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CM94
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Bielefeld

Bewertungen

Insgesamt 885 Bewertungen
Bewertung vom 19.09.2021
Das Buch der verschollenen Namen
Harmel, Kristin

Das Buch der verschollenen Namen


ausgezeichnet

„Das Buch der verschollenen Namen“ erzählt die Geschichte Frankreichs während des zweiten Weltkriegs unter der Besatzung der Nazis. Dabei stellt es nicht die Gräueltaten der damaligen Zeit in den Fokus, sondern die Menschen, die sich auflehnten, ihr Schicksal nicht hinnehmen wollten und vielen das Leben retteten. Es ist eine Geschichte voller Mut und Hoffnung in einer der düstersten Zeiten der Menschheitsgeschichte. Und die Tatsache, dass dieses Buch auf einer wahren Geschichte beruht, erfüllt mein Herz mit Licht und der Hoffnung, dass Güte und Barmherzigkeit immer stärker sein werden als die Dunkelheit.

Zum Inhalt: Eva lebt mit ihren Eltern in Paris und studiert dort Literatur. Es ist 1942 und die Nazis besetzen Frankreich, Juden sind gezwungen den charakteristischen Stern zu tragen und ihre Rechte werden immer weiter eingeschränkt. Als eines Nachts die Nazis ab die Türen der jüdischen Bevölkerung klopfen und Massenverhaftungen stattfinden können Eva und ihre Mutter dem Unheil entgehen, der Vater wird allerdings abtransportiert. Eva versucht alles ihres Vater zu retten. In der unbesetzten Zone trifft Eva auf den Widerstandskämpfer Rémy und verschreibt sich seiner Sache, so viele Juden wie möglich zu retten.

Das Cover ist sehr farbenprächtig und springt direkt ins Auge. Es schafft direkt einen Bezug zum Titel und zum Klappentext. Es ist sehr künstlerisch und romantisch gestaltet und passt daher hervorragend zu dem Bild, das ich von Eva habe.

Das Buch ist fantastisch geschrieben, es wird sehr detailliert erzählt, ohne zu sehr in die Tiefe zu gehen, was die Besatzung und den Krieg anbelangt. Stattdessen steht das persönliche Schicksal von Eva und die Wiederstandsgruppierung in Aurignon im Vordergrund. Es geht darum, wie Fremde zu Verbündeten und Freunden werden können, wenn sie ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Hoffnung haben. Es geht viel um Mut und Menschlichkeit und um die Opfer, die die Menschen für ihre Zukunft zu bringen bereit waren.

Eva und Rémy sind unglaublich sympathisch und ich habe bis zum Schluss mit den beiden mitgefiebert und gehofft, dass sie nach dem Krieg wieder zueinander finden. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden gibt dem Buch die Extraportion Herz und macht sie noch menschlicher. Denn selbst in dieses schwierigen Zeiten war es möglich Liebe zu finden.
Beeindruckt war ich auch von den vielen Nebencharakteren, die das Buch mit Leben und Herzlichkeit füllten und die mir während der Lektüre auch sehr Herz gewachsen sind.

Die Geschichte um das Buch war wirklich bewegend und hat mich sehr berührt. Ich hätte nicht gedacht, mich so und er Geschichte zu verlieren und bin wahnsinnig froh, über diese wundervolle Geschichte gestolpert zu sein.

Bewertung vom 19.09.2021
Abgetrennt / Paul Herzfeld Bd.3
Tsokos, Michael

Abgetrennt / Paul Herzfeld Bd.3


sehr gut

Ich bin riesiger Fan von Michael Tsokos und folge ihm auch auf Instagram, wo man ihn ein Stück weit bei seiner Arbeit begleiten kann. Die Reihe um Paul Herzfeld gehört daher auch zu denen, bei denen ich neue Bücher immer sehnlichst erwarte. Es handelt sich hier nun um den dritten Band der Reihe um den Kieler Rechtsmediziner Paul Herzfeld und so langsam merkt man, dass Herzfeld ein bisschen schwächelt.

