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Sikal
Wohnort: 
Österreich

Bewertungen

Insgesamt 1155 Bewertungen
Bewertung vom 29.12.2018
Nicht Wolf nicht Hund
Nerburn, Kent

Nicht Wolf nicht Hund


sehr gut

Beeindruckende Sichtweise

Der Autor und Ethnologe Kent Nerburn erhält einen seltsamen Anruf und weiß nicht, wie er darauf reagieren soll. Eine junge Frau ist am Telefon und möchte, dass er sich mit ihrem Großvater, einem alten Lakota-Indianer, trifft.

Die ersten Begegnungen könnten seltsamer nicht sein – und das, obwohl der Autor bereits einige Erfahrungen im Umgang mit Indianern mitbringt.

Dan, der Lakota, stellt sich als Chronist heraus und möchte zusammen mit Nerburn die Geschichte seines Stammes erzählen – ohne Schnörkel, ohne die Sicht des weißen Mannes und ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Es soll die Geschichte eines Volkes werden, welches seit 200 Jahren missverstanden wird.

Nachdem das Projekt nicht so anläuft wie sich Kent Nerburn das vorstellt und Dan zwar keine Kritik an seiner Arbeit übt, aber dennoch nicht zufrieden scheint, entschließt sich der Autor, die Sache abzubrechen. Und genau in diesem Moment beginnt die Geschichte sich zu dem zu entwickeln was sie eigentlich ist – eine Reise in die Geschichte der Indianer.

Das Buch lässt sich in zwei Teile unterteilen, wobei der erste Teil immer wieder von den Selbstzweifeln und Entschuldigungen des Autors genährt wird. Beinahe hat man den Eindruck, Kent Nerburn entschuldigt sich für das Unrecht, das den Indianern angetan wurde auf jeder Seite.
Hat man als Leser jedoch die Geduld sich durchzuarbeiten, wird man belohnt mit einer Geschichte, die sich zwar vor 200 Jahren zugetragen hat, die aber immer noch in den Indianern lebendig ist und deren heutiges Leben prägt – im Positiven wie im Negativen.

Unfreiwillig begibt sich der Autor mit Dan und Groover - dem Freund Dan’s - sowie dem Hund Fatback auf eine Reise durch ein Land, in welchem er die Leiden der Indianer der letzten Jahrhunderte am eigenen Leib zu spüren bekommt.

Der zweite Teil des Buches ist geprägt von Erzählungen über Rassismus, Genoziden und Religion. Wenn wir als Europäer die Geschichte der Indianer vielleicht anders wahrnehmen als sie uns hier dargestellt wird, so liegt das an genau diesen Vorurteilen, welche uns durch die Medien suggeriert werden. Und wenn wir in Europa auch wenig mit der Geschichte der Indianer in Verbindung gebracht werden wollen, so finden sich diese Geschichten nicht weniger bei uns.
Genozid, Rassismus, Kapitalismus und religiöse Kämpfe sind auch in unserer Geschichte ein fester Bestandteil und wenn wir zwar über den Genozid hinweg sind, so ist Rassismus und Religionskrieg immer noch überall zu finden sowie auch ein immerwährender Kulturkampf – leider zum Teil auch wieder sehr erstarkt.

Wenn der (europäische) Leser dieses Buch auf die Geschichte der Indianer reduziert, wird er darin nichts anderes finden als eine Weißen, der sich schlecht fühlt für das, was den Indianern immer wieder angetan wurde und wird sowie einen Indianer, der sein Volk als Opfer sieht.
Wer dieses Buch jedoch als das liest was es ist – nämlich als Plädoyer für mehr Miteinander, für eine Welt in der Menschlichkeit, ohne Raffgier oder religiöse Ängste im Vordergrund stehen und Kulturen sich gegenseitig respektieren sowie wechselseitig Befruchten, wird die Zeilen als sehr bereichernd empfinden.
„Lasst uns zusammen überlegen, was für eine Welt wir unseren Kindern hinterlassen wollen“ Sitting Bull [Seite 11]

Bewertung vom 29.12.2018
Stick oder stirb! / Kommissar Siegfried Seifferheld Bd.7
Kruse, Tatjana

