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Benutzername: 
miss.mesmerized
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Deutschland
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https://missmesmerized.wordpress.com/

Bewertungen

Insgesamt 1245 Bewertungen
Bewertung vom 10.05.2018
Truly Madly Guilty
Moriarty, Liane

Truly Madly Guilty


gut

Schon seit ihrer Kindheit sind Clementine und Erika befreundet. Doch das, was sie Freundschaft nennen, gleicht mehr einer seltsamen Abhängigkeit, die einst von Clementines Mutter auferlegt wurde: da Erika aus einem armen und schwierigen Elternhaus kam, musste Clementine mit ihr befreundet sein. Erika bewunderte sie und ihre Familie, was durchaus schmeichelhaft war. Doch nun wird ihre Freundschaft vor eine schwere Probe gestellt: erst die Bitte, von Erika und ihrem Mann Oliver völlig unvorbereitet geäußert, und dann die Ereignisse am selben Abend, als sie bei Erikas Nachbarn Vid und Tiffany zum Grillen eingeladen waren und ein dramatisches Ereignis die gelöste Stimmung schlagartig durchbrach.

Liane Moriarty konnte mich vor einigen Jahren mit „Little Lies“ unglaublich faszinieren, der zweiten Roman, den ich von ihr gelesen habe – „The Husband’s Secret“ –, konnte schon nicht mehr an das Debut nicht heranreichen und leider hat mich auch „Truly Madly Guilty“ nicht ganz gewinnen können. Womöglich liegt es daran, dass die Autorin sehr auf ein Erzählschema festgelegt ist, das beim dritten Versuch nicht mehr so überzeugen kann wie beim ersten. Auch in diesem Roman gibt es wieder zwei Erzählzeitpunkte, die eine am Tag des dramatischen, alles verändernden Ereignisses, die zweite danach bzw. auch davor in der Erinnerung daran, wie die Dinge waren, bevor es dazu kam. Alles läuft auf den einen Moment in der Handlung hinaus, der sehnsüchtig erwartet wird.

Hier genau lag für mich bei dem Roman eines der Probleme: das Hinauszögern soll die Spannung steigern, funktioniert auch bis zu einem gewissen Maße, ist dies jedoch ausgereizt, wird es nur noch nervig und man wünscht sich sehnsüchtig, endlich die erlösende Stelle zu erreichen. Es war einfach keine Spannung und gebannte Erwartung mehr da, zu sehr ging mir das künstliche immer wieder Verschieben auf die Nerven. Die Idee, kleine Zwischenhöhenpunkte einzuschieben, war durchaus nicht schlecht, aber so entsteht auch der Eindruck, zu viel in einen Roman gelegt zu haben, was am Ende auch als Fazit bleibt. Ein Drama hätte gereicht, das hätte die Handlung auch gestrafft und so die Spannung besser abgestimmt.

Hinzu kamen die Figuren, von denen leider keine als wirklicher Sympathieträger taugt. Man hatte bisweilen den Eindruck, dass die Autorin ihre Figuren hasst, so sehr werden sie alle immer wieder durch ihre Fehler und Unzulänglichkeiten charakterisiert: Oliver und Erika sind kleinkariert, besserwisserisch und extrem angepasst; ihre Nachbarn Vid und Tiffany das extreme Gegenteil, wobei ihr protziger Reichtum und die Vernachlässigung der Tochter auch keine Pluspunkte bringen; Clementine und ihr Ehemann bestechen durch andauernde Gereiztheit und Streitigkeiten, die nur schwer zu ertragen sind.

So wird die durchaus überzeugende Grundidee zu einer Tour de Force, die sich nur sehr langsam dem Ziel entgegenschleppt.

Bewertung vom 07.05.2018
Less
Greer, Andrew Sean

Less


ausgezeichnet

Arthur and Freddy have spent so many years together, but now, Freddy is going to marry somebody else. This already would be enough, but Arthur’s situation is even worse: he is about to turn fifty, thus, officially old. How to avoid the dreadful wedding and his birthday? The solution is close at hand: he accepts several invitations bringing him first to New York, then Mexico, afterwards across the ocean to Italy, Germany and Morocco before returning home via India and Japan. However, leaving behind your everyday life does not mean that your worries also stay at home. They follow Less around the word as constant companions at his side.

Andrew Sean Greer had been quite successful with his short stories before he started writing novels. His sixth, “Less”, was awarded the 2018 Pulitzer prize for Fiction, after he had already received the California Book Award and the O. Henry Award among others for his works.

