frauen berichten in ihrem Buch über den täglichen Alltagsrassismus, dem sie ausgesetzt sind, sind doch beide deutlich sichtbar - die eine als Schwarze und die andere als Woman of Color.

Dabei ist das Buch nicht als Anklage zu verstehen, sondern bietet im Abschnitt „Zukunft“ Lösungen an, die auch von jedermann/jederfrau im Kleinen umgesetzt werden kann. Natürlich braucht es auch gesetzliche Rahmenbedingungen, für eine sozial gerechte, antirassistische und solidarische Wende in Gesellschaft und Politik. Dafür treten die beiden Frauen parteiübergreifend ein.

Natürlich ist beiden klar, dass sich der Wandel nur langsam vollzieht. Deswegen sprechen sie auch eher jüngeres Publikum an, das noch nicht in Althergebrachtem verharrt.

Die Schreibweise des Buches ist wie ein Dialog gestaltet. In vier Abschnitten, die in weitere Kapitel unterteilt sind, spricht einmal die eine und dann die andere. Die vier Abschnitte gliedern sich wie folgt:

Herkunft
Mut
Veränderung
Zukunft

Als Mütter jeweils eines Sohnes haben es die beiden engagierten Politikerinnen in der Hand, ihren Kindern das Rüstzeug für eine Verbesserung mitzugeben. Faika El-Nagashi und Mireille Ngosso sind als Flüchtlinge gekommen, um zu bleiben und für eine Zivilgesellschaft einzutreten, deren Motto „Mensch ist Mensch“ ist. Eine Zivilgesellschaft, die das Gemeinsame vor das Trennende stellt.

Fazit:

Nicht immer einfach zu lesen, da einem das Buch einen Spiegel vorhält. Das Cover springt sofort ins Auge. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 22.05.2022
Kalt lächelt die See / Guernsey-Krimi Bd.1
Corbet, Ellis

Kalt lächelt die See / Guernsey-Krimi Bd.1


ausgezeichnet

Dieser Krimi ist der Auftakt zu einer neuen Krimi-Reihe, die auf der Kanalinsel Guernsey spielt.

Worum geht’s?

Vor der Küste der Insel wird ein verlassenes Segelboot entdeckt. Ausgerechnet das Ehepaar Hamon, deren kleine Tochter Ava vor zwei Jahren spurlos verschwunden ist, hat es gechartert. Hat das Verschwinden der Eltern mit dem des kleinen Mädchens zu tun? Bei der Recherche entdeckt DI Kate Langlois eine Nachricht mit den Worten „Ava lebt“. Kann das sein? Und wo befindet sich das nunmehr knapp fünfjährige Mädchen?

Die Ermittlungen reißen alte Wunden auf. Neben Kate und dem damaligen Team ermittelt Tom Walker, ein etwas pingelig wirkender Londoner, mit dem Kate anfangs so ihre liebe Not hat. Daneben gibt es natürlich auch einen intriganten Kollegen, der es auf Kates Posten abgesehen hat. Während Kate dem Neuzugang die Hintergründe ihres gespannten Verhältnisses erzählt, bleibt Walkers Geheimnis um seine Versetzung von London nach Guernsey bestehen. Trotzdem gelingt es den beiden, Licht ins Dunkel rund um das Verschwinden von Ava und ihren Eltern zu bringen. Unerwartete Hilfe erhält Kate durch Nicolas, einen französischen Archäologen, der vielleicht eine Zukunft auf Guernsey hat.

Meine Meinung:


Ellis Corbet ist ein fesselnder Krimi gelungen, der zu Beginn ein wenig langsam daherkommt, aber stetig Fahrt aufnimmt, um in einem spannenden Showdown zu enden.
Gut gefällt mir, dass die Insel Guernsey und ihre von Wind und Wetter gegerbten Bewohner ihre Rollen spielen. Die Charaktere haben so ihre Ecken und Kanten. Kate Langlois muss sich, wegen der Verfehlung ihres ehemalige Polizeipartners, doppelt und dreifach anstrengen, das Vertrauen ihrer Kollegen wieder zu gewinnen. Bin sehr neugierig, aus welchem Grund Tom Walker sich auf die Kanalinsel versetzen hat lassen. Das wird hoffentlich in einem nächsten Band enthüllt.

Der Schreibstil ist flüssig und das Cover macht Lust, die Kanalinsel(n) zu besuchen.