Stick oder stirb! / Kommissar Siegfried Seifferheld Bd.7


ausgezeichnet

Seifferfeld und geballte Frauenpower

Ex-Kommissar im Ruhestand ist begeisterter Sticker und versucht dieses Hobby einmal pro Woche den Gefängnisinsassen beizubringen. Mit mehr oder weniger Einsatz sind die Häftlinge bei der Sache und kämpfen sich mit stumpfen Nadeln durch Garn und Stoff. Mit dabei Pjotr Jogelovsk, ein russischer Mafiaboss, der eine spektakuläre Flucht plant. Es kommt wie es kommen muss – Seifferfeld gerät zwischen die Fronten und wird zur Geisel… Doch man soll die Seifferfled-Frauen nicht unterschätzen, denn die unterstützen nun unermüdlich – gewollt oder auch nicht – die Polizeiarbeit. Dafür lässt Seifferfelds Gattin Marianne sogar den Welpenkindergarten links liegen.

Ich war ganz erstaunt, dass es bereits der 7. Fall dieses schrulligen Ermittlers ist. Leider kannte ich noch keinen dieser Krimis, aber das wird nun schleunigst nachgeholt. Diese eigenartige Kombination mit dem Männersticken und Ermitteln, hat schon was.

Protagonist Seifferfeld ist ein sympathischer Ermittler, ein wenig unruhig und ein cleverer Kombinierer. Während der Geiselnahme läuft er zur Hochform auf, ermahnt sich zwischendurch immer wieder zur Ruhe und ist guter Dinge, dass sich alles in Wohlgefallen auflöst. Die Autorin baut immer wieder amüsante Details ein, wie beispielsweise eine Hundeallergie bei einem der Kriminellen. Herrlich!

Der Schreibstil Tatjana Kruses ist humorvoll, flüssig zu lesen und durch ihre bildhafte Sprache fühlt man sich gleich in die Geschichte hineinversetzt. Mehrmals konnte ich mir das Lachen nicht verkneifen, ob der skurrilen Szenen. Ein richtig rasanter Krimi mit großem Blutvergießen und Gewalt darf hier nicht erwartet werden. Hier werden die sozialen Kontakte, das familiäre Umfeld und die Beziehung Mensch-Hund in den Vordergrund gestellt.

Ein origineller, humorvoller Krimi, den ich sehr gerne gelesen habe. Ich habe mich köstlich amüsiert und werde die übrigen Teile dieser Reihe sicherlich auch noch lesen. Gerne vergebe ich 5 Sterne.

Bewertung vom 26.12.2018
Karl der Große
Fried, Johannes

Karl der Große


sehr gut

Interessante Biographie über Karl den Großen

Gleich zu Beginn stellt der Autor klar, dass es sich um keine Biographie im herkömmlichen Sinn handelt. Über Karl den Großen gibt es keine historischen Dokumente im Überfluss, aus denen man schöpfen könnte. So war es Fried nur möglich, sich diesem Herrscher fiktional zu nähern, um von außen sozusagen Rückschlüsse auf diverse Handlungen zu ziehen. Nur wenige seiner Anweisungen, wenig Privates, kaum Briefe sind überliefert und können zusammengefasst werden. Doch wer war dieser Karl, der zugleich gepriesen und auch verspottet wurde, und doch zur wohl berühmtesten Herrschergestalt des Mittelalters aufrückte.

Der emeritierte Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Frankfurt, Johannes Fried, versucht auf mehr als 600 Seiten einen Bogen über die Zeitspanne Karl des Großen zu legen, zitiert aus unzähligen Quellen, analysiert und interpretiert Schlussfolgerungen weiterer Biographen.

Geboren wurde Karl (vermutlich) 748 und starb (sicher) 814. Bereits früh wurden ihm der Glaube und die Kirche nahe gebracht, Literatur und Latein hatten einen hohen Stellenwert. Geschichtsbücher gab es nur in unzureichender Qualität, dies forcierte Karl während seiner Herrschaft – natürlich unter Beschönigung oder Ausklammerung so mancher blutiger Vergangenheit während des Aufstiegs der Karolinger. Hier versucht Fried die Stimmung der Zeit einzufangen, für die Ausweitung des Christentums wurde durch so manch blutige Auseinandersetzung forciert, Macht und ein einflussreiches Netzwerk aufzubauen verlangten kriegerische Konflikte.

