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Havers
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Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 22.11.2016
Böser Samstag / Frieda Klein Bd.6
French, Nicci

Böser Samstag / Frieda Klein Bd.6


sehr gut

In „Böser Samstag“, Band sechs der auf acht Teile angelegten Krimireihe des englischen Autorenpaars Nicci Gerard und Sean French, werden wieder einmal die Dienste der Psychotherapeutin Frieda Klein benötigt. Sie soll Hannah Docherty begutachten, eine junge Frau, die seit dreizehn Jahren in psychiatrischer Sicherheitsverwahrung untergebracht ist. Ein Fall der für Schlagzeilen sorgte: sie soll ihre Mutter, ihren Stiefvater und ihren Bruder zweifelsfrei getötet haben. Die Begegnung mit der vermeintlichen Mörderin erschüttert die Therapeutin, denn diese wurde offenbar in dieser Einrichtung nicht nur mit hochdosierten Medikamenten ruhiggestellt, sondern auch, wie die Male auf ihrem Körper vermuten lassen, brutal misshandelt. Obwohl es Frieda kaum gelingt zu Hannah durchzudringen, gerät sie nach dem Gespräch ins Zweifeln. Hat die Polizei vielleicht bei der Ermittlung geschlampt? Um das herauszufinden begibt sich Frieda auf gefährliches Terrain und ermittelt auf eigene Faust gegen alle Widerstände. Allerdings ohne zu bedenken, dass sie damit dem wirklichen Mörder in die Quere und gefährlich nahe kommt.

Ein neuer Kriminalroman mit Frieda Klein hat immer etwas von einem Wiedersehen mit alten Bekannten an sich. Man ist mit der Hauptfigur vertraut und kennt auch die Menschen in ihrem persönlichen Umfeld. Und es ist nicht nur der jeweilige Fall, der Spannung generiert, sondern auch die Innenansichten der Personen und die Reflexionen der Hauptfigur. Dazu dann noch die atmosphärischen Beschreibungen der englischen Metropole – alles in allem ein Gesamtpaket, das stimmig ist.

Irreführend finde ich allerdings die Bezeichnung „Thriller“, denn die Autoren haben mit Frieda eine Hauptfigur geschaffen, die in der typischen Art der klassischen englischen Hobbydetektive ermittelt. Das Herz auf dem rechten Fleck, eher unkonventionell und aus dem Bauch heraus, aber jederzeit sympathisch. Der Fall an sich ist eher konventionell gestrickt, wartet aber mit diversen unerwarteten Wendungen und Finten für den Leser auf, sodass man durchaus von einer spannenden und logisch konstruierten Story sprechen kann.

Natürlich kann man „Böser Samstag“ auch dann lesen, wenn man die anderen Bände der Reihe nicht kennt. Wesentlich interessanter und auch spannender ist es allerdings, nicht nur die Protagonistin Frieda Klein, sondern auch die einzelnen, wiederkehrenden Charaktere, die zu Friedas Universum gehören, in ihrer Entwicklung im Lauf der Zeit zu beobachten.

Bewertung vom 15.11.2016
Mind Control / Bill Hodges Bd.3
King, Stephen

Mind Control / Bill Hodges Bd.3


ausgezeichnet

Die Geschichte von Bill Hodges und seinem Widersacher Brady Hartsfield geht weiter. Was mit „Mr Mercedes“ begann und in „Finderlohn“ seine Fortsetzung fand, wird in „Mind Control“, dem abschließenden Band dieser Trilogie von Stephen King, seinen Abschluss finden.

Brady Hartsfield ist zurück. Der Attentäter, dessen Amokfahrt acht unschuldige Menschen das Leben kostete und zahlreiche Schwerverletzte hinterließ. Holly Gibney, Privatdetektivin und Partnerin des Ex-Detectives Bill Hodges ist dafür verantwortlich, dass Hartsfield mit einem Schädel-Hirn-Trauma in einer neurologischen Klinik im Koma liegt, und das ist auch gut so. Aber allmählich fallen dem Klinikpersonal eigenartige Veränderungen im Verhalten ihres Patienten auf, die Hodges auf den Plan rufen, denn er ist überzeugt davon, dass Hartsfield das personifizierte Böse und selbst in seinem komatösen Zustand äußerst gefährlich ist. Dass er damit Recht behalten soll, zeigt sich relativ schnell, denn er findet heraus, dass dieser von einem ehrgeizigen Arzt mit experimentellen Medikamenten versorgt wurde, die unheimliche Kräfte in ihm freigesetzt haben. Mit der bloßen Macht seiner Gedanken kann Hartsfield sich in die Köpfe seiner Opfer einschleichen und ihnen seinen Willen aufzwingen. Und da er noch immer von dem Wunsch zu töten beherrscht wird, nutzt er seine telekinetischen Kräfte, um aus seinen „Wirtsmenschen“ willenslose Marionetten zu machen und einen nach dem anderen in den Selbstmord zu treiben.