Fazit:

Ein gelungener Auftakt einer neuen Krimi-Reihe, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 22.05.2022
Elsässer Machenschaften / Major Jules Gabin Bd.6 (eBook, ePUB)
Laurent, Jean Jacques

Elsässer Machenschaften / Major Jules Gabin Bd.6 (eBook, ePUB)


sehr gut

Major Jules Gabin und seine Freundin, die Untersuchungsrichterin Joanna Laffarge, werden Zeugen eines tödlichen Autounfalls. Der Tote ist der stadtbekannte Klatschreporter Yves Morel. Recht schnell stellt sich heraus, dass Morels Bremsleitungen manipuliert worden sind - also Mord. Wem ist Morel mit seinen unangenehmen Aufdeckergeschichten auf die Zehen getreten? Vielleicht Chloé, der bekannten Youtuberin, die sich auf dem Gelände der Storchenfarm mit ihrem Schickimicki-Wohnmobil breitgemacht hat?

Da die Mordkommission in Colmar personell unterbesetzt ist, wird Sandrine Ungerer aus dem Dezernat für Suchtgifte kurzfristig ins Team geholt. Sie ist, wie sich bald herausstellt eine Bereicherung.

Während Jules und Sandrine die Ermittlungen aufnehmen, macht sich Lino, ein pensionierte Gendarm, so seine eigenen Gedanken und beginnt seinerseits mit Undercoverrecherchen.

Doch Yves Morel wird nicht der einzige Tote bleiben.

Wird es den beiden Teams, dem offiziellen und dem inoffiziellen gelingen, die Hintergründe der Morde aufzudecken?

Meine Meinung:

Ich kenne jetzt noch nicht alle Vorgänger und weiß daher noch nicht, warum Jules Gabin von Rebenheim, wo vier andere Fälle spielen, nach Colmar gezogen ist. Doch die Verbindungen nach Rebenheim sind ja nicht abgerissen, wie die Einmischung von Lino zeigen.

Dem Autor ist es gut gelungen, einen spannenden, verzwickten Krimi zu schreiben, bei dem es zahlreiche Verdächtige gibt. Der Tote war eben kein besonders liebenswürdiger Zeitgenosse. Doch gibt das Einem das Recht, ihn zu töten?

Es gibt zahlreiche Spuren, die anfangs Erfolg versprechend, letztendlich im Sand verlaufen. Erst recht spät fällt der sprichwörtliche Groschen und Jules Gabin muss zu einer List greifen, um den Täter zu entlarven.

Neben den bereits bekannten und den neu hinzugekommenen Personen, spielen die Stadt Colmar und ihre Umgebung sowie der Storchenpark eine Rolle. Und ja, die Störche sorgen zum Abschluss noch für eine Überraschung.

Fazit:

Eine lesenswerte Fortsetzung der Reihe rund um den sympathischen Commissaire Major Jules Gabin. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.05.2022
Miss Dior
Picardie, Justine

Miss Dior


ausgezeichnet

Dieses Buch zeichnet das Leben von Catherine Dior, der Schwester von Modeschöpfer Christian Dior nach.

Wie es bei Geschwistern berühmter Persönlichkeiten üblich ist, kann deren Leben nicht isoliert betrachtet werden. Auch hier ist das der Fall. Catherine Dior wurde 1917 als Ginette Dior geboren. Nach dem Verlust des Vermögens 1929 und dem Tod der Mutter 1931 übersiedelt der Rest der Familie nach Callien, einem kleinen Ort nahe Cannes.

1941 begegnet Ginette, nunmehr Catherine, dem Mitbegründer der Résistance Hervé des Charbonneries. Obwohl Hervé verheiratet ist und drei Kinder hat, trifft beide der „coup de foudre“ (Liebe auf den ersten Blick). Durch ihn schließt sie sich dem Kampf für die Befreiung Frankreichs von der Besetzung durch die NS-Diktatur an. Im Juli 1944 wird sie mit anderen Résistance-Mitgliedern von der Gestapo verhaftet, gefoltert und ins Frauenlager Ravensbrück deportiert. Nach mehreren Stationen wird sie gemeinsam mit anderen KZ-Häfltingen im Mai 1945 in der Nähe von Dresden durch die amerikanischen Truppen befreit.
1952 ist sie Zeugin der Anklage beim Tribunal gegen die NS-Verbrecher.

Catherine Dior stirbt hochbetagt am 17. Juni 2008.

Meine Meinung:

Ursprünglich sollte die Autorin Justine Picardie eine neue Biografie über Christian Dior schreiben. Doch je länger sie sich mit der Familie beschäftigt hat, desto mehr war sie von seiner Schwester fasziniert. Herausgekommen ist dieses interessante Buch. Auch wenn im letzten Drittel der Fokus wieder stärker auf Christian und seine Kreationen gelegt wurde, ist das Buch Catherines Biografie. Die Autorin hat zahlreiche Schauplätze besucht, durfte im Familienarchiv stöbern und zahlreiche private Fotos hier veröffentlichen.