Der Schreibstil Frieds ist manches Mal etwas schwierig zu lesen, teilweise verliert er sich zu sehr in Details und so lässt meine Konzentration auch mal nach. Nichtsdestotrotz empfinde ich das Buch als gut recherchiert, er liefert einen guten Überblick und so kann ich das Buch uneingeschränkt jedem interessierten Leser empfehlen. Fried lässt uns einen Blick auf Europas Vergangenheit werfen, was für so manches Verständnis der späteren Geschichte durchaus wichtig ist. Einige Abbildungen und Dokumente ergänzen das Buch, wohingegen ein Stammbaum durchaus hilfreich gewesen wäre.
Gerne vergebe ich 4 wohlverdiente Sterne.

Bewertung vom 26.12.2018
Die roten Reiter
Montefiore, Simon Sebag

Die roten Reiter


sehr gut

Die roten Reiter

Russland 1942: Benya Golden wurde unschuldig verurteilt und nach Sibirien verbannt. Lebenslänglich heißt sein Urteil. Als er die „Chance“ bekommt an vorderster Front gegen die Nazis zu kämpfen und sein Vaterland zu verteidigen, nutzt er diese. Sollte er diese Aktion überleben, wird er begnadigt. Über zehn Tage dauert dieser Kampf, während dem er nicht nur eine italienische Krankenschwester kennen und lieben lernt, sondern er auch erkennen muss, dass man viel Glück im Leben braucht, um im Krieg nicht unterzugehen.

Der Autor Simon Montefiori hat russische Vorfahren und daher eine besondere Beziehung zu diesem Land. Er veröffentlichte bereits mehrere Sachbücher, dieser Roman „Die roten Reiter“ ist der letzte Teil der Moskauer Trilogie, wobei man jeden Band für sich lesen kann.

Die Figuren sind zum Teil erfunden, doch trifft man auch immer auf historische Persönlichkeiten, wie beispielsweise auf Stalin, Satinow, Budjonny und einige andere. Stalin muss hier nicht nur mit seinen Truppen Stalingrad verteidigen, sondern auch noch im Privatleben so einiges klarstellen. Seine Tochter versucht gerade, ihr eigenes Leben zu leben. Dass sie in einem goldenen Käfig sitzt, ist für sie natürlich eine schwierige Situation.

Der Roman erzählt über einen Zeitraum von zehn Tagen die Ereignisse rund um das Kriegsgeschehen. In Rückblenden erfährt man immer wieder über das Geschehen in der Vergangenheit, damit man gewisse Zusammenhänge auch besser verstehen kann. Sehr gut erkennt man, dass in Kriegssituationen jeder auf sich allein gestellt ist, Tod, Verrat und Demütigung stehen an der Tagesordnung.

Der Autor vermischt hier zwischen Fiktion und Fakten und so liest man auch über viele historische Begebenheiten in Romanform, was so manches Geschichtswissen auffrischt. Ein wenig Straffung hätte dem Buch gut getan, die beinahe 500 Seiten sind eine Herausforderung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.12.2018
Betrachtungen eines Unkorrekten
Sichrovsky, Heinz

Betrachtungen eines Unkorrekten


sehr gut

Unkorrekt bissig

Heinz Sichrovsky, Journalist der Kolumne „Unkorrekt“ in der Kronen Zeitung sowie Moderator von „erLesen“, präsentiert hier eine Zusammenfassung seiner unkorrekten Beiträge und gibt uns damit so manchen Denkanstoß. Und solche Denkanstöße gibt er uns zur Genüge – sei es die Politik, Bildung, Fußball, die grüne Welle, die deutsche Sprache, Frauen, Literatur und der Genderwahn.

Natürlich werden sämtliche Parteien und deren zugedachte Politiker aufs Korn genommen, dies mit gewohnter Wortakrobatik – satirisch, bissig. Beispiel gefällig:

„Eva Glawischnig, die vor ihrer Selbstsprengung eine halbwegs sympathische Narrenpartei zum Revolutionsrat schmalliippiger Korrektheits-Ayatollahs und Verbotshysteriker degenerieren ließ – die bekam die ungesättigten Fettsäuren mit Recht ab.“

Ebenso zum Thema wird die zum Teil unkorrekte Wortwahl in so manchem Kinderbuch – Pippi Langstrumpfs Negerkönig ist ja mehr als verwerflich …Und natürlich kann man auch Christine Nöstlingers Werk „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“ mit Antisemitismus in Verbindung bringen … oder kann man den Mohren im Struwwelpeter Kindern heutzutage noch zumuten.