Natürlich ist dies wieder einmal ein Plot, den so nur Stephen King ersinnen und spannend zu Papier bringen kann. Aber auch diese besonderen Eigenschaften, die die beiden Hauptfiguren auszeichnen, sind einen Blick wert: Hartsfield, das manipulative Monster, eingeschlossen in seinen Körper, bewegungsunfähig und dennoch in der Lage, Fähigkeiten auszubilden, mit denen er seine mörderischen Triebe ausleben kann. Auf der anderen Seite Hodges, der Ex-Detective, jetzt Privatermittler, der Gutmensch, dessen Vorstellungskraft anfangs nicht ausreicht, um an die Kräfte des Bösen zu glauben, der allmählich vom Krebs zerfressen wird, aber dennoch alle Kräfte mobilisiert, um das Böse zu bekämpfen. Ich bin immer wieder tief beeindruckt, wie komplex und dennoch detailliert Stephen King seine Figuren anlegt und diese in der realen Welt verankert.

In dieser Trilogie, und speziell in dem abschließenden Band „Mind Control“ offenbart sich einmal mehr das gesamte schriftstellerische Können Stephen Kings. Kommen die beiden Vorgänger noch eher als Kriminalromane/Thriller mit Schwerpunkt auf der Ermittlerfigur daher, überwiegen im letzten Teil die übernatürlichen Elemente, die ganz klar in Richtung Horror weisen. Dabei kann der Autor aber auf die in diesem Genre so beliebten Splatterorgien weitestgehend verzichten. Er arbeitet mit leisem Grauen, das sich allmählich in seine Story einschleicht und von ihr Besitz ergreift. Und auch wenn es nicht zwingend notwendig ist, die beiden Vorgänger gelesen zu haben, würde ich doch dazu raten, denn nur dann kann man den raffinierten Aufbau und Abschluss dieser Trilogie wirklich genießen.

Schreiben kann er, der Meister, aber das wissen wir ja bereits. Und deshalb meine nachdrückliche Empfehlung: Lesen!

Bewertung vom 15.11.2016
Konklave
Harris, Robert

Konklave


sehr gut

Wenn der Papst zurücktritt oder stirbt, muss auf dem schnellsten Wege ein Nachfolger gefunden werden. Und um das neue Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche zu wählen, versammeln sich die wahlberechtigten Kardinäle aus aller Welt in Rom zum Konklave. Genau das ist die Ausgangssituation in „Konklave“, dem neuen Roman des vor allem durch seine Cicero-Trilogie in Deutschland bekannt gewordenen englischen Autors Robert Harris.

Im Zentrum steht Kardinal Lomeli, integer, aber momentan mitten in einer Glaubenskrise, der seine liebe Not damit hat, die verschiedenen Fraktionen einigermaßen im Zaum zu halten. Oft scheint es, als wäre er einer der wenigen, der immer das eigentliche Ziel der Zusammenkunft im Blick hätte. Die Kardinäle selbst benehmen sich wie Lobbyisten und Politiker. Da werden Strippen gezogen und Allianzen geschmiedet, immer den eigenen Vorteil im Blick.

