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Sikal
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Österreich

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Insgesamt 1155 Bewertungen
Bewertung vom 14.12.2018
New York liegt im Neandertal
Heine, E.W.

New York liegt im Neandertal


sehr gut

Von der Höhle bis zum virtuellen Raum

„Keine Aussage über die Vergangenheit ist so unmittelbar wie die Bauten einer Epoche. Der Mensch formt seine Umwelt so, wie er sich selbst in ihr erlebt. Das findet seine elementarste Darstellung in der Art, wie er baut. Warum baut eine bestimmte Zeit so und nicht anders?“

Architekt und Autor E.W. Heine listet in diesem Buch unterschiedliche Bauten auf, die uns zum Teil spannende Einblicke in den jeweiligen historischen Kontext geben. Warum gerade so und nicht anders gebaut wurde, welche Intentionen dahinter steckten oder auch welche Auswirkungen auf die Nachfolge-Epoche erzielt wurden. Er versucht aufzuzeigen, dass jede Kultur ein eigenes Verhältnis zu Raum und Zeit besessen hat, will die Sprache der Bauten verständlich machen. Von der Menschenschnecke ausgehend, erfahren wir einiges über die Höhle, die Pyramiden, Pagoden, Moschee, Grashütte, das Grandhotel und einiges mehr bis wir letztendlich beim virtuellen Raum ankommen.

Die historischen Einflechtungen kann ich nicht so ganz nachvollziehen und diverse Behauptungen des Autors können auch nicht nachgeprüft werden – ein Literatur- sowie Quellenverzeichnis fehlen nämlich. Obwohl ich fasziniert den Thesen und philosophischen Ergüssen gefolgt bin, war mir das Kapitel über die Pagoden doch zu sehr esoterisch. Ebenso sollen die Pyramiden gar nicht als Pharaonengrab erbaut worden sein, sondern sind laut Heine Zeugnis einer vorsintflutlichen Kultur. So soll die Cheopspyramide ein kosmisches Kraftwerk unbekannter Energien sein, deren Sinn uns unbekannt ist. Sehr gewagte Denkansätze werden hier vorgestellt, die historisch belegten Fakten werden auch mal beiseite geräumt …

Interessant fand ich die Erläuterungen über die Baustile, die Romanik und Gotik und die Unterschiede zwischen diesen beiden Stilen. Was mich am meisten zum Nachdenken anregte war das Kapitel über den Termitenhügel: „Die Häuser der Zukunft werden kurzlebige Industrieprodukte oder gigantische Termitenhügel sein. Es kommt in Zukunft nicht mehr darauf an, wie ein Gebäude aussieht, sondern vielmehr darauf, dass es so praktisch ist wie eine Maschine.“ Wo werden diese Gebäude in einigen Jahrhunderten sein?

Interessante Ansätze mit teilweise haarsträubenden Erläuterungen – trotzdem vergebe ich gerne 4 Sterne dafür.

Bewertung vom 14.12.2018
Georgien im Wandel
Nielsen, Fried

Georgien im Wandel


sehr gut

Wind, der weht

Der Autor Fried Nielsen war in den 90er Jahren als Diplomat des Deutschen Auswärtigen Amtes für einige Jahre in Georgien tätig und schreibt in seinem Buch „Georgien im Wandel“ über seine Erfahrungen. Mit viel Respekt und großer Wertschätzung beschreibt er in 19 Kapiteln seine Reiseerlebnisse, Ausflüge, über Begegnungen, gesellschaftliche Gepflogenheiten und vieles mehr.

Geschehnisse rund um die Politik sind genauso in diese Erzählungen eingewoben, wie man auch die geschichtliche Entwicklung Georgiens findet. Man liest über Beschreibungen der Landschaft, über einen Stadtbummel in Tiflis, über archäologische Ausgrabungen in Dmanissi, über Klöster, Gedenkstätten, kulturelle Veranstaltungen, aber auch über einen einsamen Spaziergang über den Rustaweli-Prospekt oder Trauer in Uschguli.

