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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 13.08.2017
Obszönes Verhalten an privaten Orten
Missiroli, Marco

Obszönes Verhalten an privaten Orten


gut

Libero Marsell erlebt das Erwachen seiner Sexualität gleichzeitig mit der Erkenntnis, dass seine Mutter den Vater mit dem besten Freund Emmanuel betrügt. Er beobachtet die für ihn verstörende, aber auch erregende Szene. Als Spätentwickler tröstet er sich anfangs mit Literatur. Marie, Emanuells Ex-Freundin führt ihn als Bibliothekarin in die Weltliteratur ein. Er wächst mit Camus, Sartre und vielen anderen Autoren auf. Dass er während des Studiums im Deux Magot kellnert ist nur folgerichtig.
Aber seine Erfahrungen sind nun nicht mehr rein literarisch. Lunette, die ältere Schwester seines besten Freundes führt in die Welt des Eros. Stürmisch erobert sich Libero als junger Erwachsener die Welt der Sexualität. Aber nichts währt ewig, Lunette verlässt ihn und Libero geht nach Mailand und feilt an seinen Verführerqualitäten. Auch hier kellnert er wieder und für jede Eroberung gibt es eine Kerbe in die Theke.
Der Weg zum Erwachsenwerden ist oft schwer, peinlich und mit Demütigungen verbunden und der Leser begleitet Libero dabei. Das ist mit fast schmerzhafter Wahrheit erzählt, der Autor seziert seine Figuren und die Gesellschaft. Für den Leser blitzt manchmal Witz auf, aber es ist ein bitterer Witz. Trotzdem ist die Geschichte mit einer gewissen Leichtigkeit erzählt, die Sprache gefiel mir. Wie Libero aus der Welt der Bücher ins reale Leben findet, dabei sich selbst findet und seinen Platz in der Welt einnimmt ist großartig.
Eine außergewöhnliche Coming of Age Geschichte, die mich beeindruckt hat.

Bewertung vom 13.08.2017
Die Kapitel meines Herzens
Lowell, Catherine

Die Kapitel meines Herzens


sehr gut

Bevor Samantha Whipple als junge Literaturstudentin nach Oxford kam, hat sie noch kein normales Leben geführt. Ihr Vater, ein berühmter amerikanischer Schriftsteller und letzter Nachfahre der Brontë-Familie, unterrichtete sie selbst im Haus und formte sie durch seine Erziehung ganz nach seinen Wünschen. Lange schon gibt es das Gerücht um einen Schatz der Brontës, der im Besitz der Whipples sein soll. Als Sam nach Vaters Tod seinen Wunsch erfüllt und in Oxford am Old College ihr Studium aufnimmt, wird ihr auch das Erbe des Vaters übergeben: eine kryptische Nachricht und ein Lesezeichen. Damit beginnt eine Art Schnitzeljagd und über seinen Tod hinaus, bestimmt der Vater ihr Leben.

Wenn sie ihre Referate und Aufgaben mit ihrem Tutor diskutiert, entwickelt sich meist ein Streitgespräch, die auf Sams Familie hinausläuft, denn auch Dr. Orville ist von den Brontë-Schwestern nahezu besessen. Dann findet Samantha plötzlich ein Buch aus dem Besitz ihres Vaters vor ihrer Tür, das eigentlich gar nicht existieren dürfte, denn seine komplette Bibliothek ist verbrannt. Es bleibt nicht das einzige Buch und Sam scheint sich fast in Verfolgungswahn zu verlieren.

In diesem Roman ist vieles enthalten: eine abenteuerliche Schatzsuche – eine Geschichte vom Erwachsenwerden – ein Ausflug in die Literatur und nicht zuletzt eine Liebesgeschichte. Das hat mich ausgesprochen gut unterhalten, mir gefielen die Exkurse und die Diskussionen über die Romane der Brontëschwestern, die ich selbst vor vielen Jahren alle gelesen habe. Es war auch eine Anregung die Bücher mal wieder in die Hand zu nehmen. Manchmal waren mir einige Vergleiche zu dramatisch, wenn zum Beispiel von „Augen wie schmauchende Pistolen“ gesprochen wird, aber das tut dem Gesamtbild keinen Abbruch. Das altehrwürdige Oxford als Hintergrund eines Romans ist mir immer ein Pluspunkt, auch wenn hier nicht sehr viel von der Atmosphäre der Stadt und ihrer Colleges zum Tragen kommt.

Ich habe den Roman sehr gern gelesen, es ist gute Unterhaltung mit Niveau.