117 Würdenträgern plus ein Nachzügler, von dem verstorbenen Papst im Geheimen zum Kardinal geweiht, die die verschiedenen Strömungen innerhalb der katholischen Kirche repräsentieren. Der konservative Block, die Reformer und die Dritte Welt-Fraktion, all jene lassen nichts unversucht, ihren Kandidaten in eine aussichtsreiche Position zu bringen. Und wenn die Qualifikationen nicht überzeugen, werden dann schon einmal schwerere Geschütze aufgefahren. Persönliche Verfehlungen werden zum Thema, seien es nun allzu großzügiger Umgang mit Kirchengeldern oder Verletzung des Zölibats. Oder aber ganz einfach Bestechung mit dem Ziel, sich Stimmen für die Papstwahl zu erkaufen. Doch glücklicherweise läuft nicht immer alles nach Plan…

Eine Papstwahl ist für uns Außenstehende immer etwas Geheimnisvolles, denn hier zieht die katholische Kirche einmal mehr wieder alle Register der glanzvollen Inszenierung. Schon allein diese Geschichte mit dem Schornstein, auf den die Welt blickt um zu sehen, ob schwarzer und weißer Rauch aufsteigt – absolut theatralisch!

Robert Harris nimmt seine Leser mit hinter die Mauern des Vatikan, und wie in all seinen Romanen gelingt es ihm auch in „Konklave“ meisterhaft, Fakten und Fiktion zu verbinden. Seine Schilderungen sind lebendig und vermitteln den Eindruck eines Insiderberichts. Tatsächlich hat ihn wohl im Zuge seiner Recherchen ein (ungenannt bleibender) Kardinal mit Informationen versorgt.

Aber der Autor geht noch einen Schritt weiter und beschreibt nicht nur das Prozedere, sondern reißt auch die Themen an, die in der katholischen Kirche kontrovers diskutiert werden. Allerdings bleibt Harris meiner Meinung nach hier sehr an der Oberfläche und spart auch nicht mit Klischees, wobei er damit natürlich aber auch die Erwartungen der meisten Leser erfüllen dürfte.

Dennoch: mit „Konklave“ ist Robert Harris ein spannender Kirchenthriller gelungen, der mit der zunehmenden Zahl der ergebnislosen Wahlgänge an Dynamik gewinnt, bis er schließlich in einem furiosen und überraschenden Finale endet.

Bewertung vom 10.11.2016
Ein Jahr lang gut essen
Slater, Nigel

Ein Jahr lang gut essen


ausgezeichnet

Nachhaltig einkaufen, kochen mit Produkten, die gerade zu diesem Zeitpunkt überall erhältlich sind. Gerichte genießen, die zur Jahreszeit passen. Die im Herbst / Winter wärmen und im Frühling / Sommer erfrischen. Nach der Arbeit nicht stundenlang am Herd stehen, um etwas Schmackhaftes zuzubereiten. Anregungen und Inspirationen, um neue Geschmackserlebnisse mit dem zu kreieren, was sich im Kühlschrank und der Vorratskammer finden lässt.

All diese Punkte sind mir beim täglichen Kochen wichtig. Und in Nigel Slater habe ich eine verwandte Seele gefunden, der genau dies in seinen Rezeptvorschlägen umsetzt. Mit „Ein Jahr lang gut essen“ liegt nun der dritte Band seiner Kitchen Diaries vor, und wie immer ist es ein gewichtiges Werk in sehr schöner Ausstattung, das sich wohltuend von üblichen Kochbüchern abhebt.

Gegliedert sind die Gerichte nach den Jahreszeiten sowie den Monaten und orientieren sich an dem Angebot der Märkte zu diesen Zeitpunkten. Den gravierenden Unterschied machen die Texte. Anders als bei den meisten Veröffentlichungen in diesem Bereich werden die Zubereitungen nicht auf den üblichen Doppelseiten mit Zutaten und gegenüberliegendem Bild des fertigen Gerichts präsentiert (was akzeptabel ist, leider ist aber mittlerweile den meisten Kochbuchautoren der Personenkult wichtiger als das Ergebnis ihrer Arbeit). In den Kitchen Diaries ist das anders, hier steht immer das Produkt im Mittelpunkt. Ergänzt wird dies durch Slaters persönliche, zuweilen fast schon philosophische Gedanken zu den Themen, die Kochen und Essen streifen. Von daher ist für mich „Ein Jahr lang gut essen“ fast schon ein täglicher Begleiter und weit mehr als ein bloßes Kochbuch.

