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melange
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Bonn
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 870 Bewertungen
Bewertung vom 01.05.2011
Der Hodscha und die Piepenkötter
Bingül, Birand

Der Hodscha und die Piepenkötter


sehr gut

Ein großer Spaß mit kleinen Abstrichen

Gerade weil der Roman nicht zuviel Tiefgang besitzt, war ich positiv überrascht. Weichgespülte Multi-Kulti-Literatur gibt es schließlich genug.

Zum Inhalt: Eine der beiden islamischen Gemeinden einer Kleinstadt im Wahlkampf bekommt von der Zentrale ein neues Oberhaupt zugeteilt. Dieses erscheint mit Bruce Springsteen Plattensammlung und pubertierender Tochter und zeigt von Beginn an der Bürgermeisterin Frau Piepenkötter die Zähne unter dem Rauschebart. Frau Piepenkötter ihrerseits möchte wiedergewählt werden und zieht dazu sämtliche Register politischen Könnens, - unter anderem ihren Sohn, der zufällig die gleiche Klasse wie des Hodschas Töchterlein besucht. Die Scharmützel der beiden bis kurz nach dem Wahltag behandelt "Der Hodscha und die Piepenkötter".

Die Aufmachung: Erst einmal ein comicartiges Cover, welches jedem, der einen Roman mit Tiefgang erwartet, diesen Zahn ziehen sollte. Dazu ein Weichcover, welches mir sehr gut gefallen hat, da es eine bessere Griffigkeit als ein Taschenbuch bietet, aber nicht so unhandlich wie ein Hardcover ist. Bei Romanen, die nicht "für das Leben" gedacht sind, halte ich das für ein sehr gutes Mittelding. Zum guten Schluss eine zwar gewöhnungsbedürftige Schrifttype für die Kapitelüberschriften, die aber ebenfalls deutlich machte, dass man einen gern überspitzten Roman und keine auf politische Korrektheit gebürstete Erzählung vor sich hat.

Mein Eindruck: Herrlich pointiert und bösartig bedient Herr Bingül sämtliche Klischees, die der geneigte Leser von Politikern und Geistlichen mit Draht nach ganz oben hat: Die Politiker kennen im Wahlkampf weder Freunde noch Familie und scheren sich einen Dreck um ihr Geschwätz von gestern, die Geistlichen stellen dafür fast alles für ihre Liebe zu Gott oder Allah zurück - außer vielleicht Bruce Springsteen - und kennen in ihrem Eifer höchstens die Grenzen, die ihnen von ganz oben aufgezwungen werden. Dazu bekommen noch Hausfrauen, Teenager, Schmierlappen mit Hasspredigerhintergrund und Journalisten ihr Fett weg: Jeder taktiert so gut er kann, um für sich das meiste herauszuholen, gerne auch bei konspirativen Treffen oder im Pakt mit dem Feind des Feindes. Durch die vielen Versuche des gegenseitigen Beinchenstellens und der Kürze der Zeit durch das Nahen des Wahltages blieb die Spannung immer gewahrt - langatmige Teilstücke konnte es nicht geben.

Schön auch die Zwiegespräche mit Allah - bei Don Camillo abgeguckt oder nicht - die den Hodscha immer wieder auf Kurs brachten, den er vor lauter Engstirnigkeit gerne einmal vergessen wollte.

Auch wenn das gemäßigte Happyend (es kann ja bei den unterschiedlichen Voraussetzungen kein Hosianna für alle geben) natürlich voraussehbar ist, habe ich mich auf dem Weg dorthin köstlich amüsiert. Aber kleine Abstriche muss ich dennoch machen: Mir trank Frau Piepenkötter viel zu viel Rotwein und der Hodscha benutzte schlagende Argumente, mit denen ich mich unter keinen Umständen anfreunden will.

Fazit: Ein wunderbar ironisches Buch über zwei Streithähne auf ihrem Weg zur Glückseligkeit mit kleinen Abzügen in der B-Note. Vier Sterne.