Zum Inhalt: nachdem Paul Herzfeld sich ein bisschen von den Ereignissen des zweiten Bandes erholt hat, nimmt er seine Arbeit in der Kieler Rechtsmedizin wieder auf und startet eigentlich mit einem recht ruhigen Fall, wobei es sich um ein illegales medizinisches Institut handelt, welches nicht genehmigte Sektionen durchführen lässt. Beim Erfassen der menschlichen Beweise stellt Paul fest, dass ihm eines der im Institut verwendeten Körperteile erstaunlich bekannt vorkommt. Denn er selbst hat daran vor nicht mal einem Jahr die Obduktion durchgeführt und die Leiche hätte danach ordnungsgemäß verbrannt werden sollen. Paul ermittelt auf eigene Faust in den Reihen der Kieler Rechtsmedizin und bringt sich damit mal wieder ins Fadenkreuz eines perfiden Psychopathen. Und auch eine Nemesis taucht unerwartete wieder auf.

Ich mag die Reihe um den sympathischen Rechtsmediziner wirklich gerne und finde, diese lebt vor allem von den bildlichen und gut erklärten Beschreibungen der Obduktionen. Das ist auch hier wieder ein riesiger Pluspunkt, der sich natürlich daraus ergibt, dass Tsokos einfach vom Fach ist. Alles wirkt dadurch sehr authentisch und man hat das Gefühl in der Rechtmedizin mit am Sektionstisch zu stehen. Auch die kleinen Schmankerl und Fun Facts aus der Rechtsmedizin wie z.B. die Madenrinne finde ich immer total gelungen. Für mich ist diese Nähe zur Realität der Hauptgrund die Reihe zu lesen und da ist es Tsokos wieder absolut gelungen mich abzuholen. Im Nachwort schreibt Tsokos auch nochmal, welche echten Fälle als Inspiration für dieses Buch dienten- einfach toll.

Der Rest der Handlung schleppt sich diesmal ganz schön voran und erst ab der Mitte des Buches und vor allem im letzten Drittel nimmt es dann an Spannung und Fahrt auf. Dazwischen werden weniger relevante Fälle und Institutsabläufe besprochen, die aber nicht zur Haupthandlung beitragen. Und auch die Geschichte um Schneider wirkt sehr dünn gesponnen, dafür, dass der ehemalige Stellvertretender Institutsleiter eigentlich so ein brillanter Kopf und perfider Gegner war. Inzwischen wirkt er abgehalftert, handelt gefühlt sehr irrational und willkürlich. Nachdem er so lange auf seine Rache gewartet hat, habe ich mir da einfach mehr versprochen. Der eine gezielte Versuch wirkte au mich doch sehr lieblos und uninspiriert und war daher schon vorbei bevor er eigentlich wirklich anfing.

Auch Herzfeld wirkte irgendwie nicht in Höchstform. Naiv und bereitwillig tappt er in die gestellte Falle, ohne das Ganze drumherum überhaupt zu hinterfragen. Auch die von Schneider potentiell ausgehende Gefahr wird praktisch ignoriert und auch Tomforde reagiert da in allem einfach viel zu spät.

Ein solider dritter Teil, der aber Potential für mehr gehabt hätte. Trotzdem absolut lesenswert!

Bewertung vom 16.09.2021
SCHWEIG!
Merchant, Judith

SCHWEIG!


ausgezeichnet

„Schweig“ besticht durch ein ruhiges und trotzdem äußerst bedrohliches, weißes Cover mit dunklem Wald. Eigentlich ist nichts daran besonders stimmungsvoll, aber trotzdem bereitete es mir direkt Unbehagen. Und genau damit lässt sich eigentlich das gesamte Buch beschreiben- unbehaglich. Denn genau so habe ich beim Lesen gefühlt. Das Buch hat mich regelrecht aufgewühlt und verunsichert zurückgelassen, so gezielt spielt die Autorin mit dem Leser. Das Gefühl das Buch daher so schnell wie möglich zu lesen, um dieser beklemmenden Atmosphäre zu entkommen, hatte ich bisher noch nie so stark. Sucht durch Angst- erstmal ein interessantes Konzept.

Zum Inhalt: Es ist der Tag vor Weihnachten und entsprechend gestresst ist Esther mit ihren Vorbereitungen. Hinzu kommt, dass sie unbedingt noch bei ihrer Schwester vorbeischauen will, die zurückgezogen in einem Haus am Waldrand lebt. Eigentlich ist ihr dieser Besuch nicht recht, aber sie will ihn trotzdem hinter sich bringen. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, dem Leser aber bereits offenbart wird ist, dass nicht alle Mitglieder der Familie das diesjährige Weihnachtsfest überleben werden.