Die Rezepte selbst sind weitgehend unkompliziert und mit einem überschaubaren Zeitaufwand zu realisieren. Es ist nicht notwendig, sich sklavisch an die Zutatenliste zu halten, man sollte sie eher als Vorschlag und/oder Inspiration verstehen. Manchmal lohnt es sich aber, auch ungewöhnliche Kombinationen auszuprobieren, die dem Esser völlig neue Geschmackserlebnisse bescheren. In seinen Rezepten gibt es von allem etwas, denn Slater ist weder Veganer noch Vegetarier. Und folgendes Zitat scheint mir ein schöner Abschluss, verkörpert es doch auch meine Einstellung zum Kochen und Essen:

„Ja, ich esse Kuchen, und Eiscreme, und Fleisch. Ich esse Kekse und Brot und trinke auch Alkohol. Mehr noch: All das nehme ich ohne einen Funken von Schuldgefühlen zu mir. Und dennoch finde ich meine Essgewohnheiten eher achtsam als achtlos. Ich interessiere mich brennend dafür, wo mein Essen herkommt und welche langfristigen Wirkungen es für mich und den Planeten hat(….)Mir gefällt der Gedanke, dass meine Einstellung zum Kochen und Essen auf der Basis von gutem Geschmack und Vergnügen beruht, nicht auf Verehrung und Ehrfurcht.“

Essen ist Genießen und nicht nur bloße Nahrungsaufnahme. Dieses Credo teile ich uneingeschränkt mit Nigel Slater. Und deshalb gibt es auch für „“Ein Jahr lang gut essen“, den dritten Teil der Kitchen Diaries, von mir wieder die volle Punktzahl!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.11.2016
Das Kind im Wald / Lizzie Snow Bd.1
Graves, Sarah

Das Kind im Wald / Lizzie Snow Bd.1


weniger gut

Sarah Graves ist das Pseudonym der amerikanischen Autorin Mary Squibb, die im englischsprachigen Raum für ihre erfolgreiche Cozy-Reihe mit zwei Hobbyermittlerinnen bekannt ist. Handlungsort ist Eastport im US-Bundesstaat Maine, interessanterweise der Wohnort der Autorin.

Und auch „Das Kind im Wald“, der erste Band ihrer neuen Krimireihe, ist in dieser Region verortet. Im Zentrum der Handlung steht Detective Lizzie Snow, vor ihrer Versetzung in den Norden bei der Mordkommission Boston im Einsatz. Sie folgt der Spur ihrer Nichte, deren spurloses Verschwinden sie aufklären möchte. Aber kaum an ihrem neuen Einsatzort Bearkill angekommen, wird sie schon von ihrem dortigen Kollegen in Beschlag genommen, der eine Reihe seltsamer Todesfälle untersucht. Ehemalige Polizisten haben Selbstmord begangen, oder etwa doch nicht? Treibt ein Copkiller sein Unwesen, oder hat jemand noch eine alte Rechnung mit den Gesetzesvertretern offen? Gibt es vielleicht sogar einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden von Lizzies Nichte und den toten Polizisten? Und welche Rolle spielt ihr Ex-Freund bei der Suche, da von ihm der entscheidende Tipp kam, in den Wäldern von Maine zu suchen?

Auf den ersten Blick verspricht dieser Plot einen spannenden Kriminalroman, aber leider kann die Autorin dieses Versprechen nicht halten. Ausschweifende Schilderungen mit vielen, meist für den Fortgang der Handlung völlig überflüssigen Details, bremsen das Tempo bereits im Ansatz aus und ersticken jeden Anflug von Spannung bereits im Keim. Und auch die Figuren bleiben merkwürdig blass und konturlos, völlig beliebig, und wecken bei dem Leser kein besonderes Interesse.

Dazu kommt, und das ist meiner Meinung nach das größte Manko dieses Romans, dass Sarah Graves / Mary Squibb nicht nur nicht mit Sprache umgehen kann, sondern auch ihr Wortschatz erhebliche Defizite aufweist. Das wird bereits zu Beginn überdeutlich, wenn sie auf gerade einmal eineinhalb Seiten fünfmal das Wort „Mobilheim“ verwendet (ich bin kein Autor, aber mir fallen aus dem Stand mehr als besagte fünf Synonyme ein). Und nein, es liegt nicht an der Übersetzung, ich habe den Text mit dem amerikanischen Original verglichen.

Lizzie Snow ermittelt weiter, aber ich werde aus genannten Gründen die Reihe nicht weiterverfolgen.