Bewertung vom 01.05.2011
Töchter des Schweigens
Barceló, Elia

Töchter des Schweigens


weniger gut

Eine Geschichte über die Liebe....

mit allen ihren schönen und grausamen Facetten, aber eben nicht die spannende Story, die ich mir nach der Leseprobe vorgestellt habe.

Zum Inhalt: 30 Jahre nach einer verhängnisvollen Klassenfahrt treffen sich sieben sehr gute Freundinnen wieder. Kurz nach diesem Wiedersehen stirbt eine von ihnen an einem (vermeintlichen?) Selbstmord. Die anderen sehen sich den Ermittlungen der Polizei und dem schlechten Gewissen ausgesetzt, welches sich nach der grausigen Tat von damals wieder regt.

Zum Cover: Ein hübsches Mädchen am Meer. Jung, unschuldig, in Gedanken versunken. Ein gutes Bild für die Ideale, die die sieben Freundinnen in der Franco-Ära hatten.

Mein Eindruck: Nach interessantem Auftakt plätschert nicht nur das Meer, sondern auch die Story so dahin. Nach und nach deckt sich zwar auf, wer welchen Tod verursacht hat und wieso, doch trotz aller Todesfälle, privaten Katastrophen und unheilvollen Lieben ließ mich die Geschichte bis kurz vor Schluss fast gänzlich kalt. Das mag zum einen daran liegen, dass sieben Hauptpersonen vielleicht zu viele sind, oder daran, dass auch noch einige Nebenschauplätze eingebaut werden mussten, um die Anzahl der Motive möglichst groß und unterschiedlich zu gestalten: Viele ungewollte Kinder, gescheiterte oder zum Scheitern verurteilte Beziehungen, Verluste der Partner, Trunksucht und Ehebrüche. Zum Anderen fand ich die Idee von Frau Barceló, dass einige der Mädchen als Frauen andere Namen tragen, dem Verständnis und Fluss der Geschichte nicht förderlich. Ich spekuliere, dass damit der Bruch von Kindheit zum Erwachsenenleben deutlich gemacht werden sollte – mir bereitete es jedoch öfter einmal Kopfzerbrechen, wer denn nun eigentlich wer ist. So kam ich nie in einen Lesesog, sondern legte das Buch gerne einmal zur Seite.

Fazit: Irgendwie tut es mir leid, dass ich nur zwei Sterne vergeben möchte, da die Autorin sich einer sehr schönen Sprache bedient. Leider konnte sie mich aber trotz aller Schönheit nicht fesseln, ihre Figuren blieben mir bei aller Seelenpein fern und auch das landschaftlich wunderschöne Spanien beschränkte sich fast nur auf Cafes, Restaurants und Diskotheken. Das Buch erinnerte mich an Lena - in Schönheit gestorben... und das ist mir zu wenig.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.04.2011
Die Vergolderin
Glaesener, Helga

Die Vergolderin


sehr gut

Kein Blech!
Zum Inhalt: Weil ihr Vater betrogen hat, die Familie mit Schimpf und Schande aus der Stadt vertrieben wurde und die Eltern auf der Flucht gestorben sind, sieht sich Elisabeth in der Pflicht, Schwester und Bruder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen. Alle drei kommen bei ihrem Großvater unter, für den Lebensunterhalt sorgt Elisabeth dergestalt, dass sie einerseits dem Großvater verbotenerweise hilft und andererseits Geschäfte außerhalb der Stadtmauern tätigt. Bei einer dieser Touren lernt sie den blinden Martin kennen und wird durch diesen in Familienangelegenheiten verwickelt, die ihr und ihrer Familie bald sehr gefährlich werden.

Zum Cover: Die sprichwörtliche Goldwaage, die Manches für zu leicht befindet - sei es das Gewicht des Edelmetalls oder den Charakter der Menschen, die mit ihm arbeiten.