Bewertung vom 08.08.2017
Mord im Cottage (eBook, ePUB)
Bednorz, Anna

Mord im Cottage (eBook, ePUB)


gut

Ganz so aufregend hätte sich Aiofe das erzwungene Landleben nicht vorgestellt. Da eine Schreibblockade ihre Schaffenskraft lähmt, hat ihr Freund und Verleger Laurie, dieses idyllische Exil ausgesucht. Schließlich soll pünktlich im Herbst ein neuer Kitschroman erscheinen. Genau das ist das Geheimnis von Aiofe, unter einem Pseudonym ist sie höchst erfolgreiche Autorin von Herz – Schmerz-Schmonzetten. Doch kaum angekommen, häufen sich unerklärliche Vorfälle, sie findet ihre Bücher „ermordet“, mal als Feuerchen im Garten, mal zerschnipselt oder gar unter Wasser gesetzt. Das kann kein Zufall sein, aber es kann doch niemand wissen wer sie ist?
Gut dass es die eifrige Nachbarin Petula und den überaus sympathischen Pubbesitzer Tom Harold gibt, mit dem Aoife und Spurensuche geht.
Das ist wirklich lockere und völlig unbeschwerte Unterhaltung, die Autorin schreibt mit leichter Hand und einem Augenzwinkern. Der „Krimi“ kommt ganz ohne Tote aus, dafür darf man miträtseln. Allerdings sollte der Leser nicht allzu viel Spannung erwarten, die man normalerweise an das Genre Krimi stellt. Es ist eher eine unterhaltsame Urlaubs- und Wartezeitlektüre. Die Landschaft ist herrlich, die Beschreibung animiert zur Urlaubsplanung und einen solchen Pub, wie Tom ihn betreibt mit seinem berühmten, selbstgebrauten Bier, würde auch kein Leser aus dem Weg gehen. Exzentrische, aber meist liebenswerte Typen bevölkern das Dörfchen, genau wie man es in Irland erwartet. Lediglich die Katze, im Untertitel angeführt, durfte leider kaum in Erscheinung treten.

Bewertung vom 06.08.2017
Wenn der Platzhirsch röhrt
Bleyer, Alexandra

Wenn der Platzhirsch röhrt


ausgezeichnet

Sepp Flattacher, der passionierte Jäger im Mölltal ist ein rechter Kauz. Er möchte nur seine Ruhe haben, sein bester Freund ist sein Hund und allenfalls der etwas einfältige Reini darf noch auf etwas Wohlwollen hoffen. Einen echten Kleinkrieg über den Gartenzaun führt er allerdings mit seinem Nachbarn Heinrich Belten, ein Piefke, wie er im Buch steht. Und genau von dort droht Ungemach. Heinrichs Tochter mit Ehemann und Kindern scheinen einen endgültigen Umzug nach Kärnten zu planen und den Vater ins Altenheim zu schicken. Heinrich ist ihm schon zu viel, aber so eine umtriebige Familie gilt es zu verhindern. Also schmieden die zwei alten Herren einen ausgetüftelten Abwehrplan und müssen sich dazu auch widerwillig verbinden. Aber dann kommt ihnen eine Leiche dazwischen und beide fühlen sich nicht ganz unschuldig.

Der Jägerkrimi „Wenn der Platzhirsch röhrt“ ist eine perfekt gelungene Mischung aus schwarzem Humor, kauzigen Typen und haarsträubenden Ereignissen, eingebettet in einen ganz realen Kriminalfall. Dass sich Sepp und Heinrich darin verwickeln lassen, ist auch dem Abwehrkampf gegen Schwiegersohn Anton Nowak geschuldet, der seine Finger in allerlei unsaubere Geschäfte gesteckt hat.

Mir gefällt es, wenn die regionalen Eigenarten und Dialekte und in diesem Fall auch gleich noch Jägerlatein, sich mit einem durchaus ernsten Krimi verbinden. Verständnisschwierigkeiten gibt es dabei keine, dafür sorgt ein ausführliches Glossar im Anhang. Das Buch liest sich flüssig, man mag gar nicht aufhören, ein witziger Einfall jagt den nächsten, ohne dass die Logik und Spannung des Krimis dabei auf der Strecke bleibt. Eine Stärke ist die Gestaltung der Figuren, Alexandra Bleyer zieht da alle Register und ihre Personen sind allesamt gelungen.