Bewertung vom 03.11.2016
In Flammen / D.I. Helen Grace Bd.4
Arlidge, Matthew J.

In Flammen / D.I. Helen Grace Bd.4


gut

Der britische Autor Matthew J. Arlidge hat mit der mittlerweile vierbändigen Reihe um D.I. Helen Grace eines der erfolgreichsten Debüts im Bereich der Kriminalromane abgeliefert. Für mich kommt der Erfolg nicht überraschend, weiß dieser erfahrene Drehbuchautor doch, wie man die Aufmerksamkeit der Leser fesselt. Unzählige kurze Kapitel, verschiedene Erzählperspektiven und immer wieder Cliffhanger sorgen von Beginn an für hohes Tempo und halten das Interesse des Lesers konstant hoch. Dazu die richtige Balance zwischen spannendem Kriminalfall, einer interessanten Protagonistin und sympathischen Teammitgliedern, die alle ihre eigene Geschichte mitbringen. Diese Mischung funktioniert üblicherweise immer.

In Band vier „D.I. Helen Grace: In Flammen“ muss das Team auf dem schnellsten Wege einen Brandstifter dingfest machen, der immer wieder an den verschiedensten Stellen in Southampton Feuer legt. Das Bild dieses Psychopathen setzt sich nach und nach aus diversen Informationen zusammen, die im Laufe der Ermittlungen auftauchen. Aber die Sachbeschädigungen sind nicht das eigentliche Ziel, es geht ihm um die Menschen, die im Feuer verbrennen, das für ihn nur Mittel zum Zweck und eine grausame Mordwaffe ist.

Dieser vierte Fall für Helen Grace konnte mich nicht hundertprozentig überzeugen. Zum einen finde ich die Thematik Feuerteufel nicht interessant, zum anderen kommt diese Story im Vergleich zu den Vorgängern sehr einfach, teils willkürlich und ohne besondere Raffinesse daher. Und das betrifft nicht nur die Suche nach Täter und Motiv, sondern auch die persönlichen Ent- und Verwicklungen rund um das Team. Zu viele Wiederholungen, zu sparsam mit neuen Impulsen, zu viel Stagnation, kaum Hintergrundinformationen. Aus meiner Sicht typischer Mittelband mit Spannung auf kleiner Flamme.

Bleibt zu hoffen, dass der Autor in dem fünften Band „D.I. Helen Grace: Letzter Schmerz“ zu alter Form zurückfindet. Erscheinungstermin der deutschen Aussage ist der 25. November 2016.

Bewertung vom 03.11.2016
Ein ordentlicher Ritt
Welsh, Irvine

Ein ordentlicher Ritt


ausgezeichnet

Es ist ein besonderes Kennzeichen der Romane des schottischen Autors Irvine Welsh, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Und auch seine Figuren lässt er so reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Und da diese üblicherweise nicht aus der „Upper class“ sondern eher aus Problemvierteln kommen, ist es kein Wunder, dass deren Sprache eher derb, zotig und direkt ist. So auch in dem neuen Roman „Ein ordentlicher Ritt“, in dessen Zentrum Juice Terry Lawson, ein Taxifahrer aus Edinburgh, steht.

Ein unsympathischer Zeitgenosse mit Jogginganzug und Korkenzieherlocken, dessen einziges Sinnen und Trachten darin besteht, seine weiblichen Fahrgäste mit eindeutigen Absichten anzubaggern. Und es steht außer Frage, dass er einen Schlag beim den Frauen hat und dementsprechend auch zum Zug kommt. Er ist ein vielbeschäftigter Mann, denn neben seinem Job als Taxifahrer bessert er sein Einkommen mit gelegentlichen Lieferfahrten für Drogenhändler auf oder lässt sich von einem amerikanischen TV-Star während dessen Aufenthalt in Schottland als Chauffeur mieten. Damit aber nicht genug, denn außerdem muss Terry ein Auge auf das zwielichtige Etablissement eines Kumpels haben. Dort schafft Jinty, eine seiner Freundinnen, bis zu dem Tag des Hurrikans an. Aber dann verschwindet sie, und die Dinge laufen auch für Terry völlig aus dem Rahmen…

It’s all about Terry…und die Entwicklung, die er im Laufe des Romans bedingt durch verschiedene Ereignisse durchmacht. Weg von dem egoistischen Sexmaniac hin zu einem reflektierenden Menschen, der sich nicht nur mit seinen familiären Wurzeln auseinandersetzt, sondern auch Interesse für die Probleme seines persönlichen Umfeldes zeigt und Hilfe anbietet. Welsh beschreibt dieses Werden völlig unsentimental –hätte ja auch niemand erwartet, dass er tief in die Emotionskiste greift.