Man kann seine Aussagen und bissigen Kommentare natürlich nicht 1:1 übernehmen, das soll man ja auch nicht. Er provoziert, um seine Leser zum Nachdenken zu bringen. Schon alleine dafür, würde ich dem Buch viele Leser wünschen. Ob es sinnvoll ist, die Handschrift in der Schule abzuschaffen, Literatur auszuklammern und die tägliche Turnstunde erforderlich ist – darüber kann sich so jeder seine eigene Meinung bilden. Nicht alles ist großartig, was in Finnland in punkto Schulsystem umgesetzt wird – aber es ist auch nicht alles verwerflich … Hier war mir die Unkorrektheit Herrn Sichrovskys manches Mal zu radikal.

Das Buch liest sich nicht nebenbei mal schnell, sondern fordert und so manchen Absatz musste ich mehrmals lesen, um den Sinn der verschachtelten Sätze vollständig erfassen zu können. Interessante Ansätze finden sich in dem Buch, wenngleich ich für meinen Teil lieber „erLesen“ folge als so mancher unkorrekter Äußerung.

Bewertung vom 25.12.2018
Sonntag der beleuchteten Fenster
Anfimiadi, Diana

Sonntag der beleuchteten Fenster


ausgezeichnet

Die Welt der Farben, Genüsse, Gerüche, …
Diana Anifimiadi ist Georgerin, sie liebt Literatur und gutes Essen – beides miteinander in Verbindung zu bringen, dieses mit Erinnerungen an Familie und Freunde in Beziehung zu setzen, dazu noch in lockerem Plauderton Küchengeschichten auszuplaudern … Herrlich, ein wahrer Lese-Schmaus! Eine kulinarische Biographie bittet zu Tisch.

Das Rot der Granatäpfel oder das Orange der Zitrusfrucht, der Geschmack von Zwiebeln oder der Geruch der Vanille finden ebenso Erwähnung wie der Zusammenhang zwischen Schokolade und dem kleinen Sohn der Autorin. Nicht nur beim Essen finden sich schwere und leichte Gerichte, auch im Leben sollte man die schweren und leichten Aufgaben miteinander abwechseln, um dem Familienzusammenleben die passende Nuance zu verabreichen.

Die Autorin wurde in Tbilissi geboren, arbeitet u.a. als Dichterin, Prosaautorin und ist eine wahre Expertin der Worte und eine Liebhaberin einfallsreicher Rezepte. Ihr zum Teil poetischer, beschwingter Schreibstil lässt mich in eine wunderbare Welt eintauchen. Immer wieder blättere ich in dem Buch und lese wieder mal eine Geschichte und freue mich an ihren liebevollen, wertschätzenden Charakteristiken.

„Sonntag der beleuchteten Fenster“ ist ein genussvoller Ausflug, eine kulinarische Einladung nach Georgien. Gerne vergebe ich für diese empfehlenswerte Lektüre 5 Sterne.

Bewertung vom 25.12.2018
Warum Deutsch die wundervollste Sprache der Welt ist
Fischer, Marlena

Warum Deutsch die wundervollste Sprache der Welt ist


sehr gut

Humorvoller Ausflug in die Welt der deutschen Sprache

Für die Autorin Dr. Marlena Fischer, Literaturwissenschaftlerin, gibt es unzählige Gründe, warum Deutsch die wundervollste Sprache der Welt ist. In diesem kleinen Büchlein gibt sie uns einige Beispiele, warum man ihr unbedingt zustimmen muss.

Beispielsweise gibt es im Deutschen „eingefleischte Vegetarier“ oder eine Groß- und Kleinschreibung, die auch noch so manchem Deutsch-Veteranen Probleme bereitet und zu Missverständnissen führen kann (Der Gefangene floh bzw. Der gefangene Floh). Unterschiede zwischen „scheinbar“ und „anscheinend“ finden ebenso Erwähnung wie Doppeldeutigkeiten, Jugendsprache oder die Deutsch-Österreichische-Völkerverständigung.

Für Deutsch-Kenner ein unterhaltsamer Ausflug in die Welt der deutschen Sprache. Für alle, die erst dabei sind, Deutsch zu ergründen, findet sich so mancher Hinweis auf Fehlerquellen. Ein wenig ausführlicher hätte das Buch für meine Begriffe ausfallen können, gerne hätte ich noch weitergelesen.