Sepp Flattacher wird von der Autorin schon zum zweiten Mal auf Mörderjagd geschickt, aber auch ohne Kenntnis des ersten Bands hat man überhaupt keine Schwierigkeiten sich im Mölltal zurechtfinden.
Wer humorvolle Regionalkrimis schätzt, hat hier ein echtes Highlight vor sich.

Bewertung vom 02.08.2017
Projekt Orphan / Evan Smoak Bd.2
Hurwitz, Gregg

Projekt Orphan / Evan Smoak Bd.2


gut

Das Projekt „ Orphan“ ist ein geheimes, hochbrisantes Programm der US-Regierung. In Kinderheimen und Waisenhäuser werden geeignete Kinder ohne Eltern oder Verwandte gesucht und in einem jahrelangen Training zu Elitekämpfern und Killermaschinen ausgebildet. Evan, als Orphan X, ist eines dieser Kinder. Er hat zu seinem Mentor und Trainer Jack eine besondere Verbindung, er sieht ihn fast als Vaterersatz. Diese menschliche Regung veranlasst Evan auch das Programm kritisch zu hinterfragen. Aber ein Ausstieg ist von den Organisatoren nicht gedacht, Jack bezahlt mit dem Leben und Evan führt fortan ein Leben im Untergrund.
Allerdings ein komfortables, durch seine Aufträge hat er genug Geld, das er auf diversen Konten gebunkert hat. Sein Leben ist hinter einer hochtechnisierten Sicherheitsbarriere versteckt. Evan hat sich eine Aufgabe zu Eigen gemacht, als „Nowhere Man“ hilft Menschen in unverschuldeten Notlagen. Dafür setzt er seine ganzen Kenntnisse und Verbindungen ein. Menschenhändler, Drogenbosse und immer wieder Kinderhändlerringe sind sein Ziel. Das bringt ihm viele Feinde ein, aber auch die Bosse von Projekt Orphan sind hinter her. Aber als er dann in eine Falle gerät, ist es eine Bedrohung aus einer ganz anderen Ecke.
Gefangengehalten in einem bunkerähnlichen Chalet wird Evan erpresst, sein ganzes Vermögen den Kidnappern zu überweisen. Eine geschickte Idee – Schwarzgeld wird von niemandem gesucht. Aber Evan lässt sich nicht unterkriegen, er sinnt auch ein Entkommen und Scharfschützen, Wachleute und Killer sollen ihn nicht aufhalten. Jeder Tag in Gefangenschaft ist eine Tortur, aber Evan kämpft!
Ein unglaublich rasanter Plot. Wann immer ich dachte, jetzt hat er kein Mittel zur Gegenwehr mehr, findet er einen Müllbeutel, einen Serviettenring oder ähnliches, was er zu tödlichen Waffen umsetzt. (McGyver lässt grüßen) Es gab kaum eine Verschnaufpause und der Ideenreichtum des Autors ist gewaltig. Ein fulminanter Einfall jagt den nächsten. Zwar hätte ich mir weniger Kampfszenen und mehr Hintergrund gewünscht, aber trotzdem ist die Geschichte rund aufgebaut. Lediglich der Mittelteil mit den tagelangen Ausbruchsversuchen hat Längen, auch wenn er jedes Mal eine neue List ersinnt, wiederholt sich die Konstellation dann doch. Das Buch ist ein routinierter, fesselnd zu lesender Thriller, der direkt nach einer Verfilmung schreit.

Bewertung vom 01.08.2017
In tiefen Schluchten / Tori Godon Bd.1
Chaplet, Anne

In tiefen Schluchten / Tori Godon Bd.1


gut

Tori Godon lebt seit einiger Zeit im Vivarais. Ihr verstorbener Mann, Nachfahre der dort verfolgten Hugenotten, wollte seine Familiengeschichte erforschen. Aber nun bleibt sie Witwe allein zurück. Als sie erfährt, dass ein junger holländischer Höhlenforscher verschwunden ist, reagiert sie beunruhigt, auch etwas verständnislos, da die Vermieterin keine Anstalten macht, den Vermissten zu melden. Dann stirbt der alte Didier, der ihr am Vorabend noch mit vielen geheimnisvollen Andeutungen von den alten Höhlen in der Umgebung erzählte, unter ungeklärten Umständen. Aber niemand scheint ein Interesse daran zu haben, die Vorfälle zu untersuchen. Das macht Tori skeptisch und sie beginnt auf eigene Faust ein bisschen zu „schnüffeln“.