Das Buch lebt eigentlich von der beklemmenden und aufwühlenden Atmosphäre. Denn wird die Story zunächst noch schlüssig und rational eingeläutet, offenbaren sich schnell diverse Abgründe hinter der oberflächlich so aalglatten Fassade. Das Buch wechselt hauptsächlich zwischen den Perspektiven der beiden Schwestern und deren jeweiliger Sicht auf bestimmte Situationen könnte nicht unterschiedlicher sein. Beide stellen sich gegenseitig als sehr labil, psychotisch und eigensinnig dar. So wird es dem Leser überlassen zu entscheiden, wem er Glauben schenken will, denn beide Schwestern sind sehr voreingenommen und so keine verlässlichen Erzählerinnen.

In dieser Geschichte gab es für mich auch keinen Sympathieträger, gibt es doch neben den Schwestern eigentlich nur noch Esthers Ehemann Martin als vollwertige Figur im Buch. Das ist für mich auch im positiven Sinne überraschend gewesen: das Buch kommt mit wenigen Personen und eigentlich nur zwei Handlungsorten aus. Trotzdem ist die Story sehr komplex und verworren.

Dieses Buch ist für mich kein typischer Thriller, sondern eher ein sehr spannender Roman, der sich zum Ende hin immer mehr zuspitzt, wobei dem Leser das Ende ja praktisch schon zu Anfang vorweggenommen wird. Spannung erzeugen vor allem die Enthüllungen, die im Laufe der Geschichte gemacht werden und erst ganz zum Ende ihr volles Ausmaß entfalten.

Das Buch hat mich wirklich in seinen Bann geschlagen und ich wollte wirklich dringend wissen, wie es ausgeht. Was die Autorin hier geschaffen hat und wie sie mit dem Leser spielt, ist einfach fantastisch!

Bewertung vom 16.09.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


sehr gut

Ich war vor allem über Leseportale auf das Buch „Junge mit schwarzem Hahn“ aufmerksam geworden. Das Buch aus Diogenes-Verlag ist gewohnt künstlerisch gestaltet.

Zum Inhalt: Martin wohnt in einem kleinen Dorf und ist seitdem er drei Jahre alt ist, auf sich allein gestellt. Denn zu diesem Zeitpunkt ermordete sein Vater die gesamte Familie und nur Martin überlebt. Seitdem meiden ihn die übrigen Dorfbewohner und sein einziger Freund ist ein schwarzer Hahn, der für den Rest des Dorfes den Teufel verkörpert. Als Martin die Gelegenheit sieht dem Dorf und seinem Schicksal dort zu entkommen ergreift er sie und zieht mit einem Maler durch Land. Aber Martin hat eine Aufgabe und erlebt auf seiner Reise viele skurrile Abenteuer.

Das Buch gleicht einem modernen Märchen. Der Leser erhält zwar ein paar Hintergrundinformationen, aber diese sind reichlich wage, sodass sich Zeit und Ort der Handlung nicht sicher bestimmen lassen. Auch die Figuren sind, mit Ausnahme von Martin sehr wage gezeichnet und haben oft nicht einmal Namen. Im Fokus steht ganz klar dieser besondere Junge, mit den wachen Augen, der über hohe Intelligenz und gute Instinkte verfügt- was man bei seinem Alter und familiärem Hintergrund nicht erwarten würde und der sich damit aber auch immer mal wieder in brenzlige Situationen hineinmanövriert.

Die Story ist an manchen Stellen herrlich abstrus und an Situationskomik nicht zu überbieten. Diese rührt, wie in Märchen so oft, aus der Dümmlichkeit und Naivität der Menschen her und diverse Stereotypen sind in der Geschichte vertreten.

Die Geschichte ist insgesamt kurz und prägnant geschrieben und kommt super ohne den allgemeinen Schnickschnack aus. Es gibt praktisch keine unnötigen Informationen. Alles dient entweder dem Fortgang der Handlung oder der Unterhaltung des Lesers. Und trotzdem ist das Buch sehr stimmungsvoll, sodass ich beim Lesen oft ein klares Bild der geschilderten Szenarien vor Augen hatte und man die dunkle, bedrohliche Atmosphäre des Krieges trotz allem spüren kann.

Der Autorin ist mit diesem Buch an wundersames Werk geglückt, von dem ich wirklich froh bin, es gelesen zu haben.