Mein Eindruck: Trotz des leicht irreführenden Titels - der Beruf Elisabeths ist nicht wirklich wichtig - habe ich mich während der Lektüre des Buches glänzend amüsiert. Frau Glaesener schreibt herrlich kurzweilig, die Figuren entstehen plastisch vor dem geistigen Auge, die Örtlichkeiten sind hervorragend bebildert. Zwar geraten ihr die handelnden Personen ein wenig sehr eindimensional - der Gute ist nur gut, der Böse nur böse; selbst bei wirklich plakativem Verhalten seitens der einen Seite wird bei der anderen nicht umgedacht - dem Lesespaß tut es dennoch keinen Abbruch. Das liegt an der Mischung aus Liebesgeschichte, Historienschmöker und Kriminalroman - ein Cocktail, der so lecker schmeckt, dass die leicht vorhersehbare Grundnote gerne verziehen wird. Die Variationen dieser Grundnote führten nämlich dazu, dass ich dieses Buch nicht aus der Hand zu legen vermochte und die 448 Seiten ohne Probleme an einem Wochenende gelesen habe.

Fazit: Durch die abwechslungs- und wendungsreiche Geschichte mit genau der richtigen Kapitellänge ein Pageturner, wie man ihn sich in Zeiten der Sommerzeit wünscht.

Bewertung vom 13.04.2011
Curia
Caplan, Oscar

Curia


schlecht

Viele Geschichten verderben den Lesespaß

Ich bin mir überhaupt nicht sicher, was uns der Autor mit diesem Buch beweisen will: Dass er wahnsinnig klug ist? Dass er sich wirklich Mühe mit dem Buch gegeben hat? Dass er etwas anderes als den üblichen Vatikan-Verschwörungs-Thriller schreiben wollte? Nun, dies alles ist ihm aus meiner Sicht gelungen. Leider blieb bei diesen vielen Ambitionen das Grundlegendste auf der Strecke: Der Spaß des Lesers bei der Lektüre des Buchs.

Zum Inhalt: Ein Kardinal deckt ein großes Geheimnis auf, welches die Grundfesten der drei Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam erschüttern würde und stirbt kurz nach seiner Entdeckung an einem Autounfall. Sein Bruder, ein Geschichtswissenschaftler und Archäologe, will mit Hilfe von vielen Freunden und Bekannten diesen Todesfall aufklären und tritt dabei den Lenkern von Kirche, Wirtschaft und Politik auf die Füße.

Zum Cover: Blut auf einem Kreuz – für den Anfang des Buches ein durchaus passendes Bild. Leider werden im Fortlauf der Geschichte immer mehr Nebenschauplätze mit anderen Akteuren und Beweggründen hinzugefügt, die den spannenden Beginn des Buches vergessen lassen.

Mein Eindruck: Selten habe ich ein in jeder Hinsicht so unglaubwürdiges Buch gelesen: Nicht nur ist der Hauptakteur Theo intelligent, musisch hochbegabt, ein Kenner der feinsten Gaumenfreuden und besitzt ein Netzwerk von Freunden, die ebenso klug wie er selbst in den verschiedensten Wissenschaften bewandert sind. Nein, das gilt ebenso für die mannigfaltigen Feinde, die er sich im Laufe des Buches schafft. Egal ob griechischer Milliardär, Kommissar in Rom, Pater des Opus Dei, Gehilfe bei Ausgrabungen oder einfach nur schlauer Dieb – jeder kann sich mit jedem auf einer hochwissenschaftlichen und genussvollen Ebene austauschen. Die Frauen sind alle wunderschön, die Männer geschmackvoll gekleidet und wer stottert oder humpelt, lebt nicht lange. Dieser Selektierungsprozess führt jedoch nicht zu einem besseren Verständnis des Buches – für jede Figur, die ins Gras beißt, erfindet der Autor fünf Neue, um dem Leser nur keine Chance zu geben, den Überblick zu behalten. Und da für diese Figuren eine einfache Verschwörung innerhalb der katholischen Kirche nicht ausreicht, müssen die führenden Wirtschaftsmagnaten, die Politik und zur Not auch noch Nationalsozialismus und die alten Ägypter für die Rahmenhandlung Pate stehen. Dann noch eine Prise Zeitmaschine bei Wells beigemischt und fertig ist die Soße – ein Geschmacksinferno erster Güte. Was mich zusätzlich verärgert hat, sind die Beweggründe Theos: Wird dem Leser anfangs vermittelt, dass er die Aufklärung aus Bruderliebe sucht, ändert sich diese Intention schnell. Ganz im Gegenteil – auch der Tod eines doch befreundeten Bekannten entlockt ihm nicht einmal mehr ein „Ups“.