Wunderschöne, sehr ausführliche Landschaftsbeschreibungen dominieren das Buch. Da ich die Gegend kenne, hat mich das nicht mal gestört, denn es erweckte lebhafte Erinnerungen und Bilder bei mir. Aber allmählich vermisste ich doch die Krimihandlung. Bis weit über die Hälfte des Krimis passierte nichts. Dann kommt allmählich doch etwas Tempo ins Buch, aber die Entwicklung stellte sich mir nicht immer logisch dar.

Die Figuren sind nett entwickelt, Tori ist eine sympathische Frau, die als Hauptfigur den Roman trägt. Die Idee, die Hugenottenverfolgung mit der Resistance zu verbinden finde ich gelungen, aber das allein reicht halt nicht, einen Krimi über Mittelmaß hinaus zu heben. Ich finde, die Autorin hat schon öfters den Beweis erbracht, dass sie spannende und subtile Krimis schreiben kann, bei ihrem neuen Buch habe ich davon nicht so viel gespürt. Es bleibt eine unterhaltsame, ein bisschen abenteuerliche Urlaubsgeschichte, ganz besonders geeignet für LeserInnen, die Frankreich lieben und in diese schöne Landschaft eintauchen möchten.

Bewertung vom 30.07.2017
Im Namen des Paten
Loibelsberger, Gerhard

Im Namen des Paten


ausgezeichnet

Lupino Severino lebt in Venedig mehr schlecht als recht von seinen gelegentlichen Detektivjobs und als Reiseführer. Seine Laufbahn als Polizist musste er aufgeben, die Freundschaft seit Kindertagen mit dem Oberhaupt der Frulani-Familie brachte ihn in eine verfängliche Situation.

Da bittet ihn „Il Piccoletto“ Frulani um einen kleinen, aber gut dotierten Gefallen. Einen Speicherchip soll er Frulanis Tante in Triest überbringen. Eine kleine Fahrt, abgeben und am Abend zurück, schnell verdientes Geld, so denkt Severino. Aber es kommt alles anders, kurz bevor der das Haus betritt, zündet eine Sprengladung. Er kann sich in Sicherheit bringen, beim zweiten Versuch der Kontaktaufnahme gerät in die Hände der Mitarbeiter der Signora und wird gefoltert. Plötzlich sieht er sich inmitten eines Kampfs zwischen zwei großen Mafia-Familien und nicht nur er, auch seine Verlobte schweben in Lebensgefahr.

Vor der wirklich sehr malerischen Kulisse Venedigs – Grado und Triest entfaltet sich dieser Mafia-Krimi. Sehr überzeugend erzählt, kann man einen Blick hinter die Machenschaften des organisierten Verbrechens werfen. Dabei hat mir die Charakterisierung der Figuren gefallen. Obwohl Il Piccolletto ein skrupelloser Gangster ist, für den ein Menschenleben nichts zählt, wird er nicht als eindimensionales Monster gezeichnet. Grade das macht die Faszination aus, Macht und Geld und die Gier nach Kontrolle sind seine Motive.

Die Hetzjagd auf Lupino ist rasant erzählt, als fast unschuldige Randfigur ist er zwischen die Fronten geraten und flieht um sein Leben. Dabei ist dem Autor eine atmosphärisch dichte Schilderung gelungen, das italienische Flair der Landschaft, die besondere Stimmung bei Espresso und Wein in Triester Bars und ein Venedig, im dem die Massen der Touristen nur eine lästige Randerscheinung sind, haben mir beim Lesen sehr viel Vergnügen bereitet.
Die Handlung ist realistisch aufgebaut, der Einblick in die Machenschaften der Mafia erscheint mir sehr kenntnisreich erzählt.

Der Krimi hat meine Erwartungen mehr als erfüllt. Spannend, temporeich und mit Empathie für die Figuren – ich mochte kaum aufhören zu lesen. Gut, dass es noch einen ersten Band gibt, der die Wartezeit auf einen neuen Fall für Lupino Severino überbrückt.

Bewertung vom 25.07.2017
Die Großmächtigen
Kaddour, Hédi

Die Großmächtigen


ausgezeichnet

Der Maghreb in den Zwanziger des letzten Jahrhunderts, eine Welt in der es brodelt. Zwischen den französischen Kolonialisten und den politisch geprägten Nationalisten, zwischen den traditionellen Muslimen und den Fortschrittsgläubigen. Diese labile Konstellation gerät aus den Fugen, als ein amerikanisches Filmteam in Nahbès einzieht. Die geschlossenen Kreise werden durcheinander gewirbelt und die „Großmächtigen“ so der Spottname für die einfluss-und geldreichen Franzosen fürchten um ihre Vormachtstellung.