Das Buch ist so etwas wie ein Reisetagebuch, das sich durch die vielen persönlichen Anekdoten leicht und flüssig lesen lässt. Der Schreibstil des Autors liest sich flüssig, ist teilweise humorvoll und so verfliegen die Seiten. Besonders die Geschichte Georgiens, die Schwierigkeiten während der Sowjetherrschaft sowie die sprachliche Entwicklung haben mich besonders interessiert. Einige Fotos ergänzen die Erzählungen und geben einen Einblick in ein interessantes Land.

Bereits die Reise nach und von Georgien in den 90er Jahren war Abenteuer pur. Stundenlange Verzögerungen, kein Kerosin zum Auftanken und beinahe eine Notlandung, weil die Tankanzeige bereits auf null steht, sind so einige Beispiele aus den Erlebnissen des Autors. Ebenso werden Schießereien, korrupte Beamte und „kein Strom“ für Fried Nielsen Alltag. Schnell lernt er, dass die Uhren ein wenig anders gehen und trotzdem – oder gerade deshalb – fühlt er sich mit dem Land tief verbunden.

Ein spannender, amüsanter Reisebericht, der uns in einsame Bergdörfer ebenso entführt wie ans Schwarze Meer und uns einen Einblick gibt in das dortige Leben und die enorme Gastfreundschaft der Menschen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 13.12.2018
Über Wasser, unter Wasser

Über Wasser, unter Wasser


ausgezeichnet

Lebensraum Wasser

Nicht nur für Unterwasserflora und -fauna, sondern auch für Tobias Friedrich ist Wasser schlichtweg das Lebenselixier. Bereits früh merkte er, dass die Unterwasserwelt in seinem Leben eine wichtige Rolle spielen würde. Welche – das wurde ihm erst durch eine Krankheit klar. In diesem Buch „Über Wasser, unter Wasser“ erzählt er von seiner Motivation, seinen Reisen, seinem Zuhause, welches sich von Deutschland aus über die Weltmeere erstreckt und vieles andere.

Er lädt uns ein, einen Teil seiner Reisen mit zu begleiten, die Schönheit der Quallen zu betrachten, Delfine zu studieren, der Vielfalt im Korallendreieck zu frönen oder Orcas bei der Jagd zu beobachten. Seine Reisen führen ihn quer über den Globus, wir besuchen Ägypten, Papua-Neuguinea, das Mittelmeer, Grönland oder auch Norwegen.

Jedes Kapitel beginnt mit den Besonderheiten der jeweiligen Region, ergänzt durch viele tolle Fotos, die im Anschluss noch beschrieben werden. Die technische Ausrüstung wird hervorgehoben sowie auch der Aufwand, der so manches Mal erforderlich ist, um ein einzigartiges Foto entstehen zu lassen. Tobias Friedrich erzählt auch mit welch einfachen Mitteln er anfangs versuchte, die farbenprächtige Unterwasserwelt festzuhalten – und war danach vom nicht zufriedenstellenden Ergebnis enttäuscht. Mittlerweile ist er Profi und seine Bilder können sich durchaus sehen lassen. Besonders interessant fand ich auch, dass er pro Tauchreise so um die 3000 Fotos macht und davon nur ca. 30 auch für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Ich finde die Bilder großartig und jeder, der bereits mal ein wenig die Welt unter Wasser entdecken durfte, ist bestimmt fasziniert. Tolle Bilder, die in dem Querformat-Buch sehr gut präsentiert werden.

„Wenn das Meer, hat Jacques-Yves Cousteau einmal gesagt, dich erst in seinen Bann gezogen hat, dann hält es dich für immer in seinem Netz der Wunder fest.“

Bewertung vom 09.12.2018
Grenzgänger
Borrmann, Mechtild

Grenzgänger


ausgezeichnet

Ein fesselnder, dramatischer Roman

Ich muss gestehen, dass ich noch kein Buch von Mechtild Borrmann gelesen habe, doch das wird nun umgehend nachgeholt. Die Autorin hat mich mit diesem Buch vollkommen überzeugt.