Bewertung vom 11.09.2021
Sharing - Willst du wirklich alles teilen?
Strobel, Arno

Sharing - Willst du wirklich alles teilen?


ausgezeichnet

Mit "Sharing. Willst du wirklich alles teilen?" beweise Arno Strobel, dass er noch lange noch am Ende seines Ideenreichtum angekommen ist und selbst eingefleischte Fans noch überraschen kann. Allerdings ist dieser perfide Rache-Thriller mal wieder nichts für schwache Nerven.

Zum Inhalt: Markus und Bettina führen ein florierendes Unternehmen, bei dem es vorrangig um Car- und Wohnung-Sharing geht. Die Idee dahinter ist ja prinzipiell nobel: man muss nicht mehr alles selbst besitzen um es nutzen zu können und entlastet damit die Umwelt. Und doch geraten sie in den Fokus eines kranken Killers, der die Idee des Sharing ins perverse umkehrt. Denn, will man wirklich alles teilen? Und wem kann man eigentlich noch trauen? Den engsten Freunden? Sich selbst?

Arno Strobel spielt mal wieder mit den Gedanken der Leser. Ich bin jetzt schon lange Strobel-Fan und hatte gerade bei den letzten Büchern immer schon recht zeitig den "Aha"-Moment, wo man erkennt, wo der Autor eigentlich hinwill. Dieses Mal wurde ich allerdings völlig aus der Bahn geworfen und bin bis zum Schluss im Dunkeln getappt, worum es im Buch eigentlich genau geht und welches Ziel der Killer verfolgt. Ganz zu schweigen davon, dass man absolut keine Idee hat, wer eigentlich der Böse im Buch ist. Denn Strobel schafft hier eine Situation, in der der Leser am eigentlichen Helden der Story schon recht früh zweifeln muss und im Verlauf der Handlung alles immer mehr den Anschein hat, als wäre nichts so wie es scheint. Das ist wirklich fantastisch gemacht, denn während man Markus auf der Suche nach dem Killer folgt, verliert sich dieser immer mehr selbst, zweifelt alles an und wird vom Good Guy immer mehr zum Hassobjekt. Und die ganze Zeit muss sich der Leser fragen: was ist noch real? Wem darf man glauben?

Auch in diesem Buch wird mal wieder typische "Alltags-Technologie" in ein Horrorszenario verwandelt. Wobei ich dieses Mal besonders abgeschreckt vom Vorgehen des Täters war. Es wird zwar vieles nur angedeutet und glücklicherweise nichts wirklich bildlich beschrieben, das war aber auch nicht nötig um das Kopfkino in Gang zu bringen. Daher war ich dieses mal schon kurz nach Beginn des Buches in Versuchung, das Buch gar nicht erst weiterzulesen. Also dieses Buch ists nichts für sanfte Gemüter, das muss man ganz klar sagen.

Die Auflösung war zugleich überraschend und absolut genial. Ich bin keine Sekunde vorher, dahinter gekommen, auch wenn ich zwischendurch immer mal kleiner Verdachtsmomente hatte. Aber die hat Arno Strobel gut zu zerstreuen gewusst. Vom Plot mal wieder ganz großes Kino und auch sprachlich wieder absolut grandios. Dieses Buch raubt einem den Atem und den Schlaf!

Bewertung vom 11.09.2021
Reise durch ein fremdes Land
Park, David

Reise durch ein fremdes Land


sehr gut

„Reise durch ein fremdes Land“ ist ein nachdenklicher, ruhiger Roman, voller Erinnerungen, Schmerz und der Hoffnung, es besser machen zu können.

Zum Inhalt: kurz vor Weihnachten, die Welt ist eingeschneit, alles ist unter weißem Puderzucker begraben. Es sollte die schönste Zeit des Jahres sein, aber für Tom und seine Familie ist es auch die schwerste. Und er muss sich eingestehen, dass er seinen Kindern kein guter Vater war und seiner Frau nicht der ideale Ehemann. Um wenigstens etwa von der familiären Stimmung zu retten, fährt er los um seinen Sohn nach Hause zu holen, der krank an seiner Uni festsitzt. Während der Fahrt wird er von einem Geist begleitet, der ihn mit seinen Fehlern konfrontiert.