It is hard to find words to adequately describe the novel. I simply adored it every minute. First of all, there is this extraordinary protagonist Arthur Less who is, in his own view, so plain, ordinary, normal and uninteresting and yet seems to fascinate everybody he meets, makes them fall in love with him instantly and puts a kind of spell on them they cannot escape. The reader also falls for him at once – albeit I cannot explain why this is exactly the case. It is surely not because he is outstandingly good-looking or especially witty, he seems to have some kind of charisma that attracts people.

Second, the narrator. He seems to be acquainted with Less, even though he merely hints at when and how they met and what their relationship is like. Often he recedes and just tells the story, but now and again, he talks to the reader, comments and readjusts the reader’s perspective. Even though a lot of disasters happen to Less on his journey and despite the fact that the two major loves of his life are lost, his life isn’t too bad.

Watching Less stumble through his journey, his anxiety about aging – his is 49, not 50! – his being mainly known for having spent years at the side of a successful writer while his own work did only find small recognition – all his little flaws make him even more likeable. His modesty, his shyness – he is not less, but much more. A wonderfully written novel, full of love and compassion.

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Bewertung vom 05.05.2018
Was die Nacht verbirgt (eBook, ePUB)
Thiéry, Danielle

Was die Nacht verbirgt (eBook, ePUB)


gut

Ein bestialischer Mord wird der Pariser Kommissarin Edwige Marion und ihrem Team übertragen: eine Frau wurde getötet und ihr Körper ist von unzähligen Schnittwunden übersät. Bei der Obduktion stellt sich heraus, dass auch ihre Organe regelrecht zerlegt wurden. Kurz darauf geschieht ein weiterer Mord, wieder ein weibliches Opfer, dessen Körper in ähnlicher Weise gezeichnet ist. Was will der Täter ihnen sagen? Steckt ein Code hinter den Schnittwunden? Doch Kommissarin Marion beschäftigt noch etwas ganz anderes: es gibt sehr belastende Parallelen zwischen den Fällen und ihrem Freund Benjamin, der offenbar mit den Opfern kurz vor ihrem Tod gesehen wurde. Das kann nicht sein – oder hat sie einem Psychopathen vertraut?

Danielle Thiérys Krimi „Was die Nacht verbirgt“ ist der Auftakt der Reihe um Edwige Marion, von der im Original bereits 13 Romane erschienen sind, die jedoch nicht alle auch ins Deutsche übersetzt wurden. Die Reihe war zunächst bei Piper erschienen und wird nun jedoch beim Aufbau Verlag in neuem Gewand veröffentlicht.

Der Fall klingt zunächst nach einem recht typischen Thriller mit einem bestialischen Serienmörder, der reihenweise Frauen ermordet und seine unverkennbaren Spuren hinterlässt. Allerdings leidet die Spannung ein wenig darunter, dass man als Leser mit dem Holzhammer schon sehr früh auf die notwendigen Zeichen gestoßen wird; keine subtilen Indizien, die man leicht überliest, sondern in großen Lettern hervorspringende Ausrufezeichen. So hat man ab etwa der Hälfte problemlos ziemlich genau einen Überblick darüber, wie die Zusammenhänge sich darstellen dürften.

Dass man als Leser so schnell hinter den Komplott kommt, die Ermittler jedoch ewig im Dunkeln tappen, liegt an der Anlage der Figuren. Dies ist insgesamt durchaus stimmig: ein Team von unfähigen eitlen Gockeln, die lieber ihre Erkenntnisse für sich behalten und weitere Opfer riskieren als ihre Arbeit ordentlich zu machen, ist geradezu prädestiniert, die Auflösung des Falls zu verschleppen. Leider macht sie das durch die Bank unsympathisch und kaum erträglich.

Was einem dennoch am Ball hält, ist der der Schreibstil der Autorin, der durchaus fesseln kann und bei dem sie auch eine geschickte Dramaturgie an den Tag legt. Gestört wird dies nur durch zahlreiche unsägliche Übersetzungsnachlässigkeiten. Die Figuren stecken immer wieder in ihren Baskets und ziehen sich die Blousons aus, der Täter bewegt sich mal in einem Campingwagen, dann wieder in einem LKW, was letztlich aber immer dasselbe Auto ist. Wenn man fließend Französisch spricht, lassen sich so manche Holprigkeiten leicht erklären, dennoch ist es ärgerlich.

Alles in allem, bleibe ich zwiegespalten: einerseits hat der Krimi eine gewisse Spannung und man bleibt grade dran, andererseits sind doch auch unübersehbare Schwächen, die ihn weit hinter den Erwartungen zurückstehen lassen.