Bewertung vom 23.12.2018
1913 - Was ich unbedingt noch erzählen wollte
Illies, Florian

1913 - Was ich unbedingt noch erzählen wollte


sehr gut

Herzlich willkommen im Jahr 1913

Der Autor Florian Illies hat nun die Fortsetzung zu seinem internationalen Bestseller „1913. Der Sommer des Jahrhunderts“ veröffentlicht. Das Jahr 1913 bietet anscheinend einen reichhaltigen Fundus an Anekdoten, zum Teil humorvoll, zum Teil skurril oder berührend. Auch in diesem Fortsetzungsband treffen wir auf viele bekannte Persönlichkeiten, die uns staunen oder schmunzeln lassen.

Das Buch teilt die Erzählungen von Jänner bis Dezember. Illies schreibt, die zum Teil sehr kurzen Episoden, wortgewandt und erfrischend. Die Seiten fliegen nur so dahin, während man in längst vergangene Zeiten eintaucht. Das letzte Jahr vor dem Ersten Weltkrieg hat so manches zu bieten. So ist beispielsweise Marcel Proust fertig mit dem ersten Teil von „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ und schickt diese 712 Seiten an drei verschiedene Verlage, von denen er allesamt eine Absage bekommt.

Ebenso treffen wir auf Egon Schiele und seine etwas eigene Art mit seinen Modellen (besonders mit Wally) umzugehen. Mehrmals begegnen wir Nijinsky sowie dem Russischen Ballett und können über eine sehr ungewöhnliche Entwicklung lesen. Oder auch Otto Witte wird erwähnt, der für einige Tage zum König von Albanien gekrönt wurde.

Über Igor Strawinsky gibt es ebenso etwas zu erzählen, wie über Franz Marc und die Blauen Reiter, Kafka, Rosa Luxemburg, Kandinsky, Stefan Zweig und viele andere. Von Konzerten, Affären, Reisen, Expeditionen oder Forschungen – Illies zaubert so manches aus dem Schatzkästchen des Jahres 1913.

Einige Fotos ergänzen diese Geschichten, lassen so manches Porträt dadurch noch persönlicher wirken. Viele interessante historische Episoden und viel Privates wird hier sehr amüsant erzählt. Gerne vergebe ich 4 Sterne für diese Klatsch- und Tratschgeschichten aus längst vergangener Zeit.

Bewertung vom 23.12.2018
Julia Mann, die Mutter von Heinrich und Thomas Mann
Gersdorff, Dagmar von

Julia Mann, die Mutter von Heinrich und Thomas Mann


ausgezeichnet

Informative Biographie über Julia Mann

Die Autorin Dagmar von Gersdorff, Literaturwissenschaftlerin und Biographin, hat eine interessante Biographie über die Mutter von Heinrich und Thomas Mann geschrieben, die sehr angenehm und anregend zu lesen ist.

Julia Mann (1851 – 1923) wurde in Brasilien geboren und wuchs auf einer Zuckerrohrplantage auf bevor sie nach Deutschland kam, wohin sie ihr Vater abschob und womit sie zeitlebens zu kämpfen hatte. Sie heiratete in die Lübecker Kaufmannsfamilie der Manns ein und galt zu ihrer Zeit als schönste Frau der Stadt. Als Mutter ging ihr das Wohl ihrer fünf Kinder über alles – oft zum Leidwesen ihres Mannes, der die Zukunft seiner Söhne eher darin sah, die Familientradition und somit das Geschäft fortzuführen. Doch Julia – selbst musisch begabt – förderte und unterstützte die literarischen Versuche Heinrichs und Thomas‘. Erst nach dem Tod ihres Mannes bekam sie die Gelegenheit, sich selbst vermehrt der Kunst und Kultur zu widmen. Für Senator Heinrich Mann war Musik und Literatur eher ein Zeitvertreib, ein Hobby, nett aber nutzlos. Er forderte für seine Kinder Konsequenz und Disziplin – auch über seinen Tod hinaus, gab er noch Anweisungen für die Erziehung der Kinder…