Nach den Erlebnissen im KZ kann man gut verstehen, dass Catherine ihrem Bruder den Platz im Vordergrund überlässt und lieber im Hintergrund arbeitet. Sie züchtet Rosen, die auch für die Parfumerzeugung verwendet werden.

Der Schreibstil ist angemessen und angenehm. Der Leser taucht tief in die Geschichte der Besetzung Frankreichs durch die NS-Truppen ein und erlebt den Kampf der Französinnen und Franzosen gegen Hitler-Deutschland.
Im Anhang finden sich interessante Angaben zu den Quellen.

Fazit:

Eine gelungene Biografie Catherine Diors, der Schwester die im Schatten ihres Bruders stand. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 22.05.2022
Afghanistan
Amiri, Natalie

Afghanistan


ausgezeichnet

Als die Taliban nach Abzug der westlichen Truppen Afghanistan Ende August 2021 das Land wieder in Besitz genommen haben, haben sich viele Menschen gefragt ob den Beteuerungen, der neuen, alten Herrscher Glauben geschenkt werden darf, dass u.a. Frauenrechte beachtet und eingehalten würden. Die Pessimisten haben recht behalten - nichts von den vollmundigen Versprechungen ist eingehalten worden.

Rund 100 Tage nach der Machtübernahme ist die deutsche Journalistin Natalie Amiri nach Afghanistan gereist, um sich ihr eigenes Bild von der Lage der Bevölkerung zu machen. Dabei liegt ihr Fokus natürlich insbesondere auf den Frauen.

Was Natalie Amiri und viele andere befürchtet haben, ist eingetroffen: Mit medienwirksamen Auftritten angeblich gemäßigter Taliban haben sie den Westen eingelullt, um weiterhin Hilfsgelder zu bekommen. Die zugesagten Rechte für Frauen und Mädchen für Arbeiten und Schulbesuch, sind drastisch eingeschränkt worden. Tausende Frauen verloren innerhalb weniger Tage ihre Jobs und dürfen nur mehr verschleiert und in Begleitung eines männlichen Familienmitglieds auf die Straße. Mädchen ist der Schulbesuch nur für wenige Jahre erlaubt.
In diesem Buch verleiht Natalie Amiri allen jenen Afghaninnen und Afghanen eine Stimme. Sie erklärt auch, warum der Westen (und zuvor die Russen) so kläglich versagt haben.

Die Autorin hat ungeachtet der Gefahr in der sie selbst schwebte, zahlreiche Fahrten durch das zerstörte Land unternommen, Dutzende BewohnerInnen getroffen und ihnen genau zugehört.

Fazit:

Mit diesem umfassenden Bild von Afghanistan verleiht sie den Afghaninnen und Afghanen, die nicht den Taliban angehören, eine Stimme. Möge sie gehört werden. Gerne gebe ich diesem wichtigen Buch 5 Sterne.

Bewertung vom 22.05.2022
Das ist doch der Gipfel
Lesti, Andreas

Das ist doch der Gipfel


ausgezeichnet

Dieses gediegen ausgestattete Buch erzählt die Anfänge des Bergsteigens. Berge und besonders die Alpen sind Barrieren, die es zu überwinden gilt, wenn man vom Norden in den Süden und umgekehrt will. Man überquert sie auf Saumpfaden, Karrenwegen und mehr oder weniger ausgebauten Straßen. Der Zweck ist immer ein pekuniärer - Handel. Die Sagen der Gebirgsbewohner sind voll von Monstern, Berggeistern und Drachen, die alle jene, die abseits der Pfade wandeln, den Tod finden lassen. Ab dem 18. Jahrhundert ändert sich das Bild: Künstler, Kartografen und auch Literaten wagen neben unerschrockenen Pionieren den Weg in die Höhe. Nicht mehr der kürzeste (Handels)Weg über den Berg zählt, sondern der Gipfelsieg.

Andreas Lesti, Journalist, Germanist und begeisterter Alpinist schildert nun in 15 Porträts wie sich die Berge von Orten des Schreckens zu den heute von Touristen überlaufenen Sehnsuchtsorten entwickelten.