Die Familie Schöning lebt in einem kleinen Dorf an der deutsch-belgischen Grenze. Als die Mutter früh stirbt und der Rest der Familie zurückbleibt, beginnt das eigentliche Drama. Der Vater, ein traumatisierter Kriegsveteran, ist nicht im Stande, sich um seine Kinder zu kümmern und findet seine Erfüllung nur mehr im Glauben zu Gotte und Kirche. Den stellt er über alles – auch über die Versorgung und die Existenz seiner Kinder. So übernimmt die 17-jährige Henni die Mutterrolle und versucht alles, damit die Geschwister zusammenbleiben können. Da das Geld immer knapp ist, gerät sie an eine Truppe, die mit Kaffeeschmuggel etwas dazuverdienen. Henni kennt das Gebiet wie ihre Westentasche und wird bald zur Anführerin einer Schmugglergruppe. Als eines Nachts Hennis Schwester von einem Zöllner erschossen wird, macht der Vater klar Schiff, steckt Henni in eine Besserungsanstalt und ihre Geschwister in ein Heim. Als auch noch ihr Bruder Matthias unter mysteriösen Umständen stirbt und Henni erst sehr spät von den Zuständen im Heim erfährt, beginnt sie um Gerechtigkeit zu kämpfen.

Der Roman spielt in einem Zeitfenster von den ersten Nachkriegsjahren bis in die 70er Jahre hinein. Das Buch hat mich gefesselt und in eine schreckliche Zeit eintauchen lassen. Hier hat die Autorin ganze Arbeit geleistet und ein brennendes Thema aufgegriffen. Welchen Einfluss hatte die Kirche auf Familie und Gemeinschaft? Viele Erwachsene waren nach dem 2. Weltkrieg nicht in der Lage, sich um ihre Kinder in der von uns gewohnten Art und Weise zu kümmern, waren in ihrer eigenen Welt gefangen. Die Kinder – oft auf sich allein gestellt – mussten schnell lernen, wie man überlebt. Das hat auch die junge Henni bewiesen, dass man sich nicht um Moral und Wertvorstellungen kümmern kann, wenn der Teller leer ist oder die Schuhe Löcher haben.

Die Autorin vermischt in „Grenzgänger“ fiktive Charaktere mit Fakten aus den kirchlichen Institutionen der damaligen Zeit. Sie lässt den Leser eintauchen in eine schreckliche Welt, in der Kinder noch nicht den Stellenwert von heute hatten und stellt die Frage „Wer ist denn nun schuld an dem ganzen Drama? Eine Verkettung von unglücklichen Umständen oder die Zeit oder … Hier darf der Leser sich gerne seine eigenen Gedanken machen.

Ein fesselnder und spannungsgeladener Roman über ein brisantes Thema, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 08.12.2018
Eiskalte Spiele
Girardelli, Marc;Grünig, Michaela

Eiskalte Spiele


ausgezeichnet

Eiskaltes Business

Bereits zum dritten Mal erleben wir hier einen rasanten Krimi aus dem Skizirkus. Marc Gassmann trainiert schon seit Wochen nicht mehr und will eigentlich seinen Rücktritt bekannt geben, kämpft aber noch mit seinem Entschluss. Mit seiner On/Off-Freundin Andrea steht der Schalter derzeit auf Off und Marc entlässt seinen Trainer Hans aus dem Vertrag. Also, ganz so gut läuft es gerade nicht für Marc.

Unter den Trainern gibt es einige Suizidfälle – bei den Toten findet man eine Nachricht, die diesen Selbstmorden eine gewisse Gemeinsamkeit gibt. Andrea und Alberto Passini haben alle Hände voll zu tun, um die einzelnen Puzzlestücke zusammenzutragen. Als auch Marcs Trainer Hans bedroht wird, muss Andrea mit zu den Olympischen Spielen nach Korea. Zum Glück hat sich Marc inzwischen entschlossen, doch noch einmal um olympisches Abfahrtsgold zu kämpfen, so können die beiden das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und Schalter wieder umlegen …

Interessantes wird zu Tage befördert, Sportler, die ohne ihr Wissen gedopt wurden, Athleten, die durch unglückliche Zufälle Spuren verbotener Substanzen aufweisen – Erpressung eingeschlossen. Auch erfahren wir einiges über die Arbeit in den Labors, die Aufklärungsversuche, die nicht immer von Erfolg gekrönt sind.