Bereits früh erzählte sie ihren Kindern immer wieder exotische und spannende Geschichten aus Südamerika. „Zwischen Affen und Papageien“ sei sie geboren und so manch fremde und interessante Anekdote aus ihrem Leben zog ein in die Bücher ihrer Söhne. Familienmitglieder, Bekannte und Verwandte wurden in den Kontext der Geschichten eingebettet – nicht immer zu deren Freude. Oft mussten die beiden Schriftsteller Kritik ertragen und wurden auch von ihrer Mutter deswegen getadelt. Die Rivalitäten der beiden wurden immer ärger und irgendwann konnte auch die Mutter nicht mehr ausgleichend agieren und so kam es für viele Jahre zum Bruch der beiden. Für Julia Mann war der Konflikt zwischen ihren Kindern sehr schlimm, sie versuchte durch Diplomatie zu beruhigen, was ihr nicht immer gelang. Doch sie hatte auch mit ihrem eigenen Leben genug zu tun – finanzielle Engpässe, ihre Entwurzelung, der Selbstmord ihrer jüngsten Tochter und letztendlich ihre eigene Verzweiflung, ohne die Unterstützung der berühmten Söhne das Leben bestreiten zu müssen, machten ihr zu schaffen.

Die Autorin gibt nicht nur Einblicke in das Leben der Manns, sondern verbindet auch die Ereignisse in der Familie mit den Geschichten von Heinrich und Thomas. Viel Interessantes konnte ich hier entdecken und ich werde bestimmt noch öfter in diesem Buch blättern. Einige Fotos sowie ein Stammbaum am Ende des Buches ergänzen diese gelungene Biographie.

Man merkt, dass die Autorin gut und umfassend recherchiert hat, aus bisher verborgenen Koffern tauchten Briefe und private Fotos auf, die ihr diese Lebensbeschreibung möglich machten.
Julia Mann – eine interessante, moderne Frau, die ihre Eigenständigkeit über alles stellte und durch ihre Vielseitigkeit fasziniert. Eine tolle Biographie, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 15.12.2018
Dein Kind, die Schule und Du
Robinson, Ken;Aronica, Lou

Dein Kind, die Schule und Du


sehr gut

Schreckgespenst Schule?

Der Autor Ken Robinson ist ein international renommierter Bildungsexperte und emeritierter Hochschulprofessor für Erziehungswissenschaften an der University of Warwick. Ich durfte bereits einige Bücher von ihm lesen und bin von seinen Ansätze und Grundgedanken mehr als begeistert. Die Schule muss zum Kind passen und nicht umgekehrt – das Kind soll sich an die Schule anpassen, wie so oft die landläufige Meinung lautet.

Mit seinem neuesten Buch „Dein Kind, die Schule und DU“ versucht er uns ein Navi für den Bildungsweg in die Hand zu geben. In 10 Kapiteln erläutert er Eltern deren Rolle, eruiert die Rolle der Schule, versucht den Fokus auf das Wesentliche zu lenken und weist darauf hin, dass Bildungsarbeit auch Beziehungsarbeit ist. Nicht passives Ertragen und Durchtauchen sind die Devise, sondern Problemlösen und Mitgestalten.

Viele Punkte, die Ken Robinson anspricht, sollten zum Hausverstand jedes Elternteils gehören – doch jeder, der sich intensiver mit Schule und Bildung bereits auseinandergesetzt hat, wird genau daran zweifeln: Nicht die Begeisterungsfähigkeit der Kinder schüren, sondern den Wünschen der Eltern entsprechen, steht leider oft an der Tagesordnung. Auch die sogenannten Helikoptereltern bringen nicht nur Lehrer zum Verzweifeln, sondern schaden der Entwicklung ihrer Kinder enorm.

Als Navi durch den Bildungsweg würde ich das Buch nun nicht bezeichnen. Hierfür steht zu sehr der amerikanische Weg im Vordergrund. Zum Glück gibt es noch Unterschiede!

Robinson zeigt viele Parameter auf, die den Stärken der Kinder nicht (immer) gerecht werden. Nur vereinzelt sträuben sich Schulleiter, den Fokus nur mehr auf MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) zu lenken. Wo haben all die musisch Begabten oder Kreativen ihren Platz? Man darf nur hoffen, dass es hier noch einmal zu einem Umdenken kommt. Eine Gesellschaft braucht sie alle … die Professoren, die Maschinenbauer, die Forscher, die Computerspezialisten – aber auch die Philosophen, die Designer, die Schriftsteller, die Schauspieler, die Bildhauer.

Für Kenner von Ken Robinsons Büchern liest man vermutlich wenig Neues, für alle anderen ist das Buch ein Denkanstoß, um mal über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse nachzudenken – und die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder eigenständig zu betrachten. Gerne gebe ich dem Buch 4 Sterne.