Bewertung vom 02.05.2018
Auf zerbrochenem Glas / Nik Pohl Bd.1
Hartung, Alexander

Auf zerbrochenem Glas / Nik Pohl Bd.1


sehr gut

Die Idee, dass aus Nik Pohl noch ein erfolgreicher konventioneller Kriminalkommissar werden könnte, haben inzwischen alle aufgegeben. Auch wenn seine Ergebnisse stimmen, ist der Weg dorthin doch zu weit außerhalb des Gesetzes als dass es tolerabel wäre. Als ihn eines Abends ein Mann anspricht und prompt den Finger in seine wunde Stelle legt, hat Nik nichts entgegenzusetzen. Das spurlose Verschwinden einer jungen Frau wühlt den Fremden auf, er findet die Polizei habe den Fall zu schnell beiseitegelegt und Nik soll nun für ihn ermitteln. Widerwillig muss dieser sich beugen, es kommt ihm zunächst zwar auch etwas seltsam, aber noch nicht wirklich beunruhigend vor. Doch schnell pflastern Leichen seinen Spurenweg und er muss einsehen, dass er es mit mächtigen Gegnern zu tun hat, die nicht nur bestens in der Münchner Oberschicht vernetzt sind und an den entscheidenden Stellen ihre Leute sitzen haben, sondern auch keinen Gedanken an ein ausgelöschtes Menschenleben verschwenden.

Alexander Hartung ist mir als Krimiautor seiner Mannheimer Reihe um Kommissar Jan Tommen bereits bekannt, jetzt also eine neue Thriller-Reihe um Ermittler Nik Pohl in München. Der Auftakt hat durchaus Potenzial für eine überzeugende Reihe mit interessanten Figuren, wobei ich einräumen muss, dass für mich der Protagonist nicht unbedingt zu denjenigen gehören, die mich am meisten begeistern konnten. Im Gegenteil, hier sehe ich die größte Schwäche des Romans. Zwar ist die Anlage der Figur für den Verlauf der Handlung in dieser Form passend und auch logisch, aber mir werden hier doch ein paar Klischees zu viel bedient, die man in 90% aller Krimis und Thriller um Kommissare findet: der Haudrauf, der kein Gesetz kennt, der Hang zu maßlosem Alkoholkonsum, seine Verachtung für alle, die sich innerhalb der vorgegebenen Grenzen bewegen. Die Nebenfiguren Jon, der zunächst unbekannte Fremde, und dessen Helfer Balthasar wiederum fand ich recht innovativ und auch unterhaltsam und hoffe, dass diese in den Folgebänden auch noch mehr Raum bekommen.

Der Fall selbst erscheint zunächst recht unspektakulär mit der Suche nach einer spurlos Verschwundenen. Die Ermittlung schleppt sich dahin und weist schon zu Beginn ein recht hohes Maß an roher Gewalt auf, was doch sehr verwundert. Dies klärt sich jedoch im Laufe der Handlung und wird dadurch auch wiederum plausibel. Mit jedem Schritt wird das Ausmaß des Falles größer und verworrener und bringt immer wieder völlig neue und unerwartete Aspekte dazu. Mir fehlte jedoch ein wenig der Thrill, diese kaum aufzuhaltende Anspannung vor Sorge, dass irgendeine Figur es doch nicht überlebt und alles böse endet. Auch scheint mir in der Gesamtschau der Fall ein wenig zu viel von allem zu sein, um authentisch und glaubwürdig zu sein.

Nichtsdestotrotz fand ich den Roman so spannend, dass ich ihn kaum weglegen wollte und die nächste Katastrophe gespannt erwartete. Daher überzeugend als Krimi und vor allem in der Ausgestaltung der Geschichte.

Bewertung vom 23.04.2018
Everything about You
Child, Heather

Everything about You


gut

21-year-old Freya is not very happy with her life as it is: she is still living together with her ex-boyfriend Julian, her job just serves to earn money but is not actually promising a career and she still misses Judy who first was a friend and then moved in with Freya and her mother and became something like a real sister. When Julian is not interested in the latest technological device from his father, Freya accepts to use the high-tech personal assistant. Since she is still longing for Ruby who went missing without any trace, the assistant is modelled according to the young woman’s features: it can copy her voice, react just like Judy reacted and knows everything about Freya and Ruby. Can this virtual version of her sister also lead to the one in flesh and bone?

Since technology becomes more and more present in our everyday life and since we rely increasingly on our smart phones to do the thinking for us, the idea of this futuristic personal assistant was quite intriguing. Especially since we tend to ignore the negative side effects of handing over more and more data to these uncontrollable technical devices.