Tom ist in meinen Augen ein wenig sympathischer Protagonist. Denn obwohl er sich alle Mühe gibt, seiner Familie ein schönes Weihnachten zu ermöglichen, wird schnell klar, dass Tom sich mit Nähe und Zuneigung schwer tut. Die Beziehung zu seinen Kindern ist dadurch belastet und auch seine Ehe zeigt nicht die erhoffte Glückseligkeit. Aber Tom ist jemand, der lieber etwas auf Abstand bleibt, der nicht gern Risiken eingeht, geschweige denn sich aus seiner Komfortzone heraus bewegen will. Einer dieser Menschen, über die man sagt "er war stets bemüht" und es auch genauso meint.

Während der Fahrt reflektiert Tom sein Leben, sowie die Beziehungen zu seiner Frau und seinen Kindern. Es macht auf den ersten Blick den Anschein einer Geschichte über einen fürsorglichen Vater der seinen Sohn für Weihnachten nach Hause holen will. Aber eigentlich dreht sich die Geschichte um den anderen Sohn. Den, der an seiner Drogensucht gestorben ist. Den, den sie nicht retten konnten. Es geht um viel Reue, um Angst und diese hilflose Starre, wenn das eigene Kind von einen weg driftet und man nichts tun kann, als zuzusehen.

Das Buch schafft eine kalte, beklemmende Atmosphäre, denn obwohl es ein sehr persönliches Thema ist, wird es sehr distanziert erzählt, was an der Art des Protagonisten liegen mag. Es dreht sich viel um die Schlüsselmomente im Leben und ob man rückblickend etwas anderes hätte machen können.
Die Geschichte ist mir sehr unter die Haut gegangen und das Buch ist definitiv keine leichte Kost.

Bewertung vom 10.09.2021
Gegen alle Regeln / Strafverteidiger Pirlo Bd.1
Bott, Ingo

Gegen alle Regeln / Strafverteidiger Pirlo Bd.1


ausgezeichnet

„Pirlo-gegen alle Regeln“ ist ein packender Justizkrimi aus der Feder von Ingo Bott, der selbst als Strafverteidiger arbeitet. Im Autorenporträt des Buches sieht man schnell, dass es einige, nicht nur optische, Parallelen zwischen Ingo und Pirlo gibt, auch wenn ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Ingo selbst nicht das Vorbild für Pirlo ist. Trotzdem macht es den Krimi in meinen Augen deutlich realistischer, was ich wirklich gelungen finde.
Zum Inhalt: Nachdem Pirlo von der Kanzlei, bei der er arbeitet, übel mitgespielt und er daraufhin entlassen wird, beschließt dieser nach einer kurzen Leidensphase seine eigene Kanzlei zu gründen. Und den ersten Fall hat er auch direkt auf dem Tisch: die Verteidigung einer Frau, die ihren Mann umgebracht haben soll. Pirlo hat sich einen Ruf erarbeitet auch scheinbar aussichtslose Fälle zu gewinnen. Genau darauf spekuliert seine Mandantin, denn alles spricht gegen sie. Und auch Pirlo kann den Freispruch gut gebrauchen und ist bereit, alle Grenzen zu überschreiten, um den Fall zu gewinnen.
Das Buch ist fantastisch geschrieben. Auffallend sind dabei die kurzen, prägnanten Sätze, die erheblich zur Dynamik und Stimmung des Buchs beitragen. Das Buch kommt völlig ohne den ausschweifenden, trockenen Fachjargon aus, den Juristen normalerweise so gerne benutzen, was ich toll finde. Trotzdem hat man als Leser das Gefühl, alle nötigen Informationen zu bekommen und hat einen großartigen Einblick in die Ermittlungen der Verteidigung.
Pirlo ist nicht unbedingt der sympathischste Protagonist, das ist aber auch nicht notwendig, um zu erkennen, dass er gut in seinem Job ist. Er hat einen guten Instinkt und schafft es so, bei den Befragungen gezielt Druck aufzubauen und hinter die Fassade der Befragten zu schauen. So entgehen ihm auch die kleinsten Details einer Reaktion nicht, die er direkt als Angriffspunkt für seine Spekulationen nutzen kann. Natürlich ist er sich seiner Stärken und Wirkung bewusst, was ihn arrogant und faul macht. Seine Angestellte und Kollegin Sophie dagegen ist das absolute Gegenteil. Sie ist ruhig und besonnen, ehrgeizig und fleißig und ein bisschen der moralische Kompass des Teams.
Die Hintergrundgeschichten um Pirlo und Sophie geben der Geschichte einen interessanten Rahmen und gerade zu Pirlos Familie erhoffe ich mir in den Folgeteilen noch mehr Informationen. Ich habe mich durch das Buch bestens unterhalten gefühlt und werde mir ganz sicher auch weitere Bücher der Reihe kaufen.