Den beiden Autoren Michaela Grünig und Marc Giradelli ist wieder ein Top-Krimi gelungen. Viele gelegte Spuren und Rätsel werden am Ende in gewohnter Weise gebündelt und münden in einem gelungenen Finale. Die Auflösung am Ende hat mich wirklich überrascht, hier war ich lange auf der falschen Spur. Vor allem die eingeflochtenen Gedanken des Täters geben viele Rätsel auf und man merkt gegen Ende hin, wie dieser in die Enge getrieben wird.

Marc Giradelli kennt natürlich den Skizirkus in- und auswendig und lässt sein Wissen hier einfließen. Ich finde großartig, dass man so ein wenig Einblick bekommt, wie es hinter den Kulissen läuft und was alles für Geld getan wird.

Für Krimiliebhaber ein Muss, spannend, temporeich und mit interessanter Hintergrundinformation. Gerne vergebe ich hier 5 Sterne und hoffe auf eine Fortsetzung.

Bewertung vom 07.12.2018
Mord im Balkanexpress
Wittekindt, Matthias;Wittkamp, Rainer

Mord im Balkanexpress


ausgezeichnet

Geheimdienste, Anarchisten und eine engagierte Schauspielerin in Aktion

Der Krimi spielt im Jahr 1895, als es in der Donaumonarchie bereits zu brodeln beginnt. Da trägt natürlich ein Bombenattentat im Wiener Burgtheater nicht gerade zur Beruhigung bei. Zu Ehren des neuen Burgtheaterdirektors soll sogar Kaiser Franz Joseph erscheinen. Ein als Kellner getarnter Terrorist legt eine Bombe, mit der Seine Majestät getötet werden soll. Glück im Unglück für den Kaiser, dass er sich verspätet. Viele weitere Besucher der Feierlichkeiten haben weniger Glück und sind unter den Toten oder Verwundeten.

Die berühmte Schauspielerin Christine Mayberger kommt mit einem Schock davon, während ihr Geliebter Albrecht – ein Cousin des deutschen Kaisers – von Berlin nach Wien eilt, um ihr zur Seite zu stehen. Doch Christine hat sich längst auf Details und Spuren der Attentäter eingeschossen und so finden sich Albrecht und seine Geliebte bald im Balkanexpress Richtung Belgrad, um die Anarchisten nicht aus den Augen zu verlieren. Doch auch die Geheimdienste bleiben nicht untätig und heften sich auf die Fersen – manches Mal weiß man nicht genau, wer denn nun wen gerade womit verdächtigt… Herrlich!

Im Balkanexpress treffen nicht nur die Anarchisten, die Geheimdienste Österreichs und Serbiens aufeinander, sondern auch Impresario Tarasow und sein Assistent Fritz Matern scheinen äußerst verdächtig. Und welches Spiel spielt wohl Oberst Lazar? Werden die Geheimdienste einen weiteren Anschlag auf den Kaiser verhindern können oder stehen ganz andere Ziele im Vordergrund? Bevor es zu einem grandiosen Finale kommt, kann man mit Spannung den Bemühungen der einzelnen Charaktere folgen – und das Ganze nicht zu knapp.

Die Autoren Matthias Wittekindt und Rainer Wittkamp haben einen spannenden Krimi geschrieben, der die Atmosphäre der Jahrhundertwende perfekt einfängt. Die altmodischen Gepflogenheiten, die taktischen Überlegungen der Geheimdienste, die erpresserischen Aktivitäten in den Bordellen oder auch den Hang zu pompöser Pracht.

Ein schwungvoller Krimi zur Zeit Österreich-Ungarns mit viel Spannung und Atmosphäre, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 06.12.2018
Zerrissene Leben
Jarausch, Konrad H.