Der Bogen spannt sich vom bretonischen Schiffsjungen und späteren Arzt Belsazar Hacquet, der ab 1775 zahllose Gipfel in den Westalpen bezwang, dabei Gehzeiten, Geländeschwierigkeiten und die Naturschönheiten beschrieb. Somit kann man ihn als einen der ersten Bergführer bezeichnen. Völlig unbedarft, blauäugig und unzureichend ausgerüstet („Halbschuhtourist“) erklimmt Johann Wolfgang von Goethe im November (!) 1779 das Furkajoch, versinkt dort hüfthoch im Schnee, ständig bedroht durch Lawinen und hat mehr Glück als Verstand, dass er dieses Abenteuer unbeschadet übersteht.

Dann dürfen wir Alexander von Humboldt auf einer seiner Forschungsreise, die ihn u.a. Auf den Teide und den Chimborazo führt, begleiten. Die Expeditionen der österreichischen Brüder Schlagintweit nehmen uns in den 1850er Jahren mit nach Nordindien, wo die Brüder in fast drei Jahren nicht nur 30.000km zurücklegen, sondern auch neue Höhenrekorde aufstellen. Allerdings sammeln/rauben sie wahllos und obsessiv Artefakte, deren Auswertung unterblieben ist.

Doch nicht nur wagemutige Männer besteigen die Berge. Lesti berichtet über die Amerikanerin Meta Brevoort, die sich gemeinsam mit ihrem Hund Tschingel, ein Duell um den Gipfelsieg am Matterhorn mit der Engländerin Lucy Walker liefert. Am 21. Juli 1871 ist es soweit - Good old Europe siegt!
Die herausragendste Bergsteigerin ist jedoch die Polin Wanda Rutkiewicz, die in den 1980er Jahren endgültig in die Männerdomäne des Gipfelstürmens einbricht. Bis 1992 erklimmt sie acht der 14 Achttausender. Beim Besteigen des Kangchendzönga verunglückt sie auf 8300m tödlich.

Dann erfahren wir, warum Skirennen in Japan so populär sind: Theodor von Lerch, dessen Namen in den Alpen kaum wer kennt, hat den Skilauf 1910 in den kleinen Ort Takata gebracht, der nun als Wiege des japanischen Skilaufs gilt.

Spannend und berührend auch das Interview mit Norman Dyrenfurth (1918-2017), jenen Bergsteiger, der noch Hermann Buhl oder Sir Edmund Hillary persönlich gekannt hat.

»Am Ende ergibt sich ein Bild von den Alpen der Gegenwart, das ohne die Helden der Vergangenheit nicht verständlich wäre.«

Fazit:

Das Buch ist wegen seiner gediegenen Ausstattung - Leinencover und Lesebändchen - ein tolles Geschenk nicht nur für Bergfexe. Das Titelbild zeigt übrigens eine Postkarte des Mont Blanc aus dem 19. Jahrhundert. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 20.05.2022
Fast ein Idyll
Falk, Susanne

Fast ein Idyll


sehr gut

Susanne Falk erzählt in 30 Kurzgeschichten Anekdoten, die so oder so ähnlich vielleicht stattgefunden haben könnten.

Den Reigen eröffnet Kaiser Franz Joseph, der auf einer seinen zahlreichen Jagden möglicherweise einen Flügeladjudanten erschossen haben könnte, was natürlich vertuscht
worden ist. Dann dürfen wir über andere Prominente wie Thomas Mann oder Max Schmeling lesen. Manchmal, wie bei Erwin Schrödinger entpuppt sich der Name erst auf den letzten Zeilen, weil es sich die Geschichte aus der Jugend handelt.

Wer schon eine Biografie über Josephine Baker gelesen hat, wird wissen, dass sie eine Vorliebe für exotische Tiere hatte. Einem davon begegnen wir auch hier.

Natürlich darf auch das charismatischste Liebespaar der Welt, MM und JFK nicht fehlen.

Der Kreis der Promis schließ sich wieder, wenn wir Kaiser Franz Joseph und Katharina Schratt beim Verspeisen eines Gugelhupfs zusehen.

Meine Meinung:

Der Autorin gelingt es, mit Halb- oder Viertelwahrheiten ihren Lesern ein Schmunzeln ins Gesicht zu zaubern, angesichts der aktuellen Weltlage eine gar nicht so einfache Sache.

Es bleibt viel Raum, um darüber zu spekulieren, was nun Fakt oder doch nur Fake ist.

Mir hat diese Idee sehr gut gefallen. Bei manchen G’schichteln habe ich allerdings den Eindruck, sie schon irgendwo gelesen/gehört zu haben. Also doch echt?

Das Buch eignet sich ob seiner gediegenen Ausstattung (Hardcover plus Lesebändchen) als perfektes Mitbringsel.

Fazit:

Gerne gebe ich diesen mit viel Charme und Witz erzählten Kurzgeschichten 4 Sterne.