Hier treffen die fünf Hauptcharaktere aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein können:

Rania, eine junge Araberin, von Büchern fasziniert und aufgeschlossen, schon mit 19 Jahren Witwe geworden, versucht sie ein eigenständiges Leben zu führen und sich der Bevormundung von Vater und Bruder zu entziehen.

Raouf, ein achtzehnjähriger Abiturient, ist angezogen von der französischen Literatur und Sprache, er ist charmant, gebildet und gehört als Sohn des Caîd zu oberen Schicht der Araber.

Ganthier ist Franzose, gehört also zu den Großmächtigen, ist ein gebildeter, aber auch zynischer und reaktionärer Mann.

Kathrin Bishop gehört als Schauspielerin zur Filmcrew, charmant und reizend wirbelt sie gehörig Staub auf. Dazu kommt noch die Journalistin Gabrielle Conti.


Zwischen diesen fünf Hauptfiguren entwickeln sich dramatische, leidenschaftliche und folgenreiche Beziehungen. Hier prallen Welten und Weltanschauungen aufeinander. Der Roman ist ein farbenreiches Epos aus einer für mich bislang fremden Welt. Doch finde ich in all diesen Konflikten und politischen Machtspielen schon den Kern des Konflikts, der bis heute die Region bestimmt. Aber nicht nur der geschichtliche oder politische Hintergrund hat mich gefesselt. Es ist vor allem die Entwicklung der Figuren. Großartig vor allem Rania und Raouf, zwei junge Menschen, die durch die Begegnung mit der Literatur und den Fremden auch die Enge ihrer Welt begreifen.

Es gibt viele wunderbare Geschichten in der Geschichte, kleine zwischenmenschliche Episoden von Neid, Liebe, Eifersucht und Enttäuschung, die mich an Episoden aus Tausendundeiner Nacht erinnerten. Die Handlung führt in einem weiten Bogen aus Nordafrika bis nach Europa und ins Ruhrgebiet und wieder zurück nach Nahbès. Sogar Hollywood darf mit einigen Skandalen auftreten. Die Atmosphäre ist stimmig und nahm mich sofort gefangen.

Die Geschichte ist lebensprall und farbenprächtig, unterhaltsam und traurig zugleich. Ich bin begeistert!

Bewertung vom 24.07.2017
Das Mädchen, das schwieg / Kajsa Coren Bd.4
Teige, Trude

Das Mädchen, das schwieg / Kajsa Coren Bd.4


sehr gut

Die Journalistin Kasja lebt zusammen mit ihrem Mann, der noch die Folgen eines Polizeieinsatzes auskuriert, auf einer kleinen Insel vor der Westküste Norwegens. Das Landhaus zu renovieren war ein Projekt, dass sie sich für die Elternzeit vorgenommen haben.

Da wird Sissel ermordet aufgefunden. Sissel ist eine junge, seltsame Frau, seit Jahren verstummt, kommuniziert sie nur mit Notizen und Briefen mit ihrer Umwelt. Sie bringt ihre Tage am Fenster zu und es scheint, dass ihr keine Bewegung im Dorf verborgen geblieben ist. Hat ihre Ermordung etwas mit dem Tod ihres Vaters zu tun, der vor einem Jahr im gleichen Haus gewaltsam ums Leben kam?

Kasja ist Vollblutjournalistin und lässt sich diese Gelegenheit nicht entgehen, den Fall gründlich zu recherchieren, dabei kommt ihr untrüglicher Blick auf die Gesellschaft und ihre Abgründe zur Geltung.

Die Geschichte entfaltet langsam eine hintergründige Spannung und einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte. Je tiefer Kajsa in die Vergangenheit von Sissel und ihrer Familie eintaucht, desto tiefer wird das Verständnis um das Verstummen der jungen Frau. Die Autorin entwickelt ihre Figuren sehr plastisch, mit viel Empathie und psychologischem Einfühlungsvermögen. Der kleine Ort mit seinen alt eingesessenen Familien und den strengen Traditionen der Gebetshäuser einer Freikirchlichen Gemeinde ist ein idealer Hintergrund für diesen Kriminalroman. Die Handlung treibt immer spannender auf einen emotional-tragische Höhepunkt zu.

Die Autorin kann Bilder im Kopf erzeugen und kommt dabei fast ohne Gewaltschilderungen aus. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, so sehr hat mich der Roman gefangen genommen. Gudrun Teige ist wirklich eine Meisterin des subtilen Krimis.