Immer provokant, mit schrägem Humor, bisweilen recht bizarr…und zweideutig eindeutig. Klasse!

Bewertung vom 25.10.2016
Die Nacht der schwarzen Falter / Vera Stanhope Bd.6
Cleeves, Ann

Die Nacht der schwarzen Falter / Vera Stanhope Bd.6


ausgezeichnet

Valley Farm, Northumberland, in Englands Nordosten. Dort, wo sich Fuchs und Hase ‚Gute Nacht‘ sagen. Nicht unbedingt die Gegend, die durch Gewaltverbrechen auffällt. Wenn dort ein Mord geschieht, scheint die Anzahl der Verdächtigen auf den ersten Blick sehr überschaubar.

In Ann Cleeves neuestem Kriminalroman „Die Nacht der schwarzen Falter“, dem siebten Buch der Vera Stanhope-Reihe, beginnt alles damit, dass Patrick Randle, ein als Housesitter jobbender Postdoktorand, tot aufgefunden wird. Und es ist offensichtlich, dass er keines natürlichen Todes gestorben ist. Ein Fall für Vera Stanhope und ihr Team von der Northumbria Police, die schon kurz darauf mit weiteren Todesfällen konfrontiert werden. Die Frage ist nur, ob und wie diese zusammenhängen…

Freunde des „typisch englischen“ Kriminalromans sind bei Ann Cleeves bestens aufgehoben. Sie versteht es wie kaum ein/e andere/r Autor/in, die Umgebung in die Handlung einzuarbeiten, und mit Umgebung meine ich in diesem Fall nicht nur geografische Gegebenheiten, sondern auch das gesellschaftliche Umfeld, in dem ihre Krimis angesiedelt sind. Ob das nun, wie in der Perez-Reihe, die Shetland-Inseln mit ihren knorrigen Bewohnern oder die wohlhabenden Ruheständler vom „Club der pensionierten Hedonisten“ in Valley Farm sind, genau diese Darstellungen kreieren die besondere Atmosphäre, die Cleeves‘ Romane auszeichnet.

Und deshalb benötigt die Autorin auch Zeit, um ihre Story zu entwickeln, die sich durch ein vielschichtiges Beziehungsgeflecht auszeichnet. Da wird am Ende kein Kaninchen aus dem Hut gezaubert, sondern langsam und mit viel Liebe zum Detail eine Geschichte geplottet, die in sich rund und abgeschlossen ist. Keine unbeantworteten Fragen, keine losen Enden. Cleeves beschränkt sich dabei aber nicht nur auf die Mordermittlungen. Genauso wichtig sind ihr Vera, die pummelige Ermittlerin mit dem messerscharfen Verstand, und die Mitglieder aus deren Team: Joe, für den Familie über alles geht, und Holly, die einzelgängerische Zwanghafte, die sich mit Selbstzweifeln quält und immer wieder überlegt, ihren Job einfach aufzugeben.

„Die Nacht der schwarzen Falter“ ist ein feiner, ein intelligenter Kriminalroman im klassischen Sinn, der ohne die detaillierten Beschreibungen von bluttriefenden Abscheulichkeiten auskommt und eher auf die leisen Töne setzt. Allen Lesern nachdrücklich empfohlen, die der plumpen Serienkiller überdrüssig sind!

Bewertung vom 25.10.2016
Wolfsbeute
Minier, Bernard

Wolfsbeute


sehr gut

„N'éteins pas la lumière“, so der Originaltitel von Bernard Miniers neuestem Psychothriller mit dem deutschen Titel „Wolfsbeute“ – diese Aufforderung ist nicht nur eine Bitte, sondern beinhaltet auch einen bedrohlichen Unterton. „Schalten Sie das Licht nicht aus“…man möchte ergänzen „sonst passiert Ihnen etwas“. Der französische Autor ist ein Meister des subtilen Schreckens, was er ja bereits hinlänglich mit seinen beiden Psychothrillern „Schwarzer Schmetterling“ und „Kindertotenlied“ bewiesen hat. Nun also „Wolfsbeute“, was uns ein Wiedersehen mit dem bereits aus den Vorgängern bekannten Commandant Martin Servaz von der Mordkommission Toulouse beschert.