Bewertung vom 01.09.2021
Nachts sind alle Mörder grau / Berlin Monster Bd.1
Rabe, Kim

Nachts sind alle Mörder grau / Berlin Monster Bd.1


sehr gut

Kim Rabe nimmt uns mit "Berlin Monster- nachts sind alle Mörder grau" mit in ein alternatives Berlin, wo Mythen und Märchen wahr geworden sind und sich materialisiert haben in Form verschiedenster Wesen und Kreaturen. Sie leben unter uns, aber können sie auch mit uns leben?

Zum Inhalt: Gegen Ende des kalten Krieges ist es einer Forschungsgruppe gelungen eine besondere Waffe zu bauen. Doch etwas geht schief und die freigewordene Strahlung lässt die Ängste und den Aberglauben der Menschen Realität werden. Seitdem leben übernatürlich Wesen unter den Menschen und nicht alle sind den Menschen friedlich gestimmt. Aber auch auf der Gegenseite gibt es Angst, Abneigung und Vorurteile. Daher hat sich Privatdetektivin Lucy auf übernatürliche Fälle spezialisiert. Als eine Fee verschwindet, gerät Lucy in einen dunklen Sog aus Machtgier, Hass und Angst. Kann sie den Fall lösen?

Das dunkle Cover mit dem im Hintergrund thronenden Fernsehturm finde ich absolut gelungen, es erzeugt direkt eine düstere Atmosphäre. Das Buch verbindet fantastisch die verschiedenen Elemente aus Fantasy, Kriminalroman und urbanen Sagengeschichten, sodass es auch für mich, die ich nicht allzu viel Fantasy lese, ein echter Genuss war.

Lockt das Buch vordergründig mit einer Kriminalgeschichte, so greift es doch vielfältige andere Themen auf, ist politisch angehaucht und spricht Rassismus gegenüber und Benachteiligung von Minderheiten an. Das macht die Geschichte komplex und vielseitig.

Die Protagonistin ist tough und steht für sich und ihre Klienten ein, sie ich sich nicht zu schade für harte Arbeit und kassiert dafür auch mal ein blaues Auge. Aber sie hat ein hohes Maß an Integrität und verbeißt sich stur in ihre Ermittlungen. ihre Hintergrundgeschichte ist faszinierend und macht sie auch unter den Menschen zum Außenseiter. Sympathisch macht sie vor allem ihre Freundschaft zu ihren beiden übernatürlichen Mitbewohnern, wobei man ganz klar sagen muss, dass Lucy ihnen oft keine gute Freundin ist.

Für mich war dieses buch kein Pageturner, dafür wurden zu viele Themen angerissen und ich musste das Buch auch mal weglegen um das gelesene zu reflektieren. Das Ende kam für mich dann doch etwas abrupt, sodass ich sehr stark auf einen zweiten Band hoffe, der etwaige offene Fragen noch aufgreift.

Wer einen Fantasie-Epos erwartet ist hier an der falschen Adresse, wer aber Interesse an einer vielschichtigen, mythisch angehauchten Kriminalgeschichte hat, der ist hier gut aufgehoben.

Bewertung vom 01.09.2021
Wer das Feuer entfacht - Keine Tat ist je vergessen
Hawkins, Paula

Wer das Feuer entfacht - Keine Tat ist je vergessen


ausgezeichnet

"Wer das Feuer entfacht- keine Tat ist je vergessen“, der neue Roman von Bestsellerautorin Paula Hawkins, ist ein dunkles Werk von beeindruckender Sogwirkung. Wenn ich nicht bereits vorher Fan gewesen wäre, so wäre ich es definitiv nach diesem Buch.