However, the novel did not hold up to the high expectations. I liked Freya’s first steps with her new assistant; her incredulously questioning where this machine got all the information from and how she slowly loses control over her life were portrayed in a really authentic way that is easy to imagine in the very near future. Then, however, the more the plot progresses and the more the whole story becomes a kind of computer game in a virtual reality environment, it was a bit too much for me. I am all but into computer games and not at all interested in any virtual realities where completely different rules apply and the unthinkable is possible. Thus, the moment we lost the track of reality I was more or less out. This might work better for those readers who are really into VR.

All in all, an interesting concept, yet a bit too unrealistic for my liking.

Bewertung vom 22.04.2018
Auster und Klinge
Loke, Lilian

Auster und Klinge


ausgezeichnet

Endlich wieder in Freiheit nachdem er wegen wiederholter Einbrüche im Gefängnis saß. Ein eigenes Restaurant ist der Traum von Victor, doch dafür benötigt er Geld und erst einmal muss er wieder auf die Füße kommen. Immerhin hat er bereits einen Job als Pizzafahrer. Bei einer Auslieferung in einem Bürokomplex lernt er zufällig Georg kennen, bei dem er auch vorläufig unterkommen kann. Georg ist Künstler – oder so etwas Ähnliches. An Geld scheint es ihm nicht zu mangeln, von den paar Stunden an der Volkshochschule kann er kaum leben. Es dauert bis Victor herausfindet, dass Georg Erbe eines großen Schlachtkonzerns ist, wo tagtäglich Tausende von Tieren getötet und weiterverarbeitet werden. Zu seiner Familie hat er nur selten Kontakt, zu sehr weichen seine Vorstellungen von jenen der Eltern und Geschwister ab. Georg finanziert Victors Traum vom eigenen Restaurant, doch dafür erwartet er auch eine Gegenleistung: Victor soll ihm beibringen, wie man in Häuser einsteigt. Nach dem Grund gefragt, antwortet er ausweichend, eine Art Kunstprojekt oder Installation. Bald schon wird die ganze Stadt davon wissen.

So wie die beiden Begriffe im Titel des Buchs – Auster und Klinge – schon nicht zusammen zu passen scheinen, so muten auch die beiden Protagonisten wie ein unmögliches Paar an: einerseits der wohlhabende und kunstaffine Georg, der es sich dank der finanziellen Rücklagen leisten kann, keinen Job wirklich machen zu müssen und sich um größere Dinge als die eigene Existenz Sorgen machen zu können. Auf der anderen Seite Victor, der als ehemaliger Häftling ganz am unteren Ende der Nahrungskette steht, dessen Frau ihn nicht mehr sehen möchte und der auf jeden Cent angewiesen ist, was eine gewisse Flexibilität bei der Jobwahl erzwingt.

So wie die Auster ein Luxusgut darstellt, das höchsten Genuss verspricht, ist die Klinge eher das zerstörerische Werkzeug oder eine Waffe. Der Titel erklärt sich durch das Buch nicht, weist aber durchaus durch seine surreale Verbindung der beiden Begriffe den Weg zur anarchistischen Kunst- und Weltauffassung Georgs, der die vorherrschenden Werte in Frage stellt.

Lilian Loke reißt gleich mehrere gesellschaftskritische Fragen in ihrem Roman an, obwohl dieser keineswegs so dramatisch ernsthaft daherkommt, wie es die Thematik nahelegen könnte. Ganz im Gegenteil, er ist voller Leben, bisweilen gar komisch und von einem überzeugend leichten Erzählton geprägt. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, inwieweit unsere Gesellschaft bereit ist, Straftäter wieder in ihrer Mitte aufzunehmen, ihnen eine Chance zu geben und die Fähigkeiten über die Straftat hinaus sehen zu wollen. Zum anderen die Massentierhaltung und die Ausbeutung asiatischer Arbeiter, die für kaum einen Dollar am Tag unsere Kleidung zusammennähen, was von Georg drastisch angeprangert wird. Wir wissen alle um diese Dinge, verschließen nur zu gerne die Augen und es benötigt solche Aktionen oder tragische Unglücke, um uns tatsächlich damit auseinanderzusetzen – was jedoch noch lange keine Verhaltensänderung bewirkt.

Ein bemerkenswerter Roman, der nicht nur durch seine inhaltliche Relevanz überzeugt, sondern vor allem das schriftstellerische Potenzial der Autorin unter Beweis stellt. „Auster und Klinge“ ist erst ihr zweiter Roman, man darf auf die folgenden gespannt sein.