Servaz leidet noch immer an den Nachwirkungen seines letzten Falles, der für ihn absoluter albtraumartige Ausmaße angenommen hat, da seine Freundin von einem Psychopathen getötet wurde. Aufgrund seiner mentalen Erkrankung ist er von dem Tagesgeschäft entbunden und versucht, mit professioneller Hilfe wieder auf die Beine zu kommen. Als ihm aber ein Päckchen mit dubiosem Inhalt zugestellt wird, weckt dies wieder seine Instinkte. Die Frage stellt sich, von wem die Sendung stammt und warum ausgerechnet er als Empfänger ausgewählt wurde. Entgegen alle Vernunft beginnt Martin Servaz mit seinen Ermittlungen.

Ganz behutsam, Schicht für Schicht, entwickelt Bernard Minier das Psychogramm eines besessenen Stalkers, dessen Bösartigkeit sich vornehmlich gegen Frauen richtet. Als neuestes Opfer hat er die Radiomoderatorin Christine ausgewählt, die er mit diversesten Psychoterror-Attacken in den Wahnsinn – oder besser gesagt in den Selbstmord – treiben möchte. Aber warum? Welche Motivation steckt dahinter? Und kann die Moderatorin dem Druck standhalten?

Da der Autor größtenteils die Ereignisse aus der Perspektive des Opfers, im vorliegenden Fall der Sicht von Christine, schildert, befindet man sich als Leser immer mitten im Geschehen. Man fühlt die Fassungs- und Ratlosigkeit, die zunehmende Verzweiflung der Frau und fragt sich, ob sie genug Kraft hat, um diese Situation einigermaßen unbeschadet zu überstehen.

Spannend und gleichzeitig verstörend, intelligent geplottet mit zahlreichen unerwarteten Wendungen – genau das Richtige für Fans des Genres.

Bewertung vom 20.10.2016
HELIX - Sie werden uns ersetzen
Elsberg, Marc

HELIX - Sie werden uns ersetzen


ausgezeichnet

Der Wiener Autor Marc Elsberg schreibt Thriller und wurde für seine beiden Veröffentlichungen „Black Out“ und „Zero“ von der Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“ ausgezeichnet. Die Themen, die er behandelt, sind vielfältig, ob das nun die dubiosen Machenschaften der Energiebranche sind oder die Totalüberwachung durch staatliche Stellen, stets ist es der wissenschaftliche Fortschritt, der zum Schaden der Menschheit von skrupellosen Individuen und Organisationen missbraucht wird. Nun also „Helix – Sie werden uns ersetzen“, der neueste Roman aus der Feder Elsbergs. Und hier behandelt er, wie bereits der Titel vermuten lässt, ein brisantes Thema. Es geht um Veränderungen im Erbgut, die in der Retorte erzeugt werden, spätestens seit Klon-Schaf Dolly sowie der Debatte um Monsanto-Saatgut ein Thema, das informierten Lesern einen Schauer über den Rücken jagt. Und vielleicht ist die Forschung hinter verschlossenen Labortüren ja bereits viel weiter, als wir es uns vorstellen können.

Von dieser Annahme geht auch Marc Elsberg in „Helix“ aus und entwickelt aus verschiedenen Handlungssträngen ein schreckendes Zukunftsszenario. Dabei schreibt sehr realitätsnah und immer auf der Höhe der aktuellen Forschung im Genetik-Bereich, allerdings sollte der Leser, wenn er denn die theoretischen Einschübe verstehen möchte, ein gewisses Maß an naturwissenschaftlichem Basiswissen mitbringen. Aber auch wenn dieses nicht vorhanden ist, bietet „Helix“ spannende Unterhaltung. Durch die unterschiedlichen Handlungsstränge und die schnell wechselnden Perspektiven legt der Autor ein hohes Tempo vor und hat einmal mehr einen rasanten Pageturner abgeliefert, der den Leser nur so durch die Seiten fliegen lässt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.