Fazit: Viel zu viel verlorene Zeit in ein Buch versenkt, welches mit der Hälfte der Seiten besser bedient gewesen wäre. Den einzigen Stern gibt es für die Idee, den Papagei, der die Essenz von Diskussionen in einem Satz zusammenfassen kann, „Poirot“ zu nennen. Das hätte Caplan beherzigen und sich einiges bei Agatha Christie abgucken sollen: Auch wenn ihre Geschichten zwischen den Weltkriegen spielen, sind mir deren Akteure näher als diese ganzen Intelligenzbestien, die er erfunden hat.

Bewertung vom 09.03.2011
Jacob beschließt zu lieben
Florescu, Catalin Dorian

Jacob beschließt zu lieben


gut

Verflucht
Zum Inhalt: Catalin Dorian Florescu beschreibt in seinem Buch "Jacob beschließt zu lieben" das Leben von Jacob Obertin in der Zeit zwischen den Weltkriegen bis etwa 1950. Zusätzlich erfährt der Leser einiges über die Vorfahren der Familie und deren Kampf um Land und Heimat - zuerst in Frankreich, später in Rumänien.

Zum Cover: Eine ländliche Szene, die Gemütlichkeit ausstrahlt. Dieses Bild wird im Buch schnell ad Absurdum geführt.

Zum Buch: Nach den ersten Seiten hatte ich mir ein anderes Buch versprochen. Eine Geschichte, die bei aller Härte des Lebens als Bauer im Spiel der Mächtigen und des Wetters einen ein wenig schmunzeln lässt. Ich dachte an den Stil von "So zärtlich war Suleyken". Aber die Wesenszüge von Jacobs Vater, dem Jakob mit "K", die den Leser anfangs zum Lächeln brachten, entpuppten sich bald als schiere Kaltschnäuzigkeit - für "sein" Land geht Jakob nicht nur sprichwörtlich über Leichen. Dementsprechend trist verläuft Jacobs Leben: Bei jedem Hoffnungsschimmer am Horizont funkt früher oder später der Vater dazwischen - egoistisch bis ins Mark.

Mein Eindruck: Nach ansprechendem Auftakt reiht sich nur noch Tristesse an Katastrophe, - vielleicht durch den Fluch einer Zigeunerin verursacht, vielleicht durch den Anspruch des Autors, hohe Kunst zu Papier zu bringen. Leider muss ich gestehen, dass ich dadurch immer gelangweilter wurde und irgendwann den Entschluss fasste, dieses Buch nicht zu lieben. Trotz der schönen Sprache und der Wohlformuliertheit der Sätze blieben die Personen seltsam blass und interessierten nicht wirklich. Verwirrt lässt mich der Titel zurück: "Jacob beschließt zu lieben". Wen oder was? Ich hatte auf eine Aufklärung gehofft, aber diese blieb aus.

Für den Auftakt und die Beschreibungen der Landschaften drei wohlwollende Sterne.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.02.2011
Die Tortenbäckerin
Janson, Brigitte

Die Tortenbäckerin


gut

Bittersüße Backkunst

Zum Inhalt: Greta Voss, eine junge Frau aus Altona, arbeitet sich von der Hilfsköchin an der Seite ihrer Tante hoch zur Lieferantin der begehrtesten Torten der Stadt. Auf diesem Weg lernt sie den Fuhrunternehmer Siggo kennen und nach vielen Irrungen und Wirrungen des Schicksals lieben.

Zum Cover: Eine hübsche, junge Frau in zeitgenössischer Kleidung schält einen Apfel, dazu der Titel in schön geschwungener Schrift - dieses Bild macht Appetit!