Zerrissene Leben


ausgezeichnet

Ein Geschichtsbuch der besonderen Art

Der Autor Konrad H. Jarausch, Professor für European Civilization an der University of North Carolina hat mit diesem Geschichtsbuch ein turbulentes Jahrhundert zusammengefasst. Ein Jahrhundert, in dem sich vor allem die in den 1920er Jahren Geborenen immer wieder umstellen mussten, die Veränderung des Lebens allgegenwärtig war.

Konrad Jarausch hat mit „Zerrissene Leben“ eine Sammelbiographie der Weimarer Generation herausgebracht und lässt diese „normalen Menschen“ zu Wort kommen. Ungefähr 80 Zeitzeugen geben ihre Lebenserinnerungen preis, ihre Schwierigkeiten, Hoffnungen, ihren Alltag in Krisenzeiten. Was mir besonders gefällt, ist, dass Befürworter des Naziregimes ebenso zu Wort kommen, wie Gegner, quer durch die Gesellschaftsschichten und Religionszugehörigkeiten wird ein Bild der vielen Querelen und Konflikte gezeichnet. Der Zeitrahmen kann in etwa von den 1920er Jahren bis in die 1990er Jahre angenommen werden, da aus dieser Zeit die meisten Autobiographien der Protagonisten stammen.

Das Buch ist in drei große Teile gegliedert:
Kindheit vor dem Krieg
Jugend in Kriegszeiten
Erwachsen in der Nachkriegszeit

Besonders hervorgehoben wird die Begeisterungsfähigkeit von einem Teil der Jugend, die mit Hoffnung und Freude sich von der Propagandamaschinerie einlullen lassen. Sie müssen letztendlich auf die harte Tour erfahren, dass nicht alles stimmt, was einem vorgegaukelt wird.

Natürlich werden hauptsächlich subjektive Eindrücke dargestellt, vieles vermutlich etwas verzerrt – kein Einziger war selbst Ausführer von Gräueldaten, obwohl diese vor allem als Erinnerung an die russische Front ausführlich geschildert werden. Nicht nur der Krieg in seiner schrecklichen Form wird thematisiert, sondern auch der Zusammenhalt, die Gemeinschaft unter den Kameraden und die Hilfestellung für Verwundete. Auch die Leere nach Kriegsende wird geschildert – wofür das alles?
Der Wiederaufbau, die Teilung Deutschlands, ein Leben in einer Demokratie oder Diktatur – je nachdem, wo man landete… Auch hier werden interessante Zusammenhänge dargestellt und Sichtweisen ausgeführt.

„Auch wenn nicht alle zur Einsicht gelangt sind, haben viele Deutsche sich doch so stark verändert, dass ihre kaiserlichen Vorfahren sie kaum mehr erkennen würden.“

Diese kollektive Biographie unserer Mütter und Väter finde ich sehr ansprechend und sehr intensiv zu lesen. Nicht nebenbei, sondern mit Muße - und ausreichend Zeit wird dafür benötigt, um die Gesamtheit der einzelnen Lebensentwürfe zu erfassen. Gerne vergebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 05.12.2018
Stille Nacht
Breckwoldt, Tina

Stille Nacht


ausgezeichnet

Ein Lied mit Geschichte

Das wohl berühmteste Weihnachtslied „Stille Nacht, Heilige Nacht“ feiert in diesem Jahr ein Jubiläum. Vor 200 Jahren hatte es am 24. Dezember 1818 Premiere, gesungen in der Kirche von Oberndorf, einem kleinen Salzburger Ort. Komponiert und getextet wurde das Lied von Franz Xaver Gruber (Text) und Joseph Mohr (Melodie) – heute steht dieses Lied für Weihnachten, für den Frieden und die Begegnung.

In dem Buch wird natürlich auch der historische Hintergrund erläutert, die schwierigen Zeiten nach dem napoleonischen Krieg, nach Umweltkatastrophen, Hunger und Armut. Die Biographien von Mohr und Gruber sind ebenfalls in einem Kapitel verankert und sehr informativ.