Zum Inhalt: ein brutaler Mord auf einem Londoner Hausboot erschüttert die Stadt. Eine Tatverdächtige ist schnell in der labilen und aktenkundigen Laura gefunden, die auch durch eine Zeugenaussage belastet wird. Für die Polizei die perfekte Schuldige. Doch es gibt jemanden, der ein Interesse daran hat, den Mord jemand anders in die Schuhe zu schieben. Und schnell offenbaren die Ermittlungen ein Gespinst aus Lügen, alten Wunden und dem Wunsch nach Rache.

Das Cover ist typisch Thriller schlicht schwarz mit grauen Rauchfahnen gehalten, was toll zum Titel passt. Ich finde es praktisch, dass es vor Beginn der Story eine Karte gibt, anhand derer man die Handlungsorte und Routen der Figuren nachvollziehen kann. Diese kleinen gestalterischen Extras gefallen mir sehr gut, weil sie einem Buch nochmal eine persönliche Note geben.

Das Buch ist ab Beginn schon wahnsinnig fesselnd. Relativ zügig hintereinander werden die drei Protagonistinnen in die Handlung eingeführt, die alle auf ihre ganz eigene Art Außenseiter sind und großes Leid mit sich herumtragen. Und ihre Schicksale hängen alle irgendwie mit dem des Mordopfers zusammen.

Die Einblicke, die Pula Hawkins in das Leben ihrer Figuren gewährt, lassen sie alle auf die eine oder andere Art verdächtig wirken. Dadurch spinnen sich immer wieder neue Theorien bezüglich der Tatmotive und Gelegenheiten. Die Story hat mich gepackt und bis zum Ende nicht losgelassen, so dringend wollte ich wissen, wie die Geschichte endet. Auf perfide Weise spielt die Autorin mit dem Leid und der Verbitterung ihrer Figuren, hetzt sie gegeneinander auf und bringt sie an ihre Grenzen.

Beim Lesen des Buches habe ich mich immer mal wieder wie ein Spanner gefühlt, der die intimsten und geheimsten Momente der Protagonistinnen miterlebt. Was für ein Erlebnis!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.08.2021
Waldeskälte
Krüger, Martin

Waldeskälte


sehr gut

Dieses Buch war für mich definitiv ein "Cover-Match". Ich habe mich schockverliebt dieses düstere, fast schon aquarellartige Cover, mit den dunklen Bäumen, die in starkem Kontrast zu dem blauen Himmel stehen. Es passt toll zum Handlungsort der Geschichte.

Zum Inhalt: ein Anruf aus der Vergangenheit schreckt Valeria auf; in dem kleinen Bergdorf Eigerstal, wo sie aufgewachsen ist, ist ein junges Mädchen verschwunden. Genau wie vor 21 Jahren, als ihre beiden besten Freundinnen ermordet wurden und nur Valeria lebend aus dem Wald zurück kam. Nur, dass sie sich an nichts erinnern kann. Kurzentschlossen kehrt sie in ihre Heimat zurück um den Fall und damit auch ihre eigene Vergangenheit aufzuklären.

Das Buch ist in kurze Kapitel unterteilt, die hauptsächlich in der Gegenwart spielen. Unterbrochen werden diese nur ab und zu durch kurze Episoden, in denen Valeria sich an die Ereignisse in ihrer Kindheit erinnert. Eine Besonderheit war für mich, dass der Haupttext immer wieder von kursiver Schrift durchzogen ist, welche Valerias Gedanken kennzeichnet. Besonders gegen Ende steht sie mit diesen Gedanken oft in Zweispalt, sodass es wirkt, als wären diese Gedanken nicht ihre eigenen oder als würde sie ganz langsam den Verstand verlieren. Das trägt wahnsinnig gut zur schaurigen und beklemmenden Atmosphäre des Thrillers bei.

Das Buch ist fantastisch geschrieben und vor allem auch die sehr bildlichen Beschreibungen der versteckten Orte im Wald und der düsteren Hintergrundgeschichten dazu haben mit einen Schauer über den Rücken gejagt. Das machte die Story besonders realitätsnah und trug erheblich zur Spannung bei.

Der Leser konnte den Spuren und Ermittlungen gut folgen und ich habe selbst immer wieder Vermutungen gehabt, was passiert sein könnte, bin aber tatsächlich bis zum Ende im Dunkeln getappt. Die Auflösung war schlüssig umgesetzt, sodass alle aufgeworfenen Fragen beantwortet wurden.

Ein spannender Thriller und ein toller Einstieg im die Reihe. Von dieser Ermittlerin würde ich gerne mehr lesen!