Mein Eindruck: Ein Grashalm im Wind - so wird Greta von Siggo an einer Stelle beschrieben. Sie beugt sich den Stürmen des Lebens (und dieses hält sogar einige Orkane bereit), aber sie zerbricht nicht an den mannigfaltigen Schicksalsschlägen. Weder der Tod des Vaters, das Siechtum der Mutter und das uneheliche und dazu noch blinde Kind, welches sie nach einer Vergewaltigung durch ihren Dienstherren austrägt, bringt sie endgültig zur Verzweiflung. Ganz im Gegenteil: Durch ihre immer freundliche und zuversichtliche Art schenkt sie den Menschen in ihrem Umfeld Lebensfreude und Mut.

Dennoch hatte ich den Eindruck von etwas zuviel Zuckerguss auf der Apfeltorte. Jedes Problem, welches groß und drohend auf Greta und ihre Freunde einzustürzen drohte, löste sich nach lächerlich kurzer Zeit in rosarote Wölkchen auf. Gerade in der geschilderten Zeit und Umgebung, die von Hunger und Kummer der kleinen Leute geprägt war, erscheint es schier lächerlich, wie viel Glück den grundguten Menschen zu Teil wird und wie die Bösartigen gebeutelt werden - aber selbst diese nicht gar so schlimm, damit die liebe Seele Ruhe findet.

Pluspunkte erhält der Roman für die flüssige Schreibweise, die genau richtige Länge der einzelnen Passagen und die vielen unterschiedlichen Figuren, die eine differenzierte Sicht auf den Anfang des letzten Jahrhunderts bieten und natürlich die Kochrezepte zum Ende des Buchs. Ebenfalls gefällt das Nachwort der Autorin, in dem sie auf die echten Lebensverhältnisse des Dienstpersonals zu damaliger Zeit eingeht und Dichtung und Wahrheit zueinander in Beziehung stellt.

Fazit: Eine unterhaltsame und leichte Lektüre für Zwischendurch. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. 3 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.01.2011
Das Lied der roten Erde
Corbi, Inez

Das Lied der roten Erde


sehr gut

Schlager oder Klagelied?
Von beiden etwas hat "Das Lied der roten Erde".

Zum Inhalt: Moira wird von ihren Eltern zur Heirat mit einem viel älteren Mann und Witwer gezwungen, welcher sich zu allem Überfluss als Doktor dazu verpflichtet hat, nach Australien auszuwandern. Dort angekommen, lernt Moira den Sträfling Duncan kennen und lieben. Dieser ist als Rebell verbannt worden. Der Weg in das gemeinsame Glück ist steinig, aber nicht unpassierbar.

Zum Cover: Frauengestalt von hinten, in die Ferne blickend. Wenn man mal großzügig vom strahlenden Weiß des Kleides absieht (daran kann ich bei dem ganzen roten Staub nicht glauben), spiegelt dieses Cover sehr schön das Empfinden Moiras wieder, welche in der neuen Heimat mit all seiner großzügigen Weite das Glück und die Erfüllung findet, die ihr in Irland versagt geblieben wären.

Mein Eindruck: Glücklicherweise verfällt Inez Corbi nicht in die für historische Romane gern gewählte reine Schwarz-Weiß-Malerei. Zwar findet sich in "Das Lied der roten Erde" der ultimative Bösewicht, die meisten Figuren sind aber differenziert und facettenreich beschrieben. Frau Corbi macht sich dabei die Mühe, ihre Protagonisten nicht nur agieren zu lassen, sondern nimmt sich sehr oft die Zeit, die Beweggründe für dieses Handeln zu zeigen. So erhalten die Figuren eine Tiefe, die nicht immer in diesem Genre zu finden ist. Zusätzlich sind Umgebung und Lebensumstände glaubwürdig geschildert - egal, ob es sich um einen Maskenball in Irland oder den Lebensraum eines Aborigini-Mädchens handelt. Die Sprache beschreibt ausführlich, aber nicht übertrieben blumig, so dass sich die Sätze leicht lesen lassen, ohne langatmig zu wirken.