Das Buch ist sehr hochwertig gestaltet, mit einem goldenen Einband strahlt es die feierliche Atmosphäre aus, in der das Lied heute noch gerne gesungen wird. Eine Karte des Herzogtums Salzburg auf der Innenbuchseite ist sehr interessant. Natürlich sind auch der Liedtext sowie die Melodie abgedruckt, ergänzt mit Gitarrenakkorden. Viele Bilder und historische Abschriften ergänzen dieses Buch.

Auch über die Verbreitung des Liedes, wie es letztendlich die Welt eroberte, wird umfassend berichtet. Auch heute noch verfehlt das Lied als völkerverbindende Maßnahme seine Wirkung nicht, die unzähligen Sprachen haben doch eine gemeinsame Melodie. Toll finde ich, dass in dem Buch alle Sprachen aufgelistet sind, in denen Stille Nacht gesungen wird.

Die Historikerin Tina Breckwoldt hat hier ganze Arbeit geleistet – großartige Recherchen und ein schwungvoller Schreibstil machen das Buch zu etwas Besonderem.

Besonders als Weihnachtsgeschenk ist dieses Buch geeignet und ich kann es nur weiterempfehlen und jedem ans Herz legen. Natürlich gibt es dafür auch 5 leuchtende Weihnachtssterne.

Bewertung vom 05.12.2018
Süße Bauernweihnacht
Lust-Sauberer, Elisabeth;König, Andreas

Süße Bauernweihnacht


ausgezeichnet

Weihnachtlicher Genuss

Die Autorin Elisabeth Lust-Sauberer ist Seminarbäuerin und betreibt mit ihrem Mann eine Landwirtschafft im Weinviertel. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, bäuerliche Traditionen am Leben zu erhalten. Die beiden Journalisten Andreas König und René von Bakel haben dieses Projekt tatkräftig unterstützt und als Ergebnis kann sich die „Süße Bauernweihnacht“ sehen lassen.

Nach einer Einleitung und einem Plädoyer fürs Selberbacken, finden sich viele Tipps und Tricks rund um die Weihnachtsbäckerei, Hinweise zur Resteverwertung und für die Lagerung von Keksen.

Die Rezepte sind in einzelne Kapitel zusammengefasst und man findet eine Vielzahl an bekanntem, klassischem und auch neuem, modernen Gebäck. Zwischen Vanillekipferln, Spritzgebäck, Husarenkrapferln, Rumkugeln, diversen Schnitten und Rohkostvariationen finden sich so manche Bräuche und Traditionen – so beispielsweise auch eine Anleitung zum Binden eines Adventkranzes. Der Adventkalender, die Barbarazweige, Krampus und Nikolaus sowie auch der Christbaum und die Herbergsuche finden Erwähnung.

Wärmende Rezepte für die Winderkälte, wie Punsch, Glühwein oder ein Likör werden in einem Kapitel hervorgehoben und man findet dort auch so manche Idee, um ein selbstgemachtes Geschenk noch kurz vor Weihnachten zu fabrizieren. Bei den Rezepten von diversen Stollen oder Strudeln meint man schon während des Lesens, die Gewürzzutaten riechen zu können. Typische Winter- und Weihnachtsgewürze werden hier verwendet und es duftet nach Vanille, Zimt, Orangen, Zitronen, …
Auch für leckere Weihnachtsdesserts findet man Rezepte in diesem Buch. Wie wäre es mit einem Lebkuchenmus oder Maroniknödeln.

Herrlich, dieser Ausflug in diese Bauernweihnacht, wo unsere schnelllebige Zeit mal außen vor gelassen wird und tatsächlich noch ein Gedanke zur besinnlichen Adventzeit aufkommt.

Die Rezepte sind allesamt gut beschrieben, können auch variiert werden (hier finden sich Tipps dabei) und laden ein, einen Familienbacktag einzuschieben, Weihnachtslieder zu hören und in Kindheitserinnerungen zu schwelgen. Die tollen Fotos verbreiten eine wunderbare Atmosphäre und sind sehr ansprechend.

Ein rundum gelungenes Buch, dem ich gerne 5 Sterne gebe.