Fazit: Ein Wohlfühlroman, der das große Glück für die Hauptpersonen nach größeren und kleineren Katastrophen zum Ende bereithält, ohne die Nebenfiguren und deren Schicksal aus den Augen zu verlieren.

4 Sterne

Bewertung vom 15.01.2011
Herbstvergessene
Jonuleit, Anja

Herbstvergessene


gut

Drei Frauen, drei Schicksale
Zum Inhalt: Maja wird nach Jahren der Funkstille von ihrer Mutter Lilli angerufen, welche dringend um einen Besuch ihrer Tochter in Wien bittet. Obwohl mit dem gleichen Sturkopf gesegnet, folgt Maja dieser Bitte, um dann vom Tod ihrer Mutter - einem vermeintlichen Selbstmord - zu erfahren. Sie beginnt in der Vergangenheit von Mutter und Großmutter zu forschen und lernt völlig neue Facetten ihrer Familiengeschichte inklusive neuer Verwandte kennen.

Zur Aufmachung: Eine Frau strahlt mit ihrem Kind in die Kamera, gekleidet in der Mode der Hitlerzeit. Während der Lektüre von "Herbstvergessene" wird klar, wie gut dieses Cover zum Buch passt.

Meine Meinung: Der Kunstgriff, die zweite Ebene der Geschichte - das Leben von Majas Großmutter - als Manuskript derselben zu gestalten, sorgt dafür, dass sich dieser Erzählstrang als wahrer Pageturner entpuppt: Der Leser erfährt abwechselnd ein Stück aus dem Leben von Charlotte, welche unverheiratet schwanger ihre Familie verließ, um ihr Kind in einer Einrichtung des Lebensborns zur Welt zu bringen. Danach taucht er wieder in das Hier und Jetzt ein und begleitet Maja auf ihrem Weg zur Wahrheit.

Obwohl ich den Roman sprachlich nicht immer überzeugend fand, fesselte die Geschichte vor allem durch die packende Schilderung der Erlebnisse von Charlotte. Jedoch verfiel Frau Jonuleit für den Abschluss dieses Teilstrangs auf einen für mich eher unglaubwürdigen Twist. Das Dilemma Charlottes hätte durchaus auf weniger spektakuläre Weise gelöst werden können - Kriegsverbrecher hatten schließlich keinen leichten Stand - auch wenn dann der Titel nicht mehr ganz gepasst hätte. Zudem übertrieb es Frau Jonuleit mit den Irrungen und Wirrungen in Majas Liebesleben, die leider ebenfalls zu einem über das Buchende hinausreichenden Konflikt führen.

Fazit: Etwas zu viel der Tragik und der dramatischen Todes- und Lebensfälle im Bereich von drei Frauengenerationen. Für den Lesespaß dazwischen verleihe ich aber gerne drei Sterne.

Bewertung vom 19.12.2010
Nachts im Sägewerk
Götting, Markus

Nachts im Sägewerk


gut

Ein Mann nicht nur für eine Nacht...

... wäre Markus gerne, als er seine neue Nachbarin Lena kennenlernt.

Zum Inhalt: Markus, Ich-Erzähler und Journalist, muss sich keine Sorgen wegen anhänglichen One-Night-Stands machen. Er schnarcht, und jede Dame ergreift freiwillig die Flucht. Aber dann trifft er Lena an der Mülltonne und diese Frau will er festhalten - zur Not mit Schlafentzug, Nasenringen und Operationen. Vom Leidensweg einer nachtaktiven Kettensäge erzählt dieses autobiographisch angehauchte Buch.

Zum Cover: Gut gewählt im Comic-Stil - er sägend, sie schlaflos. What you see is what you get: Unterhaltsame Lektüre ohne großen Tiefgang.

Mein Eindruck: Die durchaus witzige Geschichte einer großen Liebe, welche durch die körperliche Unzulänglichkeit des Ich-Erzählers torpediert wird, trägt leider keine 200 Seiten. Stellenweise amüsierte mich der Kampf - zuerst gegen den Schlaf, dann gegen das Schnarchen - auf das Köstlichste. Dazu trugen vor allem die Nebenfiguren bei, von denen ich unbesehen glauben kann, dass sie echten Menschen nachempfunden sind: Egal ob Apothekerin, enge Freunde oder Lenas Familie - sie agierten lebensnah und authentisch. Leider kam aber vor allem im Zwischenspiel von Markus und Lena oftmals Langeweile auf. Beispielsweise die Odyssee durch Arztpraxen und Krankenhäuser hätte durchaus gestrafft werden können und die ständigen Diskussionen, ob, wie und wo jetzt geschlafen wird und auf welche Weise Markus sein Schnarchen bekämpft, führten bei mir zu leichten Gähnanfällen. Glücklicherweise wurden diese Episoden immer wieder von Szenen unterbrochen, die fast schon brillant an Wortwitz und Situationskomik anmuteten und gerade das Finale gelang Götting auf eine wunderbare, warmherzige Art.

Mein Fazit: Mit viel Humor und Selbstironie beschreibt Götting seinen Weg vom Holzfäller zum Still-Leben und trotz einiger Langatmigkeit weiß dieser Weg zu unterhalten.

3 Sterne

Bewertung vom 27.11.2010
Verräter wie wir
Le Carré, John

Verräter wie wir


sehr gut

Jeder liebt den Verrat, aber niemand den Verräter!

Bei dem Roman von John le Carré wird aber sogar der erste Teil dieser Aussage in Zweifel gezogen.

Zum Inhalt: Perry und Gail, ein britisches Pärchen am beruflichen und privaten Scheideweg, gönnt sich einen Luxusurlaub auf Antigua und lernt durch Perrys Tenniskünste die russische Unterweltgröße Dima und dessen Familie kennen und mögen. Da auch Dima Sympathie für den englischen Benimm empfindet, bittet er das Paar, seinen Überlauf nach Großbritannien zu ermöglichen. Während Gail den daraufhin folgenden Kontakt mit dem Geheimdienst als notwendiges Übel betrachtet, lässt sich Perry von den Schlichen und Heimlichkeiten faszinieren und genießt seine Wichtigkeit - bis zum bitteren Ende.

Zum Cover: So glamourös, wie der Einband gestaltet ist, stellt sich der Geheimdienst für Perry dar, bis zu dem Zeitpunkt, an dem er feststellen muss, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.

Mein Eindruck: In gewohnt brillanter Manier präsentiert le Carré sein Hintergrundwissen über die Geheimdienste dieser Welt in einer Geschichte, die dem Leser den Glauben an Fairplay und das Gute in jedem Menschen austreibt. Leider bläht er das Geschehen mit einem unnötigen Nebenstrang über Natasha, die Tochter Dimas, und deren Verhältnis zu Gail auf. Dabei erzeugt er eine Wahnsinnsspannung, um mit einer - im Vergleich zu dem Hauptgeschehen - Banalität erster Güte zu enttäuschen. Warum Natashas Sorgen bei Gail und ihren Verhören durch die Geheimdienstleute zu Schweißausbrüchen führte, ist mir immer noch nicht klar. Sehr gut haben mir jedoch die differenzierten Zeichnungen der Figuren insgesamt gefallen. Auch das Zusammenspiel verschiedener Zeitebenen, die sich zur Mitte des Buches fanden, um dann (von kleineren Reminiszenzen abgesehen) auf das Finale im Hier und Jetzt zuzusteuern, führte zu zusätzlicher Dramatik.

Doch trotz des großen Knalls zum Schluss, auf den zugegebenermaßen in schlüssiger Weise hingeführt wird, bin ich persönlich nicht ganz zufrieden. So zeigt le Carré wieder einmal den Dreck im Spionage-Business, die Gefühle und Reaktionen seiner Protagonisten auf diesen Schmutz vergisst er aber darzustellen - für mich ein Manko.

Fazit: Handwerklich und sprachlich genial mit einem furiosen Spannungsaufbau zum Finale, leider aber Schwächen im Zwischenmenschlichen. 4 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.